| Titel: | Ueber das Sortiren der Körper von verschiedenem specifischen Gewichte und speciell über eine neue Maschine zum Reinigen des Getreides; vom Ingenieur Fischer in Bautzen. | 
| Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. X., S. 38 | 
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                        X.
                        Ueber das Sortiren der Körper von verschiedenem
                           specifischen Gewichte und speciell über eine neue Maschine zum Reinigen des Getreides;
                           vom Ingenieur Fischer in
                           Bautzen.
                        Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins,
                              1863 S. 263.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              I.
                        Fischer, über das Sortiren der Körper von verschiedenen
                           specifischen Gewichte.
                        
                     
                        
                           Der Widerstand, welchen in Flüssigkeiten sich bewegende Körper erfahren, findet eine
                              zahlreiche Anwendung auf dem Gebiete der Gewerbe, und zwar namentlich zur
                              Absonderung des Größeren von dem Kleineren, des Schwereren von dem Leichteren.
                           Derselbe ist (annähernd) folgenden Gesetzen unterworfen. Er ist proportional:
                           1) der Projection des Körpers, die Projectionsebene normal
                              gegen die Bewegungsrichtung angenommen,
                           2) dem Quadrat der (relativen) Geschwindigkeit.
                           Diese Gesetze lassen sich in einer Formel zusammenfassen, wenn F die oben bezeichnete Projectionsfläche, v
                              die Geschwindigkeit und A eine von der Natur der
                              Flüssigkeit abhängende Constante ist:
                           1)              P = A . F . v².
                           Hieraus folgt sofort, unter Bezeichnung des Körpervolumens mit V, des Gewichts einer Volumeneinheit mit G und
                              der Beschleunigung beim freien Fall mit g, die
                              Bewegungsänderung W, welche der Körper erfährt, als:
                           W = (F .
                              v²)/(V . G) . A . g = P/(V.G/g).
                           Setzen wir noch
                           G = sγ,
                           das heißt, gleich dem Producte aus specifischem Gewicht und
                              dem Gewichte einer Volumeneinheit Wasser, substituiren dieses in die letzte
                              Gleichung, so daß:
                           W = (F .
                              v²)/(V . s . γ) . A . g oder
                           W = (F .
                              v²)/(V . s) . (A . g)/γ entsteht,
                           
                           und führen für das constante Product (A . g)/γ
                              den Buchstaben B ein, so erhalten wir:
                           2)              W = B . (F . v²)/(V . s)
                           Nehmen wir die Kugel vom Durchmesser D als Normalform
                              aller hier zu betrachtenden Größen an, wozu wir aus leicht ersichtlichen Gründen
                              berechtigt sind, so erhalten wir ferner:
                           F = (D² . π)/4 und
                           V = (D³ . π)/6
                           wodurch sich, diese Werthe in Gleichung 2 eingeführt, letztere
                              ändert in:
                           W = B
                              (D² . π)/4. v² oder
                           (D² . π)/6 . s
                              
                           W = B .
                              ²/₃ . v²/(D . s).
                           woraus endlich, 2/3 B = C gesetzt, entsteht:
                           3)              W = C . v²/(D . s),
                           d.h. die Geschwindigkeitsänderung (Verzögerung oder
                              Beschleunigung) ist proportional dem Quadrate der (relativen) Geschwindigkeit,
                              umgekehrt proportional der Dicke und dem specifischen Gewichte der Körper.
                           Dieses erklärt es uns, warum uns der Wind wohl Staub in die Augen treibt, uns aber
                              mit dicken, schweren Steinen verschont; dieses rechtfertigt die Anwendung großer
                              Werkstücke bei Wasserbauten, und zwar um so größerer, je stärker die betreffende
                              Strömung.
                           Die Formel 3 gibt uns aber auch die Lehre, daß wir durch (relative) Bewegung fester
                              Körper in flüssigen, die schwereren jener von den leichteren trennen können.
                           Aus leicht ersichtlichen Gründen ist es, um zu einem bestimmten Beispiele
                              überzugehen, wünschenswerth, wenn ein gutes und verhältnißmäßig billiges Mehl
                              erzeugt werden soll, zu einer und derselben Mehlgattung eine und dieselbe
                              Körnerqualität zu verwenden. Der Landwirth weiß dieses, er weiß, daß er ein reines,
                              gleichförmiges Getreide besser bezahlt bekommt als ein gemischtes, weßhalb er, bei
                              Aufbereitung desselben außer dem Abscheiden der Spelzen, auch eine, wenn auch geringe, Sortirung im Auge
                              hat.
                           Zu beiden Manipulationen werden die Gesetze der Formel 3 praktisch verwendet; zur
                              Sortirung besonders noch der Erfahrungssatz:
                           
                              „Körner von einer und derselben Getreideart von gleicher Güte sind in der
                                 Regel von derselben Dicke und demselben Gewicht.“
                              
                           Das älteste und jetzt noch viel angewendete Verfahren der ersten Reinigung, das
                              „Werfen“ (Worpen, Wörpen), besteht darin, daß, nachdem die
                              aus den Aehren gewonnenen Körner an einem Ende der Dreschtenne aufgehäuft worden
                              sind, dieselben mittelst langstieliger, sogenannter Wurfschaufeln dem anderen Ende
                              der Tenne zugeworfen werden.
                           Diese Manipulation erfordert nicht allein was die Regelung des Windes anbetrifft
                              (derselbe darf entweder gar nicht, oder nur eben im geringen Maaße unter einem
                              gewissen Winkel der Wurfrichtung entgegen auftreten), sondern auch in Hinsicht des
                              Werfens selbst einiger Erfahrung und Geschicklichkeit, und ist außerdem mit
                              Zeitverlust verknüpft, sonst würde sie immer, vermöge ihrer vortrefflichen Wirkung,
                              den ersten Platz unter den Reinigungsmethoden des Landwirthes einnehmen.
                           Indem die Mischung von Spreu, leichten und schwereren Körnern mit gleicher
                              Geschwindigkeit gegen die Luft geworfen wird, verliert nach den oben näher
                              besprochenen Gesetzen die Spreu zunächst ihre Geschwindigkeit, sie fällt zunächst
                              auf die Tenne zurück; die leichten Körper folgen, diesen die schwereren u.s.f., so
                              daß sich in concentrischen Bögen die Qualitäten des Getreides abscheiden.
                           Die Spreu wird, im Verein mit den leichtesten Körnern, zur Viehfütterung verwendet,
                              die darauf folgenden Körner (die sog. Hinterfrucht) wandern als Zinsfrucht auf die
                              Böden der Regierung, oder als Sold für die mißliebigen Schullehrer und Prediger, die
                              mittlere Lage ist, vielleicht noch in mehrere Grade getheilt, Marktwaare, das
                              vordere, vollkörnige dient entweder zur Aussaat, oder – für den eigenen
                              Hausbedarf.
                           So vollkommen diese Methode, von geschickten Händen ausgeführt, auch ist, so mangelt
                              ihr doch, wie schon erwähnt, eine jetzt überall geforderte Eigenschaft – die
                              Massenproduction. Man hat deßhalb zu anderen Mitteln gegriffen, man erzeugt einen
                              künstlichen Luftstrom und läßt denselben sich gegen das regelmäßig vertheilte
                              Getreide bewegen. Hierdurch würde sich eine sichere, ebenso vollkommene wie die
                              zuerst besprochene Reinigung erzielen lassen, wenn man das Getreide durch den Wind
                              auf eine Fläche ausbreiten ließe, um dort eine ähnliche Absonderung zu bewirken, wie
                              wir sie bei dem Werfen sehen. Man thut dieses nicht, man begnügt sich vielmehr
                              damit, die Spreu und die leichtesten Körner auszublasen und höchstens mittelst Sieben die
                              fehlende Sortirung zu bewirken.
                           Dieses ist ein Rückschritt, durch welchen der Müller gezwungen wird außer der
                              endgültigen Reinigung auch auf eine Sortirung des Getreides Bedacht zu nehmen.
                           Eine höchst sinnreiche, bis jetzt wenig bekannte, dahin zielende Maschine, ist der
                              Verfasser im Stande hier mitzutheilen.
                           Gewöhnlich wird das Getreide, in die Mühle gekommen, zunächst irgendeinem Mechanismus
                              übergeben, welcher die beigemengten Erdklümpchen, Käfer u.s.w. zermalmt, und in
                              größerem oder geringerem Grade die Keimlappen und Rinden des Getreides entfernt.
                              Diese Maschine verlassend, fällt letzteres auf das Sieb a, Fig.
                                 26 und 27, dessen Maschen so groß, aber auch nicht größer sind, als zum
                              Durchfallen der stärksten Körner erforderlich ist. Größere Körper, als: kleine
                              Steine u.s.w. werden (in unserer Zeichnung) nach rechts abgeworfen. Das durch a gefallene Gut wird der Wirkung des Siebes b ausgesetzt, welches alle kleineren Körper, Staub, Sand
                              u. dgl. von den Körnern normaler Größe absondert, und letztere bei c einem kräftigen Luftstrome aussetzt. Die durch
                              denselben ausgeblasenen leichten Theile gelangen in den Raum d und fallen mit den durch b abgesonderten
                              Theilen rechts ab. Das brauchbare Getreide gelangt aber über die schiefe Ebene e in den Canal f, aus
                              welchem der Ventilator die nöthige Luft bezieht. Der Luftstrom in f wiegt nun, so zu sagen, jedes einzelne Korn ab, läßt
                              die als vollwichtig erscheinenden bei q entfallen, wirft
                              aber die zu leichten Körner in den Raum g, aus welchem
                              dieselben durch eine seitlich angebrachte Thür entfernt werden können.
                           Die Fenster h, h gestatten ein bequemes Beobachten des
                              Vorganges; Verfasser war überrascht, als er denselben zum ersten Male in der
                              Godehardi-Mühle zu Hildesheim beobachten konnte.
                           Die Klappe i dient zur Regulirung des Luftstromes.
                           Während des Ausleerens des Raumes g wird der Ventilator
                              die nöthige Luft auf dem bequemeren Wege durch die geöffnete Thür entnehmen, so daß
                              innerhalb des Canales f der oben besprochene
                              Abwägungsproceß nicht stattfinden kann. Man schneidet deßhalb während dieser Zeit
                              durch Aufschlagen der Klappe N den Getreidezufluß
                              ab.
                           Die Siebe a und b befinden
                              sich in einem auf vier Federn l, l ruhenden Kasten, der
                              durch eine seitlich angebrachte (im Grundriß sichtbare) Kurbelwelle die nöthige
                              rüttelnde Bewegung erhält. Eine so sorgfältige Reinigung und gleichzeitige Sortirung
                              des Getreides, wie sie hier besprochen wurde, dürfte aber nur in Norddeutschland,
                              England, Nordamerika und
                              Frankreich für nothwendig gehalten werden. Die Oesterreicher, ein Theil von den
                              Sachsen u.s.w. reinigen ihr Getreide nur nothdürftig und verwenden mehr Sorgfalt auf
                              Sortirung des Grieses (Prager Mahlsystem.) Aber auch hier kann der Widerstand den in
                              der Luft sich bewegende Körper erfahren, nicht entbehrt werden. Ein künstlich
                              erzeugter Luftstrom treibt den reichen in einem sogenannten Cylinder behandelten
                              Gries in verschiedene hinter einander befindliche Kästen, wobei der schwerere,
                              bessere in die vorderen, die leichteren, geringeren Sorten aber in die hinteren
                              Kästen fallen.
                           In neuerer Zeit scheint es endlich zu gelingen, die Ventilation der Mühlsteine mehr
                              und mehr einzuführen. Diese besteht bekanntlich darin, daß man auf irgend eine Weise
                              einen Luftstrom zwischen den Mahlflächen erzeugt, und zwar am besten in der Richtung
                              von innen nach außen. Vergleichen wir die vorliegenden praktischen Resultate dieser
                              Ventilation, so können wir nicht umhin sie vollkommen der obigen Formel (3)
                              untergeordnet zu bezeichnen. Indem der Luftstrom zwischen den Mahlflächen sich nach
                              der Peripherie derselben bewegt, reißt er die bereits genügend zerkleinerten
                              Mehltheilchen mit sich fort, den Mahlflächen nur die noch zu bearbeitenden
                              überlassend. Der Luftstrom läßt also die nicht unbedeutende Arbeit, welche nutzlos
                              auf die zunächst genannten Mehltheilchen verwendet werden würde, ersparen, er
                              vergrößert die nutzbare Mahlfläche für die noch zu zerkleinernden Mehlkörper, er
                              ermöglicht eine größere Mehlproduction bei derselben Betriebskraft und verhindert
                              ein Warmwerden des Mehles, indem es jetzt an überflüssiger mechanischer Arbeit
                              fehlt, die sich in Wärme verwandeln könnte.
                           Auf ähnliche Weise verwenden Schmirgelfabrikanten u. dgl. das besprochene
                              Naturgesetz. Es werden durch einen künstlich erzeugten Luftstrom zunächst die
                              kleineren Körner von den größeren getrennt, letztere kehren zu den
                              Verkleinerungsmechanismen zurück, während erstere durch den Luftstrom nach einem in
                              Fächer getheilten Zimmer geführt werden, in welchem dieser seine Geschwindigkeit
                              verliert und zugleich den Schmirgel in die nach den Feinheitsnummern geordneten
                              Fächer fallen läßt. Die Luft tritt hier also zunächst activ auf, indem sie die
                              feineren Körner mit sich fortreißt, sie wirkt passiv, indem sie dem Niederfallen der
                              Körper einen Widerstand entgegensetzt.
                           Das Wasser, welches unter den tropfbar-flüssigen Körpern denselben Platz
                              einnimmt, wie die Luft unter den elastisch-flüssigen, wird ebenfalls vielfach
                              zur praktischen Verwendung des in Formel 3 enthaltenen Satzes benutzt. Namentlich
                              verwendet man es zu dem sogenannten Schlämmen. Des mangelnden Raumes wegen
                              unterlassen wir die Besprechung hierhergehöriger specieller Fälle, da überhaupt
                              unsere Hauptabsicht war, auf eine Naturerscheinung hinzuweisen, die größere
                              Aufmerksamkeit seitens der Techniker verdient, als ihr bisher geschenkt wurde.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
