| Titel: | Das Paraffin, dessen Aufbereitung aus Torftheer und Verwendungsarten; von Dr. J. J. Breitenlohner, Chemiker der erzherzoglichen Torfproductenfabrik zu Chlumetz in Böhmen. | 
| Autor: | J. J. Breitenlohner | 
| Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. XV., S. 60 | 
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                        XV.
                        Das Paraffin, dessen Aufbereitung aus Torftheer
                           und Verwendungsarten; von Dr. J. J.
                              Breitenlohner, Chemiker der erzherzoglichen Torfproductenfabrik zu
                           Chlumetz in Böhmen.
                        Breitenlohner, über das Paraffin, dessen Aufbereitung aus Torftheer
                           und Verwendungsarten.
                        
                     
                        
                           Das Paraffin wurde bekanntlich vor dreiunddreißig Jahren von Reichenbach im Buchenholztheer entdeckt. Nach ihm haben es Selligue in Frankreich und Jobard in Belgien aus bituminösem Schiefer, der Irländer Reece aus Torf, Young in
                              England und Amerika aus Boghead-, Cannel-Kohle und anderen bituminösen
                              Stoffen fabrikmäßig dargestellt. P. Wagenmann gebührt das
                              Verdienst, diese Fabrication nach Deutschland verpflanzt und mit vielen Erfindungen
                              und Verbesserungen bereichert zu haben. In den westlichen Staaten Amerikas hat
                              gegenwärtig die Einführung der Kerosine oder Erdöle und des Paraffins die
                              gespannteste Aufmerksamkeit auf die Kohlendistricte und Petroleumquellen
                              hingelenkt.
                           Unter Paraffin versteht man verschiedene, mehr oder minder feste Kohlenwasserstoffe,
                              die aus denselben Elementen nur mit wechselnden Atomzahlen bestehen und eine mit dem ölbildenden Gase
                              gleiche procentische Zusammensetzung haben. Es ist somit kein isolirter Körper,
                              sondern ein Gemenge einer Reihe homologer Kohlenwasserstoffe, welche den
                              kohlenstoffreichsten Alkoholen entsprechen, und das zuvörderst je nach seiner
                              Abstammung und Darstellungsweise Abweichungen in Dichte und Schmelzpunkt erkennen
                              läßt. Erstere schwankt um 0,870, letzterer liegt zwischen 45° C. und
                              60° C., welche Grenzpunkte durch die Paraffine aus Buchenholz und bituminösem
                              Schiefer gegeben sind.
                           Allgemein genommen ist das Paraffin ein Product der trockenen Destillation von Torf,
                              Lignit, Braunkohle, Cannel-, Parrot-, Bogheadkohle, fetter bituminöser
                              Steinkohle, bituminösem Schiefer, Sand und Thon, Asphalt, Erdpech und Erdwachs. Alle
                              bituminösen Körper und fossilen Brennstoffe des tertiären Gebirges und der jüngsten
                              Formattonen welche in dem Uebergang in Kohle begriffen sind, liefern einen Theer,
                              der um so paraffinreicher ist, je jünger sie sind. Torf, als der neueren Bildung
                              angehörig, gibt durchschnittlich 0,35 Procent Paraffin, welches durch seine
                              krystallinische Structur und alabasterne Transparenz alle anderen unstreitig
                              übertrifft. Ferner findet es sich im Ruß, in den meisten Bergölen, die den Namen
                              Naphta oder Petroleum führen, sowie unter den Producten der trockenen Destillation
                              thierischer Abfälle und des Wachses.
                           Der Ausspruch, daß das Paraffin schon gebildet in den Rohmaterialien, die zu seiner
                              Gewinnung angewandt werden, existire, ist nur relativ zu nehmen. Gleichwohl ist das
                              Paraffin mit dem Hatchettin und dem Scheererit procentisch gleich zusammengesetzt
                              und existirt schon fertig gebildet im Ozokerit, in der Guachitakohle, in den meisten
                              Bergölen und mehreren bituminösen Fossilien ähnlichen Ursprungs; auch soll mit
                              Aether extrahirte Bogheadkohle oder Bogheadschiefer an diesen eine Substanz in
                              Lösung geben, welche identisch ist mit Paraffin. Auszüge aus Torf und älteren
                              fossilen Brennstoffen bestätigen die Präexistenz des Paraffins keineswegs.
                           Bei den vorbenannten bituminösen Stoffen haben wir es denn schon mit einem Producte
                              der trockenen Destillation zu thun, wobei das Hängende gewisser Gebirgsschichten die
                              Condensation und Absorption bewerkstelligte. In den übrigen Fällen ist das Paraffin
                              vielmehr ein secundäres Zersetzungsproduct vegetabilischer Harze und thierischer
                              Fette, und bildet sich mehr oder weniger je nach der angewandten Temperatur.
                              Naphtalin, Anthracen, Chrysen und Pyren sind nur stellvertretende
                              Zersetzungsproducte desselben. So geht bei der trockenen Destillation des Torfes
                              zuletzt paraffinreiches Anthracen über, welches von den heftig entweichenden Gasen durch
                              sämmtliche Kühlungen fortgerissen wird, und sich erst in Berührung mit Luft als
                              gelbbrauner, schmieriger, krystallinischer Ueberzug efflorescenzartig an kälteren
                              Gegenständen ansetzt. Bei Torf ist eine allmähliche Anheizung und schließliche
                              Steigerung der Temperatur unbedingt nothwendig, um reinen, paraffinreichen Theer zu
                              erzielen. Bei zu rasch erhöhtem Hitzegrade treten schon anfänglich dichte, gelbliche
                              Dämpfe in Masse auf, die mit anthracenreichem Paraffin beladen sind.
                           Die Aufbereitung des Torftheeres zerfällt in vier wesentliche Momente. Der letztere
                              Antheil der gebrochenen Destillation des Theeres wird gereinigt und abermals
                              gebrochen destillirt; sodann wird die dabei gewonnene consistentere Paraffinmasse
                              gepreßt, und das Preßgut schließlich mit Vitriolöl gereinigt. Alle weiter
                              angeführten Daten sind die Mittel von zwölf Betriebsoperationen.
                           Resultate der fractionirten Destillation
                                 des wasserfreien Theeres.
                           
                              
                                 Rohöle und chemisch gebundenes Wasser
                                   35,3 Proc.
                                 
                              
                                 consistente Paraffinmasse
                                   48,2   „
                                 
                              
                                 Kohks
                                   10,4   „
                                 
                              
                                 Gase
                                     6,1   „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           Die Behandlung der Paraffinmasse geschieht in einem hölzernen Mischbottich, der schon
                              mehrere Jahre ohne Nachtheil zu diesem Zwecke verwendet wird. Ist einmal das Holz
                              mit paraffinhaltigen Oelen, die das beste Schutzmittel gegen Säuren und Alkalien
                              sind, imprägnirt, dann halten solche Gefäße, die auch zur Behandlung der Oele
                              verwendet werden könnten, sehr lange aus. Die Masse wird mit directem Dampf flüssig
                              gemacht, und nachdem das condensirte Wasser abgezogen ist, bei einer Temperatur von
                              45 bis 50° C. mit 10 Proc. englischer Schwefelsäure von 1,767 Dichte eine
                              Stunde tüchtig durchgerührt. Dabei findet noch eine Erhöhung der Temperatur statt,
                              die bis 50 und 55° C. steigen kann. Der Schwefelsäurerückstand wird nach
                              einstündiger Ruhe sorgfältig abgezogen, und die Masse mit Wasser und Dampf
                              mehreremale gewaschen. Durch neuerliche Dampfeinleitung wird die Temperatur der
                              Masse auf 60° C. gebracht und nach Entfernung des Wassers mit 7,5 Proc.
                              Aetznatronlauge von 1,357 Dichte abermals eine Stunde gut durchgerührt. Zur
                              vollständigen Ausscheidung des Wassers, welches die Paraffinmasse hartnäckiger, als
                              die Oele, zurückbehält, wird jedesmal vor der eigentlichen Hinzufügung des
                              Reinigungsmateriales eine kleine, besondere Quantität davon zugesetzt, gemischt und
                              abgezogen. Man beseitigt dadurch noch beträchtliche Mengen des absorbirten Wassers.
                              Durch die Abfälle wird
                              eine gewisse Menge Paraffin entführt, indem es mitsammt den Verunreinigungen von der
                              Schwefelsäure und Lauge fortgerissen wird, und das man unvermeidlich dabei belassen
                              muß. Dieser Verlust ist bei Paraffin überhaupt größer, als bei der Behandlung der
                              Oele.
                           Resultate bei der Reinigung der
                                 Paraffinmasse durch Schwefelsäure und Lauge.
                           
                              
                                 Behandelte Paraffinmasse
                                   76,4 Proc.
                                 
                              
                                 Abfall durch Schwefelsäure
                                   12,2    „
                                 
                              
                                 Abfall durch Lauge
                                     9,3    „
                                 
                              
                                 Waschverlust
                                     2,1    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           Nach Entfernung des Laugerückstandes wird die Masse ohne weitere Waschung noch warm
                              in die Kessel übertragen. Diese sind liegende, cylindrische Retorten aus
                              Schmiedeeisen und fassen bis 30 Centner. Sie ruhen auf einem Gittergewölbe von
                              feuerfesten Ziegeln und werden seitlich von der Feuerluft direct umspült. Etwa zwölf
                              Stunden nach der Anheizung beginnt die Destillation. Sie wird anfänglich sehr
                              langsam geleitet, bis 25 Procent Oele separirt sind. Diese besitzen eine Dichte von
                              0,855 bis 0,870, durchschnittlich 0,860 und liefern bei ihrer Aufbereitung zu
                              Hydrocarbüren sehr reine Producte. Nach dem Abzug der Oele wird das Zulaufwasser in
                              die Kühler allmählich abgesperrt und stärker nachgefeuert. Um diese Zeit beginnen
                              gewöhnlich die Gase zu brennen, welche in die Feuerung geleitet werden. Die nun
                              übergehende Paraffinmasse wird in den wannenförmigen Vorlagen gemischt und sodann in
                              flache, hölzerne Geschirre geschüttet, die sich leicht transportiren lassen. Das
                              Ende der Destillation, welche durchschnittlich 36 Stunden beansprucht, gibt sich
                              neben dem häufigeren Auftreten von Gasen schon durch die Farbe des Destillats zu
                              erkennen. Sobald daher dieses den Dichroismus, der in das Lauchgrüne spielt,
                              verliert, wird der Rest, welcher eine gelbgrüne Farbe und griesige Beschaffenheit
                              hat, in besonderen Geschirren aufgefangen. Dieser anthracenhaltige Antheil, welcher
                              auch trotz dem kochenden Kühlwasser die nicht genug fälligen Serpentinen verstopft,
                              wäre bei der Reindarstellung des Paraffins nicht ohne Nachtheil.
                           Resultate der Destillation der behandelten
                                 Paraffinmasse.
                           
                              
                                 Oele
                                   25,5 Proc.
                                 
                              
                                 Paraffinmasse
                                   66,5    „
                                 
                              
                                 Kohks
                                     2,6    „
                                 
                              
                                 Gase
                                     5,4    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           
                           Die Paraffingeschirre verbleiben in den Wintermonaten in den Fabrikräumen und werden
                              nur im Hochsommer in den Eiskeller geschafft. In längstens einer Woche ist die
                              stechbare Masse hinlänglich consistent und preßfähig. Man packt sie in starke
                              wollene Tücher und schichtet die einzelnen gleichmäßigen Lagen sorgfältig zwischen
                              blechernen Platten auf den Kolbenkopf der hydraulischen Presse. Anfänglich wird sehr
                              behutsam angezogen, um ein Zerreißen der Tücher und Verspritzen der Masse zu
                              verhüten. Nach Abfluß des größten Theiles des Oels und Ausgleich der Verschiebungen
                              wird in Absätzen mit voller Kraft gepreßt und allmählich zur höchsten Druckäußerung
                              gestiegen. Eine einmalige energische Pressung genügt vollkommen, wenn man immer die
                              ölfeuchteren Ränder der Preßkuchen abbricht und einer folgenden Parthie zupackt. Die
                              zu Kuchen vereinigten, fettig anzufühlenden Krystallblättchen sind, frisch aus den
                              Tüchern geschlagen, perlmutterglänzend und gelblichweiß, ändern jedoch bald,
                              besonders an Licht und Luft, diese Farbe ins Rothbraune um. Das abgepreßte Oel,
                              welches eine durchschnittliche Dichte von 0,905 zeigt, wird weiter wieder auf
                              Paraffin und Hydrocarbüre aufbereitet.
                           Resultate beim Pressen der destillirten
                                 Paraffinmasse.
                           
                              
                                 
                                 Im Winter.
                                 Im Sommer.
                                 
                              
                                 Preßkuchen
                                 21,6 Proc.
                                 18,2 Proc.
                                 
                              
                                 Oele
                                    75,3    „
                                    78,3    „
                                 
                              
                                 Verlust
                                     
                                    3,1    „
                                     
                                    3,5    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                  100,0 Proc.
                                  100,0 Proc.
                                 
                              
                           Wie man bei der Vergleichung dieser Werthe ersieht, resultirt im Winter eine
                              verhältnißmäßig größere Ausbringung von Preßkuchen, als im Sommer. Dieser Ueberschuß
                              rührt großentheils von solchen nieder construirten Paraffin-Homologen her,
                              die im Sommer selbst auf dem Eise schwer herauskrystallisiren oder sich theilweise
                              während der Manipulation verflüssigen, obwohl stets nur kleine Quantitäten aus dem
                              Eiskeller in die kühle Preßkammer gelangen. Auf das Vorhandenseyn dieser Homologen
                              deutet schon die Thatsache, daß das aus diesen Kuchen unter sonst gleichen Umständen
                              dargestellte Paraffin wohl geruchlos, alabasterweiß, aber weich und fettig
                              anzufühlen ist. Es zieht sich schon in kurzer Zeit selbst in Platten krumm und zeigt
                              einen Schmelzpunkt von 46° C. Um der Beeinträchtigung des Productenwerthes
                              durch diese niederen Kohlenwasserstoffe zu begegnen, wird die gewöhnliche
                              Behandlungsmenge der Schwefelsäure bei der weiter zur Sprache kommenden Digestion um
                              6 Procent und bei der Endreinigung um 5 Procent erhöht. Die Sättigung der Oele mit
                              Paraffin erschwert namentlich in den Wintermonaten die Reinigung und Anwendung
                              derselben, obwohl sie mit intensivem Lichte brennen, ungemein; denn es hängt bei der
                              continuirlichen Reihe der Homologen von den flüssigen zu den festen Körpern
                              lediglich von dem Temperaturgrade ab, den Flüssigkeitszustand des einen oder anderen
                              aufzuheben.
                           Die Preßkuchen gelangen nunmehr zur Digestion mit rauchender Schwefelsäure. Zu diesem
                              Zwecke bestanden früher geräumige Glasretorten, die aber fast bei jeder Operation
                              dem Verderben unterlagen. Die Incrustation der kohligen Abscheidungen haftet so fest
                              und innig im Retortenbauche, daß sie nur im günstigsten Falle mit vieler Mühe,
                              Sorgfalt und Zeitaufwand herausgeschafft werden können. Man erleichterte sich die
                              Sache, indem man zur erstmaligen Digestion englische Schwefelsäure anwendete. Auch
                              das Verfahren von Reichenbach Sohn, das Paraffin über
                              Vitriolöl zu destilliren, blieb nicht unversucht. Außer, daß sich mit der Ausführung
                              dieser Methode viele Schwierigkeiten verknüpfen, ist das Paraffin wohl sehr schön
                              weiß, seiner schmierigen Beschaffenheit wegen jedoch durchaus nicht verwendbar.
                           Gegenwärtig werden zur Digestion galeerenartig in Sandbädern angeordnete Thonretorten
                              mit abnehmbarem Helm und einem Fassungsraum von 25 Pfd. verwendet. Sie sind sehr
                              dauerhaft und leicht zu handhaben. Die schweflige Säure, welche sonst den Aufenthalt
                              in dem Arbeitsraum unmöglich machen würde, entweicht nach Passirung einer
                              geschlossenen Vorlage in den Schornstein. Das Preßgut wird zweimal mit je 33,3
                              Procent Vitriolöl von 1,767 Dichte digerirt. Die Temperatur darf dabei 300°
                              C. nicht erreichen. Nach zehnstündiger Heizung verbleiben die Retorten über Nacht im
                              Sandbade, worauf das Paraffin decantirt und in Brode ausgegossen wird.
                           Die Schwefelsäure muß frei von Salpetersäure seyn, welche Verunreinigung bei der
                              gegenwärtigen Fabrication des Nordhäuser Vitriolöles öfter vorkommt. Englische
                              Schwefelsäure oder eine Mischung mit Vitriolöl ist nicht anwendbar, weil das
                              Torfparaffin wegen des überreichen Gehalts des Theers an kreosotigen und harzigen
                              Körpern einen sehr energischen Angriff verlangt. So wenig zu läugnen ist, daß die
                              vorläufige Digestion auf Geruchlosigkeit, Härte und Trockenheit des Paraffins einen
                              entschieden günstigen Einfluß ausübt und die Sicherheit des Erfolges für sich hat,
                              ist dieser vor der Schlußreinigung eingeschaltete Durchgangsproceß nicht in dem
                              Maaße geeignet, fortschrittlich zu befriedigen, als ohne zugleich erzielte
                              Verbilligung des Productes die Vollkommenheit der Methode nicht denkbar ist, an
                              Betriebsumwälzungen aber Schwierigkeiten herantreten, die theilweise in der Natur
                              des Gegenstandes begründet sind. Die Methoden der Paraffinaufbereitung sind eben noch lediglich
                              Experimente und werden wegen der Verschiedenheit der Ausgangsstoffe nie das Recht
                              ihrer Vollgültigkeit in Anspruch nehmen können.
                           Resultate der Digestion des Preßgutes mit
                                 Vitriolöl.
                           
                              
                                 
                                 Im Winter.
                                 Im Sommer.
                                 
                              
                                 Digerirtes Paraffin
                                 67,8 Proc.
                                 69,3 Proc.
                                 
                              
                                 Verlust
                                   32,2    „
                                   30,7    „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 100,0
                                 
                              
                           Zur Reindarstellung des Paraffins besitzt die Fabrik doppelwandige, mit Blei
                              gefütterte Kessel aus Schmiedeeisen. Ein kleiner Dampfkessel liefert die nöthige
                              Dampfspeisung. Es werden jedesmal nur 60 Pfd. digerirtes Paraffin in Arbeit
                              genommen, da die Resultate um so günstiger ausfallen, je kleiner die Menge ist. Zur
                              Erzielung der größtmöglichen Homogenität ist es sehr vortheilhaft, sowohl nach dem
                              Pressen als nach jeder Digestion das ganze Behandlungsquantum
                              zusammenzuschmelzen.
                           Das mittelst Dampf geschmolzene und auf der Temperatur des siedenden Wassers
                              erhaltene Paraffin wird mit 41,7 Proc. rauchender und 8,3 Proc. englischer
                              Schwefelsäure von 1,767 Dichte derart behandelt, daß man zuerst von 25 Pfd.
                              Vitriolöl je 5 Pfd. zusetzt, eine Stunde gut durchmischt, absetzen läßt und abzieht.
                              Die Einwirkung der zwei ersteren Portionen Schwefelsäure ist noch sehr energisch.
                              Die Masse schwärzt und verdickt sich dabei und wird, wenn man länger als eine Stunde
                              rührt, zuletzt so zäh und schleimig, daß sie kaum vom Rührlöffel abfließt. Eine
                              fortgeschrittene Verdickung ist insofern nachtheilig, als das Paraffin dann immer
                              trüb und gefärbt zum Ausgießen gelangt. Während der weiteren Behandlung wird die
                              Masse allmählich flüssiger und lichter. Man zieht die Rückstände mit einem
                              Ueberschuß von Paraffin ab, das man durch Aufgießen von Wasser wieder gewinnen und
                              einer folgenden Parthie hinzufügen kann. Schließlich werden 5 Pfund englische
                              Schwefelsäure zugesetzt. Diese bewirkt ein vollständiges Niederschlagen der kohligen
                              Suspensionen und eine rasche Klärung. Ein Wechsel der Säuren während des Processes
                              oder ein Gemenge derselben würde dagegen das Entgegengesetzte herbeiführen und ein
                              unansehnliches Product geben.
                           Nach erfolgter Klärung wird das Paraffin vorsichtig über der Schwefelsäure abgezogen
                              und in einer Wanne mit viel lauem Wasser portionenweise gewaschen. Das gewaschene
                              Paraffin läßt schon deutlich erkennen, ob es mehr oder weniger gelungen ist. Das
                              Aussehen desselben ist bei genau gleichförmiger Behandlung sehr ungleich. Bald ist
                              es biegsam, matt bis
                              blendend weiß und läßt sich in große Klumpen zusammenballen; bald ist es spröde,
                              spiegelnd und glänzend mit einem Stich in's Grauliche, Bläuliche oder Gelbliche und
                              zerbröckelt und zerkrümmelt sich in lauter kleine Stücke. Die Waschwasser sind in
                              diesem Falle klar, im ersteren etwas milchig getrübt. Klare Waschwasser lassen
                              selten ein ganz gelungenes Product erwarten.
                           Nach dem Auswaschen kommt das Paraffin in den gescheuerten Kessel zurück und wird
                              über einem gleichen Theil Wasser geschmolzen. Dieses Aussüßen bei der Temperatur des
                              siedenden Wassers wird mehreremale wiederholt, bis die anfängliche Trübung einer
                              größeren Klarheit gewichen ist, wozu gewöhnlich fünf Waschungen hinreichen. Diese
                              Trübung rührt von einer eigenthümlichen Substanz her, die, so zu sagen, in zwei
                              Paraffinmodificationen unterschieden werden kann und neben der Ausbringung
                              hauptsächlich auf das Ansehen des fertigen Productes einen wesentlichen Einfluß hat.
                              Schon beim ersten Aussüßen scheidet sich diese Substanz mehr oder weniger aus,
                              suspendirt sich theils im Wasser, wovon sie auch eine sehr große Menge sattmilchig
                              zu färben vermag, oder schwimmt im geschmolzenen Paraffin wolkig herum. Sie gab in
                              der Praxis zu verschiedenen falschen Annahmen Veranlassung, und da man aus Erfahrung
                              wußte, daß bei einem großen Abgang durch die Waschwasser kein schönes Product
                              resultirt, sie aber dennoch als Verunreinigung betrachtete, so suchte man dem
                              Paraffin durch Beimengung fremdartiger Stoffe mehr Körper zu verleihen.
                           Die eine Modification ist in den Waschwassern sehr fein vertheilt und wird im
                              Verlaufe des Aussüßens beseitigt; die andere schwebt zwischen dem Wasser und dem
                              Paraffin. Diese fließt dicklich ab, fühlt sich feingrießig an, klumpt und ballt sich
                              im kalten Wasser zusammen und läßt sich leicht zerbröckeln und zerkrümmeln. Ihre
                              Krystallisationsneigung ist sehr groß. Man findet im Innern größerer Mengen oft sehr
                              schön verfilzte Nadeln und körnige Gruppen. Diese Modification ist für das Gelingen
                              des Paraffins nicht gleichgültig. Man zieht daher das milchige Wasser bis zu dieser
                              Schichte ab und wäscht wiederholt mit viel Wasser aus, worauf sie wieder mit dem
                              Paraffin zusammengeht. Scheidet sie sich in zu großer Menge aus, und wird sie
                              gänzlich abgezogen, so erhält das Paraffin, wenn es ausgegossen noch so klar und
                              durchsichtig ist, immer einen graulichen, bläulichen oder gelblichen Stich. Es fühlt
                              sich dabei etwas fett an, und nach einiger Zeit erscheinen ölige Absonderungen, die
                              sich in kleinen Aushöhlungen zu tropfenförmigen Ansammlungen vereinigen. Es ist auch
                              weicher und zieht sich bald krumm. Das übermäßige Auftreten dieses Körpers ist stets
                              ein Beweis, daß man mit
                              der Anwendung der Schwefelsäure zu weit gieng oder beim Aussüßen zu vorzeitig oder
                              zu viel Aetzlauge hinzufügte. Diese Modificationen und ihre Eigenschaften sollen bei
                              einer anderen Gelegenheit ausführlicher besprochen werden.
                           Nach Beendigung der erforderlichen Aussüßung und Erneuerung des Wassers wird 0,15
                              Proc. Aetznatronlauge von 1,360 Dichte hinzugefügt und das Ganze mit einem Glasstab
                              tüchtig durchgepeitscht. Die Masse trübt sich augenblicklich und wird etwas
                              dicklich. In diesem Zustande ist das Paraffin selbst nach stundenlanger Ruhe nicht
                              auszugießen. Früher hat man, um sofort ausgießen zu können, durch Verseifung mit
                              Stearinsäure und Lauge eine durchgreifende und rasche Klärung herbeiführen wollen,
                              durchgehend aber trübes Paraffin erzielt. Diesen Uebelstand kann man auf
                              mechanischem Wege einfach beheben, wenn man das Paraffin über Nacht langsam erkalten
                              läßt und den anderen Tag wieder aufschmilzt, wornach es sich vollkommen klar und
                              durchsichtig absetzt. Sodann wird es bei einer Temperatur von ungefähr 60° C.
                              in Tafelform vergossen, wobei es weder schäumen noch Blasen werfen darf. Bei einer
                              höheren Temperatur wird die Oberfläche der Tafeln faltig und verschrumpft. Es ist
                              vortheilhaft, die Blechformen im Sommer auf das Eis zu bringen, da bei der großen
                              Krystallisationsneigung des Paraffins leicht ein bläulicher Stich hervortritt. Diese
                              Neigung ist um so größer, je stärker die Platten sind und je langsamer die Abkühlung
                              erfolgt.
                           Ein einmal mißlungenes Paraffin wird durch Nachbehandlung immer unansehnlicher. Beim
                              Auswaschen scheiden sich meist schwarzbraune Flocken ab, die in allen Höhen
                              schweben, theilweise sich an der Oberfläche in größeren Parthien ansammeln und das
                              Wasser sehr schmutzig färben. Je länger man wäscht, desto trüber wird die Masse,
                              welche sich auch nach wiederholtem Abkühlen und Aufschmelzen nicht abklären läßt.
                              Beim Abziehen findet sich dieser Schmutz häufig an der Berührungsfläche der
                              Wasserschichte, worauf eine dickliche, träge fließende, vom Schmutz braun gefärbte
                              Substanz folgt, welche die zweite Paraffinmodification enthält. Das Paraffin
                              verliert dabei die körnig-krystallinische Structur und nimmt einen gelblichen
                              Ton an. Es läßt sich wieder aufbessern, wenn man es beim Aussüßen einer frischen
                              Reinigungsparthie zuschmilzt.
                           Die Indifferenz des Paraffins gegen concentrirte Schwefelsäure und Aetzalkalien ist
                              nicht so ausgesprochen, als man zu glauben geneigt ist. Das Vitriolöl zerstört nicht
                              bloß die Verunreinigungen, die Oele und die paraffinartigen Körper niederer
                              Zusammensetzung, auch die höchst constituirten Kohlenwasserstoffe bleiben davon
                              nicht unangegriffen; denn Dichte und Schmelzpunkt nehmen von den Kuchen zum fertigen
                              Paraffin allmählich ab
                              und liegen in der zweiten Modification am höchsten. Bei längerer Einwirkung von
                              Vitriolöl und Aetzlauge finden auch Zersetzungen statt, deren resultirende Körper
                              mehr und mehr aus der Indifferenz heraustreten und theils saure, theils basische
                              Eigenschaften anzunehmen scheinen. Diese innere Veränderung von Paraffinantheilen
                              manifestirt sich durch die Wechselerscheinungen, welche in den verschiedenen
                              Behandlungsstadien sich wahrnehmen lassen. Sie treten so mannichfaltig auf, daß es
                              schwierig ist, sich darüber ein richtiges Urtheil zu bilden und dadurch
                              Anhaltspunkte für die Art des weiteren Angriffs zu gewinnen; so unscheinbar diese
                              Wechselerscheinungen sind und so schwer sie sich begrenzen lassen, müssen sie doch
                              als leitende Symptome festgehalten werden.
                           Resultate der Reindarstellung des
                                 digerirten Paraffins.
                           
                              
                                 
                                 Im Winter.
                                 Im Sommer.
                                 
                              
                                 Reines Paraffin
                                 84,8 Proc.
                                 85,7 Proc.
                                 
                              
                                 Verlust
                                   15,2    „
                                    14,3    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                  100,0
                                 
                              
                           Die Mehrausbeute in den Sommermonaten ist nur relativ. Thatsächlich entfällt, wie die
                              folgende Tabelle zeigt, in den Sommermonaten weniger als in den Wintermonaten; die
                              wirkliche Ausbeute steht dagegen im verkehrten Verhältniß. Die Dichte des reinen
                              Paraffins ist 0,877, sein Schmelzpunkt liegt zwischen 48 und 52° C.
                           
                              
                                 100 Pfd.
                                 
                                    Preßkuchen
                                    
                                 
                                    digerirtes
                                    
                                 
                                    reines
                                    
                                 
                              
                                 
                                    Paraffinmasse
                                    
                                 in Pfunden
                                 
                                    Paraffin aus
                                       Kuchen
                                    
                                 
                              
                                 geben:
                                 oder Procenten.
                                 in Pfunden.
                                 in Procent.
                                 in Pfden.
                                 in Procent.
                                 
                              
                                 in den Wintermonatenin den Sommermonat.
                                 21,618,2
                                 14,512,6
                                 67,869,3
                                 12,310,8
                                 57,559,4
                                 
                              
                                 Differenz
                                   3,4
                                   1,9
                                 –1,5
                                   1,5
                                 –1,9
                                 
                              
                           Ein gelungenes Paraffin hat krystallinische Structur, ist klingend, durchscheinend,
                              geschmacklos, geruchlos, farblos, schwach biegsam, schlüpfrig trocken anzufühlen,
                              ohne fettig abzuschmutzen. Seine Neigung zum Krystallisiren ist sehr groß. Dabei
                              wird es undurchsichtig und zieht sich bedeutend zusammen. Aus schweren Kohlenölen
                              krystallisirt es in schönen Tafeln und Blättchen; mit leichten, damit gesättigten
                              Oelen entsteht hingegen eine gelatinöse, aufgequollene Masse, ähnlich der warmen Lösung desselben in
                              Aether. Ferner ist es löslich in Benzol, Chloroform, Schwefelkohlenstoff, in allen
                              flüchtigen und fetten Oelen. Seine theilweise Lösung in absolutem Alkohol ermöglicht
                              die Trennung in mehrere Krystallisationen. Mit Wallrath, Wachs, Stearin, Harzen,
                              thierischen und vegetabilischen Fetten läßt es sich zusammenschmelzen. Es wird erst
                              bei 400° C. flüchtig, bleibt aber dabei nicht ganz unverändert. Das Destillat
                              ist fettig anzufühlen und zeigt eine geringere Dichte und einen niedereren
                              Schmelzpunkt. In Lichtern brennt es mit schönweißer, langer, nicht flackernder
                              Flamme ohne Ruß und Geruch. Gegen Basen und Säuren ist es bis zu einem gewissen
                              Grade indifferent und widersteht der Einwirkung der Flußsäure, nur wird es von
                              Salpetersäure unter gleichzeitiger Bildung von Bernsteinsäure, Valeriansäure und
                              Buttersäure angegriffen.
                           Seiner vortrefflichen Eigenschaften wegen wird es in Künsten, Gewerben und in der
                              Industrie verschiedenartig angewendet. Reichenbach
                              erkannte schon seine Bedeutung und strebte dessen Geltendmachung an, doch war die
                              Ausbeute aus Holztheer viel zu gering, die Manipulation zu umständlich und
                              kostspielig, und die Qualität nicht zusagend. Gegenwärtig, nachdem die Darstellung
                              aus verschiedenen bituminösen Fossilien zu einer gewissen Vollkommenheit gedieh, und
                              die Mineralölproduction einen ungeahnten Aufschwung genommen hat, wurde auch der
                              Paraffinerzeugung ein erneuerter Impuls gegeben.
                           Im unreinen Zustande spielt das Paraffin, da es die Grundlage einer guten
                              Reibungsschmiere ist, in der Fabrication der Antifrictionsfette eine bedeutende
                              Rolle. Die gemeine Bauernwagenschmiere, sowie das schwarze Pech verdanken ihre
                              Brauchbarkeit einer kleinen Menge des darin enthaltenen Paraffins. Man verwendet es
                              auch zum Tränken von Schwämmen und Papier, zum Conserviren der Früchte, als
                              Appreturmittel für Leder, Gewebe und gedrehte Gegenstände aus vegetabilischer und
                              thierischer Faser, entweder als solches, oder gelöst in Benzin, Steinöl,
                              Schwefelkohlenstoff, oder gemischt mit Wachs, Stearin und verwandten Stoffen. Seine
                              Stabilität macht es ferner in der wissenschaftlichen Technik als Ueberzug zum
                              Schutze gegen Säuren und Alkalien, als Isolirschichte bei leicht oxydirbaren Körpern
                              und Flüssigkeiten, zu Oelbädern und verschiedenen Operationen sehr geschätzt.
                           Diese Verwendungsarten sind jedoch nur untergeordneter Natur. Endzweck und
                              Hauptaufgabe der großen Production ist, demselben unter den Kerzenmaterialien eine
                              hervorragende, bewegungsfreie Stellung zu sichern. Ehe man es verstand, das Paraffin
                              in reinem Zustande darzustellen, war man genöthigt, das mit Wachs oder Stearin versetzte
                              Material zur Verleihung eines gefälligeren Aeußeren in verschiedenen Farben zu
                              Kerzen zu verarbeiten. Von dieser Deckung hat man gegenwärtig wohl abgehen können,
                              aber die Klagen über verschiedene Uebelstände, namentlich über das Krummziehen der
                              Kerzen beim längeren Stehen im Leuchter oder bei einseitiger Erwärmung sind aufrecht
                              geblieben. Die Ursache davon liegt darin, daß solches Paraffin Kohlenwasserstoffe
                              von niedrigerem Schmelzpunkt enthält und theilweise auch in seiner Neigung zum
                              Krystallisiren. Das Extractionsverfahren mit Benzin oder leichtem Photogen beseitigt
                              nicht allein diese Uebelstände nicht, sondern es tritt noch ein neuer hinzu, daß
                              nämlich die Kerzen sämmtlich mit Geruch brennen. Diese Fabricate, welche in Folge
                              der sich allseitig überbietenden Concurrenz eine die Zukunft des Paraffins
                              gefährdende Rolle spielen, müssen sich mit den Fortschritten der Paraffinindustrie
                              immer mehr discreditiren. Ueberdieß sind die meisten Fabriken bestrebt, ein stets
                              gleichmäßiges und gleichwerthiges Product zu erzielen. Man ist daher genöthigt
                              mehrere Sorten zu unterscheiden, von denen die geringeren der Speculation wohl ganz
                              gelegen kommen, aber durch ihre äußeren und inneren Eigenschaften keineswegs
                              geeignet sind, der jungen Paraffinindustrie eine solide Grundlage zu verschaffen. Es
                              kommen Kerzen in den Handel, welche bereits bei 40° Cels. erweichen und somit
                              ohne Krummziehen selbst eine mäßige Zimmerwärme nicht auszuhalten vermögen.
                              Uebrigens wird sich jede aus unversetztem Paraffin bestehende Kerze, auch wenn
                              dasselbe einen Schmelzpunkt von 58° C. zeigt, mit der Zeit etwas krümmen oder
                              doch rissig werden. Es entsteht somit die gebieterische Nothwendigkeit, dem Paraffin
                              durch Zusätze im richtigen Verhältniß gewissermaßen mehr Körper zu verleihen und
                              nöthigenfalls auch seinen Schmelzpunkt zu erhöhen, wie durch Wallrath, Wachs oder
                              Stearin. Das letztere eignet sich dazu zuvörderst schon wegen seiner Billigkeit und
                              Reinheit. Es dürften auch gegenwärtig gute Paraffinkerzen kaum mehr stearinfrei
                              seyn, obgleich sie das prachtvolle Aussehen, namentlich den eigenthümlichen Glanz
                              nicht besitzen, der ihnen durch Körper fetter oder wachsartiger Beschaffenheit
                              benommen wird. Ein anderer Fehler, welcher nicht minder zu häufigen Klagen
                              Veranlassung gab, ist das Ablaufen der Kerzen. Die Ursache liegt oft weniger in dem
                              Material, als im schlechten Docht und mangelhaften Guß. Der Docht, seine Präparation
                              und sein Verhältniß zum Querschnitt der Kerze, ist wichtiger als die
                              Lichterfabrikanten zu glauben geneigt sind.
                           Das Paraffin ist unstreitig das ausgezeichnetste Material für Luxuskerzen. Die
                              alabasterne Transparenz und das schöne, blendend weiße Licht verleihen ihnen nicht
                              geringes Ansehen und Beliebtheit. Wallrath und Wachs werden schwerlich mehr zu
                              Luxuskerzen verwendet; das Stearin, welches im Gebiete der Kerzenfabrication
                              Außerordentliches leistete, hat jene unmöglich und kostspielig gemacht. Ob das
                              Stearin in dem Paraffin einen bedrohlichen Concurrenten finden wird, ist eine Frage
                              des richtigen Verständnisses von dessen innerem Werth. Erwiesen ist vorläufig, daß
                              für gleiche Helligkeit die Beleuchtung mit Paraffin billiger als die mit Stearin ist
                              und das erstere an Leuchtkraft das letztere weit übertrifft. Das von vielen Seiten
                              laut gewordene, absprechende Urtheil über Paraffin als Kerzenmaterial wird sich auf
                              diese Weise nicht behaupten, und die Industrie wird einem Körper nicht die besondere
                              Pflege versagen, welcher mit dem Reiz der Neuheit auch neue Vorzüge vereinigt. Auch
                              der in so rascher Aufnahme begriffene Consum von Hydrocarbüren, mit welchen bei gut
                              construirten Lampen selbst das vorzüglichste und zugleich billigste Kerzenmaterial
                              keinen Vergleich zu bestehen vermag, wird auf Kerzenbeleuchtung im Allgemeinen nicht
                              in dem Grade eine Rückwirkung äußern, daß man die letzteren jemals völlig wird
                              entbehren können.
                           Lichtstärke und Consum sprechen für Paraffin so günstig, daß es gegenüber dem Wachs
                              fast einen doppelten Werth repräsentirt. Der Zulassung des Paraffins zum
                              Kirchengebrauche stehen aber liturgische Bedenken entgegen, obwohl die Wachskerzen
                              die gröbsten Verunreinigungen, namentlich mit Harzen enthalten und diese durch
                              häufiges Qualmen verrathen. Stillschweigend wird es dennoch schon vielfach unter
                              Wachs geschmuggelt, wovon schon einige Procente genügen, um der ganzen Masse den
                              eigenthümlichen Wachsgeruch zu verleihen. Dieses gefälschte Wachs besitzt aber eine
                              geringe Knetbarkeit und läßt sich wohl zu Kerzen vergießen, aber nicht ausrollen.
                              Auch nimmt es nicht so den Kreidestrich an, wie reines Wachs, und zeigt einen
                              Schmelzpunkt, der unter 65° C. liegt. Zur chemischen Untersuchung dient
                              rauchende Schwefelsäure, welche wohl das Wachs, aber nicht das Paraffin zerstört,
                              das an der Oberfläche aufschwimmt.
                           Die Entdeckung und Aufbereitung des Paraffins bleibt neben dem Anilin eine glänzende
                              Errungenschaft unseres Jahrhunderts im Gebiete der trockenen Destillation. Durch die
                              Paraffinindustrie wurde indirect der geniale Gedanke Liebig's verwirklicht, das Kohlengas zu einem weißen, festen, trockenen,
                              geruchlosen Körper zu verdichten, welchen man auf Leuchter stecken und anzünden
                              kann.