| Titel: | Ueber die Wasserleitungen in den Städten; von Arist. Dumont. | 
| Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. XXIX., S. 124 | 
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                        XXIX.
                        Ueber die Wasserleitungen in den Städten; von
                           Arist.
                              Dumont.
                        Aus den Comptes rendus, 1862, t. LIV p.
                              1182.
                        Dumont, über die Wasserleitungen in den Städten.
                        
                     
                        
                           Seit einigen Jahren hat die Anlage von Wasserleitungen und die Vertheilung des
                              Wassers in Folge der weniger kostspieligen Emporhebung des letzteren durch Maschinen
                              und der in großem Maaßstabe auf natürliche oder künstliche Weise ausgeführten
                              Filtration bedeutende Fortschritte gemacht. Die durch künstliche Filtration täglich
                              gereinigte Wassermenge beträgt in mehreren Städten jetzt schon mehr als 100,000
                              Kubikmeter.
                           Die Wahl zwischen der natürlichen oder künstlichen Filtration hängt von den
                              obwaltenden Umständen ab. Wenn der Fluß mit starkem Gefälle über ein aus Kies und
                              Sand bestehendes Bett fließt, wie die Garonne zu Toulouse, die Rhone zu Lyon, die
                              Donau zu Wien, so ist die natürliche Filtration zweckmäßig; ist dieß aber nicht der
                              Fall, so wird man die künstliche wählen. Jedes dieser beiden Systeme hat seine
                              besonderen Vorzüge oder Nachtheile.
                           Bei der natürlichen Filtration fällt das Reinigen der Filtra weg, weil es durch den
                              Fluß bewirkt wird; dagegen ist man bei derselben nicht im Stande, den Druck auf die
                              Filtra nach Belieben zu vermehren, sondern derselbe nimmt sogar um so mehr ab, je mehr sich
                              der Fluß seinem niedrigsten Wasserstande nähert und die filtrirte Wassermenge wird
                              immer kleiner. Bei der künstlichen Filtration muß man allerdings von Zeit zu Zeit
                              die Filtra reinigen, dieß ist aber nicht kostspielig. Die Praxis besitzt gegenwärtig
                              zwei leichte und durch eine lange Erfahrung bewährte Mittel für diese Reinigung;
                              diese sind 1) das Abräumen der dünnen an der Oberfläche der Filtra abgelagerten
                              Schlammschichten durch die Hand des Arbeiters; 2) das Durchführen eines Stromes in
                              der entgegengesetzten Richtung (von unten nach oben), indem man das Wasser in den
                              unteren Theil derselben Filtra einläßt. Zuweilen werden diese beiden Mittel zusammen
                              angewendet, wie zu Paisley in Schottland; bei vielen Wasserleitungen in England ist
                              aber nur das einfache Wegnehmen der oberen Lagen im Gebrauche. Hierüber angestellte
                              Versuche haben ergeben:
                           1) daß die Wassermenge, welche durch eine Lage Sand
                              hindurchgeht, dem Drucke proportional, der Dicke der Schicht aber umgekehrt
                              proportional ist;
                           2) daß bei dem Durchgange einer großen Wassermenge, welche sehr
                              viele schwebende, erdige Theilchen (Sinkstoffe) enthält, diese letzteren, auch wenn
                              sie noch so fein sind, nicht tiefer als 2 Centimeter in die Schicht eindringen, und
                              daß bei einer 15 Centimeter dicken Sandschicht das Wasser ganz rein wird.
                           Letztere Thatsache erklärt, warum die natürlichen Filtra niemals verstopft werden,
                              nämlich weil diese dünne Schicht, welche sich auf die Sohle des Flußbettes ablagert,
                              fortwährend durch die Strömung gereinigt und wieder durchlässig gemacht wird; sie
                              beweist auch, daß es unnütz ist, der Sandschicht der künstlichen Filtra eine größere
                              Dicke als 20 Centimeter zu geben, wobei indessen vorausgesetzt wird, daß man von
                              Zeit zu Zeit für eine Erneuerung ihrer Oberfläche Sorge trägt; ferner geht daraus
                              hervor, daß man die unter dem Sande liegende Schicht (grober Kies etc.) auf einige
                              Centimeter Dicke beschränken darf.
                           Als Gestehungskosten für die Hebung des Flußwassers durch Dampfmaschinen und für eine
                              in großem Maaßstabe ausgeführte Klärung desselben (durch Filtration) kann man
                              folgende Durchschnittszahlen annehmen:
                           1) Einen Kubikmeter Wasser 50 Meter hoch zu heben, kostet 1
                              Centime, und die Zunahme der Höhe steigert diesen Preis nur wenig;
                           2) Bei mehreren größeren Wasserleitungen kommt der Kubikmeter
                              künstlich filtrirtes Wasser nur auf 8/10 Centime zu stehen, wobei alle jährlichen Ausgaben für
                              Arbeitslohn, Erneuerung der Filtrirschichten, Hebung des Wassers über die Filtra,
                              sowie die Interessen von den für die Beschaffung der Apparate aufgewendeten Summen
                              eingerechnet sind. – Bei der von dem Verfasser zu Lyon eingerichteten
                              natürlichen Filtration kostet der Kubikmeter 7/10 Centime.
                           Diese Preise sind im Vergleiche zu den früheren so mäßig, daß man daraus schließen
                              darf, bei zukünftigen Wasserleitungen werde man, namentlich für sehr volkreiche
                              Städte, nicht die Quellen ableiten, sondern filtrirtes und mit Hülfe von Maschinen
                              gehobenes Flußwasser benutzen.
                           In einer großen Stadt muß man, um dem ganzen öffentlichen und Privatverbrauche zu
                              genügen, das heißt, um den Bedarf für die Springbrunnen, das Begießen der
                              öffentlichen Anlagen (Parks) und Plätze, das Spülen der Straßen und unterirdischen
                              Abzugscanäle, den Consum der Fabriken und Gewerbe etc. vollständig zu decken, auf
                              den Kopf täglich 200 Liter Wasser rechnen. Es ist aber fast immer unmöglich, Quellen
                              mit einer so bedeutenden und namentlich zur fortwährenden Befriedigung aller dieser
                              Bedürfnisse unveränderlich bleibenden Wassermenge zu finden, während dagegen durch
                              die Filtration und Hebung des Flußwassers unbegrenzt große Wassermengen gewonnen
                              werden können.
                           Das einzige Mittel, für eine große Stadt das Quellwasser auf eine rationelle Weise zu
                              verwenden, würde unserer Ansicht nach darin bestehen, daß man dasselbe nur für den
                              häuslichen Bedarf verwendet und für die Ableitung und Vertheilung desselben eine
                              besondere Canal- und Röhrenleitung herstellt, wobei man dann die für jeden
                              Kopf täglich nochwendige Wassermenge auf 20 Liter beschränkt, während man alles
                              Wasser zu größerem Verbrauche dem Flusse entnimmt. Die Aufgabe würde auf diese Weise
                              mit dem geringsten Geldaufwande vollständig gelöst werden.
                           Wenn wir diese Grundsätze auf die Stadt Paris mit einer Bevölkerung von zwei
                              Millionen anwenden, so finden wir: 1) daß 40,000 Kubikmeter Quellwasser täglich
                              hinreichend wären, und 2) daß außerdem 300,000 Kubikmeter Seinewasser geschöpft
                              werden sollten. Rechnen wir diese Wassermengen zu jenen hinzu, welche durch die
                              bereits vorhandenen Mittel zur Versorgung mit Wasser (Durcq, artesische Brunnen
                              etc.) beschafft werden, so ergibt sich eine Totalsumme von 470,000 Kubikmet., die
                              nicht zu bedeutend erscheint. Das Heben und Klären der 300,000 Kubikm. Seinewasser
                              würde sich oberhalb Paris unter so günstigen Umständen in Beziehung auf
                              Anlagekosten, Brennstoffaufwand und Arbeitslohn bewirken lassen, daß der Kubikmeter
                              Flußwasser, wenn man nicht das natürliche Filtrationssystem von Lyon und Toulouse, sondern das eben
                              erwähnte künstliche anwendet, – nicht mehr als 2 1/2 Centimes kosten würde.
                              Dieser Gestehungspreis könnte sogar noch vermindert werden, wenn man sich zum Heben
                              eines Theiles des Wassers hydraulischer Motoren bedienen wollte.
                           Diese Zahlen sind Erfahrungsresultate, welche sich in Lyon und anderen Städten
                              ergeben haben. An ersterem Orte beträgt der Gestehungspreis für einen Kubikmeter
                              filtrirtes und 50 Meter hoch gehobenes Flußwasser mit Hinzurechnung der Kosten für
                              die Anlage der Werkstätten, den Ankauf der Maschinen, Filtra etc. wirklich nur 2 1/2
                              Centimes, während sich für das Quellwasser, das man herbeileiten wollte, dieser
                              Gestehungspreis auf 5 Centimes erhöht haben würde, und dabei wären die Quellen nicht
                              einmal so ergiebig gewesen, daß sie die Hälfte des nöthigen Wassers geliefert
                              hätten.
                           Aus dem Vorhergehenden ergibt sich:
                           1) daß der ganze Wasserbedarf der großen Hauptstädte nicht einzig und allein durch
                              die Quellen gedeckt werden kann, und daß es daher, wie schon oben erwähnt wurde,
                              vortheilhaft ist, wenn Quellwasser überhaupt aufgefangen werden soll, dasselbe nur
                              zum häuslichen Bedarf zu verwenden und hierzu dann besondere Canäle und
                              Röhrenleitungen anzulegen;
                           2) daß durch eine rationelle Anwendung von Maschinen und eines, je nach den
                              obwaltenden Verhältnissen entweder natürlichen oder künstlichen Filtrationssystemes
                              des Flußwassers, die Mittel zur Beschaffung eines unerschöpflichen Wasservorrathes
                              für die Leitungen geboten sind, so daß allen Bedürfnissen auf eine ökonomische Weise
                              genügt werden kann;
                           3) daß das Emporheben und künstliche Filtriren des Flußwassers sich jetzt in
                              großartigem Maaßstabe auf ökonomische Weise bewerkstelligen läßt, während das
                              Ableiten von Quellen nur die Wiederholung eines Verfahrens ist, welches man im
                              Anfange der Civilisation anwendete und welches immer die nachtheilige Folge hat, daß
                              anderen, des Wassers ebenso bedürftigen Gegenden dasselbe entzogen wird; deßhalb
                              erscheint es zweckmäßig, das Ableiten der Quellen möglichst zu beschränken;
                           4) daß die künstliche Filtration des Flußwassers bei den Mitteln, welche die Praxis
                              jetzt besitzt, fast ebenso ökonomisch ist, wie die natürliche, während erstere noch
                              den Vortheil bietet, die Wassermenge leicht vergrößern und jederzeit dem Bedürfniß
                              anpassen zu können.