| Titel: | Ueber die Reinigung des Dick- und Dünnsaftes der Zuckerfabrication mittelst Weingeist; von Dr. C. Stammer. | 
| Autor: | Karl Stammer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. LVI., S. 211 | 
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                        LVI.
                        Ueber die Reinigung des Dick- und
                           Dünnsaftes der Zuckerfabrication mittelst Weingeist; von Dr. C. Stammer.
                        Stammer, über Reinigung des Dick- und Dünnsaftes mittelst
                           Weingeist.
                        
                     
                        
                           Versuche über die Wirkung des Weingeistes auf verschiedene Producte der
                              Zuckerfabrication sind schon häufig angestellt worden,S. Scheibler's und Stammer's Jahresbericht für Zuckerfabrication, 1863, Jahrg. I und
                                    II, S. 338, 271, 286. ohne daß sich bis jetzt daraus bestimmte Aussichten auf erhebliche
                              Verbesserungen ergeben hätten. Nachdem aber Pesier ein
                              auf die Fällung der Rübensäfte mittelst Weingeist basirtes und im Großen
                              ausgeführtes Verfahren und einen dazu gehörigen besonders construirten Apparat
                              beschrieben hat,Bulletin de la Société
                                       d'Encouragement, August 1862, S. 449; daraus im polytechn. Journal
                                    Bd. CLXVI S. 366. –
                                    Jahresbericht für Zuckerfabrication, I und II, S. 287. und darüber günstige Berichte aus Frankreich bekannt geworden sind, scheint
                              es geboten, den Grad der Reinigung genau zu bestimmen, welcher bei der Behandlung
                              von Dünn – und Dicksäften, nach Art der von Pesier gegebenen
                              Vorschrift, bewirkt wird, und den Erfolg mit demjenigen zu vergleichen, welchen die
                              gewöhnliche Filtration erzielen läßt.
                           Die Resultate einer solchen Untersuchung theile ich in Folgendem mit; sie sind zur
                              Begründung eines Urtheils über den praktischen Werth der Weingeistanwendung gewiß
                              hinreichend.
                           Die Untersuchung habe ich direct gemacht; d.h. es wurde nicht sowohl die
                              Beschaffenheit der Säfte vor und nach der Fällung bestimmt, wie dieß jetzt leider in
                              ähnlichen Fällen nur zu häufig zu geschehen pflegt, sondern es wurde die Menge und
                              die Natur des durch Weingeist hervorgebrachten Niederschlags ermittelt und mit der
                              Beschaffenheit des Saftes verglichen. Nur so können die Täuschungen vermieden
                              werden, welche aus nahe liegenden Gründen leicht ein unrichtiges Urtheil über das
                              Verfahren hervorzurufen im Stande sind.
                           In dem Niederschlage sind außer organischer Substanz von unbestimmter Natur
                              namentlich Gyps und andere Kalksalze enthalten; es leuchtet aber ein, daß diese mit
                              den übrigen Salzen (namentlich denen, der Alkalien) nicht auf eine Stufe zu stellen
                              sind und die Entsalzung im Allgemeinen also nicht nach
                              dem Aschegehalt des Niederschlags zu beurtheilen ist. In
                              der Asche müssen vielmehr die Kalksalze besonders betrachtet und daher für sich
                              bestimmt werden. Nur das, was nach Abzug derselben vom Aschegehalt übrig bleibt,
                              darf als eigentliche Fällung von Salzen bezeichnet werden.
                           Sonach geschah die Untersuchung des Weingeistniederschlages nach dessen Trocknen so,
                              daß die organischen BestandtheileIn diesen sind die Säuren der Kalksalze größtentheils einbegriffen, da der
                                    Kalk nur als kohlensaurer erhalten wird. in der gewöhnlichen Weise, dann in der Asche die Schwefelsäure und der Kalk
                              (letzterer ohne Rücksicht auf die Form der Verbindung durch Fällen mit Ammoniak und
                              kleesaurem Ammon) bestimmt und das Fehlende als „sonstige
                                 Salze“ in Rechnung gebracht wurde.
                           Zur Fällung mit Weingeist wurden vollkommen gesunde Products der grünen Campagne
                              1863/64, aus den ersten Tagen des October, verwendet, und zwar:
                           1) Dicksaft vom Sackfilter, d.h. der aus filtrirtem Dünnsaft durch Einkochen im
                              Verdampfapparat gewonnene, dann mit Blut geklärte und durch Beutel filtrirte, klare
                              Dicksaft, vor dessen Filtration;
                           2) eingekochter, unfiltrirter Dünnsaft. Derselbe war nach der Saturation, unmittelbar
                              vor dem Dünnsaftfilter entnommen und auf die erforderliche Schwere im Dampfbad
                              eingekocht.
                           
                        
                           
                           1. Dicksaft vor der
                                 Dicksaftfiltration.
                           300 Kub. Centim. des Saftes, welcher die vorgeschriebene Schwere besaß, wurden mit
                              900 K. C. Weingeist von 92 Proc. Tr. gemischt und so lange stehen gelassen, bis sich
                              der (weiße) Niederschlag zu Boden gesetzt hatte. Nach dem Abfiltriren wurde der
                              Niederschlag mit gleich starkem Weingeist ausgewaschen, getrocknet und gewogen.
                           Es wurden erhalten 1,965 Gramme.
                           Eine Lösung dieser Substanz in Wasser zeigte keine Wirkung auf das polarisirte Licht;
                              sie enthielt sonach keinen Zucker.
                           Die Aschebestimmung ergab auf obige Menge
                           0,995 Grm.,
                           worin nach einer Schwefelsäurebestimmung
                           0,527 Grm.
                           Gyps enthalten waren. Eine besondere Kalkbestimmung lieferte
                              nicht mehr Kalk, als zur gefundenen Schwefelsäure gehören.
                           Aus 300 K. C. Dicksaft waren sonach gefällt worden:
                           
                              
                                 organische Substanz
                                 
                                 0,970 Grm.
                                 
                              
                                 Gyps
                                 
                                 0,527   „
                                 
                              
                                 sonstige Salze
                                 
                                 0,468   „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Zusammen:
                                 1,965 Grm.
                                 
                              
                           Eine Untersuchung des ursprünglichen Dicksaftes ergab als dessen absoluten
                              Zuckergehalt 43 Proc.; das spec. Gewicht war 1,233. Es sind demnach gefällt worden
                              auf 100 Theile Zucker:
                           
                              
                                 organische Substanz
                                 0,610 Thle.
                                 
                              
                                 Gyps
                                 0,332   „
                                 
                              
                                 sonstige Salze
                                 0,294   „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 1,236 Thle.
                                 
                              
                           Die Farbe wurde in dem ursprünglichen Dicksaft und in dem von dem Alkohol wieder
                              befreiten mittelst des Chromoskopes gemessen und im letztern sogar etwas dunkler als
                              im erstern gefunden. Wenn dieß sich auch durch das längere Kochen behufs der
                              Weingeistentfernung erklären läßt, so muß doch hieraus geschlossen werden, daß die
                              Entfärbung durch Weingeist jedenfalls unbedeutend ist, wie auch schon die Farbe des
                              Niederschlages zeigte.
                           Mit Ausnahme des Gypses sind demnach so geringe Mengen der fremden Bestandtheile
                              niedergeschlagen worden, daß sich bei dieser Anwendung des Weingeistes erhebliche
                              Vortheile durchaus nicht herausstellen können.
                           Es schreibt nun aber Pesier vor, gar nicht zu filtriren,
                              sondern den vor der
                              Filtration entnommenen saturirten Saft auf etwa 28° Baumé einzukochen
                              und dann mit Weingeist zu reinigen. Da nun bei obigen Versuchen die durch Weingeist
                              fällbaren Stoffe möglicherweise schon durch Filtration entfernt seyn konnten, so
                              wurde der zweite Versuch mit unfiltrirtem Saft
                              ausgeführt.
                           
                        
                           2. Saturirter, unfiltrirter
                                 Dünnsaft.
                           Derselbe wurde in einem Kessel mit Doppelboden mittelst Dampf eingekocht und genau
                              auf die verlangte Schwere (nämlich auf 51,5 Proc. Ball, oder 28° Baums)
                              gebracht. Dabei schied sich ein feiner, dunkelgefärbter Niederschlag ab, welcher
                              durch Abfiltriren getrennt wurde, um die Wirkung des Weingeistes ungetrübt zu
                              erhalten.
                           200 K. C. des klaren Saftes wurden wie oben mit dem dreifachen Volumen Weingeist von
                              92 Proc. Tr. gemischt und der Niederschlag, der in reichlicher Menge und mit gelber
                              Farbe entstand, wie das erstemal behandelt.
                           Nach dem Trocknen betrug derselbe
                           4,09 Gramme.
                           Hiervon waren organische Substanz (die Prüfung auf Zucker erschien nach dem früheren
                              Ergebniß als überflüssig):
                           2,61 Grm. oder 63,8 Proc. des Niederschlages
                           mithin Aschebestandtheile 1,48 Grm. oder 36,2 Proc. des
                              Niederschlages.
                           In der Asche ergab die Schwefelsäurebestimmung einen Gypsgehalt von 0,192 Grm. oder
                              4,69 Proc. des Niederschlages und die Fällung mit Ammoniak und kleesaurem Ammon
                              einen Gehalt an sonstigen Kalksalzen, als kohlensaurer
                              Kalk berechnet (nach Abzug des auf die Schwefelsäure kommenden Antheils),
                           von 1,121 Grm. oder 27,41 Proc. des Niederschlags.
                           Die Differenz beträgt sonach für anderweite, namentlich
                              Alkalisalze 0,167 Grm. oder 4,1 Proc. des Niederschlags.
                           Die Untersuchung des zur Fällung benutzten eingekochten Saftes hatte dessen absoluten
                              Zuckergehalt auf 107,5 Gramme Zucker in 200 K. C. ergeben; demnach sind durch den
                              Weingeist auf 100 Theile Zucker ausgeschieden worden:
                           
                              
                                 organische Stoffe (einschließlich eines Theiles
                                    der    organischen Säuren der
                                    Kalksalze)
                                 2,43 Thle.
                                 
                              
                                 Gyps
                                 0,18   „
                                 
                              
                                 andere Kalksalze, als kohlensaurer Kalk berechnet
                                 1,04   „
                                 
                              
                                 andere Salze, namentlich Alkalisalze
                                 0,15   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 Zusammen:
                                 3,80 Thle.
                                 
                              
                           
                           Die Farbe des Saftes hatte bei einer Verdünnung auf 23 Proc. betragen: 62; der aus
                              der weingeistigen Lösung erhaltene und eben so weit wieder verdünnte Saft zeigte die
                              Farbe 26.
                           Die Entfärbung betrug sonach 58 Proc. des vorhanden gewesenen Farbstoffes, und würde
                              wohl noch etwas größer erschienen seyn, wenn nicht die Entfernung des Weingeistes
                              den Saft durch die Erhitzung wieder dunkler machte.
                           Diese Reinigung erscheint zunächst viel bedeutender als diejenige, welche sich beim
                              Dicksafte, also nach einmaliger Filtration, constatiren ließ (s. o.) und es folgt
                              hieraus, daß die Anwendung des Weingeistes, wenn sie überhaupt geschehen soll,
                              allerdings beim unfiltrirten Safte stattfinden muß.
                           Um nun aber ein Urtheil über die Höhe der auf solche Weise
                              erzielten Reinigung zu gewinnen, können wir dieselbe einerseits mit der Wirkung der
                              Dünnsaftfiltration im gewöhnlichen Fabrikbetriebe, und andererseits mit den
                              überhaupt vorhanden gewesenen Mengen der gefällten Stoffe vergleichen. Die Wirkung
                              der Filtration auf gewöhnliche Dünnsäfte ist von mir schon früher untersucht
                              wordenPolytechn. Journal Bd. CLX S. 378.
                                    – Wagner's Jahresbericht für chemische
                                    Technologie, 1861 S. 386. – Jahresbericht für Zuckerfabrication I,
                                    II, S. 367. und wenn die damals gefundenen Zahlen auch nur für einen speciellen Fall
                              Geltung beanspruchen können, so können sie doch hier zum Vergleich um so mehr
                              benutzt werden, als, wie wir gleich sehen werden, ein sehr bedeutender Unterschied zwischen Filtration und Weingeistfällung
                              besteht.
                           Die in jener Untersuchung der Filtration gefundenen Zahlen hatten ergeben, daß auf
                              100 Theile Zucker die Filtration des Dünnsaftes entfernte:
                           
                              
                                 organische Stoffe
                                 
                                 4,40 Theile
                                 
                              
                                 Kalk, als kohlensaurer Kalk bestimmt
                                 
                                 1,46    „
                                 
                              
                                 sonstige Salze
                                 
                                 0,87    „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Zusammen:
                                 6,73 Theile
                                 
                              
                                 Farbstoff: 90,5 Proc. des vorhanden
                                    gewesenen.
                                 
                              
                           Dieß ist also weit mehr als die entsprechende Weingeistfällung.
                           Da nun aber diese absoluten Zahlen je nach der Menge der ursprünglich vorhandenen
                              entsprechenden Stoffe einen sehr verschiedenen Werth haben können, so erhält man
                              einen weit richtigeren Vergleich, wenn man die von jedem Stoffe in beiden Fällen
                              entfernten Procente des ursprünglichen Gehaltes einander gegenüber stellt. Zu diesem Zweck ist natürlich
                              die Ermittelung der näheren Zusammensetzung des zum Versuche benutzten Saftes
                              erforderlich.
                           Eine solche ergab auf 100 Theile Zucker:
                           
                              
                                 fremde organische Bestandtheile
                                 11,23
                                 
                              
                                 Kalksalze, als kohlensaurer Kalk bestimmt
                                   1,84
                                 
                              
                                 sonstige Salze
                                   3,88
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 16,95
                                 
                              
                           Der Gyps ist hierbei, da er doch nur eine untergeordnete Rolle spielt, nicht
                              besonders bestimmt worden, und wir können aus diesen Angaben nunmehr folgende
                              Tabelle zusammenstellen, wobei zu bemerken ist, daß der Gyps nicht als solcher,
                              sondern nach seiner Umrechnung in kohlensauren Kalk mit den Kalksalzen aufgeführt
                              ist, weßhalb kleine Abweichungen in den betreffenden Zahlen nicht auffallen
                              dürfen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 171, S. 216
                              Saftbestandtheile; Weingeistfällung beim eingekochten
                                    Dünnsafte; Dünnsaftfiltration; Auf 100 Thle.
                                 Zucker; waren vorhanden; sind gefällt worden; Von den ursprüngl. vorhandenen
                                 Substanzen sind gefällt Procente:; sind durch die Filtrat entfernt; Fremde
                                 organische Stoffe; Kalksalze, als kohlensaurer Kalk berechnet; Sonstige Salze;
                                 Farbe
                              
                           Das Ergebniß ist nach diesen Zahlen wohl klar genug, um eine weitere Untersuchung der
                              zu erzielenden Säfte überflüssig erscheinen zu lassen. Die Behandlung mit Weingeist
                              läßt sich demnach in ihren Wirkungen derjenigen durch Knochenkohle durchaus nicht an
                              die Seite stellen und vermag dieselbe in Bezug auf wirksame Reinigung der Dünnsäfte
                              keineswegs zu ersetzen. Die Aufhellung der Farbe könnte unter Umständen vielleicht
                              genügen, doch wissen wir ja, daß diese Filtrationswirkung zwar die augenfälligste
                              ist, aber doch keineswegs allein maaßgebend seyn darf.
                           
                           Die durch die ersten Versuche ermittelte Wirkung auf einmal filtrirten Saft ist noch
                              bei weitem geringfügiger, wie dieß auch durch einen nahe liegenden Vergleich mit der
                              früher ermittelten Wirkung der Dicksaftfiltration sich noch deutlicher herausstellen
                              dürfte. Doch glaubte ich, diesen Vergleich hier übergehen zu dürfen.
                           Der Werth des Pesier'schen Verfahrens gegenüber einer
                              guten Filtration ergibt sich hieraus von selbst.