| Titel: | Ueber offene und geschlossene Weingährung; von Dr. Fr. Mohr. | 
| Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. LXXIX., S. 306 | 
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                        LXXIX.
                        Ueber offene und geschlossene Weingährung; von
                           Dr. Fr. Mohr.Aus dem bei J. Hölscher in Coblenz erschienenen
                                 schätzbaren Werke:„Der Weinstock und der Wein; praktisch-wissenschaftliche
                                       Abhandlung über die Zucht des Weinstocks und die Bereitung des
                                       Weines von Dr. Fr. Mohr.“ 8. 248 Seiten mit 52
                                    Holzschnitten. 1864. Preis 1 1/3 Thlr.A. d. Red.
                           
                        Mohr, über offene und geschlossene Weingährung.
                        
                     
                        
                           Wenn die Gährung ein Vorgang ist, worin eine innere Verbrennung auf Kosten von
                              gebundenem Sauerstoff stattfindet, so liegt schon darin die Bedeutung, daß freier
                              Sauerstoff nicht hinzutreten müsse. Die Bildung von Weingeist findet zwar noch bei
                              freiem Sauerstoffzutritt statt, wie wir an der Branntwein- und Biergährung
                              sehen, allein gleichzeitig findet hierbei in einer etwas höheren Temperatur eine
                              Essigbildung statt, welche den Alkoholgehalt vermindert und den Geschmack verdirbt.
                              Aus diesem Grunde allein ist bei der Weingährung schon der Luftzutritt nicht zu
                              gestatten. Betrachten wir aber weiter, daß die Bildung hoch wasserstoffhaltiger
                              riechender Körper nur auf einer Abgabe von Sauerstoff an andere mehr
                              kohlenstoffhaltige Körper stattfinden kann, so würde man durch freien Luftzutritt
                              diese letzteren unmittelbar oxydiren und die Bildung der Riechstoffe verhindern. Es
                              ist ferner eine Thatsache, daß die edelsten blumenreichsten Weine immer nur durch
                              verschlossene Gährung erzeugt worden sind, und so stehen Erfahrung und Lehre im vollkommenen Einklange.
                              Eine verschlossene Gährung ist jede, worin der Raum über dem gährenden Moste mit
                              Kohlensäure angefüllt bleibt, und das wird durch ein flach aufgelegtes und mit Sand
                              beschwertes Traubenblatt eben so gut erreicht, als durch die künstlichste
                              Röhrenvorrichtung. Wenn die Oeffnung für das entweichende kohlensaure Gas nur so
                              groß ist, daß sie von dem austretenden Oase gefüllt ist, und daß gleichzeitig ein
                              Wechsel mit Luft nicht stattfinden kann, so ist die Gährung eine geschlossene. Dazu
                              genügen verschiedene Vorrichtungen. Während der Hauptgährung genügt das aufgedrückte
                              Traubenblatt, später aber ist es zweckmäßig, einen andern Verschluß anzubringen. Vor
                              allem ist zu beachten, daß in keinem Falle durch Zufall eine feste Verschließung
                              eintreten könne, denn auf die innere Wand eines Gebindes ist die Summe des Druckes
                              bei einer Spannung des Gases so groß, daß die stärksten Fässer diesem Drucke nicht
                              widerstehen können. Es sind schon Verluste dadurch vorgekommen, daß eine
                              zerquetschte Traubenbeere sich vor die Oeffnung der engen, in einem hölzernen Spunde
                              befindlichen Röhre gelegt hat, und daß das Faß in Folge der zunehmenden Spannung
                              geplatzt ist.
                           Keine Vorrichtung erfüllt den Zweck der geschlossenen Gährung besser, als ein
                              Korkspund, durch welchen der eine Schenkel einer doppelt gebogenen Glasröhre von 4
                              Linien lichter Weite gesteckt ist, während der andere Schenkel derselben in eine
                              offene Flasche mit Wasser untertaucht.In unserer Quelle ist diese Vorrichtung abgebildet. Die erwähnte Weite der Glasröhre ist genügend, um das kohlensaure Gas aus
                              einem Stückfaß bei richtig geleiteter Untergährung abzuleiten. Im Falle einer
                              Verstopfung der Röhre würde der lose eingesetzte Kork nachgeben und wegstiegen. An
                              der Menge der entweichenden Gasblasen hat man ein sehr gutes Maaß über den Anfang,
                              Verlauf und Nachlaß der Hauptgährung. Bei kleinen Gebinden kann man die Zahl der
                              Luftblasen in einer Minute zählen, und dadurch ein vergleichbares Maaß über den
                              Verlauf der Gährung erhalten.
                           Dieser Verschluß mit Korkspund und Glasröhre ist so sicher und zuverlässig, daß man
                              ihn auch nach vollendeter Gährung sitzen lassen kann. Er verhindert jeden Zutritt
                              von Luft von außen und gestattet von innen heraus immer den Austritt von Luft und
                              Flüssigkeit. Man kann aber auch mit der Sicherheit des Verschlusses noch eine andere
                              Rücksicht verbinden, nämlich die Verhinderung des Kahns im
                                 Weine, und die allmähliche Abscheidung der Hefe.
                           
                           Es ist bekannt, daß die Gegenwart kleiner Reste stickstoffhaltiger Substanzen die
                              Ursache vieler Krankheiten des Weines, des Rahnwerdens, des Kahnens, des
                              Schwarzwerdens und anderer, ist. Diese leicht zersetzbaren eiweißartigen Stoffe
                              übertragen ihre Veränderungen auf den Wein, und machen ihn ungenießbar. Die
                              Sorgfalt, womit man immer den Sauerstoff der Luft abgehalten hat, verlängerte nur
                              diese Anlage zur Kränklichkeit, indem erst nach Verlauf von 7 bis 8 Jahren
                              allmählich so viel Sauerstoff hinzugetreten war, um diese stickstoffhaltigen Körper
                              ganz niederzuschlagen. Der Vorschlag Liebig's, die offene
                              Gährung bei niederer Temperatur einzuführen, hatte keinen andern Zweck, als diese
                              Stoffe früher auszuscheiden, und dadurch eine Menge von Verdrießlichkeiten mit dem
                              Weine zu vermeiden. So wie das untergährige bayerische Bier viel weniger dem Säuern
                              und Verderben ausgesetzt ist als das obergährige gemeine Bier, so müßten auch die
                              offen gegohrenen Weine haltbarer seyn, als die mit Ausschluß der Luft gegohrenen.
                              Beim Bier haben wir jedoch kein Bouquet zu entwickeln, denn das einzige vorhandene
                              des Hopfens bringt man fertig hinzu. Da aber beim Weine die Ausbildung des Bouquets
                              wesentlich mit dem Ausschluß des Sauerstoffs verbunden ist, so müssen wir die zwei
                              Zeiträume unterscheiden: denjenigen worin das Bouquet gebildet wird, und jenen worin
                              wir auf Entfernung der Hefestoffe denken rönnen. Demnach muß die Gährung selbst
                              verschlossen ausgeführt werden; nach vollendeter Gährung aber wird ein etwas
                              reichlicher Zutritt von Luft die sichere Beseitigung der Hefestoffe veranlassen. Der
                              freie Zutritt von Luft würde aber in jungem Weine ein reichliches Kahnen bewirken.
                              Wenn solcher einige Zeit unaufgefüllt liegen bleibt, wenn dabei die Spundöffnung
                              nicht vollkommen geschlossen ist, so bildet sich auf dem Weine eine anfangs dünne
                              Haut, die später immer dicker werdend, einen weißen Schimmel bildet. Der Kahn
                              entsteht durch die Sporen von Schimmel, welche von außen in den Wein gelangen, und
                              sich dann sowohl von seinem Stickstoffgehalte als von seinem Zucker ausbilden,
                              ernähren. Ohne Reste von Hefestoffen ist keine Kahnbildung möglich, und wo sie
                              auftritt, ist sie ein Beweis, daß noch Hefestoffe gelöst sind. Der Schimmel bildet
                              aber seinen Zellstoff aus den stickstofffreien Bestandtheilen, dem Reste von Zucker,
                              und so erklärt sich die Erscheinung, daß schwächere, junge, noch süße Weine mehr der
                              Kahnbildung unterworfen sind, als magere, saure, alte und stark geistige Weine.
                           Neben der nothwendigen Gegenwart von Schimmelsporen muß auch noch Sauerstoff zum
                              Leben des Schimmels vorhanden seyn. So lange der Wein mit kohlensaurem Gase bedeckt
                              ist, findet kein Kahnen statt. Um nun den Sauerstoff in die Fässer gelangen zu lassen,
                              welchen man auch durch keine Mühe ganz abhalten kann, dabei aber die Schimmelsporen
                              auszuschließen, empfehle ich, die Fässer mit Korkspunden zu
                                 verschließen, die mit einer luftdicht eingesetzten Glasröhre versehen sind,
                                 welche innen mit Baumwolle ausgestopft ist. Durch die Versuche von H. Schroeder und Dusch ist
                              bekannt, daß geglühte Luft, oder solche die durch Baumwolle filtrirt war, nicht im
                              Stande ist in einer Flüssigkeit, welche keine Keime von selbst enthält, Fäulniß,
                              Gährung oder Schimmelbildung hervorzurufen. Indem wir uns diese Thatsache aneignen,
                              erhalten wir ein Mittel die atmosphärische Luft frei in einen Raum eintreten lassen
                              zu können, ohne die sie begleitenden Keime von Schimmel und Infusorien
                              hineinzulassen. Es ist absolut unmöglich, den Zutritt der Luft in die Fässer
                              überhaupt auszuschließen. Durch die Verdunstung des Weines entsteht im Fasse ein
                              leerer Raum, in welchen die Luft von außen einzudringen sucht; jede Veränderung des
                              Barometerstandes drängt entweder die Luft in das Faß, oder zieht solche heraus. Die
                              oberen trocken gewordenen Faßdauben lassen durch den kleinsten unsichtbaren Spalt
                              Luft ungehindert eindringen, und so gelangen die Sporen der Pilze mit hinein. Da man
                              nun in keiner Weise den Luftzutritt ganz verhindern kann, so bleibt nichts übrig als
                              ihn frei zu gestatten, aber auf einem vorgeschriebenen Wege, wo die Luft die Sporen
                              der Schimmel absetzen muß.
                           Bei Anwendung des erwähnten Baumwollenspundes muß der Weg durch die Baumwolle der
                              Luft leichter seyn als jeder andere neben dem Spunde und durch die Ritzen der
                              Faßdauben, und um das zu bewirken, würde ich vorschlagen den oberen Theil des Fasses
                              mit einem dichten Asphaltlack zu überziehen, so daß eine Verdunstung und ein Reißen
                              des Holzes nicht stattfinden könnte. Der eigentlich massive hölzerne Spund würde
                              dann nur mehr bei der Versendung der Weine Anwendung finden.