| Titel: | Die Fabrication des Anilinroths durch Einwirkung von Antimonsäure auf salzsaures Anilin (R. Smith's Patent); von C. Sieberg, Chemiker in Glasgow. | 
| Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. XCVI., S. 367 | 
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                        XCVI.
                        Die Fabrication des Anilinroths durch Einwirkung
                           von Antimonsäure auf salzsaures Anilin (R. Smith's Patent); von C. Sieberg, Chemiker in
                           Glasgow.
                        Sieberg, über die Fabrication des Anilinroths durch Einwirkung von
                           Antimonsäure auf salzsaures Anilin.
                        
                     
                        
                           In der chemischen Fabrik von R. Smith in Glasgow stellen
                              wir das Anilinroth nach diesem Verfahren seit 3 1/2 Jahren im Großen mit dem besten
                              Erfolge dar. Ich gebe hiermit die Einzelheiten des praktischen Theiles der
                              Fabrication.
                           Die Antimonsäure wird aus sehr sein gepulvertem Antimon mittelst rauchender
                              Salpetersäure bereitet. Die in großer Masse entwickelten
                              Untersalpetersäure-Dämpfe werden gänzlich zur Fabrication der Schwefelsäure
                              benutzt. Zu diesem Zwecke sind muffelartige, von feuerfesten Steinen erbaute Oefen
                              mit den Schwefelsäurekammern verbunden; ein solcher Ofen wird von außen geheizt,
                              damit keine Feuergase in den inneren Ofenraum gelangen können. Zu diesem führen zwei
                              Thüren; an einem Ende desselben ist ein Abzugscanal, durch welchen die entwickelten
                              Gase in die Schwefelsäurekammern geführt werden; auf der Sohle des Ofens ist eine
                              große, drehbare gußeiserne Scheibe angebracht. Zur Bereitung der Antimonsäure dienen
                              Schüsseln von Steinzeug, welche mittelst Roman-Cement dicht in gußeisernen
                              Schüsseln von derselben Gestalt eingesetzt sind, wodurch ein Zerbrechen fast ganz
                              vermieden wird. –
                              Eine solche, vorher erwärmte Schüssel wird mit 6 Pfd. Antimon beschickt, in eine
                              Thür des Ofens eingesetzt und nun werden unter starkem Umrühren ungefähr 2 Pfd.
                              Salpetersäure zugegeben; sobald die stärkste Einwirkung vorüber ist, wird eine neue
                              Portion Säure zugesetzt und so fortgefahren, bis die nöthige Quantität Salpetersäure
                              verbraucht ist: auf 6 Pfd. Antimon gebrauchen wir 29 Pfd. rauchender Salpetersäure
                              von 1,44 spec. Gew.; weniger würde auch genügend seyn, aber der Erfolg ist sicherer,
                              wenn diese Quantität gebraucht wird, zudem betragen die Kosten der Salpetersäure
                              fast Nichts, da sie ja nebenbei zum Betriebe der Schwefelsäurekammern dienen muß.
                              – Ein Gehalt von Schwefelsäure in der Salpetersäure ist nachtheilig,
                              übermäßiger Chlorgehalt auch; beides ist leicht zu vermeiden. – In unserer
                              Fabrik wird bei der Fabrication der Salpetersäure nur die Säure zur Oxydation des
                              Antimons verwendet, welche sich in den mittleren Vorlagen condensirt, der Inhalt der
                              ersten und letzten Vorlagen wird zu anderen Zwecken gebraucht. – Das Zufügen
                              der Salpetersäure dauert ungefähr 1/2 bis 3/4 Stunden; beständiges Umrühren ist
                              nöthig und soll auch noch 1/2 Stunde, nachdem alle Säure zugesetzt ist, unterhalten
                              werden. Der Inhalt der Schüssel ist nun eine weiße, durch überschüssige
                              Salpetersäure flüssige Masse. Diese Schüssel wird jetzt auf die erwähnte, drehbare
                              Scheibe des Ofens geschoben, die Scheibe um die Breite der Schüssel umgedreht, eine
                              neue Schüssel mit 6 Pfd. Antimon in die Thüre eingesetzt und dieses ebenso mit
                              Salpetersäure behandelt. Diese Operation wiederholt sich in regelmäßigen Zeiträumen,
                              das entwickelte Untersalpetersäure-Gas gelangt dadurch in regulirter
                              Quantität in die Schwefelsäurekammern. – Nach ungefähr 12 Stunden hat die
                              Scheibe eine 3/4 Umdrehung gemacht und die erste Schüssel ist dann an die andere
                              Thür des Ofens gelangt, wird dort herausgenommen und entleert. Der Inhalt ist ein
                              trockenes, weißes Pulver, welches jetzt in Quantitäten von ungefähr 100 Pfd. in
                              eisernen Retorten so lange schwach geglüht wird, bis jede Spur von Salpetersäure und
                              Wasser verschwunden ist. Die Retorten werden fortwährend in einer dunkeln
                              Rothglühhitze gehalten. – Die jetzt fertige Antimonsäure ist ein schön gelbes
                              Pulver und wird, noch ehe sie ganz erkaltet ist, zur Darstellung des Anilinroths
                              verwendet.
                           Die Bereitung des salzsauren Anilins geschieht durch Vermischen von 8 Raumtheilen
                              Anilin mit 9 Raumtheilen gewöhnlicher Salzsäure von 1,165 spec. Gew. und Verdampfen
                              der Lösung auf dem Sandbade, bis sich dichte, weiße Dämpfe zeigen. Nach dem Erkalten
                              ist es eine feste, spröde Masse, die sich leicht in Stücke schlagen läßt.
                           
                           Der Apparat zur Darstellung des Anilinroths ist sehr einfach: conische Gefäße von
                              Steinzeug, von ungefähr 160 Pfd. Wasserinhalt, sind mittelst Roman-Cement in
                              dicht anschließende gußeiserne Gefäße von derselben Form eingesetzt und diese
                              befinden sich in einem gußeisernen Kessel, welcher rohes Paraffin enthält und als
                              Oelbad dient. Die Temperatur des Bades wird auf 240° C. gehalten. Jedes
                              dieser Gefäße hat einen dicht, aber lose aufliegenden Deckel, der durch einen leicht
                              abnehmbaren Bleihelm mit einer in Wasser liegenden Bleiröhre verbunden ist; das
                              andere Ende dieser Röhre steht in Verbindung mit einem der großen Schornsteine der
                              Fabrik, wodurch alle im Apparat entwickelten Anilin- und Wasserdämpfe in die
                              Condensationsröhre gesaugt werden. – Ein solches Gefäß wird mit 50 Pfd.
                              salzsaurem Anilin beschickt und nachdem dieses völlig geschmolzen ist, werden 64
                              Pfd. Antimonsäure, in 4 Portionen getheilt, zugesetzt. Jede Stunde wird ein Theil
                              der Antimonsäure zugegeben, so daß also das Zufügen der Säure 4 Stunden in Anspruch
                              nimmt. Die Säure muß tüchtig mit einer dünnen eisernen Stange in das salzsaure
                              Anilin eingerührt werden; das Umrühren wird ungefähr alle 10 Minuten wiederholt. Die
                              Einwirkung der Antimonsäure ist anfangs heftig, wird aber bald ruhiger und hört nach
                              5 bis 6 Stunden ganz auf. Das Product wird mit kupfernen Löffeln ausgeschöpft, es
                              besteht aus einer steifflüssigen Masse, welche einen schönen Bronzeglanz besitzt und
                              nach dem Erkalten spröde und leicht zu pulverisiren ist. Während der Operation haben
                              sich in der Condensationsröhre ungefähr 5–6 Pfd. freies Anilin und 4–5
                              Pfd. etwas salzsaures Anilin enthaltendes Wasser verdichtet, die bei der Reaction
                              entstanden sind.
                           Die rohe Farbe wird in einer durch Dampf getriebenen Pulverisirmaschine sein
                              gemahlen, dann mit 45 Pfd. grob gepulvertem krystallisirtem kohlensauren Natron
                              vermischt und langsam 60 Pfd. Wasser zugesetzt; die Mischung schäumt durch
                              entweichende Kohlensäure auf, sie wird mittelst Dampf auf ungefähr 80° C.
                              erwärmt und unter öfterem Umrühren eine Stunde lang auf dieser Temperatur gehalten,
                              dann absetzen gelassen und auf baumwollene Filter gebracht, auf welchen die rohe
                              Farbe noch einigemal mit Wasser übergossen wird, um alle Natronsalze zu entfernen.
                              – Sie wird jetzt in kupfernen, durch Dampf erhitzten Pfannen mit 600 Pfd.
                              Wasser ausgekocht, absetzen gelassen und filtrirt, nochmals mit 400 Pfd. Wasser
                              ausgekocht und filtrirt; beide Abkochungen kommen vereinigt in flache, bleierne
                              Krystallisirgefäße. Eine dritte Abkochung wird noch mit 200 Pfd. Wasser gemacht,
                              aber gesondert gehalten, und der in ihr enthaltene Farbstoff durch Kochsalz gefällt.
                              Die beiden ersten
                              Abkochungen bleiben in dem Krystallisirgefäße 24 Stunden, dann wird die Mutterlauge
                              filtrirt und die ausgeschiedenen Anilinrothkrystalle werden auf dem Filter
                              gesammelt.
                           Die Ausbeute beträgt durchschnittlich 14 bis 15 Pfd. feuchter Farbe, welche etwas
                              mehr wie die Hälfte trockenen Farbstoff enthält. Früher gebrauchten wir selbst
                              fabricirtes Anilin, das sehr rein war, aber die Ausbeute kam nie über 12 Pfund
                              feuchter Farbe von einer Charge; sät letzter Zeit gebrauchen wir größtentheils
                              französisches Anilin, welches äußerst unrein ist, aber mehr Farbstoff producirt;
                              manchmal steigt die Ausbeute auf 24 und 25 Pfd. feuchter Farbe.
                           Die Mutterlauge wird 3 bis 4mal zur Auskochung neuer Chargen benutzt, dann aber der
                              in ihr enthaltene rothe Farbstoff mit Kochsalz ausgefällt. Dieser Farbstoff hat eine
                              zwischen Anilinroth und Scharlach liegende Nuance, und wird manchmal als solcher in
                              Lösung verkauft; diese Farbe ist aber nicht schön und deßhalb benutzen wir ihn schon
                              seit 2 Jahren, um Anilinbraun darzustellen; zu diesem
                              Zwecke wird 1 Theil salzsaures Anilin zum Schmelzen erhitzt, dann werden 1 1/2
                              Theile dieses Farbstoffes zugesetzt wornach man so lange auf dem Eandbade erhitzt,
                              bis die braune Farbe entstanden ist. Das Product wird mit 2 Theilen krystallisirtem
                              kohlensaurem Natron und 50 Pfd. heißem Wasser vermischt, gut umgerührt, die
                              Salzlösung abgegossen und das Braun mehrmal mit Nasser gewaschen; es besteht jetzt
                              aus einer schwarzbraunen, theerartigen Masse. 10 Pfund dieses rohen Brauns werden in
                              80 Pfund Weingeist gelöst, dann 120 Pfd. Wasser zugesetzt und gut umgerührt; die
                              nach dem Absetzen klare Lösung ist zum Verkaufe fertig, sie gibt ein sehr schönes
                              Braun.
                           Hier in Schottland wird meistens die salzsaure Lösung des Anilinroths zum Färben und
                              Drucken benutzt. Ihre Darstellung geschieht durch Erwärmen von feuchter Farbe mit
                              dem halben Gewichte gewöhnlicher Salzsäure, Zufügen der nöthigen Quantität heißen
                              Wassers, Erkaltenlassen und Filtriren. Soll das Anilinroth eine mehr bläuliche
                              Nuance besitzen, so wird die feuchte Farbe zuerst mit ihrem halben Gewicht
                              gewöhnlicher Essigsäure angerührt, dann 10 Theile Wasser zugegeben, gut umgerührt
                              und filtrirt; die Essigsäure und das Wasser nehmen einen mehr rothen Farbstoff weg,
                              welcher in geringer Menge den Krystallen anhängt. Der Verlust an Gewicht, den das
                              Anilinroth durch diese Waschung erleidet, ist kaum wahrnehmbar. – Nach dem
                              Filtriren der salzsauren Lösung bleibt auf dem Filter ein schwarzbraunes Pulver
                              zurück. Dieses wird mit concentrirter Schwefelsäure vermischt, dann viel Wasser
                              zugesetzt, filtrirt, und nochmal mit Wasser ausgewaschen; dieses so gereinigte Pulver wird in kochendem
                              Wasser gelöst und filtrirt. Die Lösung hat nach dem Erkalten ein grünes Pulver
                              abgesetzt, welches in Weingeist aufgelöst verkauft wird. Es gibt auf Wolle und Seide
                              eine sehr schöne Purpurfarbe.
                           Der Rückstand in den kupfernen Pfannen, nach dem Auskochen des Anilinroths, besteht
                              aus metallischem Antimon, Antimonoxyd und einem schmutzig violettrothen Farbstoff,
                              für den ich noch keine Anwendung gefunden habe. Das Ganze wird in einem
                              Reverberirofen so lange geröstet, bis alle organische Substanz zerstört ist; das
                              gebildete Antimonoxyd wird, mit kohlensaurem Natron, Kochsalz und Kohle vermischt,
                              in einem anderen Ofen zu metallischem Antimon reducirt. Wir erhalten so mehr wie 2/3
                              des angewendeten Antimons in metallischem Zustande zurück.
                           Als ich die Methode vor vier Jahren zuerst einführte, boten sich sehr viele
                              Schwierigkeiten dar, die aber meistens nach dem ersten halben Jahre schon überwunden
                              waren. Wie die Methode jetzt ist, so kann ich entschieden sagen, daß, wenn sie nicht
                              die beste für die Darstellung des Anilinroths ist, sie jedenfalls zu den besten
                              gehört.
                           Die Menge der anzuwendenden Antimonsäure ist nicht immer dieselbe; sie ändert sich,
                              wenn verschiedene Sorten Anilin gebraucht werden, steigt aber bei keiner Sorte über
                              70 Pfd., bei manchen sind schon 50 Pfd. genügend.