| Titel: | Zur Kenntniß der Farbstoffe des Krapps, Fisetholzes, Safflors und Gelbholzes; von Prof. Dr. P. Bolley. | 
| Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Nr. CIX., S. 446 | 
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                        CIX.
                        Zur Kenntniß der Farbstoffe des Krapps,
                           Fisetholzes, Safflors und Gelbholzes; von Prof. Dr. P. Bolley.Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift (Bd. IX, 1864) vom Verfasser
                                 mitgetheilt.
                           
                        Bolley, zur Kenntniß der Farbstoffe des Krapps, Fisetholzes,
                           Safflors und Gelbholzes.
                        
                     
                        
                           I. Ueber die Zusammensetzung der beiden
                                 rothen Krapp-Pigmente, ihre Stellung zur Naphtylreihe, und die Versuche
                                 das eine derselben in das andere umzuwandeln.
                           Meines Wissens sind für das Alizarin und das Purpurin die von Wolff und Strecker in Folge ihrer vortrefflichen UntersuchungAnnalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LXXV S. 1. aufgestellten Formeln gegenwärtig allgemein angenommen.
                           Das Alizarin, C²⁰H⁶O⁶ dessen
                              Zusammensetzung am genauesten einerseits von E. Schunck
                              Ebendaselbst Bd. LXVI S. 174. andererseits von Debus
                              Ebendaselbst Bd. LXVI S. 356. untersucht wurde, erhielt von ersterem die Formel
                              C¹⁴H⁵O⁴ von letzterem
                              C³⁰H¹⁰O⁹. Die Veränderung, die Wolff und Strecker an
                              derselben vornahmen und gegen welche sich SchunckEbendaselbst Bd. LXXXI S. 336. später ausdrücklich verwahrt hat, ist eine doppelte. Einmal wurde das
                              Verhältniß des Wasserstoffs zum Sauerstoff als der gleichen Atomzahl beider
                              entsprechend angenommen, das Ulizarin also damit in die Gruppe der sogenannten
                              Kohlenstoffhydrate versetzt. Man muß, den stricten Maaßstab der Analysen anlegend
                              und theoretische Erwägungen bei Seite lassend, sich veranlaßt finden, der Meinung
                              der beiden Chemiker beizutreten, die das Alizarin sehr gewissenhaft und genau
                              untersucht haben und darin eine höhere Zahl Wasserstoffatome als Sauerstoffatome
                              annehmen.
                           Das Mittel dreier Analysen
                           
                              
                                 von Schunck,
                                 von Debus ist,
                                 während die Rechnung vonWolff u. Strecker ergibt:
                                 
                              
                                 C = 69,12
                                 68,97
                                 C²⁰ = 68,96
                                 
                              
                                 H =   4,01
                                   3,79
                                 H⁶  =   3,45
                                 
                              
                                 O = 26,86
                                 27,23
                                 O⁸  = 27,59
                                 
                              
                           Der Wasserstoffüberschuß bei Schunck betrüge 0,56 und bei
                              Debus 0,34 Proc. über den berechneten. Um zu dem
                              gefundenen Wasserstoff die zur Wasserbildung nöthige Sauerstoffmenge zu haben, bedürfte es bei Schunck 32,08, bei Debus 30,32
                              Procent. Die Differenzen sind also ziemlich groß. Wolff
                              u. Strecker haben durch eine Elementar-Analyse des
                              Alizarins nur dessen Kohlenstoffgehalt zu 68,4 Procent bestimmt, ihr Resultat ist
                              daher für die vorliegende Frage nicht verwerthbar.
                           Wir wollen unterlassen hier in diese Frage weiter einzutreten, unten wird jedoch
                              diesen Verhältnissen nähere Betrachtung zuzuwenden seyn.
                           Die andere Veränderung an den Formeln ist die Annahme von 20 Kohlenstoffatomen. Das
                              Hauptmotiv hierzu lieferte offenbar die von Laurent und
                              Gerhard, dann von Wolff
                              und Strecker selbst mit größerer Bestimmtheit gewonnene
                              Erkenntniß der Identität der von Schunck entdeckten
                              Alizarinsäure und der Phtalsäure. Aus der Analyse einiger salzartigen
                              Alizarinverbindungen könnte diese Annahme in überzeugender Weise nicht abgeleitet
                              werden, keine einzige dieser Verbindungen enthält 20 Aeq. Kohlenstoff auf 1 Aeq.
                              Basis.
                           Die interessante von Strecker dargethane Beziehung
                              zwischen Alizarin und Chlornaphtalinsäure Textabbildung Bd. 171, S. 447 kann als Wahrscheinlichkeitsgrund für die Richtigkeit der für das erstere
                              angenommenen Formel nicht unterschätzt werden, obschon man seit der Kenntniß der
                              Eigenschaften des von Roussin dargestellten sogenannten
                              Naphtizarins (C¹⁸H⁴O⁸) also eines Körpers von stark
                              abweichender Zusammensetzung von der des Alizarins, auf gewisse Aehnlichkeiten der
                              Reactionen kein zu großes Gewicht mehr legen darf.
                           Hauptsächlich darum also, weil Alizarin mit Salpetersäure Phtalsäure liefert, was
                              sonst nur Naphtalin und einige seiner Derivate thun, ist die Formel dieses Pigmentes
                              jenen der Naphtylreihe angepaßt worden.
                           Neben Phtalsäure aber, so geht aus Schunck's Angaben
                              hervor, der reines Alizarin der Wirkung der Salpetersäure unterwarf, während Laurent und Gerhard sie nur
                              auf Garancin einwirken ließen, bildet sich Oxalsäure.
                           Strecker drückt den Vorgang durch das Schema aus
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 171, S. 447
                              Alizarin; Phtalsäure;
                                 Oxalsäure
                              
                           Das Purpurin, dessen Zusammensetzung nach Debus im Mittel von 3 Analysen C = 66,40 H = 3,86 ist und
                              das die Formel C¹⁸H⁶O⁶ erhielt, liefert nach Wolff und Strecker durch
                              Behandeln mit Salpetersäure ebenfalls Phtalsäure und Oxalsäure. Die Bildung dieser
                              beiden Säuren wird von den genannten Chemikern auf das Schema
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 171, S. 448
                              Purpurin; Phtalsäure;
                                 Oxalsäure
                              
                           zurückgeführt.
                           Es will mir scheinen, daß, so lange sich nicht eine absolute Nothwendigkeit von
                              anderer Seite erweist, die Zahl der Kohlenstoffatome auf 18 zu setzen, ein
                              Widerspruch darin liegt für das Alizarin, das Phtalsäure liefert, und weil es
                              Phtalsäure liefert, den Kohlenstoffgehalt zu 20 Aeq., gleich dem des Naphtalins
                              anzunehmen, für das Purpurin aber, das ebenfalls Phtalsäure liefert, eine Formel mit
                              18 Aeq. Kohlenstoff aufzustellen.
                           Es schien mir als der zunächst vorgezeichnete Weg, Licht über diese Frage zu
                              gewinnen, der, daß man die Richtigkeit obiger Schemata prüfe, nach welchen aus einem
                              Aequivalent Alizarin (274) 2 Aeq. Oxalsäure, aus einem Aequivalent Purpurin (262)
                              aber nur 1 Aequivalent Oxalsäure sich bilden müßte. Es würden so vom Alizarin 4/20
                              des Kohlenstoffgehaltes = 20 Proc., vom Purpurin 2/18 = 11,11 Proc. des
                              Gesammtkohlenstoffgehaltes in die Kleesäurebildung eingehen.
                           Zu diesem Behufe wurden mehrere Gramme reinen Alizarins und Purpurins dargestellt,
                              wozu als das geeignetste Material das sogenannte grüne Alizarin (Alizarine verte) und Purpurin des Handels erschienen,
                              die nach der Methode von E. Kopp bereitet waren. Durch
                              wiederholtes Auflösen in Weingeist und Auskrystallisiren wurden Producte gewonnen,
                              die zur Untersuchung erst dann verwendet wurden, nachdem man sich durch das bekannte
                              Verhalten gegen Alaunlösung, gegen Alkalien und alkalische Erden überzeugt hatte,
                              daß keine Beimischungen des einen Pigmentes im anderen im Spiele waren. Ich werde
                              bei anderem Anlasse die nöthigen Vorsichtsmaßregeln beim Reinigungsverfahren der
                              sehr schätzenswerthen Kopp'schen für die directe
                              Anwendung in der Färberei bestimmten Präparate besprechen.
                           Bei wiederholten Oxydationsversuchen mit diesen Substanzen überzeugte ich mich, daß
                              es sehr wesentlich ist, nur verdünnte Salpetersäure von 1,2 spec. Gewicht und eine
                              100° C. nicht erreichende Temperatur anzuwenden. Beim Unterlassen dieser
                              Vorsicht findet zu heftige Kohlensäurebildung und entsprechende Verminderung der
                              Oxalsäure statt. Die Präparate wurden in beinahe gleicher Quantität, nachdem sie
                              gleich lang in einer Temperatur von 100° C. im Luftbad gestanden, abgewogen,
                              in Kölbchen gebracht und diese auf demselben Wasserbade mit gleichen gemessenen
                              Mengen Salpetersäure von angegebener Stärke, gleich lang erwärmt und mit möglichster Sorgfalt
                              alle Einwirkungen für beide gleichgehalten, um Resultate zu erhalten, die mit Recht
                              und Fug mit einander verglichen werden dürfen. Es wurde eine kleine gemessene Menge
                              Salpetersäure zugegeben und nach einigen Stunden abgegossen, neue in gleicher Menge
                              hinzugesetzt und wieder abgegossen, und so fort etwa 6 Mal. Dieß läßt sich sehr
                              leicht und ohne Verlust an noch unzersetztem Farbstoff bewerkstelligen, weil beide,
                              sowohl Alizarin als Purpurin, zusammenklebende Massen in der Flüssigkeit bilden, und
                              es geschah deßwegen, um die gebildete in Lösung befindliche Kleesäure vor weiterer
                              Oxydation zu Kohlensäure zu bewahren. Die abgegossenen Flüssigkeiten würden mit
                              Ammoniak reichlich gesättigt, etwas Essigsäure zuerst und dann Lösung von
                              essigsaurem Kalk zugesetzt und die Kleesäure gefällt. Essigsäure ist darum nöthig,
                              damit der etwa gebildete in Wasser schwer lösliche phtalsaure Kalk in Lösung bleibe.
                              Der oxalsaure Kalk wurde unter der gebräuchlichen Vorsicht gesammelt und durch
                              Glühen in kohlensauren Kalk verwandelt, daraus der Oxalsäuregehalt berechnet.
                           Es lieferten auf diesem Wege
                           0,847 Grm. Alizarin 0,1195 Grm. kohlensauren Kalk,
                           0,839 Grm. Purpurin 0,113 Grm. kohlensauren Kalk.
                           Nimmt man den Kohlenstoffgehalt des Alizarins a) zu 69
                              Proc. an, was dem Mittel der Analysen von Schunck und Debus ganz nahe entspricht, so enthalten 0,847 Grm.
                              Alizarin 0,5844 Grm. Kohlenstoff, oder wenn man b)
                              dessen Kohlenstoffgehalt nach Wolff u. Strecker zu 68,4 Proc. annimmt, so kommen auf 0,847 Grm.
                              Alizarin 0,57793 Grm. Kohlenstoff. Es entspricht aber 0,1195 Grm. kohlensaurer Kalk
                              (100 : 24) 0,02868 Grm. Kohlenstoff, und dieser verhält sich zum
                              Gesammtkohlenstoffgehalt
                           
                              
                                 nach a) 0,5844   : 0,02868 = 100
                                    : 4,90nach b) 0,57793 : 0,02868 = 100 :
                                    4,96
                                 
                                    
                                    
                                 Mittel 4,93 Proc.
                                 
                              
                           Berechnet man ferner den Kohlenstoffgehalt des Purpurins a) nach den unten anzuführenden Analysen zu 68 Proc., so enthält die in
                              Arbeit genommene Menge von 0,839 Grm. an Kohlenstoff 0,5621 Grm. oder wird b) nach Debus der
                              Kohlenstoffgehalt zu 66,4 Procent genommen, so entspricht 0,839 Grm. Purpurin 0,5575
                              Grm. Kohlenstoff.
                           Der mit Purpurin erhaltene kohlensaure Kalk = 0,113 Grm. entspricht 0,0271 Grm.
                              Kohlenstoff, und dieser verhält sich zum ganzen Kohlenstoff im Purpurin
                           
                              
                                 nach a) 0,5621 : 0,0271 = 100 : 4,81nach
                                    b) 0,5575 : 0,0271 = 100 : 4,85
                                 
                                    
                                    
                                 Mittel 4,86 Proc.
                                 
                              
                           Diese Zahlen, wenn auch bei weitem nicht dem Kohlenstoff entsprechend, der nach den
                              Wolff-Strucker'schen Schematen sich aus Alizarin und Purpurin in
                              Kleesäure umwandeln müßte, lassen immerhin die Annahme nicht aufkommen, daß die aus
                              Alizarin und Purpurin in Kleesäure umgewandelten Kohlenstoffmengen sich wie 20 :
                              11,11 verhalten, es muß vielmehr bei der unbedeutenden Differenz von 4,93 und 4,83
                              angenommen werden, daß beide Pigmente gleichviel Kleesäure liefern und dieß Resultat
                              ist das zu einer Verwerthung berechtigte.
                           Was die geringe, in beiden Fällen hinter dem theoretischen Resultat zurückbleibende
                              Menge der Oxalsäure betrifft, so verdient hier die Bemerkung einen Platz, daß bei
                              der Fabrication dieser Säure aus Zucker und Salpetersäure unter Anwendung aller
                              Vorsicht, an Gewicht kaum mehr krystallisirte Oxalsäure erhalten wird, als Zucker
                              angewendet wurde, was so viel heißt, daß weniger als die Hälfte des
                              Kohlenstoffgehaltes des Zuckers zu Kleesäure, der Rest aber zu Kohlensäure wird.
                           Runden wir die Kohlenstoffprocente, welche aus beiden Pigmenten in die Oxalsäure
                              übergegangen sind, auf 5 Procent ab, so wären von je 20 Aequivalenten Kohlenstoff 1
                              Aeq. Kleesäure geworden, 16 Aeq. hätten Phtalsäure oder neben ihr Producte gebildet,
                              wie sie aus der Oxydation des Naphtalins durch Salpetersäure hervorgehen, und 3
                              Kohlenstoffäquivalente wären als Kohlensäure entwichen.
                           Man käme auf diesem Wege zu dem Schluß, daß in dem Purpurin ebensoviel
                              Kohlenstoffatome anzunehmen sind, als in dem Alizarin.
                           Wenden wir uns nun zu der Frage: Was hat gehindert, für das Aeq. des Purpurins
                              ebenfalls 20 Aeq. Kohlenstoff anzunehmen?
                           Es ist lediglich der Zwang, der aus den Resultaten der Analysen von Debus hervorgeht. Es verhielt sich nach denselben der
                              Kohlenstoff zum Wasserstoff und Sauerstoff = 3 : 1; Debus
                              leitete die Formel C¹⁵H⁵O⁵ ab, die von Strecker in
                              C¹⁸H⁶O⁶ umgewandelt wurde.
                           Man hat in neuerer Zeit an mehreren Pflanzenfarbstoffen, die auch in die Reihe der
                              Kohlenhydrate gehören, die Wahrnehmung gemacht, daß sie erst nach lange
                              fortgesetztem Verweilen in einer Temperatur zwischen 110 und 120° C.
                              vollständig entwässert werden können. Ich habe deßhalb reines Purpurin längere Zeit
                              bei einer Temperatur über 110° C. im Luftbade getrocknet und erhielt durch
                              Verbrennung mit Kupferoxyd und Sauerstoffgas folgende Resultate: I. 0,444 Grm.
                              Purpurin lieferten 1,107 Kohlensäure und 0,142 Wasser.
                           II. 0,399 Grm. Purpurin lieferten 0,997 Kohlensäure und 0,130 Wasser.
                           Dieses beträgt auf 100 Substanz:
                           
                              
                                 I.
                                 II.
                                 Mittel.
                                 
                              
                                 C = 67,97
                                 68,11
                                 68,01
                                 
                              
                                 H =  3,55
                                   3,62
                                   3,58
                                 
                              
                           
                           Will man den Kohlenstoff zu 20 Aequivalenten annehmen, so verhält er sich zu dem
                              mittleren procentischen Wasserstoffgehalt wie 20 : 6,49 Aeq. – Wasserstoff
                              und Sauerstoff stehen mit hinreichender Genauigkeit in dem gleichen Verhältniß zu
                              einander wie im Wasser.
                           
                              
                                 Die Formel C²⁰H⁶O⁶
                                 fordert
                                 C = 68,96 und H = 3,45.
                                 
                              
                                 Die Formel C¹⁸H⁶O⁶
                                 „
                                 C = 66,67 und H = 3,70.
                                 
                              
                           Darf es sich nur um diese beiden Formeln handeln, so ist unbedingt die erste
                              vorzuziehen, obschon sie beinahe 1 Procent mehr Kohlenstoff fordert, als der
                              gefundene beträgt. Die letztere, welche weniger Kohlenstoff und mehr Wasserstoff
                              verlangt als ich fand, paßt nicht. Es ist eine einzige Purpurinverbindung, der
                              Bleilack, von Debus untersucht worden: sie enthält 15
                              Aeq. Kohlenstoff auf 1 Bleioxyd, kann also ebenso leicht oder ebenso schwer auf 20
                              C als auf 18 C
                              umgeschrieben werden. Nach Debus ist das
                              Aequivalentverhältniß von Farbstoff zu Bleioxyd 1 : 1, nach Strecker 5 : 6 und nach der eben ausgesprochenen Meinung 3 : 4.
                           Wir gelangten also auf diese Weise zu dem Resultat, daß Alizarin und Purpurin die
                              gleiche Zusammensetzung hätten und als isomere Körper verzeichnet werden müßten.
                           Ich gestehe, daß ich dieser Meinung nicht gern beitrete. Kommen wir nochmals auf die
                              Formel des Alizarins nach Strecker zurück, so klebt
                              offenbar außer dem oben schon Gesagten das Mißliche an ihr, daß die Analysen von Schunck und die von Debus
                                 größeren Kohlenstoffgehalt ergeben als sie verlangt. Es lassen sich die
                              analytischen Resultate daher nur unter der Annahme mit ihr vereinigen, daß die
                              Substanz mit einer kleinen Menge eines kohlenstoffreicheren Körpers verunreinigt
                              war. Die Kohlenstoffbestimmung, die Wolff u. Strecker gemacht haben (68,4 Proc.), hebt uns über diesen
                              Uebelstand hinweg.
                           Alle diese Erwägungen zusammengefaßt, halte ich es für die wahrscheinlichste
                              Auslegung der Versuche, wenn man glaubt an C²⁰ halten zu müssen, daß
                              das Alizarin anzusehen sey als C²⁰H⁷O⁶.
                           Es verlangt diese Formel C = 68,57 Proc., H = 4,00 Proc.
                           Genauer aber schließt sich an die Analyse an:
                           C⁴⁰H¹³O⁶, eine Formel die entspricht C = 68,76, H
                              = 3,69.
                           In letzterem Falle verhielte sich Alizarin zu Purpurin wie das Indigweiß zu
                              Indigblau, d.h. es würde zu 2 Aequivalenten Purpurin 1 Wasserstoff hinzutreten, um
                              Alizarin zu bilden.Schunck's Formel
                                    C¹⁴H⁵O⁴ bleibt allerdings der den analytischen
                                    Resultaten bestentsprechende Ausdruck.
                              
                           
                           Dem Vorangehenden habe ich noch hinzuzufügen, daß ich nach manchen Bemühungen davon
                              abstand, die Menge der gebildeten Phtalsäure zu bestimmen. Es bildet sich nämlich
                              diese nicht allein, sondern ein gelblicher Körper neben ihr, der wohl zu den
                              nitrirten Naphtylverbindungen gehört, in weingeistiger Lösung durch Zusatz von
                              Alkalien eine rothe Flüssigkeit bildet, die sich beim Kochen bräunt. Man erhält das
                              Gemenge der Phtalsäure mit diesem Körper, wenn man, auf die Verminderung der
                              Oxalsäure durch Concentriren der salpetersauren Lösungen nicht achtend, bis zur
                              Trockne verdampft und mit kaltem Wasser die Oxalsäure auswäscht. Wird dieses Gemenge
                              in Ammoniak gelöst, zur Trockne verdampft und der Sublimation unterworfen, so erhält
                              man, zum Beweise der Gegenwart der Phtalsäure, Phtalimid.
                           Es wurde, wenn auch mehr andeutungsweise als in exacter Form, die
                              Verwandlungsmöglichkeit des Alizarins in Purpurin, und umgekehrt die des Purpurins
                              in Alizarin, angegeben.
                           Wolff und Strecker sagen z.B.:
                              „Wenn man in Wasser zertheiltes Alizarin mit Chlorgas behandelt, so
                                 bemerkt man im Aeußeren keine wesentliche Veränderung; auf Zusatz von Kali
                                 erhält man dagegen nach Entfernung des überschüssigen Chlors keine blaugefärbte
                                 Lösung, sondern eine hochrothe, ähnlich der des Purpurins; und mit Baryt
                                 entsteht ein purpurrother Niederschlag. Diesen flüchtigen Versuchen zufolge
                                 scheint die Ueberführung von Alizarin in Purpurin durch Oxydationsmittel
                                 unausführbar.“ Ich habe Alizarin, in Wasser durch Kochen gelöst,
                              einem Chlorstrome ausgesetzt. Die Lösung entfärbte sich durch Wiederausscheidung des
                              Alizarins; dieß wurde öfter mit dem Chlorwasser geschüttelt, lieferte aber auch,
                              nach lange fortgesetztem Einleiten von Chlor, mit Natronlauge versetzt und nach dem
                              Vertreiben des Chlors, eine Lösung mit dem das Alizarin charakterisirendencharakte isirenden blauen Schimmer und mit Baryt einen violetten Lack. Soweit ich zu
                              beobachten Gelegenheit hatte, zeigte sich die Reaction des Alizarins, bis die
                              letzten Spuren desselben durch Chlor ganz zerstört waren.
                           Alkalische Alizarinlösung mit Chamäleonlösung, dann mit Salzsäure versetzt, gibt
                              einen braunen Niederschlag, aus welchem, nachdem er mit Wasser ausgewaschen worden,
                              durch Alkohol, je nach der Menge des angewandten Chamäleons, eine farblose oder
                              rothgelb gefärbte Flüssigkeit gewonnen wurde, worin im ersteren Fall gar keine
                              Farbenreaction, im letzteren durch Natronlauge die des Alizarins erhalten wurde.
                           Ich war nicht im Stande, durch diese Oxydationsmittel (mit Salpetersäure geht es auch
                              nicht), das Alizarin in Purpurin umzuwandeln.
                           Wolff und Strecker schließen
                              ihre Abhandlungen mit sechs, die Hauptresultate zusammenfassenden Sätzen, worunter auch der
                              vorkommt: „Alizarin geht bei der Gährung des Krapps in Purpurin
                                 über.“
                              
                           Dieser Ausspruch gründet sich mehr auf eine Vermuthung als auf ein directes
                              Experiment. Zunächst muß bemerkt werden, daß in jedem auch lange im Faß gelegenen
                              ausgegohrenen Krapp noch Alizarin gefunden wird. Ich habe aus Krappblumen (ein
                              später als Wolff's und Strecker's Untersuchung aufgetretenes, ihnen darum wohl nicht bekanntes,
                              durch Gährung des Krapps erzeugtes Präparat) die Farbstoffe ausziehen lassen: auch
                              darin fand sich vieles Alizarin. Man könnte sagen, daß die Gährung unvollständig
                              gewesen und ein Theil des Alizarins nicht von ihr betroffen wurde.
                           Auch habe ich reines Alizarin mit Wasser und, um die Löslichkeit zu mehren, mit ganz
                              wenig Weingeist in Lösung gebracht, etwas Traubenzucker und Hefe zugesetzt und es
                              zur Gährung gestellt. Nachdem es 8 Tage gegohren hatte, dampfte ich ein, zog mit
                              Alkohol aus und erhielt eine Lösung die alle Reactionen des Alizarins gab.
                           Auch durch die für die sogenannten Spaltungen angewandten Mittel war ich nicht im
                              Stande Alizarin in Purpurin zu verwandeln.
                           Ich habe einerseits eine schwach mit Schwefelsäure versetzte weingeistige
                              Alizarinlösung, andererseits eine alkalisch-weingeistige Alizarinlösung etwa
                              8 Tage auf einem Dampfbade erwärmt, und konnte nach dieser Zeit nichts entdecken,
                              was auf Umwandlung des Alizarins in Purpurin schließen ließe.
                           Obgleich ich meine Versuche über die Umwandlung nicht als solche betrachten möchte,
                              welche diese Frage abschließen, da sie vielleicht Variationen von besserem Erfolg
                              zulassen, so muß ich mich dennoch einstweilen der Meinung hingeben, daß bei der
                              Gährung des Krapps im Fasse, wie bei der künstlich eingeleiteten zur
                              Krappblumenfabrication und bei der Behandlung mit Säuren, der Garancinfabrication,
                              wie endlich wahrscheinlich bei der Fabrication des in England so geheißenen Pincoffin's (durch Dämpfen), der wesentlichste Vorgang
                              die Spaltung des Rubians (Schunck) oder der
                              Ruberythrinsäure (Rochleder) und die gleichzeitige
                              Bildung von Alizarin und Purpurin sey, nicht aber die theilweise Umwandlung von
                              Alizarin in Purpurin.
                           Endlich was die von Schiel angegebene Umwandlung von
                              Purpurin in Alizarin durch Sublimation betrifft, so muß ich dem Widerspruch Wolff's und Strecker's
                              beistimmen, daß reines Purpurin ein Sublimat gibt, welches sich durchaus wie
                              unverändertes Purpurin verhält.
                           
                        
                           
                           II. Der gelbe Farbstoff des
                                 Fisetholzes.
                           Das Fisetholz, auch ungarisches Gelbholz oder junger Fustik genannt, ist das von
                              Rinde und Splint befreite Kernholz des Perückensumach, rhus
                                 cotinus, und kommt aus Dalmatien, Ungarn, Illyrien, Südtyrol, Spanien,
                              meist in kurzen knorrigen Knüppeln in den Handel. Seit Chevreul hat Niemand sich mit dem Farbstoff dieses nicht unwichtigen
                              Farbmaterials befaßt; es wurde in der Praxis in ähnlichem Sinne wie das Gelbholz
                              (morus tinctoria) gebraucht, obschon man schon lange
                              auf den Unterschied mehrerer Reactionen, welche die Abkochungen der beiden Holzarten
                              liefern, aufmerksam wurde. Chevreul unterscheidet 1)
                              einen gelben Farbstoff, den er Fisettin (auch Fisettinsäure) nannte, und beschreibt
                              denselben als aus gelben krystallinischen Nadeln bestehend, 2) einen rothen
                              Farbstoff, von welchem er aber unentschieden läßt, ob dieß ein präexistirender
                              Körper oder nur das veränderte Fisettin sey.
                           Wird der Rückstand, welcher nach dem Abdampfen des wässerigen Extractes des
                              Fisetholzes bleibt, mit starkem Weingeist behandelt, bis dieser fast farblos
                              abläuft, so bleibt eine Masse zurück, die sich größtentheils mit bräunlichrother
                              Farbe in Wasser löst; sie enthält den rothen Farbstoff, auf dessen Untersuchung
                              vorläufig nicht eingegangen wurde. Die weingeistige Lösung liefert nach dem
                              Concentriren, auf Zusatz von Wasser, eine gelbe Fällung von krystallinischem
                              Aussehen. – Es diente zur Darstellung dieses gelben Farbstoffs der blaßgelbe
                              Bodensatz, der sich in mehreren Flaschen käuflichen Fisetholzextractes, dessen
                              Reinheit unzweifelhaft war, in einige Linien hoher Schichte gebildet hatte.
                           Hr. Mylius aus Frankfurt a. M. sammelte diesen aus kleinen
                              Nädelchen bestehenden Bodensatz auf Leinen und preßte ihn, nachdem er einige Zeit
                              mit kaltem Wasser gewaschen war, ab. Der Preßrückstand wurde mit Wasser zweimal
                              ausgekocht und heiß filtrirt. Was sich nach dem Erkalten ausschied, wurde mit stark
                              verdünnter Salzsäure längere Zeit erhitzt und das beim Erkalten Ausgeschiedene auf
                              einem Filter gesammelt und gut ausgewaschen, um von Salzsäure zu befreien.
                           Der Rückstand wurde aufs neue in heißem Weingeist aufgenommen, filtrirt, mit Wasser
                              versetzt und stehen gelassen. Es war am Boden der Schale ein blaßgelber Niederschlag
                              zu sehen, der aus feinen Nadeln bestand; da sich derselbe beim Trocknen in höherer
                              Temperatur an den Rändern grünlich färbte, wurde er mehrmals in Weingeist gelöst und
                              mit Wasser gefällt, bis diese Erscheinung sich in nur noch sehr unbedeutendem Maaße
                              zeigte. Der Körper, welcher so erhalten wurde, besteht aus feinen gelben
                              Krystallnadeln, deren Lösung mit Bleizuckerlösung einen hochorangerothen
                              Niederschlag gibt. Nach längerem Trocknen bei 110° C. im Luftbad wurde, eine
                              Elementaranalyse gemacht. Es lieferten 0,262 Grm. Substanz 0,0950 Grm. Wasser und
                              0,580 Grm. Kohlensäure; dieß entspricht in 100 Theilen C = 60,32, H = 3,99.
                           Die Krystallform, die Farbe, die geringe Löslichkeit in Wasser, die Leichtlöslichkeit
                              in Alkohol, die charakteristische Reaction auf Bleizucker und endlich die
                              Zusammensetzung lassen keinen Zweifel, daß dieser Körper Quercetin sey, für welches
                              Stein als Mittel von fünf Analysen fand C = 59,664
                              Proc., H = 3,942 Proc.
                           Die Sache wäre insoweit, wie ich glaube, vollkommen aufgeklärt; eigenthümlich ist
                              jedoch, daß diese Substanz, gelöst und mit einem Alkali versetzt, schnell roth wird
                              und daß die Fällung derselben mit Zinnchlorür mehr orange ist, während das Quercetin
                              aus Quercitrin und Gelbbeeren u.s.w. eine mehr weingelbe Fällung erzeugt.
                           Ich schreibe dieß schwer davon trennbaren Spuren des rothen Farbstoffes zu, über
                              dessen Natur ich hoffe, bald Bericht geben zu können. Absichtlich habe ich den aus
                              dem wässerigen Extract gebildeten Absatz mit verdünnter Salzsäure behandeln lassen,
                              wodurch Spaltung erfolgen mußte, wenn etwa ein Glucosid in dem Holz präexistirt,
                              weil ich in die gegenwärtig bestehende Discussion über Quercitrin, das Stein'sche MelinIch bedaure, den Namen Melin für nicht ganz wohlgewählt halten zu können, es
                                    sind Verwechslungen möglich: – μέλας heißt schwarz, Mellon
                                    heißt ein davon ganz verschiedener Körper u.s.w., warum nicht Phytoxanthin
                                    oder Phytochrhrysin, die directer bezeichnend und wegen der Verbreitung
                                    desselben im Pflanzenreich gerechtfertigt wären., Morin u.s.w., die zwischen Stein und Hlasiwetz waltet, nicht einsprechen wollte. Es war mein
                              nächster Zweck zu constatiren, daß das Quercetin, das in so vielen in der Färberei
                              gebrauchten gelben Farbmaterialien fertig gebildet ist oder durch Spaltung daraus
                              gewonnen werden kann, auch in diesem Holze auftritt.
                           
                        
                           III. Ueber die vermuthete Identität des
                                 Safflorgelb und des sogenannten Melins (Rutinsäure).
                           Stein bemerkt in seiner AbhandlungProgramm der Dresdener polytechnischen Schule S. 14. über die gelben, mit Quercitrin nach den Einen identischen, nach ihm nur
                              verwandten sehr verbreiteten gelben Farbstoffe, für welche er den Namen Melin
                              vorschlägt, Folgendes: „Wenn man erwägt, daß die gelbe Farbe des Strohs
                                 übrig bleibt,
                                 nachdem die grüne Farbe des jungen Stengels verschwunden ist, so scheint es kaum
                                 zweifelhaft, daß das Melin, oder ein Glied der Melingruppe, die Grundlage des
                                 Phytochlors bildet und daß das Gelb der herbstlichen Blätter entweder mit dem
                                 Strohfarbstoffe identisch ist, oder doch ebenfalls zur Melingruppe gehört.
                                 Dadurch gewinnt aber diese noch mehr an Interesse und Wichtigkeit, die kaum
                                 erhöht werden kann durch Hinzufügung des Safflorgelbs, des Morindins, des Morindons und des Gentianins, welche ganz
                                 unzweifelhaft hierher gehören. Das Erstere ist nach
                                    Schlieper's Analyse offenbar unkrystallisirtes
                                    Melin.“...
                           Die Angabe Schlieper's,Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. LVIII S. 359. daß die wässerige Lösung des Safflorgelbs nicht lange an der Luft stehen
                              kann, ohne eine Veränderung zu erleiden, indem sich alsbald eine in Wasser
                              unlösliche, dagegen in Alkohol lösliche Materie absetzt, hatte ich mehrmals als
                              richtig zu erkennen Gelegenheit gehabt. Da weder die Löslichkeit in Wasser, noch die
                              Veränderlichkeit der wässerigen Lösung an der Luft mit den Eigenschaften des
                              Pflanzengelbs, das in der Raute, den Gelbbeeren, dem Sanddorn, Kappern u.s.w.
                              aufgefunden worden ist, stimmt, habe ich einen Prakticanten in meinem Laboratorium,
                              Hrn. v. Zintl aus Prag, aufgefordert, den gelben
                              Farbstoff des Safflors nach Schlieper's Vorschrift
                              darzustellen und dessen Eigenschaften genauer zu ermitteln. Schlieper hat nur eine Analyse eines Bleiniederschlags gemacht und als
                              mittleren Bleioxydgehalt darin gefunden 63,57 Proc.
                           Die nach Schlieper's Vorschrift erhaltene Bleiverbindung
                              zeigte einen Bleioxydgehalt von 62,5. Ich hielt es für das am leichtesten zum Ziele
                              führende Mittel die beiden Farbstoffe mit einander zu vergleichen, daß die Spaltung
                              versucht werde. Das längere Zeit mit verdünnter Säure behandelte und wieder von
                              Säure befreite gelbe Pigment gab nach der Concentration einen schmutzig braungrünen
                              Absatz, der sich unter dem Mikroskop als kleine unregelmäßige Körnchen erwies und
                              keine Andeutung von Krystallisation zeigte.
                           Die Flüssigkeit ließ keine Spur von Glucose durch die Kupferreaction entdecken. Der
                              wieder gelöste bräunliche Farbstoff lieferte mit Thonerde- und Zinklösungen
                              schmutzige, mehr grünbraune als gelbe Niederschläge. Die für das Quercetin so sehr
                              charakteristische Bleireaction, der orangerothe Niederschlag, blieb ebenfalls
                              aus.
                           Wenn demnach als Grundlage der Annahme, daß Safflorgelb und Phytomelin identisch seyen, nur
                              die Aehnlichkeit der Zusammensetzung übrig bleibt, so ist dieser bei Körpern, deren
                              Aequivalent aus Verbindungen nicht bestimmt werden kann, und zumal bei
                              Kohlehydraten, wohl weniger Gewicht beizulegen. Die beiden Farbstoffe sind
                              jedenfalls nicht identisch.
                           
                        
                           IV. Ist die Rufimorinsäure identisch mit
                                 Carminsäure?
                           R. Wagner spricht sich in seiner AbhandlungJournal für praktische Chemie, Bd. LII S. 450. über die Farbstoffe des Gelbholzes dahin aus, daß die von ihm durch
                              Einwirkung von concentrirter Schwefelsäure auf Moringerbsäure erhaltene
                              Rufimorinsäure, deren procentische Zusammensetzung (im Mittel von drei Analysen C =
                              54,43, H = 4,45 Proc.) derjenigen der Carminsäure (nach Warren
                                 dela Rue im Mittel von 2 Analysen C = 54,13, H = 4,62 Proc.) sehr nahe
                              kommt, mit der letztern identisch sey. Ich habe, um über diese Ansicht Aufklärung zu
                              gewinnen, durch den II. Assistenten des technischen Laboratoriums, Hrn. O. Meister, sowohl Rufimorinsäure nach Wagner's Vorschrift als Carminsäure nach de la
                                 Rue's Methode darstellen lassen. Die Elementaranalysen wurden nicht
                              gemacht, da angenommen werden darf, beide Säuren seyen in dieser Beziehung
                              hinlänglich genau erforscht.
                           Wagner's eigene Angabe, daß die Rufimorinsäure durch
                              Kochen mit wässerigem Kali oder Baryt wieder in Moringerbsäure umgewandelt werden
                              könne, und daß selbst die ruhig stehenden alkalischen Lösungen durch Luftberührung
                              nach längerer Zeit ihre Farbe verlieren, hatte schon längst in mir Zweifel über die
                              Identität beider Säuren erweckt.
                           Die beiden Körper sind übrigens, wie ich zeigen werde, in ihrem Gesammtverhalten so
                              sehr von einander verschieden, daß die Meinung Wagner's
                              nicht adoptirt werden darf.
                           Derselbe vermuthet, der Unterschied der Löslichkeit beider in Wasser lasse sich
                              darauf zurückführen, daß die Carminsäure nur in Folge geringer beigemengter
                              Ammoniakspuren löslicher sey als die Rufimorinsäure, die in Wasser wenig, nach
                              Zusatz einiger Tropfen Ammoniak aber leicht löslich sey. Dieß ist darum unrichtig,
                              weil in Wasser gelöste Carminsäure auch nach Zusatz von einigen Tropfen Salzsäure
                              gelöst bleibt. Ammoniak verändert die wässerige Carminsäurelösung in Violett,
                              während die Rufimorinsäure rein roth bleibt.
                           
                           
                              
                                 Es gibt:
                                 in Carminsäurelösung
                                 in Rufimorinsäurelösung
                                 
                              
                                 
                                    Barytwasser
                                    
                                 einen violettrothenNiederschlag.
                                 einen schmutzigrothenNiederschlag.
                                 
                              
                                 
                                    Bleizucker
                                    
                                 einen violettrothenNiederschlag.
                                 einen schmutzigrothenNiederschlag.
                                 
                              
                                 
                                    Zinnchlorid
                                    
                                 einen ponceaurothenNiederschlag.
                                 einen braunrothenNiederschlag.
                                 
                              
                                 
                                    Essigsaure
                                    
                                    Alaunerde
                                    
                                 einen carmoisinrothenNiederschlag.
                                 einen schmutzigbraunenNiederschlag.
                                 
                              
                                 
                                    Doppelt-  chromsaures Kali
                                    
                                 eine bräunlicheFärbung.
                                 eine rothbrauneFärbung.
                                 
                              
                           Die Niederschläge der Rufimorinsäure würden sämmtlich in der Färberei oder dem
                              Zeugdruck, da sie alle etwas Mißfarbiges haben, nicht zu gebrauchen seyn.