| Titel: | Ueber die Anwendung des destillirten Wassers zum Speisen der Dampfkessel. | 
| Fundstelle: | Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XXII., S. 109 | 
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                        XXII.
                        Ueber die Anwendung des destillirten Wassers zum
                           Speisen der Dampfkessel.
                        Nach einer Abhandlung von James Jack, vorgetragen in der
                              Mechanical Engineer's Society am 4.
                              August 1863. – Aus dem London Journal of arts, Februar 1864, S. 110.
                        Ueber die Anwendung des destillirten Wassers zum Speisen der
                           Dampfkessel.
                        
                     
                        
                           Seit einigen Jahren sind bei den englischen Schiffsdampfmaschinen die
                              Oberflächen- oder Röhren-Condensatoren in immer vermehrter Anzahl
                              eingeführt worden. Bei den so eingerichteten Schiffskesseln wird natürlich aller
                              Kesselstein mit seinen unabweislichen Übeln Folgen vermieden. Es hat nun
                              dieser wiederholte Kreislauf des Wassers, die immer wieder stattfindende Speisung
                              mit demselben Wasser, also die ausschließliche Anwendung von destillirtem Wasser zum Speisen, sehr erhebliche und
                                 ganz unerwartete Uebelstände im Gefolge gehabt, über welche Jack's Vortrag und die Verhandlungen über denselben in
                              der Mechanical Engineer's Society näheren Aufschluß
                              geben.
                           Indem wir das daselbst Gesagte kurz zusammenfassen, heben wir zunächst hervor, daß in
                              sehr vielen Fällen die Anwendung der
                              Oberflächencondensation ein sehr schnell fortschreitendes Zerfressen des Kesselblechs zur Folge gehabt hat. Es waren von dem
                              Vortragenden eine Anzahl Schiffskessel untersucht worden, welche eine Zeit lang mit
                              Einspritzungscondensation gearbeitet hatten und reichlich mit Kesselstein versehen
                              waren, dann mit Oberflächencondensation eingerichtet und ohne vorherige Reinigung wieder in Dienst genommen worden waren. Die
                              Untersuchung der Kessel nach der ersten Reise ergab, daß der Kesselstein meist
                              verschwunden und die innere Kesselfläche in der besten Verfassung zur
                              Wärmetransmission befindlich war. Alle solche Kessel blieben von da ab längere Zeit,
                              zum Theil während vier Jahren, im vorzüglichsten Zustande, und bewiesen deutlich die
                              Vortrefflichkeit der Oberflächencondensation. Indessen war das Eisen keineswegs von
                              reiner metallischer Beschaffenheit, sondern zeigte eine grauliche Oberfläche, gleich
                              als wäre es in seiner Natur etwas verändert. Diese Beschaffenheit der Oberfläche
                              verhinderte die nachtheilige Wirkung, welche sich bei einer Anzahl anderer Kessel
                              zeigte; diese waren nämlich von Anfang an mit Oberflächencondensation versehen
                              gewesen und hatten somit, mit Ausnahme der ersten Füllung, nur reines Wasser
                              erhalten. Schon nach der ersten Reise, mehr aber noch nach den späteren, zeigte sich hierbei
                              Folgendes: Erstens war die Oberfläche der Platten, Röhren
                              und Niete sowohl oberhalb als unterhalb der Wasserlinie mit einem Niederschlage
                              bedeckt, der wie Rost aussah, nach dem Trocknen ein äußerst feines bräunliches
                              Pulver darstellte und bei der Analyse fast nur Wasser (20 Proc.) und Eisenoxyd (78
                              Proc.), mit etwas Fett, Gyps und Kupferoxyd ergab. Die Dicke dieses Niederschlages
                              war oberhalb des Wassers am größten und erreichte bisweilen 3/4 Zoll. Zweitens zeigten sich die Platten und Röhren unter diesem
                              Niederschlage angefressen. Zahlreiche Vertiefungen im
                              Eisen wechselten im Durchmesser vom kleinsten Punkt bis zu 5/8 Zoll und in der Tiefe
                              vom bloßen Eindruck bis zur ganzen Dicke der Platte. Am zahlreichsten fanden sie
                              sich über der Stelle des Feuers, obwohl in manchen Fällen gerade hier große ganz
                              unangegriffene Stellen zu bemerken waren.
                           Platten und Röhren waren in allen Fällen vom besten Eisen, aus den besten Fabriken;
                              das Eisen zeigte an den Löchern die beste Structur und war ohne alle Fehlstellen;
                              die sehr verschiedenartige Herkunft der Kessel bewies, daß die Erscheinung nicht
                              etwa einer bestimmten Sorte Eisen zukomme.
                           Das Zerfressen durch das immer und immer wieder benutzte Wasser war in manchen Fällen
                              von solcher Wirksamkeit, daß nach wenigen Reisen, in der Zeit von einigen Monaten,
                              einzelne Röhren ganz durchlöchert waren und durch neue ersetzt werden mußten.
                           Dieser zerstörenden Wirkung konnte nur dadurch Einhalt gethan werden, daß dem
                              Speisewasser stets eine kleine Menge – 1/6 bis 1/10 – Seewasser
                              zugemischt wurde. Es entstand so eine geringe Menge Kesselstein, welche den
                              wirksamsten Schutz abgab.
                           Untersuchungen über den Einfluß des Schmiermittels auf das Zerfressen des Eisens
                              sollen dargethan haben, daß ein solcher Zusammenhang nicht bestanden hat.Diese Untersuchungen dürften doch zu wiederholen seyn und dann vielleicht
                                    andere Resultate ergeben. Es liegen eine Menge von Thatsachen vor, welche
                                    gerade für ein Zerfressen durch die frei werdenden Fettsäuren sprechen.A. d. Red. Ebenso soll sich Zusatz von Kalk, Soda u. dgl. zum Speisewasser als durchaus
                              unwirksam erwiesen haben (?) und nur das oben angegebene Mittel der Vermischung des
                              destillirten mit etwas unreinem Wasser als ein zuverlässiges Präservativ bezeichnet
                              werden können.
                           Aehnliche Erscheinungen wie bei den erwähnten Schiffskesseln haben sich an zwei Kesseln einer
                              Zuckerraffinerie gezeigt, welche ebenfalls den condensirten Dampf als Speisewasser
                              benutzte. Zwei andere Kessel derselben Raffinerie, welche mit gewöhnlichem Wasser
                              gespeist wurden, waren daneben unversehrt geblieben. Es folgt hieraus jedenfalls,
                              daß die zerstörende Wirkung nicht dem Seewasser als solchem, sondern dem reinen
                              condensirten Dampfwasser zukommt.
                           Im Verlaufe der Besprechung dieses Gegenstandes wurde nun die Mittheilung gemacht,
                              daß sich mehrfach ganz dieselben Erscheinungen gezeigt hätten, wenn
                              Locomotiv- oder andere Kessel mit dem reinen Wasser gespeist wurden, wie
                              dasselbe von Torfmooren kommt. Die zerstörende Wirkung
                              hatte im ersten Fall wieder aufgehört, wenn die Locomotiven auf andere Stationen
                              verschickt wurden, im andern Fall, wenn man etwas unreines
                                 Wasser oder auch etwas kohlensauren Kalk
                              (Kreide) dem Wasser zusetzte.
                           In Betreff der dieses Zerfressen veranlassenden Ursachen wurde auch die Ansicht
                              geäußert, dieselbe könne wohl in einer durch das Messing der Siederöhren
                              hervorgebrachten galvanischen Wirkung zu suchen seyn, indem mikroskopische
                              Beobachtungen am Grunde der Vertiefungen kleine Messingtheilchen erkennen ließen,
                              welche also von den Siederöhren mitgerissen worden wären. Indessen lassen sich
                              wederaus diesen, noch aus anderen mitgetheilten Beobachtungen bestimmte Schlüsse
                              ziehen und nur die Thatsachen und das Gegenmittel bleiben unbestreitbar.
                           Jedenfalls dürfte hierin Veranlassung zur weiteren Beachtung des Gegenstandes liegen
                              und namentlich die Versuche in der Richtung auf die Einwirkung der Fettsäuren
                              anzustellen seyn. Auch ist nicht zu vergessen, daß die gleiche Erscheinung in den
                              einzelnen Fällen die Folge von ganz verschiedenen Ursachen seyn kann und es nicht
                              erforderlich ist, eine einzige allgemein gültige Erklärung zu finden. Aus der
                              genauen Ermittelung der Ursachen werden sich aber jedenfalls sichere
                              Präservativmittel ergeben, sofern die oben angedeuteten nicht schon für hinreichend
                              erachtet werden sollten.