| Titel: | Ueber die Anwendung des Alkohols zur Bestimmung der freien Schwefelsäure in einer Flüssigkeit (Essig, Wein etc.), welche auch schwefelsaure Salze enthält; von A. Girard. | 
| Fundstelle: | Band 172, Jahrgang 1864, Nr. LXXIV., S. 284 | 
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                        LXXIV.
                        Ueber die Anwendung des Alkohols zur Bestimmung
                           der freien Schwefelsäure in einer Flüssigkeit (Essig, Wein etc.), welche auch
                           schwefelsaure Salze enthält; von A.
                              Girard.
                        Aus den Comptes rendus, t. LVIII p.
                              515.
                        Girard, über die Anwendung des Alkohols zur Bestimmung der freien
                           Schwefelsäure in einer Flüssigkeit, welche schwefelsaure Salze enthält.
                        
                     
                        
                           Zur Erkennung und Bestimmung der freien Schwefelsäure in einer Flüssigkeit welche
                              auch schwefelsaure Salze enthält, empfiehlt man folgendes Verfahren: man dampfe die
                              Flüssigkeit auf das Volum von 50 oder 100 Kubikcentimetern ein, behandle sie mit
                              ihrem fünffachen Volum Alkohol von 40° Cartier (95 Volumprocenten nach
                              Tralles), verjage den Alkohol durch Abdampfen im Wasserbad, und fälle endlich mit
                              salpetersaurem Baryt. Man nimmt allgemein an, daß bei Befolgung dieser Methode alle
                              schwefelsauren Salze durch den Zusatz des Alkohols abgeschieden werden und daß sich
                              nur die freie Schwefelsäure in letzterem auflöst.
                           Ich hatte kürzlich Gelegenheit dieses Verfahren zu prüfen, wobei ich mich überzeugte,
                              daß es genaue Resultate liefert, wenn das Verhältniß der Schwefelsäure ein
                              beträchtliches ist; daß es aber diese Genauigkeit nicht mehr gewährt, wenn geringe
                              Mengen von Schwefelsäure zu ermitteln sind. Mit Ausnahme des schwefelsauren Kalks
                              werden nämlich die meisten schwefelsauren Salze, besonders diejenigen welche man
                              gewöhnlich in den natürlichen Flüssigkeiten (Wein, Essig etc.) antrifft, durch den Alkohol unvollständig
                              gefällt. Dieß war auch zu erwarten, denn wenn man 1 Vol. Wasser mit 5 Vol. Alkohol
                              von 40° Cartier mischt, so erhält man einen Weingeist von 33° Cartier
                              (85 Volumprocenten nach Tralles), worin die meisten schwefelsauren Salze schwach
                              löslich sind.
                           Um die erwähnte Thatsache zu beweisen, habe ich Versuche mit ziemlich concentrirten
                              Lösungen von schwefelsaurem Kalk, Natron, Kali, Eisenoxydul und schwefelsaurer
                              Magnesia angestellt. Von jeder dieser Lösungen wurden 100 Kubikcentimeter mit 500 K.
                              C. Alkohol von 40° Cartier behandelt, wodurch reichliche Niederschläge
                              entstanden; nach 24stündigem Stehenlassen der Mischung wurde die alkoholische Lösung
                              im Wasserbad abgedampft, angesäuert und endlich mit salpetersaurem Baryt versetzt.
                              Auf diese Weise erhielt ich folgende Resultate:
                           
                              
                                 Angewandtesschwefelsaures Salz:
                                 SchwefelsaurerKalk.
                                 Schwefels.Magnesia.
                                 Schwefels.Kali.
                                 Schwefels.Natron.
                                 Schwefels.Eisenoxydul.
                                 
                              
                                 erhaltenerschwefelsaurer Baryt.
                                 Grm.0,000
                                 Grm.0,046
                                 Grm.0,030
                                 Grm.0,172
                                 Grm.0,105
                                 
                              
                           Mit Ausnahme des schwefelsauren Kalks, welcher nach Pelouze und Fremy in mit Alkohol gemischtem
                              Wasser absolut unauflöslich ist, blieben also alle anderen von mir angewandten
                              schwefelsauren Salze in geringer, jedoch beachtenswerter Menge im Alkohol
                              aufgelöst.
                           Die Löslichkeit dieser schwefelsauren Salze nimmt zu, wenn die Flüssigkeit sauer ist
                              (selbst durch eine schwache Säure). Bei der Wiederholung der Versuche mit ähnlichen
                              Lösungen, welche aber 10 Procent ihres Volums Essigsäure enthielten, ergaben sich
                              nämlich folgende Resultate:
                           
                              
                                 Angewandtesschwefelsaures Salz:
                                 SchwefelsaurerKalk.
                                 Schwefels.Magnesia.
                                 Schwefels.Kali.
                                 Schwefels.Natron.
                                 Schwefels.Eisenoxydul.
                                 
                              
                                 erhaltenerschwefelsaurer Baryt.
                                 Grm.0,006
                                 Grm.0,077
                                 Grm.0,035
                                 Grm.0,200
                                 Grm.0,220
                                 
                              
                           Mit den starken Säuren nimmt die Löslichkeit beträchtlich zu. So wird aus einer in
                              der Kälte gesättigten Lösung von schwefelsaurem Kalk, welche mit 10 Proc. ihres
                              Volums Salzsäure oder Salpetersäure angesäuert wurde, durch Zusatz ihres fünffachen
                              Volums Alkohol von 40° Cartier allerdings der größte Theil des Kalksalzes
                              niedergeschlagen, aber doch noch so viel davon zurückgehalten, daß ein Versuch mit
                              100 Kubikcentimetern Lösung bei Anwendung von Salzsäure 0,110 Grm. und bei Anwendung
                              von Salpetersäure 0,130 Grm. schwefelsauren Baryt lieferte.
                           Die schwefelsaure Magnesia widersteht der Fällung noch besser, denn eine wie vorher angesäuerte
                              Lösung, welche 10 Procent schwefelsaure Magnesia enthält, läßt auf Zusatz ihres
                              fünffachen Volums Alkohol keine bestimmbare Menge dieses Salzes fallen.
                           Wenn man die Lösung des schwefelsauren Salzes mit einer geringeren Menge Salzsäure
                              oder Salpetersäure ansäuert, so bleibt auch eine geringere Menge von dem angewandten
                              Salze im Alkohol aufgelöst, aber immer noch eine ziemlich beträchtliche Quantität,
                              Als z.B. Lösungen mit 1 Volumprocent Salzsäure oder Salpetersäure angesäuert und
                              dann 100 Kubikcentimeter derselben wie vorher behandelt wurden, enthielten sie nach
                              der Wirkung des Alkohols noch folgende Quantitäten schwefelsauren Salzes als
                              schwefelsaurer Baryt bestimmt:
                           
                              
                                 Angewandtesschwefelsaures Salz:
                                 SchwefelsaurerKalk.
                                 SchwefelsaureMagnesia.
                                 
                              
                                 erhaltenerschwefelsaurer Baryt.
                                 Grm.0,040
                                 Grm.0,585
                                 
                              
                           Bei Gegenwart von Säuren werden also die von mir untersuchten schwefelsauren Salze in
                              Alkohol beträchtlich löslicher, und sogar der schwefelsaure Kalk ist dann in
                              demselben nicht mehr absolut unlöslich. Diese Unlöslichkeit kann auch durch eine
                              andere Ursache aufgehoben werden. Bei Gegenwart eines Salzes, welches, wie das
                              Chlormagnesium, durch Zersetzung mit dem schwefelsauren Kalk ein schwierig fällbares
                              Sulfat zu geben vermag, wird nämlich der Alkohol unfähig, das ursprünglich im Wasser
                              aufgelöste schwefelsaure Salz vollständig zu fällen. Versetzt man z.B. 100
                              Kubikcentimeter einer in der Kälte gesättigten Lösung von schwefelsaurem Kalk mit
                              einem Stück Chlormagnesium, so findet man nach dem Abdampfen der 500 Kubikcentimeter
                              zur Fällung angewandten Alkohols eine Quantität schwefelsauren Salzes, welche 0,012
                              Grm. schwefelsaurem Baryt entspricht.
                           Die im Vorstehenden mitgetheilten Thatsachen sind bei der praktischen Analyse,
                              insbesondere bei der Untersuchung der natürlichen Flüssigkeiten wie Weine, Essig
                              etc., sehr zu beachten. Sie zeigen, daß sich bei Gegenwart schwefelsaurer Salze
                              geringe Mengen freier Schwefelsäure nicht mit Sicherheit bestimmen lassen, wenn man
                              sich begnügt die wässerige Lösung, sogar auf das Volum von 50 oder 100
                              Kubikcentimetern eingeengt, mit ihrem fünffachen Volum Alkohol von 40°
                              Cartier zu fällen.
                           In einem solchen Falle können nur zwei Methoden mit Erfolg angewendet werden: die
                              erste besteht darin, die zu untersuchende Flüssigkeit zur Trockne abzudampfen und
                              den Rückstand mit absolutem Alkohol zu behandeln; die zweite, welche von Heinrich
                              Rose angegeben wurde, besteht in der Anwendung einer
                              Milch von kohlensaurem Baryt, welcher auf die schwefelsauren Salze nicht wirkt, aber in
                              Berührung mit freier Schwefelsäure sich in schwefelsauren Baryt umwandelt, der in
                              den Säuren unlöslich ist.