| Titel: | Darstellung und Eigenschaften des Bors, nach H. Sainte-Claire Deville und Fr. Wöhler. | 
| Fundstelle: | Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XCVI., S. 376 | 
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                        XCVI.
                        Darstellung und Eigenschaften des Bors, nach H.
                              Sainte-Claire Deville und Fr. Wöhler.
                        Deville und Wöhler, über Darstellung und Eigenschaften des
                           Bors.
                        
                     
                        
                           Deville's fabrikmäßige Darstellungsweise des Aluminiums hat, abgesehen von ihrer technischen
                              Bedeutung, die zwar langsam aber stetig wächst, ebenso wichtige als überraschende
                              Entdeckungen im Gefolge gehabt, über welche die beiden genannten Chemiker in Bd. VII
                              der Abhandlungen der königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen
                              berichten.
                           Der Kohlenstoff, welcher bisher wegen seiner Fähigkeit drei außerordentlich
                              differente Zustände (Kohle, Graphit und Diamant) anzunehmen, völlig isolirt dastand,
                              theilt jetzt diese Eigenschaft mit dem Bor und
                              wahrscheinlich auch mit dem Silicium. Diese drei Körper,
                              deren chemisches Verhalten nahe verwandt, werden durch diese Eigenthümlichkeit in
                              eine außerordentlich scharf charakterisirte Gruppe vereinigt. Anderseits scheint
                              sich auch Aluminium, so verschieden auch seine
                              physikalischen Eigenschaften seyn mögen, dieser Gruppe zu nähern; in den Bordiamanten findet sich nämlich außer einem Gehalt von
                              mehreren Procenten Kohlenstoff, Aluminium in variabler Menge von 0 bis 13 Proc. ohne einen
                              wesentlichen Einfluß auf die Eigenschaften der Substanz. Die drei Elemente sind
                              nicht in eine stöchiometrische Verbindung, sondern nach Art der Metalllegirungen in
                              ein loses Gemisch getreten, wie ein solches unter nahe verwandten Körpern
                              stattfindet, denen der chemische Gegengesatz, diese nothwendige Bedingung zu einer
                              Verbindung nach dem Aequivalent-Verhältniß, fehlt.
                           Amorphes Bor. – Durch Reduction von Borsäure oder
                              von Fluorborkalium mit Kalium wurde bereits im Jahre 1809 von Gay-Lussac, Thénard und Davy das Radical
                              der längst bekannten Borsäure dargestellt, und 1824 von Berzelius näher untersucht. Es ist dasselbe ein dunkel bräunlichgrünes,
                              abfärbendes, glanzloses Pulver, unschmelzbar, die Elektricität nicht leitend; bei
                              gewöhnlicher Temperatur an der Luft nicht oxydirbar, verbrennt es mit lebhafter
                              Feuererscheinung, wenn es über 300° C. erhitzt wird und verpufft mit Salpeter
                              geglüht; von Salpetersäure und Königswasser wird es unter Bildung von Borsäure
                              gelöst; schmelzende kohlensaure Alkalien zerlegt es unter Ausscheidung von
                              Kohlenstoff und Bildung borsaurer Salze.
                           Graphitartiges Bor. – Wird Aluminium längere Zeit
                              hindurch in einem Strom von Chlorborgas geschmolzen, so nimmt es unter Bildung von
                              Chloraluminium kleine Mengen Bor auf. Dasselbe findet statt, wenn man 8 Th.
                              Fluorborkalium mit einem Fluß von 9 Th. Chlorkalium und 7 Th. Chlornatrium gemengt
                              mit 5 Th. Aluminium der Silberschmelzhitze in einem Porzellantiegel aussetzt, oder
                              auch eine Beschickung von 15 Th. verglaster Borsäure, 10 Th. Fluorcalcium und 2 Th.
                              Aluminium anwendet. Stets aber scheint, ganz analog der Bildung von Graphit und
                              Silicium im Hohofen ein Ueberschuß von Eisen, hier ein Ueberschuß von Aluminium
                              erforderlich zu seyn, um Bor in Lösung zu bringen, aus der es sich krystallinisch
                              ausscheidet. Das borhaltige Aluminium hat die Farbe und schuppig-krystallinische
                              Textur eines grauen graphitreichen Roheisens. Bei der Behandlung mit Salzsäure löst
                              sich Aluminium, und Bor bleibt in Lamellen und Täfelchen von unbestimmbarer
                              Krystallform zurück; dieselben sind undurchsichtig, halb metallisch glänzend, grau
                              mit einem Stich ins Kupferrothe, unlöslich in Säuren und Alkalien, und können an der
                              Luft zum Glühen erhitzt werden, ohne sich zu oxydiren.
                           Diamantartiges Bor. – 80 Gramme Aluminium in
                              Stücken wurden mit 100 Grm. verglaster Borsäure 4 bis 5 Stunden lang der höchsten
                              Temperatur eines Windofens ausgesetzt, bei welcher Nickel mit Leichtigkeit in Fluß
                              gerieth. Die Reduction erfolgte in einem Tiegel von dichter Kohle, der mit einer
                              Kohlenplatte geschlossen in ein feuerfestes Gefäß eingesetzt wurde. Nach dem
                              Erkalten fand sich unter einer glasigen Schlackendecke, aus Borsäure und Thonerde
                              bestehend, ein blasiger Regulus von roheisenartigem Ansehen, der mit kleinen, höchst
                              glänzenden Krystallen von Bor bekleidet und durchdrungen war. Derselbe wurde mit
                              Salzsäure und Natronlauge zur Lösung des Aluminiums und schließlich mit einem
                              Gemisch von Fluorwasserstoff- und Salpetersäure zur Entfernung des Siliciums
                              behandelt. Die graphitischen Lamellen wurden abgeschlämmt und zurück blieben die
                              Krystalle zugleich mit Thonerdekrystallen. – Der Bordiamant gehört dem zwei-
                              und einachsigen (tetragonalen) System an und ist das Verhältniß der Achsen a : a : c = 1 : 1 : 0,57619. Beobchtet wurden von Sella folgende Flächen:
                           
                              
                                 a : a :
                                    ∞ c der beiden Säulen,
                                 
                              
                                 a : ∞
                                       a : ∞ c
                                 
                              
                                 a : a : c
                                 des Hauptoktaeders,
                                 
                              
                                 a : a : 2c
                                 des ersten spitzeren Oktaeders.
                                 
                              
                           Höchst auffallender Weise sind also Bor und Kohlenstoff nicht isomorph und da in
                              Bor-Krystallen ein Kohlenstoffgehalt bis zu 4 Proc., und natürlich, wie aus der
                              Durchsichtigkeit folgt, in der Modification des Diamant vorkommt, hat man
                              anzunehmen, daß die vorwaltende Substanz im Stande ist, der anderen ihre
                              Krystallform aufzudrängen, eine Erscheinung, der es übrigens nicht an Analogie
                              fehlt. Wäre dieß nicht der Fall und es fände eine Trennung durch Krystallisation
                              statt, so wäre das Problem der Diamanterzeugung gelöst,
                              welches durch diese Untersuchung wesentlich gefördert ist. Außer dem Zinn ist
                              übrigens das Bor das einzige Element, welches dem zwei- und einachsigen System
                              angehört.
                           Glanz, Brechungsvermögen und Härte des Bordiamanten sind
                                 denjenigen des Kohlenstoffdiamanten fast gleich; letztere pflegt zwar etwas
                              zu schwanken, ist jedoch stets beträchtlich größer als die des Korund. Die Farbe ist
                              schwarz, nelkenbraun, honiggelb bis wasserhell, die dunklen Färbungen scheinen von
                              einem Gehalt an amorphem Bor herzurühren, von dem sehr kleine Quantitäten genügen,
                              um glasige Borsäure undurchsichtig zu machen.
                           Der Bordiamant ist sehr schwer oxydirbar und bedeckt sich selbst in Sauerstoffgas bei
                              einer Temperatur, in der Kohlenstoffdiamant verbrennt, nur oberflächlich mit einer
                              Kruste von geschmolzener Borsäure; nur in trockenem Chlorgase bis zum Glühen erhitzt
                              verbrennt er unter lebhafter Feuererscheinung; schmelzendes doppelt-schwefelsaures
                              Kali sowie die kohlensauren Alkalien in der Glühhitze sind nicht ohne Wirkung. Beim
                              Erhitzen an der Luft zeigen die Krystalle blaue und gelbe stahlartige Anlauffarben;
                              ein Platinblech, auf welchem ein Krystall zum Glühen
                              gebracht, wird augenblicklich durchbohrt in Folge einer leichtflüssigen silberweißen
                              Verbindung beider Substanzen; dasselbe Verhalten findet auch zum Palladium statt.
                           Die Analyse, welche durch Verbrennung in Chlorgas ausgeführt wurde, gab folgende
                              Zusammensetzung:
                           
                              
                                 
                                 I
                                 II
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                   2,4
                                   4,2
                                 
                              
                                 Bor
                                 97,6
                                 89,1
                                 
                              
                                 Aluminium
                                 –
                                   6,4
                                 
                              
                           I schwarze, undurchsichtige, tafelförmige Krystalle von hohem Diamantglanz, in deren
                              Pulver Diamante geschliffen wurden;
                           II farblose, durchsichtige Krystalle, etwas weicher.
                           Eine dritte, und zwar die härteste Varietät von rother in chocoladenbraun ziehender
                              Farbe, wurde, da sie mit Thonerde-Krystallen innig gemengt war, nicht analysirt. Es
                              bildet sich die Varietät I bei niedrigster Temperatur und kürzester Reductionszeit,
                              II bei stärkerer Hitze und einem großen Ueberschuß von Aluminium, III durch
                              wiederholte Einwirkung überschüssiger Borsäure in sehr hoher Temperatur, bei welcher
                              sie sich rasch verflüchtigt; zur Darstellung von 1–2 Grammen Diamant müssen
                              20 bis 30 Grm. Borsäure verflüchtigt werden.
                           Wichtig und folgereich ist ohne Zweifel die Entdeckung des Bordiamanten für die Darstellung des Kohlenstoffdiamanten, die hierdurch höchst wahrscheinlich geworden ist,
                              nachdem sie von jeher in das Bereich der Möglichkeit gehört hat. Seltsam, daß
                              während die alchymistischen Träumereien von der Metallverwandlung Jahrhunderte lang
                              alle Köpfe erfüllten, das mögliche Problem erst in neuester Zeit versucht worden
                              ist. Sollte dasselbe aber auch auf diesem oder einem ähnlichen Wege gelingen, so
                              halten wir die alte geologische Controverse über die natürlichen Diamanten dadurch keinesweges im plutonischen Sinne entschieden, es läge alsdann nur ein neuer Beweis dafür
                              vor, daß die Natur auf verschiedenstem Wege dasselbe hervorzubringen vermag! (Berggeist, 1864, Nr.
                              40.)