| Titel: | Auszüge aus dem Bericht von Prof. Chandelon in Lüttich über die chemischen Producte (Classe II) auf der Londoner Industrie-Ausstellung von 1862. | 
| Fundstelle: | Band 172, Jahrgang 1864, Nr. CXVIII., S. 450 | 
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                        CXVIII.
                        Auszüge aus dem Bericht von Prof. Chandelon in Lüttich über die chemischen Producte (Classe II)
                           auf der Londoner Industrie-Ausstellung von 1862.Dieser Bericht wurde in der von de Cuyper
                                 herausgegebenen Revue universelle des mines, 1863,
                                    t. XIV p. 280, veröffentlicht.A. d. Red.
                           
                        Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, 1864,
                              Bd. IX S. 24.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VII.
                        Chandelon, Bericht über die chemischen Producte auf der Londoner
                           Industrie-Ausstellung von 1862.
                        
                     
                        
                           1) Raffiniren des
                                 Rohschwefels.
                           Die im sicilischen Rohschwefel vorkommenden erdigen oder bituminösen Verunreinigungen
                              können von 1,5 bis 25 Proc. betragen. In der Nähe von Marseille befinden sich 16
                              Etablissements, die sich mit Schwefelraffination befassen. So einfach die Sache, da
                              es sich nur um eine Destillation handelt, erscheint, so viel Schwierigkeiten zeigen
                              sich doch in der Praxis.
                           Der ursprüngliche Apparat von Michel in Marseille bestand
                              aus einem oder mehreren eisernen Kesseln, die mit einem Helm überwölbt waren und mit
                              der gemauerten Kammer in Verbindung standen. Ueber den Kesseln befand sich im
                              Mauerwerk eine Oeffnung zum Füllen der Kessel und zum Reinigen derselben von
                              Rückständen. Man machte in diesem Apparat sowohl Schwefelblumen als Stangenschwefel;
                              von letzterem in 24 Stunden und per Kubikm. Kammerinhalt
                              22–23 Kilogrm., von ersteren 3 1/2 bis 3 3/4 Kilogrm. Das Reinigen der Kessel
                              bot sehr viele Uebelstände, es trat Luft ein, was wegen der Bildung von schwefliger
                              Säure für den Arbeiter unerträglich, für die Vegetation der Nachbarschaft schädlich
                              und für die Ausbeute ebenfalls nachtheilig war, indem 10 bis 12 Proc. Schwefel
                              verloren giengen.
                           Eine erste Verbesserung an diesem Apparat wurde von Feissat
                              sen. und Porry-Signoret
                              angebracht; sie bestand in einem Vorwärmkessel, aus dem der Schwefel, durch
                              abgehende Wärme in flüssigen Zustand gebracht, in die Retorten abfloß, die Schlacken
                              zurücklassend. Diese Einrichtung brachte freilich den Nachtheil, daß in letzteren
                              viel nicht ausgeschmolzener Schwefel zurückblieb. Eine andere Verbesserung bestand
                              in einer Klappe, mittelst der man den Verbindungscanal zwischen der Retorte und der
                              Condensationskammer sperren konnte, damit in letztere nicht Luft eintreten und
                              Oxydation veranlassen könne. Diese Verbesserung findet sich an dem Apparate von Lamy, der 1844 einen Preis der Akademie von 3000 Frcs.
                              erhielt und welchen man heutzutage in allen chemischen Handbüchern abgebildet
                              findet, angebracht. Die Kessel sind durch Cylinder ersetzt, die mit einem doppelt
                              gebogenen Hals versehen sind, der an den Cylinder durch Flantschen und Schrauben
                              befestigt ist. Der Cylinder ist mit einem beweglichen Deckel geschlossen und liegt
                              im Herde ähnlich den Gasretorten. Diesem Apparate wird der Vorwurf gemacht, daß der
                              flüssige und dampfförmige Schwefel an den Fugen der Thüre und Flantschen ausdringe
                              und diese leicht beschädige.
                           Der Apparat von Dujardin ist von diesen Fehlern frei und
                              gibt sehr gute Producte, sowohl unter dem Gesichtspunkt der Kosten als unter dem der
                              Qualität. Er besteht aus einer linsenförmigen gußeisernen Retorte a (aus einem Stück), Fig. 6, 7 und 8, die mit einem Ansatz
                              b, der im Mauerwerk liegt, verbunden ist, und
                              welcher durch die Klappe c abgeschlossen werden kann,
                              damit beim Ausräumen der Retorte keine Luft eintreten könne. Auf dem Herde steht ein
                              ovaler Kessel d, der von abgehendem Feuer gewärmt wird
                              und durch das Rohr e, das mittelst des Pfropfes f geschlossen werden kann, mit der Retorte in Verbindung
                              steht. Dieser Kessel faßt 600 Kilogr. Schwefel, den man, sobald er geschmolzen ist,
                              mit allen Verunreinigungen in die Retorte abfließen läßt. Ist er nach etwa 4 Stunden
                              verflüchtigt, so schließt man die Klappe e und entleert
                              den Rückstand in das Gefäß g. Gewöhnlich werden sechs
                              Operationen in 24 Stunden gemacht und dazu 500 Kilogr. halbfette Kohle gebraucht.
                              Nach 5 bis 6 Tagen nimmt man das Gießen in Stangenform vor. Zur Destillation von
                              Schwefelblumen werden täglich nur 400 Kil. Rohschwefel abdestillirt.
                           Die Erfahrungen der Fabrik Wyndt-Aerts in Merxem in
                              Belgien, wo ein solcher Ofen sich befindet, beweisen, daß der Gesammtverlust nicht
                              mehr als 2,23 Proc. beträgt und daß die Rückstände völlig schwefelfrei sind. Dieß
                              erfolgt bei Anwendung von Rohschwefel, der im Mittel 1,5 Proc. Verunreinigung
                              enthält. In der genannten Fabrik, in welcher dieser Apparat eingeführt ist, werden
                              alljährlich 1,500,000 Kilogr. Schwefel destillirt.
                           In Frankreich ist einem Hrn. Clement 1854 ein dem obigen ziemlich ähnlicher Apparat
                              patentirt worden.
                           
                        
                           
                           2) Statistik der Fabrication von
                                 Schwefelsäure, schwefelsaurem Natron, Soda und Chlorkalk in England.
                           Ein Bericht vom Mai 1862 von Hutchinson, Deacon und Gamble, der dem Hause der Lords, das ein Comité
                              „On injury from noxious
                                    vapours“ eingesetzt hatte, erstattet wurde, enthält folgende
                              enorme Ziffern:
                           
                              
                                 
                                 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                                 Werth der jährlichen Production
                                 2,500,000
                                 
                              
                                 
                                 Tonnen.
                                 
                              
                                 Gewicht der Producte im trockenen
                                    Zustande    Rohproducte jährlich
                                    gebraucht:
                                 280,000
                                 
                              
                                 Kochsalz
                                 254,000
                                 
                              
                                 Steinkohle
                                 961,000
                                 
                              
                                 gebrannter und kohlensaurer Kalk
                                 280,000
                                 
                              
                                 Pyrite
                                 264,000
                                 
                              
                                 Natronsalpeter
                                 8,800
                                 
                              
                                 Braunstein
                                 33,000
                                 
                              
                                 Holz für Fässer zur Verpackung
                                 33,000
                                 
                              
                                     Capitalien in diesen
                                    Industrien angelegt:
                                 Pfd. Sterl.
                                 
                              
                                 Landwerth
                                 235,000
                                 
                              
                                 Gebäude und Apparate
                                 950,000
                                 
                              
                                 Betriebscapital
                                 825,000
                                 
                              
                                 Unterhaltung- und Reparaturkosten
                                 135,500
                                 
                              
                                     Beschäftigt sind:
                                 Arbeiter.
                                 
                              
                                 bei der directen Fabrication
                                 10,600
                                 
                              
                                 in den Kohlengruben
                                 3,100
                                 
                              
                                 in Salzwerken
                                 420
                                 
                              
                                 in Kalkbrüchen
                                 660
                                 
                              
                                 in Pyritbrüchen
                                 4,030
                                 
                              
                                 Holzschneider und Faßbinder
                                 330
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 19,140
                                 
                              
                           Dieß entspricht einer Arbeiterbevölkerung (mit Familien) von 95,700 Individuen, und
                              der jährliche Lohn beträgt 871,750 Pfd. Sterl.
                           
                        
                           3) Neue Form der Platinretorten und
                                 Ersatz derselben in der Schwefelsäurefabrication.
                           Die Platinretorten sind aus englischen Schwefelsäurefabriken fast gänzlich verbannt.
                              Die an deren Stelle getretenen Glasgefäße haben die Gestalt Fig. 10, A. Dieser Ballon ist in eine gußeiserne Pfanne gesetzt,
                              die ein Sandbad bildet, hat eine Höhe von 85 Centimeter und eine Weite von 45
                              Centimeter. Sein Inhalt ist 136 Liter; er gibt bei jeder Operation 87 Liter (160
                              Kilogr.) concentrirte Schwefelsäure. Der aus dem Sandbad herausragende Theil ist
                              durch eine Thonkappe vor Zutritt kalter Luft geschützt. B ist ein gebogenes
                              Glasrohr, das mit C, einem Bleigefäß, in Verbindung
                              steht, worin sich das abdestillirte Wasser condensirt. Fig. 9 zeigt die
                              Vorderansicht, Fig.
                                 11 den Grundriß des Apparates.
                           Die Platinfabrik Johnson Matthey u. Comp. in London hatte einen Concentrationsapparat von Platin ausgestellt,
                              der in 24 Stunden 60 Ctr. concentrirte Schwefelsäure liefert und nur 11,625 Fr.
                              kostet. Früher kostete ein Apparat von 260 Liter Inhalt und 42 Kilogr.
                              Platingewicht, welcher ungefähr dasselbe leistet wie der obige, 52,500 Fr. Das
                              Gewicht ist jetzt von dem genannten Hause auf 1/4 und noch weniger reducirt,
                              dadurch, daß (Fig.
                                 12) nur der Boden von der Hitze getroffen wird, also nur dieser stärker
                              seyn muß, während die übrigen Theile ganz schwach sind.
                           
                        
                           4) Caustisches Natron.
                           Bezüglich der Darstellung dieses Körpers aus den Sodalaugen verweisen wir auf den
                              Bericht von Hofmann (im polytechn. Journal Bd.
                                 CLXX S. 272). Hier nur eine Notiz, um einen Begriff von der Reinheit und
                              dem Werth dieses Productes zu geben. Es hatte die Fabrik Gaskell, Deacon u. Comp. zu Widnes-Docks festes
                              Aetznatron ausgestellt, welches analysirt wurde. Es enthielt:
                           
                              
                                 Natron
                                 
                                 50,5
                                 
                              
                                 Wasser
                                 
                                 47,2
                                 
                              
                                 Kochsalz
                                 
                                 1,8
                                 
                              
                                 unterschwefligsaures Natron
                                 
                                 0,5
                                 
                              
                                 schwefelsaures Natronkohlensaures
                                    NatronEisenoxyd
                                 
                                    
                                    
                                    
                                 Spuren
                                 
                              
                           Es war der Preis zu 12 Pfd. Sterl. per Tonne notirt.
                           Dieses Fabricat wird auch geliefert von den Gebrüdern Muspratt und Huntley zu Flint, von Muspratt und Sohn zu Liverpool
                              und von Gambe und Sohn und von
                              Kurtz in St. Helens.
                           
                        
                           5) Ersatz des Braunsteins in der
                                 Chlorkalkfabrication.
                           In dem erwähnten Berichte von Hofmann haben wir des
                              Verfahrens von Tennant-Dunlop erwähnt. Hier folgt die
                              kurze Beschreibung desjenigen von Shanks in St.
                              Helens.
                           Es wird zuerst chromsaurer Kalk (dort durch Calciniren von Chromeisenerz mit Kalk)
                              bereitet, dieser wird in den Chlorentwickelungsapparat gebracht, mit
                              Chlorwasserstoffsäure übergossen, bis die Masse grün ist; es entwickelt sich die
                              Hälfte des Chlors in gewöhnlicher Temperatur; gegen Ende der Operation erwärmt man. Den unlöslichen
                              Rückstand vertheilt man in Wasser, fällt das Chromoxydhydrat daraus durch Zusatz von
                              Kalkmilch und fügt noch so viel von letzterer hinzu, als nöthig ist, um einen
                              Niederschlag zu bilden, der ungefähr gleiche Aequivalente Chromoxyd und Kalkerde
                              enthält. Nach dem Abtropfen des Niederschlags bringt man ihn in einen
                              Reverberirofen, worin man ihn bis zum Rothglühen erhitzt, um wieder chromsaure
                              Kalkerde zu bilden. (Zu bedenken ist, daß nur 3/8 des in der Salzsäure befindlichen
                              Chlors frei werden, während mit Braunstein 1/2 frei wird.)
                           Dr. Bolley.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
