| Titel: | Ueber das Sieden des Wassers und über die Dampfkessel-Explosionen; von L. Dufour in Lausanne. | 
| Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LXVII., S. 266 | 
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                        LXVII.
                        Ueber das Sieden des Wassers und über die
                           Dampfkessel-Explosionen; von L. Dufour in
                           Lausanne.
                        Aus den Comptes rendus,
                              t. LVIII p. 1020 et 1054, vom 30. Mai u. 6. Juni 1864.
                        Dufour, über das Sieden des Wassers und über die
                           Dampfkessel-Explosionen.
                        
                     
                        
                           Durch die Versuche, welche ich der Akademie früher mitgetheilt habe, wies ich nach,
                              daß der Siedepunkt des Wassers und anderer Flüssigkeiten beträchtliche Verzögerungen
                              erleiden kann, wenn diese Flüssigkeiten in einem anderen Fluidum von derselben
                              Dichte so erhitzt werden, daß sie mit den Wandungen der zum Erhitzen dienenden
                              Gefäße nicht in Berührung kommen.Comptes rendus, t. LII p. 986, t. LIII p. 846. Von den daselbst mitgetheilten Versuchen Dufour's, welche zeigen, daß eine Flüssigkeit,
                                    wenn sie von einer anderen Flüssigkeit rings umgeben ist, weit über die
                                    Temperatur erhitzt werden kann, bei welcher die Spannkraft ihres Dampfes dem
                                    auf sie wirkenden Luftdruck das Gleichgewicht hält, führen wir folgende
                                    an:Wird Wasser tropfenweise zu 105 bis 110° C. heißem Leinöl gesetzt, so
                                    fallen die Wassertropfen langsam durch das Oel, ohne hier Dampfbildung zu
                                    zeigen, welche erst und zwar sehr lebhaft und unter Zurückstoßen des
                                    Wassertropfens eintritt, wenn dieser mit dem Boden des Gefäßes in Berührung
                                    ist. – Durch Zusatz von etwas fettem Oel zu Nelkenöl läßt sich eine
                                    Flüssigkeit erhalten, in welcher Wasser, in Kugeln von 1 bis 10 und mehr
                                    Millimetern Durchmesser frei schwebt; bei vorsichtigem Erwärmen kann die
                                    Temperatur auf 120 bis 170 und selbst 175° C. steigen, ohne daß das
                                    in dem Oel schwebende Wasser (dieses war gewöhnliches, weder destillirt noch
                                    ausgekocht) in's Kochen kommt, oder überhaupt Dampfbildung zeigt; letztere
                                    tritt aber mit Heftigkeit ein, sobald ein solcher überhitzter Wassertropfen
                                    mit einem festen Körper, der Gefäßwandung oder einem Glas- oder Metallstab
                                    oder namentlich einer Holz- oder Kohlenspitze oder einem
                                    Salzkrystall in Berührung kommt. In ähnlicher Weise läßt sich Chloroform
                                    (für sich bei 61° C. siedend) in passend concentrirter
                                    Chlorzinklösung auf 90 bis 100° erhitzen; auch hier tritt oberhalb
                                    70° bei Berührung des Chloroforms mit einem festen Körper heftige
                                    Dampfbildung ein.A. d. Red. Bei diesem Verfahren läßt sich von einem fixen Siedepunkte der
                              betreffenden Flüssigkeiten gar nicht reden; die Aenderung des Aggregatzustandes wird
                              möglich in dem Augenblicke wo die Temperatur dem
                              Dampfe eine Spannung gleich dem äußeren Drucke geben kann; aber diese Aenderung des
                              Aggregatzustandes findet nur selten genau in dem Zeitpunkte statt, wo ihre
                              Möglichkeit beginnt.
                           Zu genauerer Erforschung der Phänomene des Siedens stellte ich zahlreiche Versuche an
                              und ließ mir auch besonders angelegen seyn, den Einfluß zu ermitteln, welchen die
                              Aenderung des auf die erhitzte Flüssigkeit wirkenden Druckes auf das Sieden
                              derselben ausübt. Der von mir zu diesem Zwecke angewendete Apparat hat einige
                              Aehnlichkeit mit dem von Regnault zu seinen
                              Untersuchungen über die Spannkraft des Wasserdampfes angewendeten. Ein mit drei
                              Tubulaturen versehenes Blechgefäß steht durch geeignete Röhren in Verbindung: 1) mit
                              einer Luftpumpe; 2) mit einem Quecksilbermanometer; 3) mit einer Glasretorte. Die
                              letztere dient zur Aufnahme der zu untersuchenden Flüssigkeiten; in sie taucht ein
                              Thermometer mit kleinem cylindrischem Gefäße. Die verschiedenen Theile des Apparates
                              werden mittelst passend angebrachter Hähne in Communication gesetzt. Der im Inneren
                              des Apparates stattfindende Druck ließ sich mit Hülfe des Manometers und eines in
                              ihm angebrachten Barometers in jedem Augenblicke beobachten.
                           Unter diesen Umständen zeigen die beim Sieden des Wassers stattfindenden
                              Erscheinungen einige beachtenswerthe Eigenthümlichkeiten.
                           Bei Anwendung von destillirtem Wasser zeigt sich bald, daß nach einem ersten Erhitzen
                              auf 100° C. das durch Verminderung des Drucks verursachte Sieden fast niemals
                              genau bei der Temperatur stattfindet, welche das bekannte Gesetz erfordern würde.
                              Das Wasser behält seinen flüssigen Zustand, obgleich der Druck weit geringer ist,
                              als die Spannung des Wasserdampfes für die stattfindende Temperatur. Tritt das
                              Sieden ein, so erfolgt es plötzlich und stürmisch, und gewöhnlich wird ein Theil der
                              Flüssigkeit mit dem ersten Dampfstoße in die Röhren hinübergerissen. Diese
                              Verzögerungen des Siedens treten um so deutlicher hervor, je öfter das Wasser zu
                              einer hohen Temperatur erhitzt wurde. Sie sind beträchtlicher, wenn das Wasser,
                              bevor es dem Versuche mit vermindertem Druck unterworfen wurde, im Apparate mehrmals
                              auf 100° erhitzt und jedesmal abgekühlt worden war. Bei den nachstehenden
                              Beispielen gibt die
                              erste Columne die Temperatur der Flüssigkeit im Augenblicke wo das Sieden eintrat,
                              die zweite den in diesem Momente stattfindenden Druck und die dritte die Temperatur
                              an, bei welcher das normale Sieden für diesen Druck stattgefunden hätte:
                           
                              
                                 71° C.    
                                 175 Millimet.
                                 64° C.
                                 
                              
                                 57
                                   75
                                 46
                                 
                              
                                 66
                                 108
                                 53,5
                                 
                              
                                 90,5
                                 335
                                 78,7
                                 
                              
                                 53
                                   37
                                 33
                                 
                              
                           Man erhält so Verzögerungen von 7°, 11°, 11°,8, 20° etc.,
                              also weit beträchtlichere, als die bei dem durch Erhitzen des Wassers in gläsernen
                              Gefäßen bewirkten Sieden desselben sich zeigenden Differenzen.
                           Bei Anwendung von gewöhnlichem, nicht destillirtem Wasser, welches meistens sehr
                              kalkhaltig ist, lassen sich dieselben Erscheinungen beobachten; allein solches
                              Wasser muß zwei bis dreimal bis zum Sieden erhitzt werden und dann jedesmal im
                              Gefäße erkalten; oder man muß es sehr lange im Kochen erhalten, bevor man für die
                              Zwecke des Versuches zu der Verminderung des Druckes schreitet. Ein normales
                              Verhalten beim Sieden ist hier weniger selten, als bei destillirtem Wasser;
                              gleichwohl lassen sich, wie bei den vorstehenden Versuchen, sehr häufig Differenzen
                              von 10 bis 15 und mehr Graden beobachten.
                           Bekanntlich lassen sich durch Platin, überhaupt durch metallische Substanzen, diese
                              Verzögerungen des Siedens in gläsernen Gefäßen verhindern und schon längst wird
                              Platindraht angewendet, um z.B. bei der Concentrirung gewisser Flüssigkeiten das
                              Stoßen derselben zu vermeiden. Bringt man Platindrähte in destillirtes Wasser, so
                              werden diese Verzögerungen des Siedens in der That verhindert, nachdem man das
                              Wasser einmal oder selbst zweimal auf 100° erhitzt hat und es dann erst der
                              Verminderung des Druckes unterzieht. Erhitzt man aber die Flüssigkeit welche die
                              Platindrähte enthält, mehrmals zum Kochen und läßt dann erkalten, so beobachtet man
                              bald (besonders wenn das Platin mehrere Tage mit dem Wasser am Boden des Gefäßes in
                              Berührung war), daß dieses Metall inactiv (unwirksam) geworden ist und es treten
                              dann ebenso beträchtliche Verzögerungen ein, als wenn die Retorte nur Wasser
                              enthält.
                           Nimmt man gewöhnliches, stark kohlensäurehaltiges Wasser, und bringt man mit
                              demselben verschiedene Metalle oder verschiedenartige andere feste Körper in das
                              Gefäß, so zeigen sich ähnliche Erscheinungen, wie bei Anwendung von Platin. Ich
                              stellte Versuche an mit Stückchen von Eisen, Blei, Zinn, Zink, Kupfer etc., ferner
                              mit Stückchen von Kreide, Holz, Quarz, Papier etc. Bei den ersten Erhitzungen verhindert die
                              Gegenwart dieser Körper jede Verzögerung des Siedepunktes und das Sieden erfolgt
                              genau in dem Zeitpunkt, wo die Temperatur der Flüssigkeit dem Dampfe eine Spannkraft
                              gleich dem auf die Oberfläche stattfindenden Drucke gibt. Läßt man indessen jene
                              Körper einige Zeit mit dem Wasser in Berührung, erhitzt vier- oder fünfmal bis zum
                              Kochen, so scheint der Contact aller dieser Substanzen indifferent geworden zu seyn,
                              und die Flüssigkeit zeigt dann sehr häufig eine Verzögerung des Siedens.
                           Ich führe hier einige Beispiele an, in denen die Retorte gewöhnliches Wasser mit
                              Stückchen von Schmiedeeisen, Platin, Blei, Kreide und Holz enthielt.
                           
                              
                                 74° C.    
                                 217 Millimet.
                                 68°,5 C.
                                 
                              
                                 85
                                 171
                                 63,2
                                 
                              
                                 67
                                   71
                                 45
                                 
                              
                                 72
                                   87
                                 49
                                 
                              
                           Dieß entspricht Verzögerungen von 5°,5, 21°,8, 22°, 23°.
                              Das Sieden trat bald von selbst, bald in Folge einer dem Gefäße ertheilten
                              Erschütterung ein; es war stets heftig und stürmisch, beinahe explosiv.
                           Die im Vorstehenden angeführten, sowie andere ähnliche, bei anderen Flüssigkeiten
                              beobachtete Erscheinungen beweisen, daß das bisher hinsichtlich der Siedetemperatur
                              einer Flüssigkeit in Rücksicht des auf sie stattfindenden Druckes als allgemein
                              gültig angenommene Gesetz eine Anwendung durchaus nicht finden kann, sobald das
                              Sieden jener Flüssigkeit mehr durch Verminderung des auf sie wirkenden Druckes, als
                              durch Erhöhung der Temperatur bewirkt wird. Jene Erscheinungen beweisen ferner, daß
                              eine bedeutende Verzögerung im Sieden des Wassers selbst dann eintreten kann, wenn
                              dasselbe mit Metallen und anderen festen Körpern in Berührung ist; Glas- und
                              Porzellangefäße bilden keine Ausnahme hiervon. Der Contact mit festen Körpern ist,
                              wie wir gleichfalls sehen, bald activ, bald indifferent, und gehen wir den im
                              Vorstehenden skizzirten Versuchen tiefer auf den Grund, so erkennen wir bald, daß
                              die sehr wahrscheinliche Ursache dieses verschiedenartigen Verhaltens in dem Vorhandenseyn oder der Abwesenheit
                                 einer jene festen Körper umgebenden Atmosphäre von mehr oder weniger
                                 verdichteten Gasen besteht.
                           Bekanntlich besitzen die Gase in hohem Grade die Eigenschaft, die Verdampfung von
                              Flüssigkeiten, mit denen sie in Berührung sind, hervorzurufen. Nun wird aber diese,
                              die festen Körper umgebende Gasschicht durch anhaltendes und wiederholtes Erhitzen
                              entfernt; wenn die festen Körper derselben beraubt worden, so sind sie nicht weiter im Stande, durch ihren
                              Contact die Aenderung des Aggregatzustandes der Flüssigkeit hervorzurufen; sie
                              verhalten sich in Folge dessen nunmehr in dieser Beziehung indifferent.
                           Diese Ansicht findet ihre Bestätigung in der folgenden Thatsache. Unterhält man an
                              der Oberfläche eines unter Wasser befindlichen festen Körpers eine bereits
                              vorhandene oder erst künstlich hervorgerufene Gasschicht, so geräth dadurch das
                              Wasser sofort in's Sieden, wenn die Temperatur hoch genug dazu ist, und es wird so
                              jede Verzögerung des Siedens vermieden. Der nachstehende Versuch zeigt dieß
                              deutlich: Führt man durch den das Thermometer tragenden Kork zwei Platindrähte bis
                              unter die Oberfläche des Wassers und verbindet dieselben außerhalb mit den beiden
                              Polen eines galvanischen Elements, so findet in Folge der Elektrolyse eine schwache
                              Gasentwickelung an den Drähten statt und unter diesen Verhältnissen ist es
                              unmöglich, solange der galvanische Strom hindurchgeht, die geringste Verzögerung des
                              Siedens hervorzubringen. Wird dagegen die Leitung unterbrochen, werden die Drähte
                              außer Verbindung mit dem Elemente gesetzt, so lassen sich durch wiederholtes
                              Erhitzen des Wassers bis zum Kochen und durch Verminderung des auf seine Oberfläche
                              stattfindenden Drucks ganz leicht ähnliche Verzögerungen des Siedens, wie die oben
                              angegebenen, hervorrufen. Sobald man dann die Leitung wieder herstellt, geräth das
                              Wasser in's Kochen. Ist die Verzögerung bedeutend, beträgt sie 15–20°,
                              so wird in Folge des Schließens der Kette eine so reichliche Dampfmenge erzeugt, daß
                              die Erscheinung einer wahren Explosion gleicht; der Dampf scheint sich gewaltsam von
                              der Flüssigkeitsmasse loszureißen und das Gefäß erleidet Stöße, durch welche es
                              beinahe zertrümmert wird. Schon mit gewöhnlichem Wasser gelang mir dieser Versuch
                              sehr oft; bei Anwendung von schwach angesäuertem Wasser ist er etwas leichter
                              auszuführen und gibt noch auffallendere Resultate, insofern die Differenzen stärker
                              hervortreten.
                           Das Wasser hat also die Eigenschaft, fast immer große Verzögerungen im Sieden zu
                              zeigen, wenn dieses Sieden durch eine Verminderung des auf seine Oberfläche
                              stattfindenden Druckes erzielt wird, nachdem es erhitzt worden und bereits einige
                              Zeit mit der festen Substanz des Gefäßes in Berührung gewesen ist.
                           Diese Eigenschaft des Wassers ist vielleicht nicht ohne Interesse hinsichtlich der
                              Explosionen von Dampfkesseln. Diese furchtbare
                              Erscheinung ist noch sehr in Dunkel gehüllt. Es wurden verschiedene Erklärungen für
                              dieselbe gegeben und unter anderen ist auch die Behauptung aufgestellt worden,
                              daß das Wasser bei vollkommener Ruhe, während der Abfluß des Dampfes abgesperrt ist,
                              nachdem die absorbirte Luft ausgeschieden worden, sich im Kessel ganz
                              unvorhergesehen weit über den Punkt hinaus erhitzen kann, welcher dem auf dasselbe
                              stattfindenden Drucke entspricht, und daß es alsdann, wenn das Sieden eintritt,
                              plötzlich eine so große Dampfmasse entwickelt, daß die Wandungen reißen müssen. Der
                              verfängliche Umstand aber, welcher auffallender Weise in den bei weitem meisten
                              Fällen von Dampfkessel-Explosionen sich wiederfindet, ist der, daß der Unfall
                              eingetreten ist, ohne daß weiter geheizt wurde, während Heizer und Maschine ruheten
                              und der Dampfdruck im Kessel niedriger geworden war.
                              Diese Verhältnisse, welche sich zur Ueberraschung der Betheiligten bei derartigen
                              Explosionen fast stets nachweisen ließen, haben eine unläugbare Aehnlichkeit mit den
                              bei den vorstehend beschriebenen Versuchen obwaltenden Umständen. Es kann sehr wohl
                              vorkommen, daß während des Stillstandes der Maschine nachdem das Heizen unterbrochen
                              ist, zunächst durch die stattfindende Abkühlung die Dampfspannung im Kessel geringer
                              wird. Da das Wasser in Folge seiner großen specifischen Wärme nur sehr langsam
                              erkaltet, so behält es längere Zeit eine Temperatur, bei welcher es in Folge dieses
                              verminderten Druckes in's Sieden kommen müßte. Ohne Zweifel tritt dieses Sieden in
                              den meisten Fällen erst dann ein, wenn die Druckverminderung es gestattet;
                              ausnahmsweise kann indessen wie bei den oben beschriebenen Versuchen eine mehr oder
                              minder beträchtliche Verzögerung des Siedens eintreten und das Sieden erfolgt dann
                              entweder von selbst, oder durch irgend eine äußere Erschütterung. Diese Erscheinung
                              muß den von mir in meinem Apparate so oft beobachteten Charakter haben; bei meinen
                              Versuchen wurde der schwere Retortenhalter durch die Stöße der letzteren bisweilen
                              emporgehoben. Bei der großen in einem Dampfkessel enthaltenen Wassermasse können
                              derartige Stöße ganz wohl ein Reißen seiner Wandungen und damit die gefährlichen
                              Folgen derartiger Explosionen verursachen.
                           Meine Theorie erklärt, wie man sieht, eine Dampfkesselexplosion auch in dem Falle, wo
                              das Heizen unterbrochen, die ganze Maschine bereits im Erkalten begriffen und der im
                              Kessel stattfindende Dampfdruck geringer geworden ist. – Verfolgen wir die
                              Vergleichung der bei Kesselexplosionen am häufigsten und allgemeinsten vorkommenden
                              Einzelheiten mit den Bedingungen und Verhältnissen, unter denen die oben
                              mitgetheilten Versuche ausgeführt wurden, so läßt sich eine schlagende Aehnlichkeit
                              zwischen beiden nicht verkennen und wenn meine Schlußfolgerungen richtig sind, so
                              würde mir noch die Angabe der Mittel übrig bleiben, welche zur Verhütung derartiger beklagenswerther
                              Unfälle geeignet seyn dürften. Meine Versuche berechtigen mich zu dem Schlusse, daß
                              gar kein fester Körper im Stande ist, durch seinen Contact das Sieden des Wassers
                              bei dem verlangten Temperaturgrade mit Sicherheit hervorzurufen; sie werden
                              sämmtlich mit der Zeit und in Folge wiederholten Erhitzens mit dem Wasser inactiv,
                              indifferent. Durch den Contact mit Gasen hingegen wird das Wasser unabänderlich zum
                              Kochen gebracht, sobald seine Temperatur dazu hoch genug ist. Man müßte demnach, wie
                              schon Donny bemerkte, durch irgend ein Mittel eine
                              ununterbrochene Zuleitung oder Entwickelung von Gasen im Kessel zu bewerkstelligen
                              suchen. Drähte oder Blechstreifen von Platin, welche gehörig tief in das Wasser
                              hineintauchen und den, wenn auch sehr schwachen Strom einer außerhalb des Kessels
                              befindlichen Batterie in das erstere leiten, würden aller Wahrscheinlichkeit nach
                              genügen, um die Verzögerung (Erhöhung) des Siedepunktes zu verhindern.
                           Nachschrift. – Seitdem ich die vorstehenden
                              Bemerkungen niederschrieb, fand ich im Cosmos vom 7.
                              April d. J. S. 413 eine Thatsache mitgetheilt, welche mit meiner Theorie der
                              Kesselexplosionen sehr gut übereinstimmt.
                           Es ist daselbst von einem zu Aberdare in England vorgekommenen derartigen Unfalle die
                              Rede, bei welchem zwei Dampfkessel explodirten. Das Speisewasser derselben enthielt
                              allem Anschein nach ein wenig freie Schwefelsäure. Mehrere Stücke der Kesselwände,
                              welche von Fairbairn der Philosophical Society zu Manchester vorgelegt wurden, zeigten tiefgehende,
                              durch chemische Wirkung verursachte Corrosionen. Natürlich wurde die Explosion der
                              zerstörenden Einwirkung der Säure auf die Kesselwände zugeschrieben und es läßt sich
                              auch nicht bezweifeln, daß das Kesselblech durch eine saure Flüssigkeit wirklich
                              mehr oder weniger stark angegriffen wird.
                           Nun erhält aber bekanntlich das Wasser durch Zusatz von Schwefelsäure die
                              Eigenschaft, weit häufigere und bedeutendere Verzögerungen des Siedens zu zeigen,
                              als reines Wasser. Wenn daher Dampfkesselexplosionen wirklich durch Verzögerungen im
                              Sieden des Wassers veranlaßt werden, welche eintreten, nachdem der Druck im
                              Generator sich vermindert hat – wie ich dieß im Vorstehenden
                              auseinandergesetzt habe – so wird man zugeben müssen, daß der zu Aberdare
                              vorgekommene Unfall sich durch den Schwefelsäuregehalt des Speisewassers der
                              explodirten Kessel leicht erklären läßt.