| Titel: | Ueber farbige Fensterscheiben; von E. Chevreul. | 
| Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LXXXV., S. 351 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXXXV.
                        Ueber farbige Fensterscheiben; von E. Chevreul.
                        Aus den Comptes rendus
                           durch den Bulletin de la Société
                                 d'Encouragement, December 1863, S. 718.
                        Chevreul, über farbige Fensterscheiben.
                        
                     
                        
                           Die verschiedenen zur Anfertigung
                                 farbiger Scheiben angewendeten Glassorten.
                           Nach dem Verfasser lassen sich von dem Glase, welches zur Darstellung farbiger,
                              hauptsächlich zur Ausschmückung von gothischen Kirchen bestimmter Glasfenster
                              angewendet wird, drei verschiedene Sorten unterscheiden, nämlich:
                           1) gewöhnliches weißes, ungefärbtes Tafelglas;
                           2) weißes Glas, welches nur auf einer Seite gefärbt ist (Ueberfangglas), wie z.B. das
                              durch Kupferoxydul gefärbte Rubinglas. Die Farbe dieses Glases ist nämlich
                              bekanntlich so dunkel, daß es in dickerer Schicht schwarz und undurchsichtig
                              erscheint. Daher wird es auch zur Herstellung von durchsichtigem rothem Glase in der
                              Weise verarbeitet, daß der Glasmacher seine Pfeife erst in einen Hafen mit weißem
                              Glase taucht und dann dasselbe durch Eintauchen in einen zweiten, das Farbglas
                              enthaltenden Hafen mit letzterem überzieht (überfängt); beim Blasen erhält er dann
                              einen mit einer Schicht von rothem Glase überzogenen Minder von ungefärbter
                              Glasmasse; diese Farbglasschicht fällt um so dünner aus, je stärker das farblose
                              Glas im Verhältniß zur Gesammtstärke beider Glassorten ist. Dieses Verfahren läßt
                              sich auf jede beliebige Glassorte anwenden.
                           3) Glas, welches in seiner ganzen Masse gefärbt ist; dahin gehören die braunen,
                              blauen, violetten, purpurfarbigen, gelben, orangerothen und grünen Gläser mit allen
                              ihren Abstufungen.
                           
                           Malereien lassen sich auf allen drei Glassorten anbringen; zur Beurtheilung der
                              Wirkungen derselben muß man die innere, d.h. die dem Inneren der Kirche zugewendete
                              Fläche von der nach Außen gerichteten äußeren Fläche unterscheiden.
                           Auf der inneren Fläche werden die Umrisse gezeichnet und
                              die Schatten angelegt, welche man bis zum Schwarzen verstärken kann. Auf der äußeren Fläche werden ausnahmsweise Schatten angelegt,
                              wenn ein auf der inneren Fläche angelegter Schatten kräftiger hervortreten soll.
                           Auf die äußere Fläche müssen die einfachen, d.h.
                              diejenigen Farben aufgetragen werden, welche keine Schattirung erhalten, also Gelb,
                              die Fleischtöne (blutrothes Eisenoxyd), Grün, Blau, Purpur.
                           Purpur und Fleischtöne werden ausschließlich auf die äußere Fläche aufgetragen.
                              Email-Grün, Email-Blau und Email-Purpur kommen zuweilen auch auf die innere
                              Seite.
                           Diese Emailgläser wurden namentlich im siebenzehnten Jahrhundert häufig bei kleinen
                              Gegenständen und zu Einfassungen der Fensterscheiben verwendet. Sie sind weiß oder
                              ungefärbt; das zur Malerei auf ihnen benutzte Email wird durch Kobaltoxydul blau, durch Kupferoxyd grün
                              und durch Manganoxyd purpurroth und violett gefärbt. Vor der Anwendung wird das Email mit dem Flusse (Roquette oder Rocaillefluß) versetzt, welcher aus
                              Quarzsand oder fein gepulvertem Quarz (Feuerstein), Mennige und Salpeter bereitet
                              wird, also ein Kali-Bleioxyd-Silicat, eine Art Krystallglas bildet.
                           
                        
                           Untersuchung zweier, auf mechanischem
                                 Wege von gemalten Glasscheiben entfernter Substanzen.
                           Es gelang Chevreul von gemalten Fensterscheiben der Kirche
                              Saint-Gervais zu Paris auf mechanischem Wege zwei verschiedene Substanzen zu
                              trennen, nämlich eine krümlige stark am Glase adhärirende und eine andere, dem Glase
                              gleichfalls fest anhaftende Masse, welche eine Art Ueberzug an der äußeren Fläche
                              der Glasscheiben bildet.
                           Er unterzog beide Substanzen einer sorgfältigen Analyse und gelangte aus den
                              gewonnenen Resultaten zu folgenden Schlüssen:
                           1) Die krümlige Substanz war nichts anderes, als alter, aus einem trocknenden Oele und Kreide
                              zusammengesetzter Glaserkitt.
                           2) Der äußere Ueberzug bestand aus schwefelsaurem Kalk, basischkohlensaurem Kalk,
                              einem Kalksalze mit organischer Säure, Chlornatrium, einem Ammoniaksalze, einer
                              Stickstoff und Schwefel enthaltenden in Alkohol unlöslichen Substanz organischen
                              Ursprungs, einer anderen organischen, fetten Substanz, ferner endlich einer sehr kohlenstoffreichen
                              Substanz, einer Art Kienruß, aus eisenhaltigem Thon und Quarzsand.
                           Dieser Ueberzug kann zweierlei Ursprungs seyn. Er stammt entweder von Substanzen her,
                              welche durch den Regen von den Mauern und dem Glaserkitte weggespült und auf die
                              Scheiben abgesetzt wurden, oder er ist durch Ablagerung von Staub entstanden.
                           Ohne Zweifel sind die organischen Substanzen, die kienrußähnliche, kohlenstoffreiche
                              Substanz, ferner das Chlornatrium, der Thon und Quarzsand solchen Ursprungs; sehr
                              wahrscheinlich gilt dieß auch für den schwefelsauren Kalk, wenigstens für den
                              größeren Theil desselben.
                           Nach den Beobachtungen welche er machen konnte, ist Chevreul nicht der Meinung, daß der ganze Gehalt des Ueberzuges an organischer Substanz von dem Kitt herrührt; er glaubt im
                              Gegentheil, daß derselbe zum größeren Theile aus der Atmosphäre stammt. Bei mehreren
                              Versuchen fand er auch, daß das Chlornatrium von einer Substanz begleitet wird,
                              welche mit salpetersaurem Silberoxyd, wenigstens am Lichte, eine violette Färbung
                              annimmt.
                           Chevreul untersuchte auch ähnliche Ueberzüge von gemalten
                              Glasfenstern der Kathedralen von Chartres und Bourges, und kam zu ganz ähnlichen
                              Resultaten; nur war die Menge des Kalkcarbonats im Verhältniß zu derjenigen des
                              Kalksulfats viel bedeutender, als bei den Fenstern der Gervasius-Kirche.
                           
                        
                           Verfahren zur Reinigung farbiger alter
                                 Glasfenster, welche durch Ablagerung eines derartigen Ueberzuges trübe geworden
                                 sind.
                           Chevreul empfiehlt zu diesem Zwecke das folgende
                              Verfahren.
                           Nachdem die Fenster mit viel Wasser gewaschen sind, werden sie in eine schwache
                              Auflösung von kohlensaurem Natron (Soda) von 9° Baumé so lange
                              gestellt, bis der Ueberzug losgeweicht ist, wozu 5–12 Tage erforderlich sind.
                              Darauf werden sie von Neuem in fließendem Wasser gewaschen, und in verdünnte
                              Salzsäure von 4° Baumé getaucht; dann kommen sie nochmals in
                              fließendes Wasser. Mittelst dieses Verfahrens ließen sich die Fenster der
                              Gervasius-Kirche ganz schön reinigen.
                           Ist durch diese Behandlung der Ueberzug von einzelnen Stellen der Scheiben nicht
                              beseitigt worden, so könnte man diese Stellen mit ganz feinem, durch ein enges Sieb
                              geschlagenem, mit Salzsäure von 4° Baumé angefeuchtetem Ziegelmehl
                              reiben, oder auch mit einem Hornmesser abschaben.
                           Chevreul empfiehlt aber dringend, vor der Anwendung des
                              oben angegebenen
                              Verfahrens dasselbe erst an einer nicht in die Augen fallenden Stelle der zu
                              reinigenden Fenster zu probiren, um sich zu überzeugen, daß die Operationen, denen
                              sie nachher unterworfen werden, nicht nachtheilig auf sie wirken.
                           
                        
                           Verschiedene Ansichten bezüglich der
                                 gemalten Glasfenster.
                           Behufs einer günstigen Wirkung der gemalten Fensterscheiben hält es Chevreul für Nothwendigkeit, daß die Stücke, aus denen
                              dieselben bestehen, kleine Dimensionen haben und in Blei eingefaßt sind. Nach seiner
                              Ansicht war es ein großer Irrthum, wenn man die gemalten Fenster großer Kirchen,
                              namentlich die des Schiffs, durch Anwendung größerer Glasstücke, also durch
                              Verminderung des zur Einrahmung dienenden Bleies in der Meinung zu verbessern
                              suchte, dadurch einen dem der Malerei mehr ähnlichen Effect hervorzubringen. Als
                              Grund für seine Ansicht gibt Chevreul an, daß da, wo die
                              gefärbten Flächen durch Bleistreifen begrenzt werden, ein bestimmtes, deutliches Sehen stattfindet, hingegen da, wo die Gläser
                              einfach neben einander liegen, das Sehen ein verworrenes
                              ist. Selbstverständlich gelte, wie er hinzusetzt, diese Beobachtung nur für die
                              Fenster großer Kirchen; für Capellen, Betstuben etc. seyen die sogenannten Schweizer Fensterscheiben sehr passend. Es ist übrigens
                              Aufgabe des Glaskünstlers, die Effecte der farbigen Fensterscheiben nach der
                              Entfernung, in welcher sie sich dem Beschauer darstellen müssen, zu berechnen.
                           Ein anderer Grund, welcher den günstigen Effect der farbigen Fensterscheiben
                              abschwächt, wirkt nach Chevreul in den Fällen wo bei der
                              Erleuchtung einer Kirche gleichzeitig mit und neben den durch die farbigen Scheiben
                              einfallenden gefärbten Lichtern noch andere, lebhaftere, nicht oder nur schwach
                              gefärbte Lichter von den in derselben Zone befindlichen ungefärbten Scheiben
                              eintreten. Auch Regnault ist ganz dieser Ansicht und hält
                              es für eine günstige Wirkung der gefärbten Fensterscheiben durchaus erforderlich,
                              daß das durch die letzteren in die Räume, zu deren Erleuchtung sie bestimmt sind,
                              eindringende Licht mit Ausschluß jedes weißen Lichtes einfalle.
                           Chevreul macht auch darauf aufmerksam, daß zwei der den
                              aus früheren Jahrhunderten stammenden gefärbten Gläsern zugeschriebenen, den
                              Farbgläsern der Neuzeit mangelnden Eigenschaften von fehlerhafter, unvollkommener
                              Darstellung dieser Gläser bedingt werden.
                           Der eine dieser Fehler rührt daher, daß sehr viele alte Gläser ungleiche Dicke haben, daß mit anderen Worten ihre beiden Flächen nicht
                              parallel laufen, sondern Erhabenheiten und Vertiefungen zeigen, welche auf das Licht in ganz
                              verschiedener Weise wirken und dadurch ganz hübsche Effecte hervorrufen.
                           Der andere Fehler ist Folge der chemischen Beschaffenheit
                              jener Gläser, und rührt von der Zusammensetzung derselben her, welche keineswegs
                              derjenigen des ungefärbten Glases plus einer färbenden
                              Substanz (Kobaltoxydul, Manganoxyd) entspricht. Das alte Glas enthält nämlich viel
                              Eisenoxydul-Oxyd, wodurch es, unabhängig vom Kobaltoxydul, Manganoxyd etc. grün
                              gefärbt erscheint; dieser Gegenwart von Eisen ist die Eigenschaft mancher alten
                              durch Kobalt gefärbten Gläser zuzuschreiben, daß sie eine blaue, von Violett ganz
                              freie Farbe zeigen, und aus demselben Grunde erscheinen gewisse alte, durch
                              Manganoxyd gefärbte Gläser von einer ganz anderen Farbe, als ganz weißes, durch
                              reines Manganoxyd gefärbtes Glas.
                           Die schönen Effecte vieler alten farbigen Gläser rühren also von Fehlern bei ihrer
                              Darstellung her; auch in diesem Punkte stimmt Regnault
                              mit Chevreul überein, denn in einem – bis jetzt
                              ungedruckten – Berichte macht er an höherer Stelle den Vorschlag, 1) das zu
                              farbigen Fensterscheiben bestimmte Glas nicht durch Blasen, sondern durch Guß zu
                              erzeugen, um den eintönigen Effect der ebenen Flächen auf das Licht zu vermeiden; 2)
                              dem Glassatze verschiedene fremde Substanzen zuzusetzen, um dessen Durchsichtigkeit
                              zu vermindern. Leider sind diese Vorschläge bis jetzt noch nicht praktisch
                              ausgeführt worden.