| Titel: | Die Parfümerie im Jahre 1862; von Barreswil. | 
| Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. XCIV., S. 385 | 
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                        XCIV.
                        Die Parfümerie im Jahre 1862; von Barreswil.
                        Aus den Annales du
                                 Conservatoire des arts et métiers, t. IV p. 273.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Barreswil, über die Parfümerie und deren jetzigen Standpunkt in
                           Frankreich.
                        
                     
                        
                           In der Parfümerie gibt es eine Kunst und eine Technik.
                           Die Kunst des Parfümeurs besteht darin, den Duft (das Bouquet) einer natürlichen Blume oder eines
                              Blumenstraußes durch Gemische von Riechstoffen nachzuahmen; die ätherischen Oele,
                              Balsame, sowie die in Fett, Oel oder Alkohol fixirten Parfüms zur Anfertigung von
                              Pommaden, kosmetischen Mitteln, Waschwässern, Toilettseifen zu benutzen;
                              alkoholische Extracte, Duft- und Räucheressige etc. darzustellen; endlich auch, alle
                              diese Waaren in besondere Verpackungen zu bringen, so daß sie entweder durch die
                              geschmackvolle Auswahl, oder durch die Nützlichkeit der letzteren größeren Werth
                              bekommen (sie „aufzumachen“).
                           Die französischen Fabrikanten zeichnen sich in diesem Industriezweige ganz besonders
                              aus; Niemand versteht es besser, die Odeurs auszuwählen, die zartesten Düfte in der
                              verschiedenartigsten Weise mit einander zu verbinden. Niemand versteht es so gut,
                              der Enveloppe einen eleganten und anmuthigen Schwung zu geben, als der Franzose, und
                              ganz besonders der Pariser.
                           Damit soll keineswegs behauptet werden, daß auch nicht in anderen Ländern gute
                              Parfümerien dargestellt werden. Jedermann kennt das Cölnische Wasser, dessen Bouquet
                              sehr zum Gemeingut geworden ist; das Eß-Bouquet der Engländer hat einen
                              wohlverdienten Ruf; die Duftkissen des Orients, die türkischen Rosenöl-Flacons haben
                              ein Gepräge, welches sich durch die zahllose Menge französischer Modelle nicht hat
                              in den Hintergrund drängen lassen. Indessen stimmt darin das Urtheil Aller überein,
                              daß bezüglich der Parfümerie-Artikel im Ganzen, wie hinsichtlich der Vorzüge
                              einzelner Odeurs und der Verschiedenheit der Formen die Franzosen den ersten Rang
                              einnehmen und man kann versichert seyn daß dieser Rang denselben weder von Deutschen
                              und Belgiern, welche Frankreich darin nachahmen, noch von den Engländern, die an
                              ihren classischen Modellen festhalten, streitig gemacht werden kann. Dieß ist durch
                              die allgemeine Londoner Industrie-Ausstellung des Jahres 1862 zur Genüge bewiesen
                              worden und wenn auch vom Standpunkte der exquisiten Parfümerie aus die Abwesenheit
                              mehrerer Firmen, welche hinsichtlich des feinen Geschmacks und der Eleganz
                              europäischen Ruf haben, sehr zu bedauern war, so läßt sich doch keineswegs in Abrede stellen, daß
                              die in London vertreten gewesenen Häuser ihren Rang würdig aufrecht erhalten
                              haben.
                           Der frische und zarte Geruch der feinen französischen Seifen, die Eleganz und der
                              Reichthum der Duftkissen, der Parfüms für Taschentücher in der französischen
                              Abtheilung fand allgemeine Anerkennung; dem ausgesuchten Wohlgeruche, der
                              sinnreichen und geschmackvollen Verpackung der Pariser Artikel dieser Art widerfuhr
                              alle Gerechtigkeit.
                           Die Technik der Parfümerie basirt auf der Gewinnung der
                              von der Natur, ganz besonders im Pflanzenreiche dargebotenen Riechstoffe, auf der
                              Reinigung der Excipientien, d. i. der Substanzen mittelst deren diese Duft- oder
                              Riechstoffe fixirt oder gebunden werden, wie z.B. Fette, Oele, Alkohole etc., sowie
                              auf der Sättigung der letzteren mit dem Dufte der Blumen selbst.
                           Manche Parfümeurs verarbeiten nur die bereits präparirten Parfüms; andere
                              beschäftigen sich auch mit deren Gewinnung; noch andere endlich verbinden mit der
                              Parfüm-Industrie auch die Cultur der wohlriechenden Gewächse oder die Darstellung
                              der durch chemische Processe zu gewinnenden künstlichen Parfüms.
                           Diese erklärenden Vorbemerkungen waren erforderlich, um die Verdienste der
                              französischen Ausstellung in London gehörig an's Licht stellen und die große
                              Bedeutung, sowie den hohen Standpunkt der französischen Parfümerie darzulegen.
                           Die wirkliche Bedeutung des Parfümeriehandels in Frankreich datirt erst aus der
                              neuesten Zeit; im J. 1810 erreichte der ganze Umsatz in diesen Artikeln in
                              Frankreich kaum 2 Millionen Frcs., heutzutage beträgt er über 40 Millionen Frcs.
                           Ein Haus, welches in jener Zeit zu den besten gezählt wurde, machte jährlich für
                              35,000 Frcs. Geschäfte, 1862 für beinahe 2 Millionen; 1810 beschäftigte es 5
                              Personen und besaß einige durch Menschenkraft bewegte maschinelle Vorrichtungen,
                              jetzt ist sein Arbeiterpersonal 181 Mann stark und seine Maschinenkraft beträgt 25
                              Dampfpferde; der Umsatz in einem einzigen, von diesem Hause mit Intelligenz und
                              Energie ausgebeuteten Artikel, einem Toilettessig, hat den Betrag von 1 Mill. Frcs.
                              im Engrospreise erreicht. Eine einzige Toilettseifenfabrik liefert jährlich für mehr
                              als 800,000 Frcs. von diesem Artikel.
                           Wir wollen nun zu einigen technischen Details hinsichtlich der verschiedenen
                              Operationen dieses Industriezweiges übergehen. Dieselben zerfallen in zwei Classen:
                              1) die Gewinnung der Duftstoffe selbst; 2) die Verarbeitung derselben für den Bedarf
                              des Parfümeurs.
                           
                           Die zweite Branche der Parfümerie-Industrie hat ihren Hauptsitz in Paris; sie
                              producirt Toilettseifen, Duftextracte (extraits
                                 d'odeurs), deren Darstellung so außerordentlich interessant ist, kosmetische
                              Präparate aller Art, Toilettwasser u.s.f.
                           Darstellung der Toilettseifen. – Die Vorrichtungen
                              und Geräthschaften zu den für diese Fabrication erforderlichen Manipulationen sind
                              in manchen französischen Fabriken sehr vervollkommnet und verdienen wohl allgemeiner
                              bekannt zu werden; sowie sie in den schönen Ateliers des Hrn. Piver, welchem die Parfümerie einen bedeutenden Theil ihrer neueren
                              Fortschritte verdankt, eingeführt worden, sind sie so vollständig und ihrem Zwecke
                              entsprechend, als dieß nur irgend beansprucht werden kann.
                           Vor wenigen Jahren war der Parfümeur nicht gleichzeitig Seifensieder (in England ist
                              es noch heutzutage so); er kaufte seine Seife, ließ sie bei gelinder Wärme zergehen
                              und vermischte sie mit seinen wohlriechenden Substanzen. Nach einer anderen Methode
                              wurde die Seife in einem Marmormörser klar gestoßen und mit den wohlriechenden und
                              den kosmetisch wirkenden Stoffen zusammengerieben, dann mit den Händen tüchtig
                              durchgeknetet, vorsichtig getrocknet – eine Operation, welche lange Zeit
                              beanspruchte – und dann mittelst einer hölzernen Keule in eine zweitheilige
                              Form geschlagen, wodurch sie die für den Handel erforderliche regelmäßige Form mit
                              den üblichen Verzierungen, Firmamarken etc. erhielt.
                           Heutzutage führt der Parfümeur alle zur Anfertigung der Seife nöthigen Manipulationen
                              selbst aus.
                           In den Details der Seifenfabrication sind übrigens in der neueren Zeit mehrere
                              Verbesserungen eingeführt worden, deren wichtigste nachstehend erörtert werden
                              sollen.
                           Piver hatte den glücklichen Gedanken, bei der Gewinnung
                              der Fette das bei den Fleischern übliche runde Hackmesser (Wackelmesser) anzuwenden;
                              mittelst dieses Werkzeugs werden die das Fett enthaltenden Zellen zerschnitten und
                              das Auslassen desselben erfolgt ohne Schwierigkeit bei so niedriger Temperatur, daß
                              sich das Zellgewebe ohne Verlust absondern und das Fett ohne Geruch erhalten läßt.
                              Das letztere wird durch Aetznatronlauge, welche aus krystallisirter Soda mittelst
                              Aetzkalk dargestellt worden, in mit Dampf geheizten Kufen oder Kesseln verseift.
                              Diese Gefäße sind von den zum Seifensieden gewöhnlich angewendeten Kesseln darin
                              verschieden, daß nur ihr unterer Theil, bis zum ersten Drittel ihrer Höhe, conisch,
                              der obere Theil hingegen cylindrisch geformt ist; bei dieser Einrichtung erfolgt ein
                              weit regelmäßigeres Sieden der Masse und nach Piver's Meinung
                              geht auch der Verseifungsproceß rascher und vollständiger vor sich.
                           Die von der Unterlauge und den mit ihr niedergeschlagenen nicht verseifbaren Stoffen
                              abgeschöpfte Seife wird wie gewöhnlich in die Form oder
                              Lade gebracht, in welcher sie erstarrt, dann in
                              Riegel oder Tafeln geschnitten und schließlich in's Magazin gebracht, um später auf
                              die zum Toilettgebrauche nothwendige Weise vorgerichtet zu werden.
                           In vielen Parfümeriefabriken ist das Durcharbeiten der zerriebenen Seife mit den
                              Händen noch immer üblich, indem nach dem Urtheile tüchtiger Praktiker die
                              intelligente Arbeit des Menschen die Darstellung eines guten Productes sehr
                              begünstigt. Piver hingegen hat dieses Mengen und Kneten
                              mit Menschenhand gänzlich aufgegeben, da dasselbe nicht immer mit der nöthigen
                              Sauberkeit ausgeführt wird, überdieß aber auch die Gegenwart von 20 bis 25 Proc.
                              Wasser in der Seife erfordert, so daß dann diese letztere mehrere Wochen im
                              Trockenzimmer bleiben muß, wo sich die beigemengten wohlriechenden Stoffe
                              verflüchtigen und in Berührung mit dem feuchten Seifenteige und unter dem Einflusse
                              der atmosphärischen Luft zersetzen. Piver läßt anstatt
                              dieses Verfahrens die Seife in ganz dünne leichte Streifen oder Bänder zerschneiden,
                              welche in einem von einem ununterbrochenen Strome erwärmter Luft durchzogenen
                              Trockenschranke beinahe vollständig ausgetrocknet,
                              mittelst des rotirenden Hackmessers mit den kosmetischen Substanzen möglichst innig
                              gemengt und dann zwischen drei Granitwalzen von verschiedener
                              Umdrehungsgeschwindigkeit zusammengequetscht werden. Die auf diese Weise homogen und
                              innig gemengte, bündige Seifenmasse kommt nun in einen langen, hermetisch
                              verschließbaren Kasten, in welchem sie mittelst eines durch eine kräftige
                              hydraulische Presse bewegten Kolbens eingepreßt und zusammengedrückt wird, so daß
                              sie in glatten 1 6/10 Meter langen Riegeln heraustritt,
                              welche dann durch eine besondere Vorrichtung mittelst eines einzigen Schnittes in
                              zwanzig regelmäßige Stücke zertheilt werden.
                           Die auf diese Weise dargestellte Seife behält die ganze Frische ihres Wohlgeruchs.
                              Die fertige Form und die Fabriksmarke erhält sie durch Pressen in einer gravirten
                              zweitheiligen Bronzeform erst am Tage der Abgabe an den Consumenten. – Nach
                              Piver's Behauptung wird bei dem beschriebenen
                              Verfahren jeder durch Schaben, Glätten etc. verursachte Abgang vermieden und an
                              Handarbeit gespart.
                           Alkoholate. – Die Duft-Extracte (extraits d'odeurs) werden, mit Gemischen von Essenzen
                              oder ätherischen Oelen, von aromatischen Tincturen, besonders aber durch das
                              Ausziehen oder Waschen mit Alkohol (lavage) der vorher mit den Düften frischer Blumen
                              beladenen fetten Oele
                              und Fette dargestellt. Früher wurde dabei in folgender Weise verfahren. Eine
                              Oelkruke wurde zur Hälfte mit gleichen Theilen von solchem parfümirtem fetten Oel
                              und Alkohol gefüllt, und täglich zwei- bis dreimal 8 bis 10 Minuten lang
                              geschüttelt; nach einigen Augenblicken Ruhe trennten sich beide Flüssigkeiten von
                              einander. Zuweilen aber setzte sich das Oel an die Wände der Kruke fest und wurde im
                              Verlaufe der Operation, welche unter 15 bis 20 Tagen nicht zu beenden war, ranzig.
                              Nach dem neuen System findet das Umschütteln oder Umrühren ununterbrochen statt, und
                              ein Tag ist zum vollständigen Extrahiren (Waschen) hinlänglich; indessen ist die
                              Zeitersparniß nur der geringste Vortheil dieses Verfahrens, Hauptsache bleibt die
                              Frische und die Reinheit des auf diese Weise erhaltenen Parfüms.
                           Die Parfümeurs von Grasse, Cannes und Nizza beschäftigen sich im Allgemeinen nur mit
                              den Rohproducten, d.h. mit den ätherischen Oelen oder Essenzen, den wohlriechenden
                              Wässern und den parfümirten Fetten und Oelen; in Paris existirt dieser Zweig der in
                              Rede stehenden Industrie kaum, denn wenn auch die Menge der verschiedenen Blumen,
                              welche in Paris verarbeitet werden, groß ist, so ist dagegen das erzeugte Quantum
                              von jenen Rohproducten nur gering, sie dienen nur zu feiner Parfümerie und bestehen
                              in Weißdornblüthen, Hyazinthen, Narzissen, Syringen, Maiblumen, Reseda, Nelken und
                              Heliotrop. Destillirt werden Rosen und Orangenblüthen, Geraniumblätter, bittere
                              Mandeln, Nelkenblüthen (Gewürznelken), sowie mehrere wohlriechende Hölzer und
                              Harze.
                           Destillation. – Die wesentlichen oder ätherischen
                              Oele werden allgemein durch Destillation gewonnen; diese geschieht in gewöhnlichen
                              Destillirapparaten, häufig gleich am Productionsorte der Pflanzen; so werden z.B.
                              Lavendel und Spieke in den Bergen selbst, in denen sie wachsen, destillirt; der
                              tragbare Destillirapparat wird in der Nähe eines fließenden Wassers aufgestellt und
                              die Operation ganz so, wie in den Laboratorien üblich, ausgeführt. Manche Anlagen
                              arbeiten mit vervollkommneten Destillirapparaten. Zu verwundern ist es, daß man
                              allem Anschein nach noch nicht darauf gekommen ist, als Träger der wohlriechenden
                              Stoffe bei der Destillation verschiedenartige Flüssigkeiten anzuwenden.
                           Die auf diese Weise dargestellten ätherischen Oele oder Essenzen sind die folgenden,
                              denen der Verfasser die Preise beifügt:
                           
                              
                                 
                                    Néroly bigarrade
                                    
                                       
                                       Von den Blüthen der gehörnten oder Warzenpomeranze.
                                       
                                    
                                 per Kilogr. 
                                   350 Fr.
                                 
                              
                                 
                                    Néroly Portugal
                                    
                                  „      
                                    „
                                   200  „
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 
                                    Néroly petit-grain
                                    
                                 per Kilogr.
                                   100 Fr.
                                 
                              
                                 
                                    Géranium rosa
                                    
                                   „      
                                    „
                                     80  „
                                 
                              
                                 Gartenmünze-Oel
                                   „      
                                    „
                                     90  „
                                 
                              
                                 Lavendelöl
                                   „      
                                    „
                                     13  „
                                 
                              
                                 Spicköl
                                   „      
                                    „
                                       5  „
                                 
                              
                                 Roththymian-Oel
                                   „      
                                    „
                                       8  „
                                 
                              
                                 Weißthymian-Oel
                                   „      
                                    „
                                     12  „
                                 
                              
                                 Rosmarinöl
                                   „      
                                    „
                                       7  „
                                 
                              
                                 Fenchelöl
                                   „      
                                    „
                                     10  „
                                 
                              
                                 Rosenessenz von Grasse
                                   „      
                                    „
                                 1536  „
                                 
                              
                                 orientalische Rosenessenz
                                   „      
                                    „
                                   960  „
                                 
                              
                           Wie man sieht, ist die in Frankreich gewonnene orientalische Rosenessenz geschätzter,
                              als die wirkliche orientalische; dieß rührt zweifelsohne daher, daß die
                              französischen Parfümeurs sie reinigen.
                           Die parfümirten Fette werden in Südfrankreich auf zwei
                              sehr verschiedene Arten bereitet, je nach der Beschaffenheit des Riech- oder
                              Duftstoffes und nach der größeren oder geringeren Zartheit der zu verwendenden
                              Blumen, nämlich durch Infusion oder durch kalte Parfümirung des Fettes mittelst
                              Schichtung desselben mit den Blüthen (enfleurage).
                           Darstellung der parfümirten Fette durch Infusion.
                              – Die Infusionsmethode besteht darin, daß die Blumen mit warmem fettem Oel
                              oder Fett von etwa 65° C. übergossen und nach einigen Stunden wieder
                              herausgenommen werden, worauf man sie durch frische ersetzt, bis die Fettkörper mit
                              dem Riechstoffe gesättigt sind; zur Erreichung dieses Resultats sind von manchen
                              Blüthen bis 6 Kilogrm. auf 1 Kilogrm. Fett erforderlich. Auch für diese Manipulation
                              hat Piver eine interessante Verbesserung erfunden, welche
                              sich nur bei ihm allein vorfindet. Denn leider muß der Verfasser sagen, daß die
                              Infusion in allen übrigen ihm bekannt gewordenen Ateliers heutzutage noch auf
                              dieselbe Weise ausgeführt wird, wie in den ältesten Zeiten.
                           Piver's Apparat, welcher an eine Einrichtung zum
                              Auslaugen der rohen Soda erinnert, besteht aus einem in sieben Fächer getheilten
                              rechteckigen Kasten von verzinntem Kupfer, welcher durch Dampf erhitzt wird. Das in
                              einem höher liegenden, gleichfalls mittelst Dampf geheizten Behälter befindliche Oel
                              oder Fett tritt in dünnflüssigem Zustande durch den Boden des ersten Faches ein,
                              durchdringt die hier liegenden Blumen oder Blüthen, tritt dann, wenn das Fach voll
                              ist, durch ein Rohr in den Boden des zweiten Faches, welches gleichfalls gefüllt
                              wird, und so fort, bis es in das letzte Fach gelangt ist, indem es von links nach
                              rechts vordringt.
                           
                           Die Blumen befinden sich in Körben aus Drahtgewebe, welche nacheinander in jedes Fach
                              eingehängt werden und in einer derjenigen des Oels oder Fettes entgegengesetzten
                              Richtung vorrücken, so daß sie zuerst in das rechts befindliche Fach Nr. 7 kommen,
                              aus diesem in Nr. 6 und so allmählich in alle anderen, bis zu dem am linken Ende
                              befindlichen Fache Nr. 1; wenn sie hier ankommen, sind sie vollständig erschöpft und
                              das aus dem Fache Nr. 7 heraustretende Oel oder Fett ist, nachdem es sich nach und
                              nach mit dem Dufte der frischen Blumen imprägnirt hat, mit dem Parfüm vollständig
                              gesättigt.
                           Dieses methodische Ausziehen oder Auswaschen geht sehr rasch von statten und entzieht
                              den Blumen ihr ganzes Parfüm, nimmt aber außer dem Parfüm aus ihnen nichts Anderes
                              auf; ein einziger Apparat genügt, um täglich 800 Kilogr. Fett zu sättigen. Die Dauer
                              der Infusion muß möglichst abgekürzt werden, damit nicht, wie dieß bei dem früheren
                              Systeme stattfindet, ein Erweichen der Blumen und Blüthen eintritt.
                           Darstellung der parfümirten Fette durch Schichtung des Fettes
                                 mit den Blüthen. – Die Parfümirung des Fettes durch Schichtung
                              desselben mit den Blüthen (enfleurage) wurde früher
                              mittelst übereinander gestellter Horden oder Gitter ausgeführt; eine auf einer
                              Glastafel ausgebreitete kalte Fettschicht wurde mit einer Lage Blumen bedeckt; auf
                              die hiermit beschickte Horde wurde eine zweite gelegt, die gleichfalls mit einer
                              Glasplatte, und auf dieser mit einer Fettschicht und darüber mit einer Blumenschicht
                              beschickt ward; darauf kam in gleicher Weise eine dritte, eine vierte etc. Horde,
                              und so wurde eine Säule von vierzig Horden hergestellt, aus welcher die erschöpften
                              Blüthen täglich herausgenommen und durch frische ersetzt wurden, so daß 25 bis 30
                              Tage erforderlich waren, um das Fett mit dem Dufte zu sättigen.
                           Nach dem neuen, gleichfalls von Piver erfundenen Verfahren
                              wird die Fixirung der Blumendüfte vom Fette durch Vermehrung oder Vergrößerung der
                              absorbirenden Flächen befördert. Der dazu dienende, von Piver ersonnene Apparat ist in Fig. 8–11 abgebildet.
                              Das Fett wird zu diesem Behufe in dünne nudelähnliche Fäden B, Fig.
                                 9, und auf in Rahmen gespannte Drahtgewebe gebracht, welche mit anderen
                              verzinnten Metallblechen A, Fig. 8, auf welche die zu
                              extrahirenden frischen Blumen geschichtet werden, abwechselnd in die Falze zweier
                              hermetisch verschließbaren Schränke eingeschoben werden, Fig. 10 und 11. Diese
                              beiden Schränke oder Schrankabtheilungen stehen in ihrem unteren Theile mit einander
                              in Verbindung, so daß ein schwacher Luftstrom mittelst Blasebalg von dem einen in
                              den anderen geführt, und fortwährend und abwechselnd sämmtliche Schichten der
                              Blüthen und des fein zertheilten Fettes durchströmen kann; die parfümirte Luft gibt nach kurzer Zeit
                              die flüchtigen Duftstoffe an das Fett bis zur vollständigen Sättigung desselben ab.
                              Diese Operation beansprucht 48 Stunden, während das ältere Verfahren wenigstens drei
                              Wochen erforderte. Da zwischen dem Fett und den Blüthen keine directe Berührung
                              stattfindet, so wird jede Färbung, jeder Kräutergeruch vermieden und bei der
                              Anwendung von Veilchen bleiben diese nach der Extraction ihres Duftstoffs immer noch
                              zur arzneilichen Verwendung brauchbar.
                           Extraction des Blumenparfüms nach dem Millon'schen
                                 Verfahren. – Das von E. Millon ersonnene
                              und eingeführte Verfahren soll unter gewissen Umständen die Methoden der Infusion
                              und der Parfümirung des Fettes durch Schichtung mit Blüthen ersetzen, indem Fette
                              und Oele (nicht flüchtige Vehikel) durch flüchtige
                                 Lösungsmittel, vorzüglich Aether und Schwefelkohlenstoff, ersetzt und diese letzteren nachher
                              durch Destillation von den Riechstoffen getrennt werden.
                           Indem Piver dieses Verfahren der Fabrication im Großen
                              entsprechend modificirte und durch eine höchst sinnreiche Verbesserung in sehr
                              glücklicher Weise vervollständigte, hat derselbe eine ganz neue Classe von condensirten oder concentrirten
                                 Parfüms geschaffen, die sich durch eine merkwürdige Frische und Reinheit
                              auszeichnen.
                           Sein Verfahren umfaßt drei verschiedene Processe:
                           
                              1) die Auflösung des Parfüms durch Infusion;
                              2) die Destillation bei niederer Temperatur;
                              3) die Entfernung der letzten Spuren des Lösungsmittels durch
                                 Verdampfen.
                              
                           Zur Auflösung des Riechstoffs wendet Piver einen Apparat
                              an, der aus drei Deplacirungs- oder Verdrängungscylindern besteht; das Ende eines
                              jeden ist vollkommen luftdicht mit einer abnehmbaren, zur Aufnahme der Flüssigkeit
                              aus dem Cylinder bestimmten Vorlage verbunden; die Flüssigkeit wird aus dem ersten
                              in den zweiten, gleichfalls mit Blumen gefüllten Deplacirungscylinder gegossen
                              u.s.f.
                           Die Blüthen werden auf diese Weise dreimal, zuweilen auch viermal mit den
                              Lösungsmitteln – Aether, Schwefelkohlenstoff oder Chloroform –
                              behandelt. Je nach den verschiedenen Arten der zu extrahirenden Blumen wird auch ein
                              verschiedenes Lösungsmittel angewendet.
                           Das Product der dritten Infusion kommt neuerdings über zweimal infundirte Blumen,
                              dann auf solche, die erst einmal infundirt worden sind, zuletzt auf ganz frische
                              Blumen; die Flüssigkeiten, welche den ganzen Duftgehalt aufgenommen haben, werden
                              zusammengegossen und bei niedriger Temperatur destillirt. Der Riechstoff bleibt als weißer oder
                              verschiedenartig gefärbter, starrer und zerreiblicher, oder als wachsartiger, oder
                              als flüssiger, nach einiger Zeit indessen stets erstarrender Körper zurück.
                           Die letzten Spuren des Lösungsmittels lassen sich aus den auf diese Weise erhaltenen
                              Parfüms nur schwierig entfernen; es ist dazu eine dritte Operation erforderlich.
                           Der Rückstand wird nämlich im Wasserbade in einem halbcylindrischen Abdampfgefäße
                              erhitzt, welches auf einer horizontalen Achse angebracht ist, so daß man es zur
                              Bewegung der darin enthaltenen Masse beständig schaukeln kann, während ein
                              Ventilator oder Exhaustor die letzten Spuren des Lösungsmittels austreibt. Endlich
                              wird das Extract noch zwei- oder dreimal mit schwach alkalisirtem Wasser gewaschen,
                              so daß nur das reine, liebliche Parfüm der extrahirten Blume zurückbleibt.
                           Volle Blüthe und absolute Frische der zu verwendenden Blumen sind zu einem günstigen
                              Resultate durchaus nothwendig. Manche Blumen geben ihr Parfüm nur nach
                              mehrstündiger, starker Insolation, d.h. dann ab, nachdem sie einige Stunden lang der
                              Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt gewesen sind; andere hingegen müssen vor
                              Sonnenaufgang gesammelt werden. Dieß lernt man durch die Praxis am besten kennen.
                              Sehr beachtenswerth ist aber die allgemeine, für diesen Zweig der Parfümerie
                              wichtige Thatsache, daß sich die geringste nachtheilige Veränderung, der leichteste
                              Grad von Verderbniß der Blumen sofort in dem aus ihnen gewonnenen Duftstoff zu
                              erkennen gibt.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
