| Titel: | Die trockene Destillation bituminöser Fossilien behufs Darstellung fester und flüssiger Kohlenwasserstoffe, welche als Beleuchtungsmaterialien sowohl, wie zu Maschinenschmiere und Darstellung von Farben benutzt werden; von Dr. H. Vohl in Cöln. | 
| Autor: | Hermann Vohl | 
| Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. CX., S. 460 | 
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                        CX.
                        Die trockene Destillation bituminöser Fossilien
                           behufs Darstellung fester und flüssiger Kohlenwasserstoffe, welche als
                           Beleuchtungsmaterialien sowohl, wie zu Maschinenschmiere und Darstellung von Farben
                           benutzt werden; von Dr. H. Vohl in Cöln.
                        Vohl, über die trockene Destillation bituminöser
                           Fossilien.
                        
                     
                        
                           Werden organische Verbindungen complexerer Zusammensetzung einer erhöhten Temperatur
                              ausgesetzt, so tritt ein Zeitpunkt ein, bei welchem die Constitution derselben
                              verändert wird und die einzelnen zusammengesetzten Bildungsatome eine Bewegung durch
                              die Wärme erfahren, derart, daß sie sich von einander entfernen, daß sie gleichsam
                              gespaltet werden und sich zu neuen, minder zusammengesetzten Verbindungen gruppiren.
                              Es ist klar, daß, wenn eine solche Spaltung stattfindet, sich die neuen
                              Bildungskörper als minder complex zusammengesetzt wie die ursprüngliche Substanz
                              ergeben müssen.
                           Wir wissen, daß die Wärme die Körper ausdehnt, und können uns demnach die Thätigkeit
                              der Wärme in der Weise versinnlichen, daß wir sie uns keilartig wirkend vorstellen;
                              die Wärme, die also keilartig zwischen die Atome eintritt, entfernt dieselben von
                              einander und somit wird die chemische Anziehung, welche nur bei unmittelbarer
                              Berührung wirkt, nach dem Grade der Entfernung, den die einzelnen Atome erlitten,
                              entweder theilweise beeinträchtigt, oder aber oft auch ganz aufgehoben. Es
                              unterliegt also keinem Zweifel, daß die Producte um so einfacherer Natur seyn
                              müssen, je energischer die Wärme eingewirkt hat, d.h. die Höhe
                                 der Temperatur bei der Zersetzung bestimmt die Gruppirung der Atome der sich
                                 bildenden Producte, welche natürlich bei fortgesetzter Steigerung der Wärme
                                 fortwährend eine einfachere Constitution haben werden. Ja, es ist offenbar,
                              daß die complicirtesten Verbindungen bei genügender Erhitzung in ihre
                              Elementarbestandtheile zerfallen werden. Auch in der anorganischen Welt haben wir
                              Belege für diese Wirkung der Wärme. Das Silberoxyd z.B. zerfällt bei einer
                              verhältnißmäßig geringen Temperaturerhöhung in seine Bestandtheile, in Sauerstoff,
                              welcher gasförmig entweicht, und in Silber, welches metallisch zurückbleibt. Das
                              Quecksilberoxyd erleidet beim Erwärmen dieselbe Spaltung, und tritt hier das Metall,
                              da es flüchtig ist, als Dampf auf. Eine große Gruppe zusammengesetzter Körper, die
                              wir gewiß mit Unrecht organische Verbindungen nennen, bestehen nur aus wenigen
                              Bildungselementen, und zwar aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff,
                              denen nicht selten Schwefel, Phosphor und andere Metalloide und Metalle beigesellt
                              sind. Diese Verbindungen, von denen wir viele als Producte der vegetabilischen und
                              animalischen Lebensthätigkeit auftreten sehen, von denen jedoch auch mehrere aus
                              ihren Bildungselementen ohne Beihülfe der vitalen Processe dargestellt werden
                              können, erfahren bei der sehr complicirten Zusammensetzung, die sie haben, durch die
                              Einwirkung der Wärme eine Zersetzung, resp. Spaltung, die nicht so einfacher Natur
                              wie die der eben genannten Metalloxyde ist, deren Spaltungsproducte leider bis jetzt
                              noch einem zu geringen Studium unterworfen worden sind.
                           Den Proceß des Zerfallens und Spaltens der letzteren zusammengesetzten Körper durch
                              die Wärme nennen wir im Allgemeinen die trockene
                                 Destillation. Wenn man einen Körper der trockenen Destillation unterwirft,
                              so werden zwei Gruppen von Körpern gebildet, d.h. es treten flüchtige und fixe, nicht flüchtige Körper auf.
                              Die flüchtigen Körper werden sich als Gas und Dampf entwickeln und können durch
                              Wegnahme der Wärme, durch Abkühlung, in fester oder flüssiger Form gewonnen werden,
                              oder aber sie bleiben gasförmig und entweichen als Gas; die fixen Bestandtheile
                              bleiben als Destillationsrückstand in dem Destillirgefäße zurück. Man hat also bei einer jeden
                              trockenen Destillation auf diese zwei (resp. vier) verschiedenen Gruppen von Körpern
                              sein Augenmerk zu richten.
                           Unterwerfen wir einen sog. organischen Körper, welcher Kohlenstoff, Wasserstoff,
                              Sauerstoff und Stickstoff nebst Schwefel etc. enthält, der trockenen Destillation,
                              so erhalten wir gewöhnlich als Rückstand eine reichliche Ausscheidung von
                              Kohlenstoff, mit geringen Mengen von Stickstoff und Wasserstoff verbunden, dagegen
                              als flüchtige Körper ein wässeriges Destillat, worauf
                              eine braune Oelschicht sich angesammelt hat, die man
                              schlechtweg mit dem Namen Theer bezeichnet, und außerdem
                              erhebliche Mengen theils brennbarer, theils nicht brennbarer Gase.
                           Je höher die Temperatur bei der Zersetzung war, um so größer ist die Gasausbeute und
                              um so geringer die Theergewinnung.
                           
                        
                           Betrachtung der verschiedenen
                                 Destillationsproducte.
                           
                              A. Wässeriges Destillat.
                              Das wässerige Destillat enthält gewöhnlich nur zwei verschiedene Gruppen von
                                 Körpern, nämlich Säuren, worunter die Essig-, Butter-, Valerian-, Metaceton- und Rosolsäure fast nie fehlen, und Basen, worunter
                                 stets das Ammoniak und daneben häufig Aethylamin, Propylamin, Picolin, Viridin, Anilin etc. und die anderen homologen Basen
                                 vorkommen. Häufig finden sich, wenn die Temperatur sehr hoch gesteigert war,
                                 auch noch Cyanverbindungen der Basen, neben einigen Kohlenwasserstoffen, die den
                                 Charakter der Alkohole tragen, als Propyl etc., in dem Destillate vor. Auch das
                                 Naphtalin kann unter Umständen in der wässerigen Flüssigkeit gelöst enthalten
                                 seyn.
                              
                           
                              B. Die
                                    ölartigen Producte.
                              Die bei der trockenen Destillation resultirenden ölartigen Producte werden
                                 schlechtweg Theer genannt; das spec. Gewicht
                                 derselben kann sowohl höher wie niedriger als das des Wassers seyn, und zwar
                                 gilt im Allgemeinen die Regel daß, gleichgültig, welches rohe Material der
                                 Destillation unterworfen wurde, je höher die Temperatur bei der Zersetzung war,
                                 um so schwerer der Theer seyn wird. Bei sehr hoch gesteigerter Zersetzungswärme,
                                 z.B. bei der Leuchtgasbereitung aus Steinkohlen, übersteigt das spec. Gewicht
                                 des Theers dasjenige des Wassers.
                              Gerade so wie das wässerige Destillat enthält der Theer Säuren und Basen, jedoch
                                 ist als Hauptbestandtheil desselben die Gruppe der neutralen Kohlenwasserstoffe zu betrachten; auch kommen
                                 Kohlenwasserstoffe 
                                 zweideutiger Natur häufig in demselben vor, z.B. das Kreosot. Was die Säuren anbetrifft, so sind
                                 dieselben anderer Natur wie die in dem Wasser enthaltenen. In den meisten Fällen
                                 enthält der Theer Pyrosäuren, jedoch als nie fehlenden Bestandtheil Carbolsäure,
                                 gleichgültig aus welcher Substanz der Theer erzeugt wurde. Die Basen des Theers
                                 sind im Allgemeinen dieselben, welche in dem wässerigen Destillate vorkommen,
                                 nur mit dem Unterschiede, daß das Ammoniak in geringerer Menge darin enthalten
                                 ist. Hat der Theer ein höheres spec. Gewicht wie das Wasser, ist er also bei
                                 hoher Temperatur erzeugt, so sind die Anilinbasen vorwaltend (z.B. im
                                 Steinkohlentheer von der Gaserzeugung herrührend); im entgegengesetzten Falle
                                 treffen wir die homologen Basen des Anilins, die Gruppen der Picolinbasen, an
                                 (Steinkohlentheer, bei niederer Temperatur erzeugt, zur Darstellung von
                                 flüssigen Beleuchtungsstoffen). Zum größten Theil besteht jedoch der Theer aus
                                 neutralen Kohlenwasserstoffen, die wir in zwei Gruppen theilen müssen: in
                                 flüssige und feste.
                              
                                 a) Flüssige neutrale Kohlenwasserstoffe.
                                 Zum größten Theil besteht der Theer aus sauerstofffreien Kohlenwasserstoffen
                                    von sehr verschiedenen Siedepunkten und sehr verschiedenem spec. Gewicht.
                                    Die Natur derselben ist noch nicht genau erkannt; nichtsdestoweniger spielen
                                    sie in der Beleuchtungsindustrie eine bedeutende Rolle (Photogen, Solaröl
                                    und Paraffinöl sind solche neutrale Kohlenwasserstoffe, die gewiß eine große
                                    Gruppe verschiedenartigster Verbindungen ausmachen). Bei hoch gesteigerter
                                    Zersetzungstemperatur enthält der Theer eine andere Gruppe von neutralen
                                    Kohlenwasserstoffen; so z.B. enthält der schwere Steinkohlengastheer Benzol, Cumol, Toluol, Cymol, Xylol, Körper die fähig sind, aus ihren
                                    Nitroverbindungen starke Basen zu bilden, aus denen die prächtigsten rothen
                                    und blauen, resp. violetten Farbstoffe darzustellen sind, welche den Indigo
                                    und die Cochenille verdrängen werden und uns in Bezug auf Farbmaterialien
                                    resp. Farbhölzer etc. unabhängig von West- und Ostindien machen werden.
                                 
                              
                                 b) Feste Kohlenwasserstoffe.
                                 Dieselben zerfallen in zwei Hauptgruppen, wovon eine Körper umschließt, die
                                    bei gewöhnlicher Temperatur flüchtig sind und leicht sublimiren; als
                                    Repräsentant führe ich das Naphtalin an. Diese
                                    Körper entstehen jedoch lediglich bei Einwirkung hoher Temperatur; ihre
                                    Anwendung ist noch eine sehr beschränkte. Die Körper der zweiten Gruppe sind von ungleich
                                    größerer Wichtigkeit für die Technik und unterscheiden sich von denen der
                                    ersteren durch ihre Unsublimirbarkeit, ihren hohen Siedepunkt und ihre
                                    geringere Flüchtigkeit. Als Repräsentant führe ich das Paraffin an (der bis jetzt als Paraffin zur Lichterfabrication
                                    verwandte Kohlenwasserstoff umschließt nach meinen neuesten Untersuchungen
                                    mindestens sechs verschiedene Körper). Diese Kohlenwasserstoffe der zweiten
                                    Gruppe erzeugen sich bei verhältnißmäßig niedriger
                                    Zersetzungstemperatur.
                                 
                              
                                 c) Gasförmige Producte.
                                 Die bei der trockenen Destillation sich entwickelnden Gase zerfallen ihrer
                                    Natur nach ebenfalls in drei verschiedene Gruppen:
                                 
                                    1) solche, die wirkliche Säuren
                                          sind oder die Rolle einer Säure spielen, z.B. Kohlensäure, Schwefelwasserstoff und Cyan;
                                    2)basische Körper, das Ammoniak und die Pyrolbasen;
                                    3)Gase neutraler Natur, z.B. Sumpfgas und ölbildendes Gas, Kohlenoxyd und Wasserstoff.
                                    
                                 Was das Auftreten dieser verschiedenen Gase anbetrifft, so läßt sich hier
                                    keine genaue Regel feststellen, in welcher Reihenfolge sie sich entbinden.
                                    Nach meinen vielfachen Erfahrungen treten gewöhnlich zuerst die sauren, dann
                                    die basischen und zuletzt bei sehr erhöhter Temperatur die neutralen Gase
                                    auf. Bei den neutralen Körpern ist festgestellt, daß ihr Auftreten nach
                                    folgender Reihenfolge stattfindet, wenn die Wärme nach und nach verstärkt
                                    wird: ölbildendes Gas, Sumpfgas, Kohlenoxydgas und
                                       zuletzt Wasserstoffgas.
                                 Selbstredend sind die bei der trockenen Destillation sich entbindenden Gase
                                    mehr oder minder mit dem Dampfe der anderen flüchtigen Destillationsproducte
                                    geschwängert.
                                 Aus dem oben Angeführten geht klar hervor, daß die trockene Destillation
                                    eigentlich in zwei Hauptmanipulationen zerfällt, in die Erhitzung der
                                    Substanz und in die Condensation der gebildeten flüchtigen Producte.
                                 
                              
                           
                        
                           Specieller Theil der trockenen
                                 Destillation.
                           
                              I. Die Erhitzung der zu
                                    destillirenden Substanz.
                              Dasjenige was ich speciell hier von der trockenen Destillation erwähne, bezieht
                                 sich lediglich auf die Verarbeitung bituminöser Fossilien behufs Erzeugung von
                                 Beleuchtungs- und Schmiermaterialien nebst den als Nebenproduct zu erzielenden
                                 Basen zur Farbendarstellung.
                              
                              Eine wie große Rolle die Wärme bei der Erzeugung der verschiedenen Producte der
                                 trockenen Destillation spielt, haben wir aus dem Vorhergehenden ersehen, und ich
                                 werde deßhalb eine umständlichere Beschreibung der verschiedenen Apparate, die
                                 zu dieser Operation dienen, geben müssen, als wie es bei den nachfolgenden
                                 Reinigungsapparaten geschehen wird. Die Erhitzung der zu destillirenden Körper
                                 nimmt man gewöhnlich in eisernen Gefäßen von verschiedenartiger Form vor, die
                                 man Retorten nennt, und es erhellt aus dem vorhin Bemerkten, daß die Apparate
                                 zwei Eigenschaften haben müssen, wenn die gewünschten Producte erzielt werden
                                 sollen; sie müssen nämlich erstens eine gleichmäßige Erhitzung zulassen und
                                 zweitens den gebildeten Producten einen schnellen Austritt gewähren. Man kann
                                 nie im Voraus die Form und die Dimensionen des Destillirgefäßes bestimmen,
                                 sondern dieß hängt lediglich von dem Ergebniß einer Voruntersuchung ab, welcher
                                 das zu destillirende Material unterworfen worden ist. Es ist wohl selbstredend,
                                 daß die gleichmäßige Erhitzung der Retorte von der zweckmäßigen Einmauerung
                                 derselben und der Construction des Ofens selbst abhängig ist. Es hat sich
                                 herausgestellt, daß die Retorte nie auf das freie Feuer gelegt werden darf,
                                 sondern daß dieselbe in einem Mantelgewölbe, welches seine Erwärmung von unten
                                 durch ein Gittergewölbe erhält, erwärmt werden muß; die dem Gittergewölbe zu
                                 liefernde Wärme wird durch eine Feueranlage beschafft, welche dem Brennmaterial
                                 entsprechend ist, außerdem streichen die abgekühlten Oase aus der Condensation,
                                 welche keine verdichtbaren Producte mehr enthalten, ebenfalls in den Feuerraum
                                 ein (natürlich sind die geeigneten Vorsichtsmaßregeln, welche vor Explosionen
                                 schützen, angewendet). Die Construction der Oefen und Erhitzungsapparate ist
                                 leicht durch tüchtige Techniker zu beschaffen, doch ist die zweite Bedingung
                                 einer günstigen Destillation, das schnelle Abführen der gebildeten Producte, mit
                                 größeren Schwierigkeiten verknüpft und muß eine Summe von Umständen hier in
                                 Betracht gezogen werden, welche, wenn nur bei einem einzigen Factor
                                 vernachlässigt, einen erheblichen Schaden verursacht. Wie schon bemerkt, muß
                                 eine vorläufige Untersuchung des Rohmaterials über die Abzugsvorrichtungen
                                 Aufschluß geben und dann sowohl der Menge wie auch der Qualität der Producte
                                 Rechnung getragen werden.
                              Wie schon bemerkt, wird bei der trockenen Destillation neben den flüssigen
                                 Producten eine Menge permanenter Gase erzeugt, und es ist klar, daß man
                                 letzteren einen freien Abzug gewähren muß, wenn man nicht eine Verzögerung der
                                 Destillation selbst und dadurch eine Zersetzung der gebildeten Producte
                                 hervorrufen will. Schon in einem früheren Aufsatze in diesem Journal (Bd. CLXII S. 381)
                                 habe ich den Nachweis geliefert, wie auf der Photogenfabrik zu Markersdorf in
                                 Böhmen durch bloße Erweiterung der Abzugsröhren und das Wegfallenlassen der
                                 Sperrflüssigkeiten die Theerausbeute von 0,9 Procent auf 4–5 Proc.
                                 gesteigert wurde. Es hat sich fernerhin herausgestellt, daß die leichten
                                 Kohlenwasserstoffe am wenigsten zerstört werden, wenn den sich entwickelnden
                                 Gasen und Dämpfen ein ungehemmter Abzug gewährt wird. Es war leicht
                                 vorauszusehen, daß, wenn die Erfahrung das eben Gesagte bestätigte, man auf
                                 Mittel bedacht seyn mußte, die gebildeten Producte rasch aus den
                                 Destillationsgefäßen zu entfernen. Die Mittel, welche man dazu anwandte, waren
                                 zweifacher Art:
                              Das erste bestand darin, daß man Gase in die Destillirgefäße eintrieb, welche
                                 sich den Destillationsproducten gegenüber neutral verhielten. Zu dem Ende blies
                                 man Kohlensäure oder Wasserdämpfe in die Apparate ein, ohne jedoch einen
                                 günstigen Effect zu erzielen, weil man dadurch zwar ein rascheres Ausströmen
                                 bedingte, jedoch den Druck in der Retorte selbst vermehrte. Ich habe vielfache
                                 derartige Versuche angestellt und mich überzeugt, daß das Einblasen dieser Gase
                                 für den Betrieb im Großen nicht vortheilhaft und zulässig ist. Wie schon
                                 mehrfach erwähnt, erhält man sehr günstige Resultate, wenn das zu destillirende
                                 Fossil 22–25 Proc. Wasser enthält. Hier ist es der sich fortwährend
                                 entwickelnde Wasserdampf, welcher die Dämpfe der Destillationsproducte mit sich
                                 fortreißt und auch die Temperatur in dem Destillirgefäße nicht zu hoch steigen
                                 läßt.
                              Die zweite Art und Weise, die erzeugten Destillationsproducte rasch nach dem
                                 Condensationsapparate hinzubefördern, bestand in der Anwendung von Exhaustoren,
                                 die entweder durch ein directes Pumpwerk hergestellt oder aber durch den Zug
                                 hoher Kamine gegeben wurden. Bei dem Aussaugen der Gase und Dämpfe treten zwei
                                 Uebelstände ein: Erstens sind die Verdichtungen der Destillationsapparate nicht
                                 zu controliren, da durch das Einsaugen der atmosphärischen Luft keine Dämpfe an
                                 den undichten Stellen entweichen, und somit ein Ausbessern unmöglich wird.
                                 Zweitens aber wird durch den eingesaugten Sauerstoff der atmosphärischen Luft an
                                 den undichten Stellen der Wasserstoff der Kohlenwasserstoffe verbrannt und
                                 treten demnach die Producte als wasserstoffärmere Kohlenwasserstoffe auf. Da man
                                 aber sein festes Augenmerk darauf richten muß, die Oele so wasserstoffreich wie
                                 möglich zu erhalten, so ist aus diesem Grunde die Anwendung der Exhaustoren bei
                                 der Theerdestillation im Großen nicht angezeigt.
                              Bezüglich der Abzugsröhren kann man hier keine allgemeine Regel aufstellen, und ist vor
                                 Allem bei einem jeden Fossil durch Versuche das Verhältniß des
                                 Ausströmungsrohres zu dem Destillationsgefäße festzustellen. Beispielsweise will
                                 ich hier einige Dimensionen angeben. Der Blätterschiefer aus dem Siebengebirge
                                 bei Bonn (Grube Rommerickeberge), welcher 25–27 Proc. Bitumen enthält,
                                 bei einem Wassergehalt von 25 Proc., verlangt bei der Retortendimension von 8
                                 Fuß Länge, 30 Zoll Breite und 12–13 Zoll Höhe, eine lichte Weite des
                                 Abzugsrohrs von 5–6 Zoll; dabei darf ich nicht unerwähnt lassen, daß die
                                 Destillationscapacität der Retorte gleich 250 Pfund Füllung beträgt und die
                                 Destillationszeit 6 Stunden ist, binnen welcher Zeit 1000 Kubikfuß Gas neben den
                                 Theer- und Wasserdämpfen entwickelt werden. Die Braunkohle des fürstlich
                                 Solms-Braunfels'schen Werkes zu Weckerheim ergibt 13–14 Proc. Bitumen und
                                 muß bei gleicher Dimension der Retorte das Ausströmungsrohr einen Durchmesser
                                 von 9 Zoll im Lichten haben, weil binnen derselben Zeit bei derselben Füllmasse
                                 5450 Kubikfuß Gas entweichen. Ein anderes Fossil, welches ich bei Merkelsgrün in
                                 Nordböhmen aufgefunden und dem ich den Namen Photogelith gegeben habe, ergibt
                                 4–6 Proc. Bitumen, dagegen ist die Gasausbeute eine so niedrige, daß bei
                                 sonst gleichen Dimensionen des Destillationsgefäßes, derselben Destillationszeit
                                 und derselben Menge angewandten Rohproductes das Abzugsrohr nur einen
                                 Durchmesser von 4 1/2 Zoll erheischt. Wie man leicht einsieht, kann also von
                                 einer Vorausbestimmung der Dimensionen der Destillationsapparate, resp. der
                                 Abzugsröhren, keine Rede seyn, und es muß ein jedes Fossil einer gründlichen
                                 Untersuchung vorher unterworfen werden.
                              
                           
                              II. Die Condensation.
                              Die zweite wichtige Manipulation bei der trockenen Destillation ist die Abkühlung
                                 der sich entwickelnden Gase und Dämpfe. Im Allgemeinen geschieht die Kühlung
                                 derart, daß man die Producte metallene Röhren passiren läßt, die von Außen kalt
                                 gehalten werden. Es ist bekanntlich von großem Vortheil, wenn man den
                                 abzukühlenden Gasen und Dämpfen eine große Reibungsoberfläche bietet; leider
                                 aber ist dieses mit Vermehrung des Druckes verbunden, den man dadurch rückgängig
                                 auf die Destillationsgefäße ausübt, und es ist manchmal von größerem Nutzen,
                                 wenn man einen kleinen Verlust der Producte erleidet, als wenn man Alles zu
                                 condensiren sucht, und dadurch den Druck auf die Destillationsgefäße vermehrt,
                                 in Folge dessen die Destillationszeit verlängert und das Product verschlechtert
                                 wird. Die besten Resultate erhält man, wenn das Condensationsrohr gerade ist und
                                 sanft geneigt, dabei verjüngend den flüssigen und gasförmigen Producten einen Ausweg
                                 gestattet. Leider ist aber dieses bei der Destillation im Großen nicht
                                 ausführbar, weil man alsdann für eine jede Retorte ein mindestens 50–60
                                 Fuß langes Condensationsrohr beschaffen müßte, welches dann mit einem
                                 gemeinschaftlichen Sammelrohr in Verbindung stände. Ein solches System von
                                 Kühlröhren bei einer Batterie von 60 Retorten würde aber nicht allein ein großes
                                 Anlage-Capital, sondern auch zur Beschaffung des nöthigen Kühlwassers und der
                                 Bedienung bedeutende Geldausgaben erheischen.
                              Die Condensation der Theer- und Wasserdämpfe bewerkstelligt man in 18 Zoll weiten
                                 gußeisernen horizontalen Sammelröhren, welche, oben mit Muffen versehen, die
                                 Retortenmündungsröhren aufnehmen. Diese Sammelröhren sind von Außen mit grobem
                                 Packtuch umgeben, welches durch einen Tropfapparat beständig naß gehalten wird.
                                 Eine Sperrung der Retortenmündungsröhre mit Wasser wirkt nachtheilig auf die
                                 Destillation. Am tiefsten Punkte der Condensationsröhren ist ein S förmig gebogenes Rohr angebracht, dessen
                                 Ausflußmündung der Productionsfähigkeit der Retorten entspricht, und welches
                                 durch Flüssigkeit gesperrt, dem Gase keinen Abzug gewährt. Nahe bei der S förmigen Abzugsröhre wird das Gas nach oben durch
                                 zwei Horizontalröhren geleitet, welche ebenfalls mit nassen Tüchern umgeben
                                 sind, und die letzten Reste der condensirbaren Producte verdichten und in das
                                 Sammelrohr zurück fließen lassen. Ich darf nicht unerwähnt lassen, daß soviel
                                 als möglich kurze Krümmungen und Windungen in den Condensationsapparaten zu
                                 vermeiden sind, weil dadurch sich die Dämpfe und Gase an den Biegungen stoßen
                                 und auf die Retorte rückwirken, so daß die Destillationszeit verlängert und die
                                 Producte verschlechtert werden.
                              Bei der Destillation von Torf und sogenannter Paraffin-Kohle (eine sehr weiße
                                 bitumenreiche Braunkohle) müssen die Abzugsröhren für das Gas nicht allzukalt
                                 gehalten werden, indem die Gase, mit paraffinhaltigen Dämpfen geschwängert, bei
                                 zu starker Abkühlung paraffinhaltige Massen als blumenkohlartige Wucherungen in
                                 den Röhren absetzen, wodurch leicht ein Verstopfen stattfinden kann und die
                                 Lutirungen undicht werden. Man muß bei der Torfdestillation deßhalb in dem
                                 letzten Stadium häufig die Gasabzugsröhre erwärmen, um das Verstopfen derselben
                                 zu verhüten. Es versteht sich von selbst, daß dieses Verstopfen auch mit dem
                                 größeren oder geringeren Gehalt an Paraffin zusammenhängt, und deßhalb der Torf
                                 älterer Formation (Bagger- und Stichtorf) mehr demselben unterworfen ist, als
                                 der Torf der oberen Schichten, der Faser- und Moostorf. In Friesland gibt es
                                 einen schweren Baggertorf, der bei der Destillation einen Theer liefert, welcher
                                 über 6 Procent Paraffin enthält, und diesen Uebelstand bei der Destillation im höchsten Grade
                                 zeigt. Ich habe deßhalb bei allen Torfdestillationen die Vorkehrung getroffen,
                                 daß man das Gasabzugsrohr mittelst Dämpfen erwärmen und reinigen kann. Es muß
                                 auffallend erscheinen, daß das Paraffin, welches einen so hohen Siede- und
                                 Verflüchtigungspunkt hat, und dessen Dämpfe so wenig latente Wärme haben, so
                                 schwierig aus dem Gase zu condensiren ist, und bis zu den äußersten
                                 Mündungsröhren durch das Gas hingeführt wird.
                              Auf vielen Photogenhütten, z.B. auf der Beueler Augustenhütte, suchte man die
                                 Condensation der Destillationsproducte durch ein Röhrensystem zu
                                 bewerkstelligen, welches von unten nach oben von den Dämpfen durchstrichen wird
                                 und sich auf einer Länge von circa 200 Fuß bis auf
                                 1/3 der Einströmungsöffnung verjüngt. Das Röhrensystem selbst besteht aus
                                 10-füßigen Stücken, die übereinander liegen und mit Uförmigen Knieröhren verbunden sind. Der Vortheil, den diese
                                 Vorrichtungen gewähren, würde ein bedeutend größerer seyn, wenn die vielen
                                 kurzen Windungen und Krümmungen bei demselben vermieden worden wären.
                              Die Condensationsvorrichtungen, wie sie in Frankreich und England angewandt
                                 werden, z.B. die von Delahaye und Soulivan, sind Verticalröhren und geben ein minder
                                 günstiges Resultat, wie die Condensation des Horizontalsystems.
                              
                           
                              III. Ueber den Einfluß der
                                    Temperatur bei der trockenen Destillation.
                              Im Vorhergehenden habe ich im Allgemeinen die Principien besprochen, nach denen
                                 die trockene Destillation ausgeführt und die dazu nöthigen Apparate construirt
                                 werden. Ich will jetzt den Einfluß der Temperatur auf die Quantität der Producte
                                 einer näheren Betrachtung unterwerfen. Schon im Eingange habe ich darauf
                                 aufmerksam gemacht, daß die Producte, d.h. die Kohlenwasserstoffe, um so
                                 wasserstoffärmer werden, als die Temperatur eine höhere ist. Ein Beispiel führe
                                 ich an, nämlich die Destillation einer sehr bitumenreichen Steinkohle (Glanz-
                                 oder Pechkohle des Zwickauer Kohlenbeckens). Diese Kohle wurde in die Retorte
                                 gegeben und alsdann das Feuer langsam bis zur Rothgluth gesteigert. Ich erhielt
                                 aus 100 Gewichtstheilen derselben:
                              
                                 
                                    Kohks
                                      60,063
                                    
                                 
                                    Wasser
                                      10,787
                                    
                                 
                                    Theer
                                      12,000
                                    
                                 
                                    Gas und Verlust
                                      17,15
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––
                                    
                                 
                                    
                                    100,000
                                    
                                 
                              
                              Dieser Theer, einer weiteren fractionirten Destillation unterworfen, ergab von
                                 100 Gewichtstheilen:
                              
                                 
                                    Photogen
                                    19,008
                                    
                                 
                                    Solaröl
                                    20,908
                                    
                                 
                                    Schmieröl
                                    17,807
                                    
                                 
                                    Paraffin
                                    9,083
                                    
                                 
                                    Kreosot
                                    12,606
                                    
                                 
                                    Rückstand der Destillation u. Verlust
                                    20,588
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––
                                    
                                 
                                    
                                    100,000
                                    
                                 
                              Dieselbe Kohle wurde in eine glühende Retorte geladen und destillirt, und ich
                                 erhielt aus 100 Gewichtstheilen derselben:
                              
                                 
                                    Kohks
                                    50,063
                                    
                                 
                                    Wasser
                                    7,781
                                    
                                 
                                    Theer
                                    10,000
                                    
                                 
                                    Gas und Verlust
                                    32,156
                                    
                                 
                                    
                                    –––––––
                                    
                                 
                                    
                                    100,000
                                    
                                 
                              Man ersieht leicht schon aus dieser Rohdestillation, daß eine andere Zersetzung
                                 stattgefunden hat und es wird dieß durch die fractionirte Destillation des
                                 Theeres evident bewiesen. Die Untersuchung des Theeres ergab in qualitativer
                                 Beziehung ganz andere Bestandtheile. Das Photogen war ersetzt durch Benzol,
                                 Toluol, Cumol, Cymol und Xylol; das Paraffin war fast gänzlich verschwunden und
                                 dafür enthielt der Theer Naphtalin und Paranaphtalin. Das Kreosot hatte sich in
                                 bedeutenderer Menge gebildet; dafür war aber das Schmieröl bedeutend zersetzt
                                 worden. Auch ergibt sich aus der geringen Wasserausbeute, daß das Wasser selbst
                                 einer Zersetzung erlegen ist, und zwar auf Kosten des Kohlenstoffs, der sich
                                 theils mit dem Sauerstoff zu Kohlenoxyd, theils mit dem Wasserstoff zu Sumpfgas
                                 verbunden hat. Es konnte demnach das Wasser nicht mehr als Wasser auftreten,
                                 sondern mußte die Gasausbeute sehr stark vermehren. Auch die Ausbeute an Kohks
                                 war verringert, weil der Kohlenstoff ebenfalls auf Kosten des Wassers gasificirt
                                 worden war. Das specifische Gewicht der beiden Theersorten variirte sehr;
                                 dasjenige der ersteren war 0,955, also leichter wie Wasser, wohingegen die
                                 zweite Sorte Theer 1,0056 spec. Gewicht zeigte.
                              Wie schon im Eingange bemerkt, werden die Destillationsproducte bei erhöhter
                                 Temperatur immer wasserstoffärmer und ihr Siedepunkt steigt nicht mehr
                                 gleichzeitig mit dem Verflüchtigungspunkte; so haben die leichten Oele der
                                 bituminösen Schiefer, der Braun- und Steinkohle, welche bei allmählich
                                 gesteigerten also niedrigen Destillationstemperaturen erzeugt wurden, bei einem
                                 niedrigen Siedepunkte eine geringe Flüchtigkeit; sie sieden nämlich bei einem
                                 specifischen Gewichte von 0,750 bei einer Temperatur zwischen 50 und 60°
                                 C.; ihre Verflüchtigung dagegen bei gewöhnlicher Temperatur, selbst im
                                 luftleeren Raume, ist nur so groß, daß eine gleiche Quantität Wasser während
                                 dieser Verdunstung bloß einige Grade unter der Umgebungstemperatur abgekühlt
                                 wird. Nehmen wir dagegen die leichten Oele derselben bituminösen Fossilien,
                                 welche bei erhöhter Temperatur gewonnen werden, z.B. das Benzol, so findet man,
                                 daß bei einem specifischen Gewichte von 0,85 und einem Siedepunkte von
                                 85–88° C. die Verflüchtigung eine viel größere ist. Man kann als
                                 allgemeines Gesetz annehmen, daß das geringe specifische Gewicht einen hohen
                                 Wasserstoffgehalt bekundet, und daß die Zunahme des Kohlenstoffgehaltes das
                                 specif. Gewicht erhöht.
                              Was die festen Kohlenwasserstoffe anbetrifft, so habe ich ermittelt, daß bei
                                 niedriger Temperatur stets Paraffin und keine Spur von Naphtalin gewonnen wird,
                                 daß aber bei rascher Destillation in der Rothgluth stets Naphtalin sich bildet
                                 in Begleitung des Benzols. Mit der Höhe der Temperatur vermindern sich also die
                                 zur Beleuchtung dienenden Kohlenwasserstoffe; es tritt das Leuchtgas in großer
                                 Menge auf, und die homologen Kohlenwasserstoffe der Benzolreihe werden als
                                 Product erhalten. Letztere werden nicht mehr zur Beleuchtung benutzt, sondern
                                 ihre Verwendung ist die zur Farbendarstellung.
                              Bezüglich der Säuren und des Kreosots hat sich festgestellt, daß bei niedriger
                                 Temperatur das Kreosot auftritt neben nicht unerheblichen Mengen von Essigsäure,
                                 Buttersäure, Metacetonsäure, Valeriansäure, Capronsäure, Caprylsäure und wenig
                                 Kohlensäure. Wird die Temperatur dagegen erhöht, so verschwinden das Kreosot und
                                 die dasselbe begleitenden Säuren, und es tritt fast nur die Carbolsäure auf.
                                 Letztere, auch Phenylsäure genannt, wird in jüngster Zeit zur Darstellung von
                                 prächtig rothen und blauen Farbstoffen benutzt.
                              In Bezug auf die Producte der trockenen Destillation stickstoffhaltiger Materien
                                 muß ich Nachfolgendes erwähnen: Bei niedriger Temperatur entstehen die Basen der
                                 Pyrolreihe und gleichzeitig mit ihnen das Picolin, Lutidin, Viridin etc.,
                                 wohingegen bei erhöhter Temperatur das Aethylamin, Propylamin, Amylamin und das
                                 Anilin auftreten. In beiden Fällen wird immer eine gewisse Menge Ammoniak
                                 gebildet; jedoch kann man annehmen, daß das massenhafte Auftreten des Ammoniaks
                                 erst bei einer Temperatur stattfindet, welche die helle Rothgluth überschreitet
                                 und daß es überhaupt zu Ende der Operation sich entwickelt. Ueber das Auftreten
                                 des Aethylamins habe ich mich früher schon ausgesprochen und es hat sich die
                                 Ansicht bestätigt, daß dasselbe durch Zusammentreten von ölbildendem Gase mit Ammoniak im
                                 Entstehungsmomente gebildet wird. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß auch
                                 diese Base Farben liefern wird.
                              Die geringe Ausbeute an leichten Kohlenwasserstoffen des Theeres der Braun- und
                                 Steinkohle hat eine Menge von Versuchen hervorgerufen, welche die Zersetzung der
                                 schweren Oele in der Art bezweckten, daß man durch Spaltung aus denselben
                                 leichte, d.h. wasserstoffreichere Oele erhalten könne. Im Jahre 1850 wurden auf
                                 der Beueler Augustenhütte derartige Versuche im Großen angestellt und es ergab
                                 sich, daß man durch Einströmenlassen der schweren Oele in glühende Retorten oder
                                 Röhrensysteme leichtere, also wasserstoffreichere Oele erhielt, daß aber
                                 dieselben zur Speisung von Photogenlampen nicht geeignet waren, da einestheils
                                 der Siedepunkt dieser Oele zu niedrig lag, und dadurch nach kurzer Brennzeit
                                 auch Dampfbildung in der Dochthülle und ein Rußen und Schwalchen der Flamme
                                 hervorgerufen wurde; auf der anderen Seite waren die so gebildeten leichten Oele
                                 nicht so kohlenstoffreich, daß eine körperhafte, compacte starkleuchtende Flamme
                                 gebildet wurde. Auch war der Kostenpunkt dabei mit in Betracht zu ziehen,
                                 insofern die Ausbeute eine geringe und die Arbeitskosten sehr hoch waren.
                              Hr. Dr. Breitenlohner,
                                 Chemiker der erzherzogl. Torfproducten-Fabrik zu Chlumetz in Böhmen, hat in
                                 diesem Journal Bd. CLXVII S. 378 eine Abhandlung über die Torföle und ihre
                                 Aufbereitung nach einem patentirten Verfahren veröffentlicht, worin derselbe
                                 angibt, daß die schweren Torföle durch Einströmenlassen in glühende Gefäße sich
                                 in leichte Oele verwandeln, und dieser Proceß sehr praktisch und nutzbringend
                                 sey. Was den Kostenpunkt anbetrifft, so ist, wie schon vorher bemerkt, derselbe
                                 bei dieser Methode zu groß und außerdem die Ausbeute eine geringe und stets
                                 variirende, je nachdem die Oele leichter oder schwerer oder die Temperatur eine
                                 wechselnde war. Die Bildung von Carbolsäure und brennbaren Gasen ist dabei eine
                                 sehr bedeutende und lästige. Alle Methoden, welche auf dem eben angegebenen
                                 Princip basiren, sind daher für die Technik zu verwerfen.
                              Diese Destillation der Rohöle bei Gegenwart glühender Substanzen ist weiter
                                 nichts, als eine abermalige Spaltung der verschiedenen Kohlenwasserstoffe durch
                                 massenhaft dargebotene glühende Flächenberührung, welche auf der einen Seite
                                 wasserstoffreichere Kohlenwasserstoffe, größtentheils gasförmige und nicht
                                 condensirbare Körper zur Folge hat, wohingegen auf der andern Seite spec.
                                 schwere, kohlenstoffreichere und wasserstoffärmere Kohlenwasserstoffe gebildet
                                 werden. Beide Producte erheischen aber einen großen Chemikalienaufwand bei der
                                 Reinigung und bieten außerdem nicht die vortheilhafte Verwendung wie die direct aus dem Theere
                                 gewonnenen Oele.
                              (Eine größere Ausbeute an leichtem Photogen liefert die fractionirte Theerdestillation bei constantem Niveau.)
                              Cöln, im Januar 1864.