| Titel: | Ueber eine neue Silbertitrirmethode, insbesondere für die photographische Praxis; von Dr. Hermann Vogel. | 
| Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XI., S. 32 | 
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                        XI.
                        Ueber eine neue Silbertitrirmethode, insbesondere
                           für die photographische Praxis; von Dr. Hermann Vogel.
                        Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1865, Nr.
                              2.
                        Vogel, neue Silbertitrirmethode.
                        
                     
                        
                           Die gewöhnliche Gay-Lussac'sche Silbertitrirmethode
                              hat bekanntlich den Uebelstand, daß man den Endpunkt der Fällung nur schwierig
                              wahrnehmen kann. Man hat diesem Mangel durch Zusatz voll chromsaurem Kali als
                              Indicator abzuhelfen versucht. Dieser ist jedoch bei sauren Flüssigkeiten nicht anwendbar, andererseits erfordert er bei
                              Fällung von Silberlösungen durch Kochsalz ein Ueberschreiten des Sättigungspunktes
                              und Zurücktitriren mit Zehntel-Silberlösung bis die rothe Farbe des
                              chromsauren Silberoxyds erscheint. Dadurch wird die Methode complicirter. Dann ist
                              dieser Fällungsmethode außerdem der Vorwurf zu machen, daß sie bei Gegenwart organischer Substanzen ungenau ist. Dieselben
                              hindern die Fällung des Chlorsilbers, wie man vergleichungsweise schon in sehr
                              auffallendem Grade qualitativ beobachten kann, wenn man zwei gleiche Proben sehr
                              verdünnter Silberlösung einerseits mit vielem Wasser, andererseits mit eben so viel
                              klarer Stärkelösung verdünnt und beide mit Salzsäure versetzt.
                           Nun ist eine leichte und bequeme Methode der Silberbestimmung jetzt von besonderer
                              Wichtigkeit für die Photographie, wo Silberlösungen eine wichtige Rolle spielen. Ich
                              suchte deßhalb nach einer anderen Titrirmethode, welche von genannten Uebelständen
                              frei ist und den Sättigungspunkt in auffallender Weise erkennen läßt. Ich fand diese
                              in der Anwendung von Jodkalium als Fällungsmittel und von salpetrige Säure haltiger Salpetersäure und Stärke als Indicator.
                           Setzt man Jodkaliumlösung zu Silberlösung, so entsteht bekanntlich ein Niederschlag von Jodsilber;
                              setzt man Jodkalium zu einer Mischung von salpetrige Säure haltiger Salpetersäure
                              und Stärke, so färbt sich die Flüssigkeit augenblicklich blau unter Bildung von
                              Jodstärke. Mischt man nun Silberlösung mit Salpetersäure und Stärkelösung, so gehen
                              beide Processe gleichzeitig vor sich; es bildet sich Jodsilber, welches sich
                              niederschlägt, und Jodstärke, welche die ganze Flüssigkeit blau (oder blaugrün)
                              färbt. Diese Färbung verschwindet aber, so lange noch die
                                 geringste Spur Silberlösung im Ueberschuß vorhanden, beim Umschütteln
                                 augenblicklich. Hat man aber bei weiterem Zusatz von Jodkalium den Punkt
                              erreicht, wo alles Silber gefällt ist, so färbt ein einziger
                                 Tropfen Jodkaliumlösung im Ueberschuß die Flüssigkeit dauernd blau oder blaugrün.
                           Es bleibt sich hierbei für das Endresultat völlig gleich, ob die Fällung durch Jod
                              direct oder indirect vor sich geht, denn in allen Fällen wird durch ein Atom Jod ein
                              Atom Silber niedergeschlagen.
                           KJ + AgONO⁵ = KONO⁵ + AgJ
                           6 J + 6 AgONO⁵ = AgOJO⁵ + 5 AgJ
                           Für die photographische Praxis, wo es hauptsächlich darauf ankommt, den Procentgehalt
                              an Silbernitrat in einer Silberlösung zu erfahren, habe ich die Probe folgendermaßen
                              eingerichtet:
                           
                        
                           1) Jodkaliumlösung.
                           10 Gramme chemisch reines wohl getrocknetes Jodkalium werden in eine Literflasche
                              gethan, in Wasser gelöst, bis zur Marke verdünnt und dann noch 23,4 Kubikcentimeter
                              Wasser aus einer Pipette hinzugegeben. So erhält man eine Flüssigkeit, von der 1
                              Kubikcentimeter genau 0,01 Gramm Silber anzeigt.
                              Jodkalium kommt jetzt allgemein in solcher chemischer Reinheit im Handel vor, daß es
                              unmittelbar zur Titerstellung verwandt werden kann.
                           Ist man der chemischen Reinheit nicht sicher, so probire man die Flüssigkeit mit
                              einer Silberlösung, die in 100 Kubikcent. genau 10 Gramme Silbernitrat enthält und
                              stelle darnach den Titer. Für feinere Proben würde man einer zehnfach verdünnten
                              Lösung bedürfen.
                           
                        
                           2) Salpetrige Säure haltige
                                 Salpetersäure.
                           1 Gramm chemisch reiner Eisenvitriol wird in 1000 Gram. chemisch reiner Salpetersäure
                              von 1,2 spec. Gewicht gelöst. Nach längerer Zeit wird die Säure mitunter unwirksam,
                              d.h. sie färbt sich mit Jodkalium und Stärke nicht mehr blau. Man kann sie aber
                              augenblicklich durch Zusatz einiger Bröckchen Eisenvitriol wieder wirksam
                              machen.
                           
                        
                           
                           3) Stärkelösung.
                           1 Theil Stärke mit 100 Theilen Wasser auf bekannte Weise gebrüht, absetzen gelassen,
                              das Klare abgegossen und auf 100 Kubikcent. 20 Theile chem. reiner pulverisirter
                              Salpeter zugegeben. Diese Lösung hält sich, so weit meine Erfahrungen reichen, 6
                              Wochen. (Wahrscheinlich auch länger, da Mohr mit Kochsalz
                              versetzte Stärkelösung ein ganzes Jahr conservirt hat.)
                           Behufs der praktischen Bestimmung wird von der zu prüfenden Silberlösung mit einer
                              Vollpipette 1 Kubikcent. abgenommen, in ein Bechergläschen entleert und mit 1
                              Kubikcent. Salpetersäure und 10 bis 12 Tropfen Stärke versetzt. Dann läßt man einige
                              Tropfen Jodkaliumlösung aus der Bürette zu. Ist die Lösung silberreich, so entsteht
                              nur ein gelber Niederschlag; erst später stellt sich Blaufärbung ein; ist sie
                              silberarm, so entsteht sogleich Blaufärbung, verschwindet aber beim Umschütteln. Man
                              läßt nun im ersten Fall dreister, im letztern vorsichtiger Jodkaliumlösung unter
                              fortwährendem Schwenken des Gläschens zufließen. Bald kommt man an einen Punkt, wo
                              die Färbung beim Umschütteln langsamer verschwindet; dann
                              schüttelt man heftiger. Schließlich genügt ein einziger Tropfen, um eine dauernde
                              (beim Umschütteln nicht mehr verschwindende) Blau- oder Grünfärbung
                              hervorzubringen. Die abgelesenen Bürettegrade geben unmittelbar den Silbersalzgehalt
                              von 100 Kubikcent. der zu prüfenden Flüssigkeit in Grammen an.
                           Bei starken Silberlösungen geht während des Versuchs oft eine eigenthümliche
                              Aenderung der Stärke vor, die sich dadurch zu erkennen gibt, daß ein hineinfallender
                              Tropfen Jodkaliumlösung keine oder nur eine unreine Färbung hervorbringt; in diesem
                              Falle setze man nachträglich noch einige Tropfen Stärkelösung hinzu, dann titrire
                              man weiter.
                           Mehr als 50 Proben, die ich mit dieser Methode angestellt habe, haben ihre
                              Zuverlässigkeit und leichte Ausführbarkeit dargethan und ergeben, daß Gehalt an Säure, organischen Substanzen etc. ihre Genauigkeit nicht
                              beeinträchtigt. Nur bei Gegenwart von Substanzen, welche die Jodstärkefärbung
                              zerstören, als Quecksilbersalze, Zinnoxydul, arsenige Säure etc., oder die Lösung
                              färben, wie z.B. Kupfer, ist die Methode nicht
                              anwendbar.
                           Wie man bei Bestimmung der Silbergehalte einer festen Substanz zu verfahren habe,
                              ergibt sich aus dem Vorhergehenden von selbst.
                           Berlin, im Januar 1865.