| Titel: | Chemisch-technologische Notizen; von Prof. Dr. Rudolph Wagner. | 
| Autor: | Johannes Rudolph Wagner [GND] | 
| Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XL., S. 132 | 
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                        XL.
                        Chemisch-technologische Notizen; von Prof.
                           Dr. Rudolph Wagner.
                        Wagner, chemisch-technologische Notizen.
                        
                     
                        
                           I. Chlorometrie. – Die von mir im Jahre 1859 in
                              Vorschlag gebrachte Chlorkalkprobe
                              Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift, Bd. I S. 81; polytechn.
                                    Journal Bd. CLIV S. 146. ist so rasch auszuführen und gibt so überaus genaue Resultate, daß sie an
                              vielen Orten die übrigen Methoden der Chlorkalkprüfung verdrängt hat. Wie es scheint
                              ist indessen diese Thatsache nicht allgemein bekannt, denn Mohr
                              Mohr, Titrirmethode 1862, S. 255. sagt in seinem Lehrbuche der Titrirmethode (2. Aufl.): „Es
                                 geschieht nur ungern, daß ich die eigentliche Chlorometrie der Bleichsalze
                                 dieser schönen Methode (scil. der Bestimmung des
                                 Chlors durch unterschwefligsaures Natron) entziehen muß, trotz der gewichtigen
                                 Empfehlung des Hrn. Dr. Rudolph Wagner.“ Hätte Hr. Mohr sich die Mühe genommen, meine Methode der Chlorkalkprüfung, so wie ich sie beschrieben habe, einer vorurtheilsfreien
                              Prüfung zu unterwerfen, so würde er, wenn er gerecht seyn wollte, gefunden haben,
                              daß der Vorwurf, man sey in der Lage, Chlorsäure mitzubestimmen, ein durchaus
                              ungerechtfertigter ist, da „verdünnte Salzsäure nur bis zur schwach sauren
                                 Reaction zugesetzt wird“, folglich die zur Zersetzung des Chlorates
                              erforderliche Säure gar nicht vorhanden ist.Eine concentrirte Lösung von chlorsaurem Kali gibt mit verdünnter Salzsäure
                                    in der Kälte keine Spur von Chlor.
                              
                           
                              
                                 Belege.
                                 a)
                                 1 Grm. Chlorkalk (A) gab nach meiner Methode
                                    21,52 Proc. Chlor;
                                 
                              
                                 
                                 b)
                                 1 Grm. desselben Chlorkalkes gab bei einem zweiten, dritten und
                                    viertenVersuche 21,55, 21,55, 21,55 Proc. Chlor;
                                 
                              
                                 
                                 c)
                                 1 Grm. desselben Chlorkalkes gab mit Anwendung der Flüssigkeit
                                    vonVersuch a) 21,50 Proc. Chlor;
                                 
                              
                                 
                                 d)
                                 1 Grm. desselben Chlorkalkes gab mit Benutzung der Flüssigkeit
                                    vonVersuch c) 21,52 Proc. Chlor;
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 
                                 e)
                                 1 Grm. desselben Chlorkalkes mit 0,1 Grm. chlorsaurem Kali
                                    gemischt,gab 21,53 Proc. Chlor;
                                 
                              
                                 
                                 f)
                                 1 Grm. desselben Chlorkalkes mit 0,5 Grm. chlorsaurem Kali
                                    gemischt,gab 21,55 Proc. Chlor;
                                 
                              
                                 
                                 g)
                                 1 Grm. des nämlichen Chlorkalkes, nach Penot-Mohr's Verfahren mittelst arsenigsaurem Natron geprüft,
                                    gab 21,35 Proc. Chlor;
                                 
                              
                                 
                                 h)
                                 1 Grm. Chlorkalk (B) gab nach meiner Methode
                                    geprüft 25,26 Proc.Chlor;
                                 
                              
                                 
                                 i)
                                 1 Grm. Chlorkalk (B) gab nach Penot-Mohr geprüft 25,02 Proc.Chlor;
                                 
                              
                                 
                                 k)
                                 1 Grm. Chlorkalk (B) gab mit Flüssigkeit von
                                    h) 25,28 Proc. Chlor;
                                 
                              
                                 
                                 l)
                                 1 Grm. Chlorkalk (B) gab mit Flüssigkeit von
                                    k) 25,30 Proc. Chlor;
                                 
                              
                                 
                                 m)
                                 1 Grm. Chlorkalk (B) gab mit 0,1 Grm.
                                    chlorsaurem Kali 25,26 Proc.Chlor.
                                 
                              
                           Vorstehende Belege mögen genügen. Ich könnte sie mit Leichtigkeit vermehren, wenn ich
                              die Resultate der Chlorkalkproben, die als Versuche während meiner Vorlesungen über
                              Maaßanalyse seit fünf Jahren angestellt worden, anführen wollte. Es ist mir die
                              Genugthuung geworden, von Praktikern meine Chlorkalkprobe als die beste aller Proben bezeichnen zu hören. Ich meinerseits
                              bin weit entfernt davon, sie über die Penot-Mohr'sche zu
                              stellen, doch hat sie vor letzterer das voraus, daß die immerhin unangenehme
                              Anwendung von Arsenikalien vermieden ist. Das zurückbleibende Gemenge von Jodnatrium
                              und tetrathionsaurem Natron läßt sich, sobald es sich in größerer Menge angesammelt
                              hat, mit Vortheil statt des Jodkaliums zur Bereitung von Jodblei, rothem
                              Jodquecksilber oder zur Erzeugung von Jodsilber zu photographischem Gebrauche
                              anwenden. – Fr. Schulze (in Rostock) beschreibt in
                              seiner „gasvolumetrischen Analyse“
                              eine Methode der Chlorkalkprüfung, welche sich auf die
                              Messung des Stickstoffgases gründet, das durch Chlor aus Ammoniak freigemacht wird.
                              Dem Urheber dieser Methode ist wohl das gleichlautende Verfahren von Zenneck
                              Journal für technische und ökonomische Chemie, 1830, Bd. X S. 293; Bd. XIII
                                    S. 273; Bd. XVI S. 221. nicht bekannt? Ein Jahr nach Zenneck (1830)
                              traten Henry und Plisson
                              Polytechn. Journal Bd. XLII S. 360;
                                    Journal für technische u. ökonomische Chemie Bd. XII S. 266. mit ihrem Volumenchlorometer auf, in welchem die Menge des Chlors im
                              Chlorkalk ebenfalls durch eine äquivalente Menge von Stickstoffgas repräsentirt
                              wird.
                           II. Kaligewinnung aus Feldspath und ähnlichen Gesteinen.
                              – Die von Ward angegebene Methode durch
                              Aufschließen des fein
                              gepulverten Gesteines mit einem Gemenge von Flußspath und Kreide – Ward nennt seine Methode des Aufschließens „the calcifluoric attack“ – scheint
                              nach den neuesten Nachrichten (trotz der gegentheiligen Behauptungen Dullo's
                              Polytechnisches Centralblatt, 1865 S. 411.) in der That die günstigsten Resultate ergeben zu haben, insofern es
                              gelungen ist, zum erstenmal (am 22. Januar 1861.) aus einem Feldspath die Gesammtmenge des darin befindlichen Kalis (13,68 Proc.)
                              als Aetzkali abzuscheiden. Diese Versuche würden zweifelsohne Epoche in der
                              chemisch-technischen Welt gemacht haben – A. W. Hofmann wohnte den neuen, im großen Maaßstabe angestellten Versuchen im
                              December 1863 bei und bezeugt das vollständige Gelingen derselben – wären sie
                              nicht in eine Zeit gefallen, in welcher der Carnallit als Kaliquelle den
                              kalihaltigen Feldspath total in den Hintergrund drängt. Da geologische Gründe dafür
                              sprechen, daß der Carnallit auch noch anderswo auf der Erdoberfläche als in Staßfurt
                              angetroffen werden wird, so dürfte die Frage der Kaligewinnung aus feldspathigen
                              Gesteinen ad calendas, graecas vertagt seyn. –
                              Das von Ward (unter der Mitwirkung von Hauptmann Wynants in Brüssel) herrührende Verfahren besteht darin,
                              daß man den bis zur Feine des Portland-Cementes gemahlenen Feldspath mit fein
                              gepulvertem Flußspath oder auch dem als Nebenproduct fallenden Fluorcalcium der
                              Kryolithfabriken (die Menge des Fluors, das man als Fluorcalcium zusetzt, soll der
                              in dem Gesteine enthaltenen Kalimenge äquivalent seyn) und einem Gemenge von Kreide
                              und Kalkhydrat mengt und in Gypsöfen, Gasretorten, Cementbrennöfen etc. frittet, und
                              die gefrittete Masse, welche in Folge des Kreidezusatzes porös und deßhalb leicht
                              auszulaugen ist, mit Wasser auslaugt, wo das Kali des Feldspaths sofort als Aetzkali
                              in die Lösung übergeht. Der ausgelaugte Rückstand ist Cement und wird als solcher
                              verwendet. Es sey beiläufig bemerkt, daß J. Scattergood
                              die Kaligewinnung aus einem grünen eisenschüssigen Sand
                              von New-Jersey, welcher 5,010 Proc. enthält, anstrebt.
                              Das vortheilhafteste Verfahren soll darin bestehen, daß man den Sand mit Pyrit
                              gemengt röstet, um schwefelsaures Kali (oder auch Alaun) darzustellen.
                           Was die Ueberführung des schwefelsauren Kalis in Potasche analog dem
                              Sodabildungsproceß von Leblanc betrifft, so theilte mir
                              Professor E. Kopp brieflich (unterm 10. Januar 1865) mit,
                              daß eine bedeutende Menge von Kalisulfat unter seiner Leitung in der großen
                              Sodafabrik zu Dieuze in Potasche übergeführt worden sey. Das Resultat war ein sehr
                              günstiges, aber
                              merkwürdigerweise bildete sich dabei eine verhältnißmäßig große Menge von Cyan- und
                              Schwefelcyankalium. Die Bildung von Cyanverbindungen ist ein unangenehmer Umstand,
                              der sich besonders geltend macht, wenn die so erhaltene Potasche zur Umsetzung von
                              Natronsalpeter (behufs der Kalisalpeterproduction) Anwendung finden soll. Die
                              Mutterlaugen sind in diesem Falle außerordentlich explosiv und müssen mit größter
                              Vorsicht behandelt werden. Aus 1 Ctr. Mutterlauge erhielt Hr. Kopp 330 Grm. Schwefelcyankupfer.
                           III. Essigsaure Thonerde. – Die Leichtigkeit, mit
                              welcher Thonerde aus Natronaluminat dargestellt werden kann, hat, wie A. W. Hofmann in seinen Londoner Ausstellungsberichten sagt,
                              die Veranlassung gegeben, daß man gegenwärtig die essigsaure Thonerde durch Auflösen
                              von Thonerde in Essigsäure darstellt. Um eine in Essigsäure leicht lösliche Thonerde
                              zu erhalten, darf man zum Zersetzen des Natronaluminates nicht Kohlensäure
                              verwenden, sondern muß sich der Salzsäure bedienen (wobei freilich das Natron nicht
                              mehr als Soda gewonnen werden kann). Die durch Kohlensäure gefällte Thonerde hält
                              energisch kohlensaures Natron zurück, welches, wie behauptet wird, die Löslichkeit
                              in Essigsäure wenn nicht verhindert, doch mindestens sehr erschwert. Wie ich
                              gefunden habe, läßt sich eine in Essigsäure leicht lösliche und von Natron fast
                              freie Thonerde aus Natronaluminat darstellen, wenn man mit Kohlensäuregas wie
                              gewöhnlich fällt, aber nach dem Trennen des pulverigen Thonerdehydrats von der
                              Sodalösung den Niederschlag mit einer Lösung von essigsaurer Thonerde, die etwas
                              freie Essigsäure enthält, einige Tage lang digerirt. Eine Chloraluminiumlösung
                              leistet dasselbe. Ist Absatz oder Verwendung für essigsaures Natron vorhanden, so
                              läßt sich auch essigsaure Thonerde zum Zersetzen des Natronaluminates anwenden.
                           IV. Arsensaures Natron. – Da in den Zeugdruckereien
                              das arsensaure Natron in der Regel vor dem Gebrauch mit kohlensaurem Natron
                              gesättigt wird, so hat man seit einigen Jahren angefangen, gesättigtes arsensaures Natron in den Handel zu bringen. Man stellt dieses
                              Salz durch Auflösen des nach dem Verfahren von Higgins
                              Polytechn. Journal Bd. CLXXIV S.
                                       323. bereiteten Natronarseniates in einer Lösung von kohlensaurem Natron und
                              Krystallisirenlassen der Lösung dar. Es hat nach Fresenius
                              Journal für praktische Chemie Bd. LVI S. 33. die Formel AsO⁵, 2 NaO, HO + 24 HO und enthält in 100 Theilen:
                           
                           
                              
                                 Arsensäure
                                 28,59
                                 
                              
                                 Natron
                                 15,42
                                 
                              
                                 Wasser
                                 55,99
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Die Bereitung des zu photographischen Zwecken dienenden
                              Jodcalciums läßt sich ökonomisch vortheilhaft mit der
                              Darstellung von arsensaurem Natron vereinigen, wenn man Jod in ein Gemenge von
                              arseniger Säure mit Kalkmilch einträgt, so lange dasselbe noch gelöst wird:
                           AsO³ + 5 CaO, HO + 2 J = AsO⁵, 3 CaO + 2 CaJ + 5
                              HO
                           das in Lösung befindliche Jodcalcium von dem unlöslichen
                              Kalkarseniat trennt und letzteres durch Kochen mit einer Lösung von kohlensaurem
                              Natron in arsensaures Natron überführt. Wendet man statt des Kalkes Baryt an, so
                              kann man aus dem arsensauren Baryt mittelst Schwefelsäure Arsensäure darstellen, die billiger zu stehen kommt, als die mittelst
                              Salpetersäure dargestellte. Wäre in den Theerfarbenfabriken zur Ueberführung des
                              Nitrobenzols in Anilinöl anstatt des Béchamp'schen
                              Verfahrens die vortreffliche Methode von Wöhler, nach
                              welcher die Reduction mit Hülfe einer alkalischen Lösung von arseniger Säure
                              geschieht, üblich, so könnte bei der Darstellung des Anilinöls als werthvolles
                              Nebenproduct arsensaures Natron in großer Menge erhalten werden.
                           V. Quecksilberchlorid. – Seit einigen Jahren wird
                              das Quecksilberchlorid in großen Mengen in der chemischen Technik verwendet. Außer
                              zum Imprägniren von Eisenbahnschwellen, zu welchem Zweck trotz der Kupfer- und
                              Zinksalze, der Carbolsäule, des Torfkreosots und wie die Substanzen alle heißen,
                              welche zum Conserviren des Holzes vorgeschlagen und angewendet worden sind,
                              alljährlich noch außerordentlich große Mengen von Sublimat Verwendung finden (unter
                              anderen noch auf den großherzoglich badischen Bahnen, wozu für die Jahre 1865 und
                              1866 eine Lieferung von 600 Centnern – im Werthe von mindestens 105,000 fl.
                              – ausgeschrieben ist), dient das Quecksilberchlorid zur Herstellung gewisser
                              Theerfarben, in dem Zeugdruck als weiße Reservage, welche die Aufnahme des Indigs
                              aus der Küpe an den reservirten Stellen verhüten soll, entweder für sich oder in
                              Verbindung mit Salmiak oder mit Chlornatrium als Mittel zum Conserviren anatomischer
                              und ähnlicher Präparate und endlich in gewissen Fällen, in welchen die
                              hervorragendste Eigenschaft des Sublimates, bei Gegenwart organischer und auch
                              einiger anorganischer Körper, in Calomel und freies Chlor zu zerfallen, welches letztere bei
                              Vorhandenseyn von Wasser ozonisirend wirkt, nutzbar gemacht wird.
                           Es ist daher eine leicht ausführbare und wohlfeile Methode der Darstellung von
                              Quecksilberchlorid ein seit Jahren gehegter Wunsch der Producenten dieser
                              Verbindung. Die Vorschriften, welche die pharmaceutische Chemie für die Bereitung
                              von Sublimat gibt, sind durchweg zu umständlich und zu kostspielig; mit wenigen
                              Ausnahmen wenden sie das Princip der Sublimation – einer im Großen
                              langwierigen und gesundheitsschädlichen Operation – an, die, wenn es sich um
                              die Darstellung eines technischen Präparates handelt, wenn nur immer möglich,
                              ausgeschlossen werden muß. Es blieb daher nur der nasse Weg übrig, auf welchem
                              indessen nur eine Methode existirt, nämlich diejenige, die auf dem Lösen von
                              Quecksilberoxyd in Salzsäure begründet ist. Letzteres Verfahren ist auch in der That
                              das in den meisten chemischen Fabriken zur Darstellung des Quecksilberchlorids und
                              zwar mit Erfolg angewendete. Die Schattenseite dieser Methode, die bei fabrikmäßigem
                              Betriebe mehr als bei der Darstellung des Sublimates zu pharmaceutischem Gebrauch
                              sich geltend macht, ist eine Folge des Umstandes, daß der Darstellung des
                              Quecksilberchlorids die des Oxydes vorangehen muß, und das Quecksilberoxyd läßt sich
                              im Großen bekanntlich nur mit Aufopferung großer Mengen von Salpetersäure bereiten.
                              Läßt sich die Anwendung der letzteren, mit welcher unangenehme Arbeiten, wie Mischen
                              des erhaltenen Quecksilbernitrates mit Quecksilber und Erhitzen des Gemenges
                              verknüpft sind, umgehen, so ist für die Darstellung des Quecksilberchlorids schon
                              viel gewonnen. Ich schlage deßhalb folgende Methode vor, die sich darauf
                              gründet:
                           α) daß beim Erhitzen von Quecksilber mit
                              concentrirter Schwefelsäure bis zum völligen Verschwinden des Quecksilbers neutrales
                              schwefelsaures Quecksilberoxyd sich bildet, welches in 100 Th. aus 73 Th.
                              Quecksilberoxyd und 27 Th. Schwefelsäure besteht. Die dabei sich bildende schweflige
                              Säure dient, wie unten angegeben werden wird, zur Darstellung von Quecksilberchlorür
                              oder zur Bereitung von schwefligsaurem Kalk oder von unterschwefligsaurem
                              Natron;
                           β) daß beim Behandeln von neutralem
                              schwefelsaurem Quecksilberoxyd mit einem großen Ueberschuß siedenden Wassers dieses
                              Salz in ein basisches Salz (Mineralturpeth), dessen Zusammensetzung annähernd durch
                              die Formel 3 HGO, SO³ ausgedrückt werden kann, in 100 Th. 90 Th.
                              Quecksilberoxyd und 10 Th. Schwefelsäure enthaltend, und in freie Schwefelsäure
                              zerfällt, nach der Gleichung:
                           
                           3 (HgO, SO³) + 2 HO = 3 HgO, SO³ + 2 SO³,
                              HO.
                           Die freie Schwefelsäure enthält etwas Quecksilberoxyd;
                           γ) daß neutrales wie basisches schwefelsaures
                              Quecksilberoxyd durch Salzsäure vollständig zersetzt werden in Quecksilberchlorid
                              und in freie Schwefelsäure.Zuerst von Fr. Mohr (vergl. Commentar zur
                                    preußischen Pharmacopoe, 1863 S. 336) nachgewiesen. Mineralturpeth wird demnach beim Erhitzen mit gewöhnlicher Salzsäure in der
                              Art zersetzt, daß unter Freiwerden von Schwefelsäure Quecksilberchlorid sich
                              abscheidet. Bei der neuen Methode der Quecksilberchloridbereitung ist mithin das in
                              der Salzsäure aufzulösende – mit Hülfe von Salpetersäure dargestellte
                              – Quecksilberoxyd durch das basisch-schwefelsaure Quecksilberoxyd
                              ersetzt;
                           δ) die durch die Operationen β und γ
                              erhaltenen sauren und quecksilberhaltigen Flüssigkeiten werden auf geeignete Weise
                              verwendet, am rationellsten, wenn es der Modus der Wärmeproduction in der Fabrik
                              gestattet, in der Art, daß man die Flüssigkeit wieder in concentrirte Schwefelsäure
                              überführt und von neuem zum Auflösen von Quecksilber verwendet. Bei dem billigen
                              Preise des Barythydrates läßt sich auch das schwefelsaure Quecksilberoxyd mittelst
                              Baryt fällen und aus dem aus Quecksilberoxyd und Barytweiß bestehenden Niederschlage
                              das Quecksilberoxyd durch Salzsäure ausziehen;
                           ε) die sich durch die Operation α entwickelnde schweflige Säure wird entweder
                              sofort verwendet oder in einem Gasometer aufgefangen, welcher dieselbe Einrichtung
                              hat wie das Chlorgasometer der Papierfabriken. Die schweflige Säure wird entweder
                              zur Darstellung von Calomel (nach Wöhlers
                              Polytechn. Journal Bd. CXXXII S.
                                       434. Methode) verwendet, indem man sie durch eine erwärmte Lösung von 1 Th.
                              Quecksilberchlorid in 2,5 Th. gewöhnlichem AlkoholDer Alkohol scheint mir bei dieser Methode der Darstellung des
                                    Quecksilberchlorürs bei weitem dem Wasser vorzuziehen zu seyn.W. leitet, oder zur Darstellung von unterschweflig saurem Natron,
                              schwefligsaurem Ammoniak oder zum Zersetzen von Schwefelwasserstoff verwendet. Die
                              vortheilhafte Verwendung der schwefligen Säure zum Zersetzen des
                              Schwefelwasserstoffs, der bei so vielen Processen massenhaft als Nebenproduct
                              auftritt, von vielen Seiten in Zweifel gezogen, ist in England nichts Neues mehr.
                              Wenngleich von dem Schwefel der schwefligen Säure und des Schwefelwasserstoffs nur
                              50 bis 60 Proc. als Schwefel gewonnen werden, so treten doch die 40 bis 50 Procent
                              restirender Schwefel in Form von Pentathionsäure auf, die durch Kochen mit
                              Natronlauge in
                              unterschwefligsaures Natron übergeführt wird, nach der Gleichung
                           2 (S⁵O⁵) + 5 NaO, HO + 25 HO = (NaO,
                              S²O² + 5 HO
                           oder mit Worten 16 Kilogr. Schwefel der Pentathionsäure
                              liefern 124 Kilogr. unterschwefligsaures Natron.
                           Die zuerst von Berzelius
                              Berzelius, Jahresbericht 1840, Bd. XXI S.
                                    142. beobachtete Eigenschaft des Chlormagnesiums, in wässeriger Lösung
                              Quecksilberoxyd beim Erhitzen zu lösen (55,5 Th. Chlormagnesium lösen 108 Th.
                              Quecksilberoxyd, um unter Abscheidung von Magnesia 135,5 Th. Quecksilberchlorid zu
                              bilden), welche später von H. Rose
                              H. Rose, Handbuch der analytischen Chemie Bd. II
                                    S. 45. zur Trennung der Magnesia von den Alkalien anzuwenden vorgeschlagen wurde,
                              läßt sich selbstverständlich auch zur Darstellung des Sublimates im Großen
                              verwenden. Durch Fällen aus einer Lösung von salpetersaurem Quecksilberoxyd mit
                              Aetznatron erhaltenes und gut ausgewaschenes gelbes Quecksilberoxyd löst sich schon
                              in der Kälte sofort in einer Chlormagnesiumlösung, wobei die entsprechende Menge
                              Magnesia gefällt wird. Die chlormagnesiumhaltigen
                              Flüssigkeiten, die bei der Verarbeitung des Carnallits
                              erhalten werden, können mithin zur Quecksilberchloridbereitung dienen. Soll das
                              Quecksilberchlorid zu gewissen technischen Verwendungen wie zum Imprägniren von
                              Schwellen dienen, in welchem Falle eine Verunreinigung mit Chlorkalium nicht
                              nachtheilig ist, so kann man das Quecksilberoxyd ohne Weiteres in einer
                              Carnallitlösung durch Erhitzen lösen und die von der abgeschiedenen Magnesia durch
                              Absetzenlassen getrennte Flüssigkeit verwenden. Die durch Abdampfen der mit
                              Quecksilberoxyd gesättigten Flüssigkeit erhaltene trockene Salzmasse, aus 2 Aeq.
                              Quecksilberchlorid und 1 Aeq. Chlorkalium (oder in 100 Th. aus 78,7 Th.
                              Quecksilberchlorid und 21,3 Th. Chlorkalium) bestehend, kann eben so gut wie das
                              reine Quecksilberoxyd zur Darstellung der Rosanilinsalze Verwendung finden.
                              Letzteres Salz, zuerst von Rammelsberg
                              Poggendorff's Annalen Bd. XC S. 34. dargestellt, verdient von Seite der chemischen Technik die vollste
                              Beachtung. Es hat im krystallisirten Zustande die Formel KCL, 2 HgCl + 2 HO.
                           Würzburg, 31. März 1865.