| Titel: | Zur Anilinfarbenfabrication; von J. Levinstein, Chemiker der Anilinfarbenfabrik von G. Levinstein und A. Levinstein in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XLVII., S. 156 | 
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                        XLVII.
                        Zur Anilinfarbenfabrication; von J. Levinstein, Chemiker der
                           Anilinfarbenfabrik von G.
                              Levinstein und A. Levinstein in Berlin.
                        Aus der deutschen Industriezeitung, 1865, Nr.
                              14.
                        Levinstein, über Anilinfarbenfabrication.
                        
                     
                        
                           Die aus Arsensäurehydrat und Anilinöl wie bekannt hergestellte Fuchsinschmelze wird
                              in kleine Stücke zerschlagen, mit Wasser mehrere Stunden gekocht und, sobald die
                              Lösung vollendet, durch Filz- oder Leinenbeutel in Krystallisirgefäße filtrirt.
                              Während des Kochens scheiden sich zum größten Theil die harzigen Bestandtheile der
                              Schmelze am Boden des Auskochgefäßes aus. Die reine, wässerige, durchgeseihte Lösung
                              läßt man alsdann in den Krystallisirgefäßen 2–3 Tage stehen und leitet nach
                              dieser Zeit die Mutterlauge aus denselben in Gruben, welche mit Sandstein ausgelegt
                              und innen getheert sind. Die Mutterlauge hält Arsensäure mit arseniger Säure gemengt
                              in Lösung; sie wird mit einer Mischung aus gleichen Theilen Kalk und Schlämmkreide
                              versetzt, wobei sich arsensaurer und arsenigsaurer Kalk bilden, die sich schnell zu
                              Boden setzen; die klare, überstehende, rothe Flüssigkeit wird mittelst eines Hebers
                              in tiefer gelegene Gruben abgezogen; sie wird entweder für sich zum Färben benutzt
                              (sie färbt Wolle kirschroth), meistens wohl aber nicht weiter verwerthet. Der
                              arsensaure und arsenigsaure Kalk wird dann in Tonnen gebracht und nach Seeplätzen
                              zur Versenkung in's Meer geschickt (von Berlin aus z.B. nach Kolberg, Swinemünde
                              etc.).
                           Nach dieser eben angegebenen Reinigungsmethode erhält man im Kleinen bei sorgfältiger
                              Arbeit wohl ein hinreichend reines, von freier Arsensäure, arseniger Säure und
                              theerigen Nebenproducten befreites Fuchsin, während man im Großen, um vollständig
                              reine Waare für die Färberei und Druckerei zu erlangen, gut thut, die einmal
                              krystallisirte Waare umzukrystallisiren. Durchschnittlich kommt aber auf dem
                              deutschen Markte weit überwiegend einmal krystallisirte Waare vor.
                           Man hat auch wohl zur Niederschlagung der Arsensäure und arsenigen Säure den Kalk und die
                              Schlämmkreide direct zur Auskochung der Fuchsinschmelze zugesetzt, wobei also auch
                              die an das Rosanilin gebundene Arsensäure mit gefällt wurde und kohlensaures
                              Rosanilin (?) in Lösung blieb. Hierbei war man aber stets genöthigt, den
                              Arsenniederschlag mehrmals mit Wasser auszukochen, weil derselbe vielen Farbstoff
                              mit sich reißt.
                           In französischen Fabriken löst man die Fuchsinschmelze in Salzsäure und Wasser auf,
                              und neutralisirt mit Soda. Hierbei scheidet sich fast sämmtliches Fuchsin in Form
                              eines Kuchens aus; dieser wird mit Wasser ausgekocht, die Auskochung wird filtrirt
                              und zum Krystallisiren gebracht.
                           Was die Ausbeute an Fuchsinkrystallen betrifft, so ist der Fabrikant wohl im
                              Allgemeinen sehr zufrieden, wenn er von 100 Th. Anilinöl und 150–200 Th.
                              Arsensäurehydrat durchschnittlich 20 Th. reine Fuchsinkrystalle erhält und dürfte
                              die von Kletzinsky angegebene Ausbeute an
                              Fuchsinkrystallen (polytechn. Journal Bd. CLXXIII
                                 S. 472) wohl viel zu hoch gegriffen seyn. K. behauptet nämlich, daß 100
                              Th. Anilinöl und 200 Th. Arsensäurehydrat 50 Th. chemisch reine Fuchsinkrystalle
                              liefern. Der Ctr. bestes französisches Anilinöl kostet mit Steuer und sonstigen
                              Spesen etwa 86 1/3 Thlr. frei Berlin; der Ctr. Arsensäurehydrat (60°
                              Baumé) frei Berlin stellt sich höchstens auf 10 Thlr.; für 1 Th. Anilinöl
                              gebraucht man 2 Th. Arsensäurehydrat (60° B.):
                           
                              
                                 1 Ctr. Anilinöl
                                   86 Thlr.
                                 10 Sgr.
                                 
                              
                                 2 Ctr. Arsensäurehydrat
                                   20   „
                                   – Sgr.
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 106 Thlr.
                                 10 Sgr.
                                 
                              
                           Berechnet man sonstige Unkosten pro Pfd. Krystalle mit 5
                              Sgr. (für Feuerung, Kalk etc.), so würden also nach K.'s Aufstellung 50 Pfd.
                              Krystalle, um die Summe rund zu machen, etwa 115 Thlr. kosten, d.h. das Pfd. 2 Thlr.
                              9 Ngr. Man zahlt aber selbst in Deutschland, wo man im Allgemeinen bei Anilinfarben
                              wenig auf Schönheit sieht, vielmehr immer nur auf Billigkeit, 6 Thlr. für chemisch
                              reine Fuchsinkrystalle; demnach müßte der Fabrikant mehrere 100 Proc. bei der
                              Fabrication von Arsenfuchsin verdienen. In Wirklichkeit aber verdient er etwa 15
                              Proc., sonst würde auch wohl mancher intelligente Fabrikant anderer Anilinfarben
                              nicht selbst Fuchsin kaufen. Nur durch eine Begriffsverwechselung erklärlich wird
                              K.'s Rechnung, wenn man wörtlich nimmt, was er im Weitern über die Reinigung des
                              Anilinrothes sagt; er bezeichnet darin nämlich das gereinigte Fuchsin wiederholt als
                              „Rosanilin,“ während er doch
                              auf dem von ihm angegebenen Wege nur ein Rosanilinsalz erhalten kann.
                           
                           Die von mir zu Anfang angegebene Methode zur Reinigung der Fuchsinkrystalle ist wohl
                              die zur Zeit gebräuchlichste; andere Methoden, z.B. Auskochen der Fuchsinschmelze
                              mit kochsalzhaltigem Wasser zu wiederholten Malen, Auskochen der zurückbleibenden
                              Schmelze mit Wasser und Krystallisirenlassen etc., bezwecken hauptsächlich das Arsen
                              aus der Schmelze fortzuschaffen und somit den Farbstoff möglichst giftfrei
                              darzustellen. Im Handel kommt aber wirklich arsenfreies Fuchsin höchst selten vor.
                              Es ist deßhalb vorzuziehen, wenn es sich um das Färben von Spirituosen und Eßwaaren
                              handelt, Anilinroth zu verwenden, welches aus salpetersaurem Quecksilberoxyd und
                              Anilinöl dargestellt wird. In der Färberei ist ein geringer Gehalt an Arsenik im
                              Fuchsin von keiner Bedeutung, wenn man bedenkt, daß mit 1 Pfd. Anilinroth 200 Pfd.
                              Wolle tiefroth gefärbt werden können. Weit ängstlicher wäre wohl dann die Beize von
                              arsensaurem Natron, die jetzt in der Wollfärberei so vielfältig angewendet wird.
                           Das Fuchsin ist, wie bekannt, die Grundlage fast aller im Handel vorkommenden
                              Anilinfarben. Anilinöl mit Fuchsin gibt Rothviolett, Violett, Blauviolett (Parme).
                              Fuchsin mit Anilinöl und essigsaurem Natron (resp. essigsaurem Kali) liefert
                              Rothblau, Blau und Grünblau (Bleu de Lyon, Bleu de
                                 lumière, Bleu de nuit). Die Ausbeute der verschiedenen so
                              dargestellten Farben ist wesentlich von der Güte des Anilinöls abhängig. Im
                              Durchschnitt erhält man von 1 Pfd. Fuchsin und 3 Pfd. Anilinöl etwa 1/2–3/4
                              Pfd. Anilinrothviolett, von 1 Pfd. Fuchsin und 3 Pfd. Anilinöl etwa 1 Pfd. und
                              6–7 1/2 Lth. Blau oder Parme. Die Reinigung der verschiedenen violetten und
                              blauen Farbstoffe besteht theils in der Entfernung des überschüssigen Anilinöles,
                              theils, wie beim Grünblau, in der Entfernung von Roth und Anilinöl vermittelst
                              Salzsäure. Letztere löst bei der Reinigung des Violett, resp. Blau, neben Anilinöl
                              sämmtliches noch nicht in Violett oder Blau verwandeltes Roth auf. Um dieses und das
                              noch überschüssige Anilinöl wiederzugewinnen, neutralisirt man die salzsaure Lösung
                              mit Natronlauge; das Anilinöl geht in die Höhe, während der in der Salzsäure
                              enthaltene rothe Farbstoff gefällt wird.