| Titel: | Ueber die Cementirung des Stabeisens durch Kohle und Kohlenoxyd; von Fr. Margueritte. | 
| Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. LXVIII., S. 220 | 
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                        LXVIII.
                        Ueber die Cementirung des Stabeisens durch Kohle
                           und Kohlenoxyd; von Fr.
                              Margueritte.
                        Aus den Comptes rendus, t. LIX p. 821; November
                              1864.
                        Margueritte, über die Cementirung des Stabeisens durch Kohle und
                           Kohlenoxyd.
                        
                     
                        
                           Um die Unzulässigkeit der von mir aufgestellten Sätze bezüglich der Cementirung des
                              Stabeisens durch Kohle und Kohlenoxydgas festzustellen, mußte Caron nachweisen, daß reine Kohle nicht cementirend wirkt und daß
                              Kohlenoxyd bei Rothglühhitze auf reines Eisen ganz ohne Wirkung bleibt. Diesen
                              experimentellen Beweis vermisse ich jedoch in seiner Abhandlung vom 10. October v.
                              J.Polytechn. Journal Bd. CLXXV S.
                                       374. Zur Zeit wird von Caron weder bestritten noch
                              anerkannt, daß durch Contact zwischen Schmiedeeisen und Kohle eine schwache
                              Stahlbildung hervorgerufen wird, daß das Kohlenoxyd unter gewissen Umständen eine
                              schwach kohlende Wirkung auf jenes Metall ausübt; er beschränkt sich darauf, zu
                              untersuchen, ob beide Körper viel oder wenig wirken und ob sie zu den wenigst
                              kräftigen oder vielmehr zu den kräftigsten Mitteln der Cementstahlfabrication
                              – im technischen Sinne – gehören. Seine Erörterung der Fage erstreckt
                              sich nur noch auf die größere oder geringere Wirksamkeit der Kohle und des
                              Kohlenoxyds. Er scheint also den von ihm anfänglich aufgestellten Satz:
                              „reine Kohle cementirt nicht, das Kohlenoxyd übt bei Rothglühhitze auf
                                 reines Eisen keine Wirkung aus“ – aufzugeben.
                           Als Stütze für seine Ansicht beruft sich Caron auf die der
                              Techniker, welche, seiner Angabe nach, die Wirkung der Kohle und des Kohlenoxyds als
                              gleich Null betrachten. Indessen sucht man bekanntlich zur Vermeidung einer zu rasch
                              und somit zu unregelmäßig erfolgenden Cementirung, die Berührung des Eisens mit
                              pulverförmiger Kohle zu umgehen, und mindert die zu kräftige Wirkung der letztern
                              dadurch, daß man sie mit grob zerkleinerter Kohle mengt. Wäre diese Kohle unwirksam,
                              d.h. verhielte sie sich indifferent, so würde sehr wenig darauf ankommen, ob sie in
                              großen oder kleinen Stücken angewendet wird, denn die Menge der Cyanüre würde dadurch nicht
                              geändert. Die allgemeine Anwendung dieses Verfahrens in den Stahlhütten beweist, daß
                              die Wirkung der Kohle von den Technikern keineswegs als gleich Null betrachtet
                              wird.
                           Indem Caron an die alte Beobachtung erinnert, daß in der
                              Praxis einmal gebrauchte Holzkohle zu einer zweiten Operation nicht wieder
                              angewendet wird, stellt er die Frage auf, warum solche Kohle nicht weiter
                              cementirend wirkt. Die Cementirung findet bei Anwendung solcher Kohle noch statt;
                              nur ist sie bei derselben Temperatur weniger wirksam, und da, wie ich nachgewiesen
                              habe, reine Kohle in der That cementirend wirkt, so würde es immerhin möglich seyn.
                              Eisen mit bereits einmal oder mehrfach zu dieser Operation angewendeter Kohle in
                              Cementstahl zu verwandeln, sobald das Cementirungsmittel feiner zertheilt und die
                              Temperatur bei der Operation gesteigert, oder die Dauer derselben verlängert wird,
                              wodurch sich dann freilich auch die Fabricationskosten erhöhen werden.
                           Die Techniker haben somit vollkommen Recht, ein Cementirungsmittel,Der Werth desselben beträgt nur 0,30 Francs per
                                    100 Kilogr. Stahl. dessen Wirkung zu langsam, somit zu kostspielig geworden ist, nicht weiter
                              anzuwenden; der Umstand, daß die Anwendung eines solchen Cementirungsmittels in
                              pecuniärer Beziehung unvortheilhaft ist, berechtigt aber keineswegs zu dem Schlusse,
                              daß Kohle und Kohlenoxydgas stets unwirksam oder indifferent sind und waren. Dieser
                              Umstand hat bloß Bezug auf die Gestehungskosten, mit der zwischen diesen beiden
                              Körpern und dem Eisen stattfindenden chemischen Reaction aber nichts zu
                              schaffen.
                           Caron findet den Grund der geringeren Wirksamkeit der
                              bereits gebrauchten Holzkohle in der Verflüchtigung der Alkalien, somit in der
                              Abwesenheit der Cyanalkalimetalle. Es kommen aber noch zwei andere Ursachen in's
                              Spiel, welche zur Erklärung jener Erscheinung genügen.
                           Die erste ist die Veränderung des Molecularzustandes der Kohle. Dieselbe wird
                              nämlich, wie Dumas
                              Traité de chimie, t. IV p. 715. nachgewiesen hat, durch Einwirkung der Hitze dichter und eben dadurch zur
                              Verbindung mit dem Eisen weniger geeignet. Durch starkes Glühen wird bekanntlich die
                              Kohle ein guter Leiter der Wärme und Elektricität, und ihre Reaction auf Sauerstoff,
                              atmosphärische Luft, Wasserdampf, sowie auf Kohlensäure
                              wird weniger kräftig.Berthier, Traité
                                       des essais, t. I p. 264.
                              
                           Diese Beobachtung ist von großer Wichtigkeit, insofern durch sie bewiesen wird, daß
                              bei Anwendung von bereits gebrauchter Kohle die Menge der in den
                              Cementirungskästen vorhandenen Kohlensäure größer ist und der Stahlbildung hindernd
                              in den Weg tritt.
                           Die Affinitäten des Kohlenstoffs werden durch das Erhitzen sowohl hinsichtlich der
                              Cementirung durch Contact, als auch bezüglich der Regeneration des Kohlenoxyds
                              abgeschwächt. Dadurch erklärt sich der von der Praxis mit richtigem Tact erfaßte
                              Unterschied in der Wirkung von frischer und von bereits gebrauchter Holzkohle leicht
                              und ohne Zuhülfenahme der Cyanverbindungen.
                           Die zweite Ursache ist der Verlust der kohlenstoffhaltigen Gase, welche sich aus der
                              Holzkohle bei der ersten Anwendung derselben entbinden; dieselben betragen bei der
                              zum Cementiren gewöhnlich benutzten Eichenholzkohle nach Berthier
                              A. a. O. p. 271. 10 Proc. ihres Gewichts. Ueberdieß hat Bunsen
                              Berzelius' Jahresbericht 1841, S. 76. nachgewiesen, daß das beim Ausglühen von Holzkohle entweichende Gasgemenge
                              7,5 Proc. Einfach-Kohlenwasserstoff enthält, dessen stählende Wirkung Caron selbst bestätigt.
                           Wenn die Ersetzung der verflüchtigten Alkalien wirklich hinreichend wäre, dem
                              Cementirungsmittel seine eingebüßten Eigenschaften zurückzuerstatten, so würde den
                              Stahlfabrikanten in der Asche das Mittel geboten seyn,
                              die Wirkungsfähigkeit der gewöhnlichen Holzkohle vollständig wieder herzustellen;
                              dieselben sind aber keineswegs im Stande, den Cement durch Zusatz von Asche, deren
                              Anwendung zu diesem Zwecke übrigens schon sehr alt ist,
                              bis in's Unendliche zu regeneriren, und deßhalb wenden sie fortwährend frische Kohle
                              an.
                           Caron führt einen Versuch an, welchen er mit dem nach
                              Chenot's Befahren
                              gewonnenen Eisenschwamm angestellt hat. Dieser Schwamm wurde bis ziemlich zum
                              Rothglühen erhitzt, zu Stäben ausgeschmiedet und dann abgelöscht, worauf sie keine
                              der Eigenschaften des Stahls oder auch nur des stahlartigen Eisens zeigten. Er
                              schließt daraus, daß Kohlenoxyd bei Rothglühhitze auf das Eisen nicht merklich
                              kohlend wirkt.
                           Die von mir veröffentlichten Versuche beweisen, daß diese Behauptung unrichtig ist.
                              Sie widerspricht sogar den von Caron selbst beobachteten
                              Thatsachen; denn es gelang ihm, Eisenerze von Bilbao und von Benndorf bei der
                              Temperatur, welche bei dem Chenot'schen Processe erzeugt
                              wird,Polytechn. Journal Bd. CLXXV S.
                                       369. in einem Strome von Kohlenoxydgas zu kohlen. Wenn demnach sein Eisenschwamm
                              keinen Kohlenstoff enthielt, so liegt die Ursache dieser Erscheinung zuverlässig
                              darin, daß das Kohlenoxyd nicht lange genug auf das Eisen eingewirkt hatte; enthielt der Eisenschwamm
                              aber Kohlenstoff, so war dieß deßhalb der Fall, weil er, trotz des Borax, verbrannt
                              war. Die chemische Analyse würde über diese Frage weit besser Aufschluß gegeben
                              haben, als das Schmieden, Ausrecken und Ablöschen des Schwamms; denn nach meiner
                              Ansicht können diese Operationen zur sicheren Nachweisung einiger Tausendtel
                              Kohlenstoff im Eisen keineswegs dienen.
                           Dieser Versuch zeigt nur, daß das aus dem Schwamm erhaltene Eisen keinen Kohlenstoff
                              enthielt, und er beweist keineswegs, daß das Kohlenoxyd nicht im Stande ist
                              Stabeisen in Stahl zu verwandeln.
                           Endlich erwähnt Caron, daß er einen Eisenstab zwölf
                              Stunden lang in einem Strome von Kohlenoxydgas erhitzt, derselbe aber keine Spur
                              auch nur von oberflächlicher Cementirung gezeigt habe. Ich bedaure, bei einem so
                              einfachen Experiment mit ihm nicht übereinzustimmen, da ich zu einem ganz anderen
                              Ergebnisse gelangt bin. Das seinige kann ich mir nur durch die Annahme erklären, daß
                              er bei einer ungünstigen Temperatur oder mit einem zu langsamen Kohlenoxydstrome
                              operirt hat. Zum Gelingen dieses Versuchs ist es nothwendig, durch einen anhaltenden
                              Strom von Kohlenoxydgas die gebildete Kohlensäure zu entfernen, weil diese die
                              Verbrennung des ausgeschiedenen Kohlenstoffs begünstigt, daher der Cementirung oder
                              Stahlbildung entgegenwirkt und dieselbe verzögert. Dieser Uebelstand macht sich in
                              der Praxis nicht geltend, indem die Kohlensäure, sowie sie entsteht, durch den
                              vorhandenen Ueberschuß von (frischer) Kohle zerstört wird. Das Kohlenoxyd wirkt um
                              so kräftiger, je reiner es ist, d.h. je rascher die Kohlensäure weggeführt oder
                              zersetzt wird.
                           Wenn Caron's Versuch auf
                              Genauigkeit Anspruch machen könnte, so wäre ich des Irrthums überwiesen. Er
                              behauptet, daß das Eisen durch zwölfstündige Einwirkung von Kohlenoxyd nicht einmal
                              oberflächlich cementirt worden sey. Ich hingegen gebe die Versicherung, daß das
                              Kohlenoxyd nach sechs Stunden Eisendrähte von 3,5 Millim. Stärke vollständig, und
                              einen 6 Millim. dicken Eisenstab auf 1,5 Millim. Tiefe cementirt hat.Ich operirte bei der Temperatur, welche in der Technik als die geeignetste
                                    betrachtet wird, nämlich bei der Schmelzhitze des Kupfers. Ich benutzte auch
                                    das Kohlenoxydgas, welches durch Zersetzung von Kohlensäure mittelst der,
                                    längere Zeit bei hoher Temperatur geglühten Zuckerkohle erhalten wird.
                              
                           Zuckerkohle, welche zwölf Stunden lang bei starker Hitze geglüht und dann fein
                              pulverisirt worden war, konnte in zehn Stunden einen Eisenstab von 6 Millimet. Seite
                              fast durchgängig und Eisendrähte von 3,5 Millimet. Durchmesser vollständig
                              cementiren.
                           
                           Ein ähnlicher Eisenstab wurde bei Anwendung derselben Kohle, aber bei einer höheren
                              Temperatur, schon durch sechsstündiges Cementiren in Gußeisen umgewandelt.
                           Wie man sieht, haben die Temperatur und die Zeitdauer des Glühens einen sehr großen
                              Einfluß auf die Resultate, und liefern einen Beweis mehr für die kohlende Wirkung
                              der reinen Kohle auf das Stabeisen.
                           Was die Dimensionen der von mir cementirten Eisenstücke betrifft, so sind dieselben
                              nach meiner Ansicht hinreichend, um in dieser Beziehung jeden Einwurf
                              auszuschließen. Es ist überdieß selbstverständlich, daß die größere oder geringere
                              Ausdehnung der Cementirung nur von der Zeitdauer der Operation bedingt wird. Aus den
                              Resultaten, welche eine nur mehrstündige, mit jedem der beiden Cementirungsmittel
                              – Kohle und Kohlenoxyd – für sich allein vorgenommene Behandlung des
                              Stabeisens liefert, kann man auf diejenigen schließen, welche man durch ein zwei-
                              bis dreihundertstündiges Calciniren des Eisens mit Kohle und Kohlenoxyd zugleich
                              erhalten würde.
                           Jene Resultate beweisen:
                           1) daß – was Caron anfänglich nicht zugeben zu
                              können glaubte – das Stabeisen durch reine Kohle und reines Kohlenoxydgas
                              cementirt wird;
                           2) daß – was Caron noch jetzt bestreitet –
                              beide Cementirungsmittel eine bedeutende Wirkung haben und sicherlich zu den
                              kräftigsten Agentien der technischen Cementirung gezählt werden können.
                           Auf dem Bureau der Akademie lege ich Proben von dem durch Kohlenoxyd, reine Kohle und
                              Diamantpulver gekohlten Eisen nieder, welche die Charaktere und die Eigenschaften
                              des Stahls besitzen.
                           Ueberdieß bin ich, falls die Akademie es wünschen sollte, bereit, vor der von ihr mit
                              der näheren Prüfung meiner Arbeit beauftragten Commission meine Versuche zu
                              wiederholen und verpflichte mich, in Gegenwart derselben käufliches Stabeisen,
                              sofern dasselbe von guter Qualität ist, durch reines Kohlenoxyd und reine Kohle, und
                              zwar durch gleichzeitige Anwendung dieser beiden Mittel, oder durch jedes derselben
                              einzeln, zu cementiren.