| Titel: | Verfahren, die Anilinfarbstoffe ohne Anwendung von Alkohol oder Holzgeist aufzulösen; von Gaultier de Claubry. | 
| Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. LXXII., S. 232 | 
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                        LXXII.
                        Verfahren, die Anilinfarbstoffe ohne Anwendung
                           von Alkohol oder Holzgeist aufzulösen; von Gaultier de Claubry.
                        Aus den Comptes rendus, t. LX p. 625, März
                              1865.
                        Gaultier, über Auflösungsmittel für Anilinviolett etc.
                        
                     
                        
                           Mit Ausnahme des Fuchsins und des Perkins'schen Violetts
                              sind alle Anilinfarbstoffe in Wasser unlöslich und können nur in Alkohol gelöst zum
                              Färben benutzt werden.
                           Es wurden viele erfolglos gebliebene Versuche gemacht, den Alkohol zu diesem Zweck
                              durch Lösungsmittel von niedrigerem Preise zu ersetzen. Ich stellte mir die Aufgabe,
                              Substanzen zu ermitteln, welche jene Anilinfarbstoffe in Wasser löslich machen, ohne
                              deren Eigenschaften zu verändern, wobei das Färben und Drucken mit denselben in der
                              gebräuchlichen Weise ausgeführt werden kann, aber ganz gleichförmige Farben und auch
                              alle Nüancen erzielbar sind; überdieß sollten diese Lösungsmittel auf die Gesundheit
                              der Arbeiter gar keinen nachtheiligen Einfluß haben und durch dieselben die
                              Gestehungskosten des Färbens und Druckens der Gespinnste und Gewebe beträchtlich
                              vermindert werden. Diese Bedingungen zu erfüllen, ist mir gelungen und mein
                              Verfahren wird bereits im Großen angewendet.
                           Da das Anilinviolett aus rothen und blauen Pigmenten zusammengesetzt ist, von denen
                              erstere in den verschiedenen Vehikeln löslicher sind als letztere, so liefert die
                              alkoholische Auflösung desselben, in geeignetem Verhältniß mit Wasser gemischt, ein
                              Bad welches der Ruhe überlassen, einen sehr großen Theil der Farbe fallen läßt und
                              nur das Roth zurückhält; beim schwachen Sieden dieses Bades, wie es zum Färben
                              nothwendig ist, entweicht der Alkohol leicht, daher die Fällung zunimmt und eine
                              ungleiche Ablagerung der Farbe auf den Gespinnsten oder Geweben veranlaßt; dieß
                              erklärt die Schwierigkeit, mit dem Anilinviolett ganz gleichförmige Farben zu
                              erzielen, sowie den Umstand, daß dieselben in der Regel beim Reiben (auf Weißzeug)
                              mehr oder weniger abfärben. Mittelst der Lösungen welche den Gegenstand dieser
                              Abhandlung bilden, erhält man hingegen beim Färben leicht ganz gleichförmige
                              Nüancen.
                           Eine große Anzahl von Substanzen ertheilt dem Wasser die Eigenschaft die Farbstoffe
                              aufzulösen, welche bisher nur in Alkohol aufgelöst werden konnten; solche Substanzen
                              sind die Gummiarten und Pflanzenschleime, die Seife und besondersbesoders die Mandelölseife, der Trauben- oder Stärkezucker, das Dextrin, der aus
                              Kartoffeln, Flechten und Moosen, insbesondere von Fucus
                                 crispus erhaltene Kleister, das Glycerin, der thierische Leim; die
                              vortheilhaftesten Resultate liefert aber ein Absud der sogenannten Panama-Rinde (von
                              Quillaïa saponaria.), und der egyptischen
                              Seifenkrautwurzel ((Gypsophila strutium). Die Wurzel der
                              Saponaria officinalis (des gemeinen Seifenkrautes)
                              kann ebenfalls angewendet werden, sie wirkt aber nicht so kräftig. Alle diese
                              Substanzen haben die charakteristische Eigenschaft, das Wasser zu verdicken oder es
                              schäumen zu machen. Zur Lösung des Farbstoffs übergießt man denselben in Pulverform
                              mit dem kochenden Absud der erwähnten Substanzen, rührt um, decantirt, und wenn ein
                              Theil desselben unaufgelöst bleibt, beginnt man die Operation neuerdings. Die so
                              erhaltenen Flüssigkeiten können zu Extracten abgedampft werden, aber langes Kochen
                              kann die Farbstoffe verändern, besonders wenn das Wasser schwefelsauren und
                              kohlensauren Kalk enthält. Es ist zur Lösung des Farbstoffs jedoch vorzuziehen, das
                              Extract der anzuwendenden Substanz, z.B. der egyptischen Seifenkrautwurzel, zu
                              benutzen, indem man mit demselben den fein gepulverten Farbstoff anreibt und dann
                              wiederholt kochendes Wasser aufgießt, bis aller Farbstoff gelöst ist; in diesem
                              Falle müssen aber, wie in dem vorhergehenden, da die rothen Bestandtheile des
                              Anilinvioletts leichter löslich sind als die blauen, die letzten Partien der
                              Farbstofflösungen stets mit den ersten vermischt werden.
                           Dasselbe Verfahren und die gleiche Vorsichtsmaßregel muß man bei den blauen
                              Anilinfarben anwenden, welche ebenfalls aus verschiedenen ungleich löslichen
                              Pigmenten bestehen.
                           Das Färben mit diesen Lösungen erheischt keine besondere Vorsichtsmaßregel und man
                              erhält mit der größten Leichtigkeit ganz gleichförmige Farben.
                           Im Falle man die Anwendung des Alkohols beibehalten wollte, könnte man die zur
                              Operation nothwendige Menge desselben beträchtlich vermindern, indem man den
                              Farbstoff in einer sehr kleinen Menge Alkohol zertheilt und seine vollständige
                              Lösung mit dem Seifenwurzel-Extract bewerkstelligt, oder umgekehrt verfährt; zu
                              diesem Zweck könnte man auch die Gespinnste oder Gewebe in einem Seifenwurzel-Bad
                              behandeln und dann im
                              alkoholischen Bade, welchem Seifenwurzel-Extract zugesetzt wurde, färben. Während
                              bei dem jetzt üblichen Verfahren der Alkohol aus den oben angegebenen Gründen in
                              sehr großem Ueberschuß angewendet werden muß, würde durch Befolgung einer dieser
                              drei Methoden seine Quantität auf die zum Lösen des Farbstoffs durchaus nothwendige
                              beschränkt werden.
                           Der hohe Preis des Alkohols hat viele Fabrikanten veranlaßt denselben durch Holzgeist
                              zu ersetzen, welcher aber für die Gesundheit der Arbeiter nachtheilig ist, wenn
                              diese ganze Tage lang den Ausdünstungen der Färbekufen ausgesetzt bleiben.
                           Die mittelst der bezeichneten Substanzen erhaltenen Farbstofflösungen können für den
                              Zeugdruck mit Gummi, Dextrin und Albumin verdickt werden.Nach einem Vortrage, welchen Hr. Wilhelm Ritter v. Schwarz zu Paris am 31. März d. J. in der
                                    Wochenversammlung des nieder-österreichischen Gewerbevereins hielt, wird das
                                    Verfahren von Gaultier de Claubry (Professor der
                                    Chemie an der École de pharmacie und der
                                    Académie de médecine in Paris)
                                    seit Kurzem in den bedeutendsten Seide- und Schafwoll-Färbereien von Paris
                                    und Lyon in großem Maaßstabe angewendet.Bezüglich der ökonomischen Vortheile des neuen Verfahrens führt Hr. v. Schwarz folgende
                                    Thatsachen an: vor einem Jahre kostete das Kilogramm Anilinviolett 100
                                    Francs und diese Quantität erforderte zu ihrer Auflösung circa 225 Francs Alkohol; heute steht der Preis
                                    des Anilinvioletts auf 55 Francs per Kilogramm
                                    und man benöthigt zur Auflösung noch für 80 Francs Alkohol; das neue
                                    Ersatzmittel des Alkohols, welches zur vollständigen Auflösung eines
                                    Kilogrammes Anilinviolett erforderlich ist, kostet aber nur 30 Francs und es
                                    wird somit eine Ersparung von mehr als 40 Proc. erzielt.A. d. Red.
                              
                           Wie für die Anilinfarbstoffe, eignen sich die angegebenen Lösungsmittel auch für die
                              Naphtalin-, die Phenylsäure-Farbstoffe etc.