| Titel: | Das Baumwollsamenöl, von Dr. A. Adriani. | 
| Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. LXXIII., S. 234 | 
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                        LXXIII.
                        Das Baumwollsamenöl, von Dr. A. Adriani.
                        Aus der deutschen Industriezeitung, 1865, Nr.
                              15.
                        Adriani, über das Baumwollsamenöl.
                        
                     
                        
                           Bis vor wenigen Jahren warf man den Baumwollsamen weg, obgleich es bekannt war, daß
                              man aus demselben durch Pressen ein Oel erhält; in neuerer Zeit aber gewinnt man das
                              Oel und verwendet die Oelkuchen zur Viehfütterung. Wird der Same zerstoßen, dann
                              fein gepulvert und auf 75–88° C. erwärmt, so gibt er bei fabrikmäßigem
                              Pressen 15–18
                              Proc. Oel von dunkel braunroter Farbe, das mehr oder weniger Schleim- und
                              Eiweißstoffe suspendirt, zum Theil vielleicht auch gelöst enthält. Es ist
                              28–30 mal weniger flüssig als Wasser; sein spec. Gewicht schwankt etwas, Adriani fand es aus einer Mittelprobe von 24 Fässern bei
                              12,2° C. gleich 0,93074, aus einer anderen Probe bei 14,4° C. zu
                              0,93169. Ein Theil der letzteren, mit einem Dampfstrome von 100° C. behandelt
                              und sorgfältig mit kochendem Wasser ausgewaschen, wodurch die im Oele suspendirten
                              vegetabilischen Unreinigkeiten, wenn auch nicht ganz, so doch zum größten Theile
                              entfernt wurden, zeigte bei 10° C. das spec. Gewicht 0,93433. Dieses letztere
                              steht dem des Leinöles sehr nahe, welchem das rohe Baumwollsamenöl auch in Geruch,
                              Geschmack und anderen Eigenschaften außer der Farbe sehr ähnlich ist; es ist wie
                              dieses ein trocknendes Oel und kann dasselbe in vielen Beziehungen ersetzen. Es ist
                              leicht löslich in Aether, Schwefelkohlenstoff und Benzol, nicht merklich aber in
                              Alkohol, selbst in der Wärme; doch löst der Alkohol einen Theil der Substanz, welche
                              dem rohen Oele seine eigenthümliche Farbe ertheilt. Diese Farbe wird entschieden
                              nicht durch die Samenhülsen hervorgebracht, denn diese geben an sich weder an
                              Aether, Alkohol, Schwefelkohlenstoff, noch Wasser merklich etwas Lösliches ab, die
                              Farbe wird vielmehr durch den Inhalt kleiner schwarzer Flocken hervorgebracht, die
                              in der gelblichweißen Masse vertheilt und schon mit bloßem Auge erkennbar sind;
                              unter dem Mikroskop erscheinen dieselben mit einer dunkelrosafarbenen,
                              harzig-fettigen Masse gefüllt, die in Alkohol, Aether und, unter gleichzeitig
                              eintretender Zersetzung, in schwachen Lösungen caustischer Alkalien löslich ist;
                              zerstößt man einige enthülste Samenkörner in einem Mörser, so beobachtet man eine
                              dunkelrothbraune Flüssigkeit. Der ursprüngliche Farbstoff in dem Samen ist, so lange
                              die Luft noch nicht auf ihn eingewirkt hat, gelbgrün und läßt sich so erhalten, wenn
                              man einige sorgfältig enthülste Samen in ein mit Alkohol gefülltes verschlossenes
                              Gefäß bringt und den Alkohol unter dem Recipienten einer Luftpumpe über
                              Schwefelsäure nach Entfernung der Luft abdampft. Die eigenthümliche Farbe des rohen
                              Oeles wird also wohl durch Oxydation eines eigenthümlichen Bestandtheiles des Oeles
                              hervorgebracht; der Farbstoff gab aber weder auf geeignet gebeizten Baumwoll- noch
                              Wollzeugen irgend eine Färbung.
                           Das rohe Oel verhält sich gegen Reagentien ziemlich eigenthümlich; doch ist nicht
                              außer Acht zu lassen, daß die beträchtlichen Mengen vegetabilischer Verunreinigungen
                              im Oele hierbei eine wichtige Rolle spielen können. Concentrirte Schwefelsäure
                              bewirkt eine schöne Purpurfärbung, die beim Umrühren stärker wird; nach 24 Stunden
                              wird das Gemisch sehr
                              dick und röthlichbraun. Eine Lösung von doppelt-chromsaurem Kali in starker
                              Schwefelsäure bewirkt eine starke Reaction im Oele; es entwickelt sich schweflige
                              Säure und die Farbe wird tief blutroth; nach etwa 24 Stunden war das Gemisch eine
                              feste schwärzliche Masse geworden. Durch Zusatz starker Salpetersäure wird das Oel
                              zuerst dunkel olivengrün, bald aber hell orangeroth; nach 24 Stunden wird es fest
                              und zeigt eine dunkel orangerothe Farbe. Durch Mischen mit einer Kalilösung von 1,22
                              spec. Gewicht wird das Oel zuerst hell gelblich; beim Umrühren mit einem Glasstabe
                              nehmen die Theile in dem Probircylinder, welche dem Luftzutritte mehr ausgesetzt
                              sind, eine bläuliche purpurfarbene Färbung an, etwa wie die, welche eine Lösung von
                              Pyrogallussäure in Kali beim Aussetzen an die Luft zeigt; nach 24 Stunden ist das
                              Oel fest geworden; dasselbe Resultat gab Natronlauge. Bei Zusatz starker
                              Ammoniakflüssigkeit zum Oele zeigte sich eine gelblichgrüne Farbe; starke
                              Phosphorsäure bewirkt zuerst beim Schütteln mit dem Oele kaum eine Veränderung, nach
                              24 Stunden aber wird das Oel dicker und dunkelolivengrün. Durch Zusatz von
                              Kalkwasser wird das Oel sofort fest und nimmt eine schmutzige bräunlichgelbe Farbe
                              an. Durchgeleitete schweflige Säure entfärbt das Oel nicht; auch Zinkchlorid,
                              Zinnchlorid, essigsaures Bleioxyd etc. beseitigen die eigenthümliche Farbe nicht
                              oder wirken höchstens vorübergehend. – In seinem oxydirten Zustande und
                              wahrscheinlich auch unter dem Einfluß der im Oele vorkommenden vegetabilischen
                              Stoffe scheint der Farbstoff eine vorherrschende Neigung zu besitzen, zu einer
                              fettigen Masse zusammenzukleben.
                           Das rohe Oel erstarrt zwischen – 2 bis – 3° C.; es ist
                              ausgezeichnet geeignet, harte und weiche Seifen zu liefern und wird das Leinöl für
                              dunkle Anstriche, Firnisse, vielleicht auch für Druckerschwärze ersetzen können. Das
                              sogenannte raffinirte Oel, dessen beste Qualitäten gutem Olivenöl an Geschmack und
                              Geruch vollständig gleich stehen, erstarrt zwischen 2 bis 0° C., sein spec.
                              Gewicht bei 16° C. wurde zu 0,92647, seine Flüssigkeit beiläufig 17 mal
                              geringer als die des Wassers gefunden. Streng genommen ist das sogen. raffinirte Oel
                              des Handels mehr oder weniger Oelsäure, wenigstens gilt dieß für die von Adriani untersuchten Sorten. Das raffinirte Oel wird als
                              Maschinenschmiere, als Beleuchtungsmaterial etc. verwendet und die besseren Sorten
                              werden ohne Zweifel häufig theureren Oelen zugesetzt.
                           Den vorstehenden Mittheilungen, welche den Chemical News
                              entnommen sind, ließ Dr. Adriani in derselben Zeitschrift später noch weitere über die Verwendung
                              des Oeles zu Seifen und dessen Raffiniren folgen. Bei Versuchen im Kleinen (mit etwa 540 Grm.) gaben 100
                              Th. rohes Oel 291,63 Th. weiche Seife, die zur Zeit der Darstellung (November 1864) 52,3 Proc., im
                              Februar 1865 aber 65,74 Proc. Wasser neben 9,29 Proc. Kali und 24,96 Proc. Fettsäure
                              und Farbstoff enthielt. Mit Natron erhielt man 169,33 Proc. Seife von 38,7 Procent
                              Wassergehalt, die allmählich noch Wasser verliert; Bleiseife wurde durch directe
                              Verseifung des Oeles mit Bleioxyd, sowie durch Fällen der Kaliseife mit verdünnter
                              Lösung von essigsaurem Bleioxyd dargestellt; 100 Th. Kaliseife gaben 57,19 Proc.
                              trockene Bleiseife. Die dunkle Farbe des Oeles ist in allen diesen Seifen sichtbar,
                              am wenigsten in der Natronseife. – Das Raffiniren des Oeles, d.h. die
                              Beseitigung der dunklen Farbe und die Verbesserung des Geschmackes, kann einfach
                              durch Waschen desselben mit Kali- oder Natronlauge erreicht werden, wobei aber am
                              besten die schleimigen und eiweißartigen Stoffe zuvor durch Einleiten von
                              Wasserdampf und Waschen mit kochendem Wasser entfernt werden, da sonst mehr Alkali
                              gebraucht wird. Das Alkali scheint nicht allein den dunklen Farbstoff in Wasser
                              löslich zu machen, sondern auch einen Theil des Oeles zu verseifen. Die Mischung von
                              Oel und alkalischer Lauge sondert sich in der Ruhe in drei verschiedene Schichten,
                              deren oberste das fast farblose raffinirte Oel ist, während die dunkel gefärbte
                              mittlere das verseifte feste Fett des Oeles und die unterste die dunkle, fast
                              schwarze alkalische Lauge ist. Unter den günstigsten Umständen gab vorher gedämpftes
                              Oel 85–88 Proc. raffinirtes Oel.
                           Mit Bezug auf diese Mittheilungen Dr. Adriani's bemerkt J. Blockley in einer späteren Nummer der Chemical News, daß er drei oder vier große Firmen kenne,
                              die seit längerer Zeit Baumwollsamenöl raffiniren, von welchem ungeheure Mengen,
                              notorisch zur Verfälschung des Olivenöles, nach Italien gehen; der Verlust beim
                              Raffiniren mag etwa 10 Proc. betragen. Natronlauge ist aus mehreren Gründen zum
                              Raffiniren im Großen nicht geeignet, und es ist auffallend, daß Dr. Adriani damit gute
                              Resultate erlangt haben will. Eine Firma versuchte vor einigen Jahren aus den
                              Raffinirungsrückständen einen grünen Farbstoff zu gewinnen, aber ohne Erfolg. Blockley selbst suchte ebenfalls die grüne fettige Masse
                              in der Färberei zu verwenden, aber auch ohne Erfolg.