| Titel: | Ueber eine abnorme Flammenerscheinung beim Bessemern. | 
| Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. LXXXIX., S. 295 | 
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                        LXXXIX.
                        Ueber eine abnorme Flammenerscheinung beim
                           Bessemern.
                        Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und
                                 Hüttenwesen, 1865, Nr. 14.
                        Abnorme Flammenerscheinung beim Bessemern.
                        
                     
                        
                           Wer Gelegenheit hatte, der Durchführung mehrerer Bessemer-Chargen beizuwohnen und
                              dieselbe zu beobachten, wird zugestehen, daß die dabei aus der Ofen-Kehle tretende
                              Flammenerscheinung kaum weniger interessant ist, als der im Innern des Ofens
                              stattfindende chemische Vorgang, dessen äußere Kennzeichen jene eben bildet. In den
                              meisten Fällen ist diese Flammenerscheinung sich gleich oder doch ähnlich, und
                              bildet das, so zu sagen, einzige Anhalten bei Beurtheilung des Ofenganges und der
                              Härte des darzustellenden Productes.
                           Es sey mir hier nur erlaubt, einen Fall anzuführen, in welchem dieselbe sich ganz
                              abnorm zeigt und sich auch nicht im geringsten mehr zur Beurtheilung der Stahlhärte
                              eignet.
                           Für jenen Theil der Leser, der die Bessemer-Anlage in Heft (Kärnten) nicht aus
                              eigener Anschauung kennt, sey bemerkt, daß das Aufschlagwasser für die 140pferdige
                              Gebläseturbine geliefert wird von einem Sammelteiche von circa 135,000 Kub. Fuß Fassungsraum bei höchstem Wasserstande.
                              Terrainverhältnisse bedingen die unter 35° geböschten Ufer und ein nicht
                              unbedeutendes Fallen des Teichgrundes gegen die Gerinnschütze zu, allwo auch der von
                              0 bis 111 Wr. Zoll getheilte Wasserstandszeiger angebracht ist. Der Teich wird vor
                              jeder Charge bis 105 bis 111 gefüllt; das mit dem Bessemergebläse bewerkstelligte
                              1/2–1/4 stündige Anwärmen des Ofens verursacht jedoch meist ein Fallen des
                              Wasserspiegels bis auf 85–95 Zoll. In Folge der Uferböschung und des
                              fallenden Teichgrundes erfolgt das Sinken des Wasserspiegels bei gleichem
                              Wasserverbrauche um so rascher, je niedriger der Wasserstand ist.
                           Von allen bisher in Heft abgeführten Chargen sollen drei herausgenommen werden, bei
                              welchen der zu besprechende abnorme Fall eintrat. Die erste derselben wurde am 8.
                              November 1864 abgeführt, die zweite und dritte am 23. und 24. März d. J. Bei allen
                              dreien handelte es sich um den Abguß großer Stücke von 25–30 Ctrn., die als
                              Material für Panzerplatten und Kolbenstangen dienen sollten. Es mußte daher mit sehr
                              großem, tiefgrauem Roheisen-Einsatz in dem kleinen, für 25–30 Centner Einsatz
                              berechneten Ofen gearbeitet werden. (Es war in allen drei Fällen der schwedische Ofen in Gebrauch, beim englischen Ofen dürfte
                              die Abnormität wohl kaum einmal stattfinden.)
                           Die angestrebten Härtenummern waren im ersten Falle VII (1 = Härtest-Stahl-Nummer,
                              VII = Schmiedeeisen), in den beiden letzten Fällen V–VI. Zur besseren
                              Beurtheilung seyen die nöthigen Daten angeführt.
                           
                              
                                 Benennung.
                                 Charge I.
                                 Charge II.
                                 Charge III.
                                 
                              
                                 Roheisen-Einsatz in Centnern
                                 45
                                 37
                                 42
                                 
                              
                                 Roheisen-Qualität
                                 schwachgrau
                                 tiefgrau
                                 tiefgrau
                                 
                              
                                 Dauer der Schlackenbildungs-Periode in Minuten
                                   4
                                 15
                                 20
                                 
                              
                                 Dauer der ganzen Charge in Minuten
                                 20
                                 31
                                 40
                                 
                              
                                 Größte Windpressung in der
                                    Schlackenbildungsperiode    in Pfunden per Qdrtzoll.
                                 11
                                       17 1/2
                                 18
                                 
                              
                                 Windpressung unmittelbar vor dem Stahlabstich
                                    in    Pfunden
                                       per Qdrtzoll.
                                   4
                                   8
                                   6
                                 
                              
                                 Durchmesser der 19 Stück Düsenöffnungen in
                                    Wiener    Linien
                                   8
                                   6
                                   6
                                 
                              
                                 Wasserstand am Teichspiegel bei Beginn der Charge
                                    in    Wien. Zollen
                                 –
                                 94
                                 91
                                 
                              
                                 Wasserstand am Teichspiegel nach Beendigung
                                    der    Charge in Wien. Zollen
                                 –
                                 34
                                 28
                                 
                              
                           Wie man aus diesen Daten entnimmt und schon früher bemerkt wurde, wurde immer mit
                              hohem Einsatze gearbeitet. Die Chargen hatten daher eine verhältnißmäßig lange
                              Dauer, wozu bei beiden letzteren Chargen noch die tiefgraue Beschaffenheit des
                              Roheisens das ihrige beitrug, indem in allen Fällen, besonders aber bei Charge III
                              ein Verlegen der Düsen sich einstellte, welches jedoch immer wieder behoben
                              wurde.
                           Die Pressung des Windes während der Schlackenbildungsperiode stieg bei Charge II und
                              III auf 17 1/2 und 18 Pfd. per Quadratzoll.
                           Die Folge der langen Dauer dieser Periode war großer Wasserverbrauch, daher
                              Wassermangel, kleinerer Gefällsdruck und niedrige Windpressung während der
                              Frischperiode.
                           Der Verlauf der drei Chargen war nun von Anfang an ein regulärer; erst nach Ende der
                              Kochperiode gestaltete er sich ganz eigenthümlich. Bei den Chargen I und II war der
                              Uebergang der Koch- in die Frischperiode nur sehr schwer, bei Charge III aber
                              geradezu gar nicht erkennbar. Die Flamme wurde in dieser Periode in allen drei
                              Fällen zwar unruhig und flackernd, erlangte jedoch nie die durchsichtige, blaue
                              Färbung des brennenden Kohlenoxydes; sie war im Gegentheile gelb, sogar schwach
                              röthlich gefärbt, und zeigte geringe Durchsichtigkeit. Plötzlich wurde sie dunkler,
                              braunroth, verkürzte sich zugleich, und es trat der eigenthümliche braune Qualm von
                              brennendem Eisen auf, in gewöhnlichen Fällen die sicheren Kennzeichen der gänzlichen
                              Entkohlung und theilweisen Verbrennung des Eisens, kurz die Merkmale dafür, daß man
                              Schmiedeeisen erblasen hatte.
                           Man beeilte sich natürlich so schnell wie möglich abzustechen, und erhielt ein recht
                              flüssiges Product. Bei Charge I wurde die Panzerplatte mit 23 Ctr., bei den Chargen
                              II und III, mit deren Durchführung der Verfasser beauftragt war, wurden Blöcke für
                              Kolbenstangen mit 29 und 34 Ctr. Gewicht zum Abgusse gebracht.
                           Machte uns das Aussehen der Schlacke, sowie das Verhalten des Stahles beim Gießen
                              schon stutzen, so erstaunte man doch noch viel mehr, als ausgestreckte kleine Proben
                              bei Charge I die Härtenummer III, bei Charge II und III aber die Härten VI und IV
                              ergaben, obschon bei den beiden letzteren in Folge eines Mißverständnisses kein
                              Roheisennachguß erfolgte.
                           Die Umstände mußten uns zu einem näheren Eingehen in die Sache anspornen.
                              Uebereinstimmend mit der Ansicht des hiesigen Schmelzmeisters Hrn. Kutschka, bildete sich der Verfasser
                              folgende Erklärung:
                           Bis in die Frischperiode liefen die Chargen ganz regulär ab. Da aber hatte man in
                              Folge des niedrigen Wasserstandes im Teiche geringe Windpressung, dabei aber eine
                              sehr bedeutende Metallmasse im Ofen. Der Wind vermochte bei dem geringen Ueberdrucke
                              nicht bis in die Mitte des Metallbades vorzudringen, und war auch nicht im Stande,
                              die große Masse in rotirender, diese fortwährend mischender Bewegung zu
                              erhalten.
                           In Folge dessen wurde der den Düsen im Kreise herum zunächst liegende Theil der
                              Metallmasse immer mehr und mehr entkohlt und endlich theilweise Eisen verbrannt, das
                              den rothbraunen Qualm von Eisenoxyd verursachte. In der Mitte des Ofens konnte sich
                              die oxydirende Wirkung des Windes nicht mehr geltend machen, es blieb dort ein
                              roher, kohlenstoffhaltiger Kern. Der Mangel an gehöriger Bewegung in der Masse
                              verhinderte eine Wechselwirkung zwischen dem kohlenstoffhaltigen Kerne in der Mitte
                              und den am Rande herum gebildeten Eisenoxydaten. Beim Abstiche aber mußten sich
                              diese beiden Theile mengen, die Eisenoxydate mußten entkohlend auf den inneren Kern
                              einwirken, und je nachdem erstere in größerer oder kleinerer Quantität vorhanden
                              waren, wurde auch das erhaltene Product mehr oder weniger weich.
                           Und in der That war die Windpressung unmittelbar vor dem Stahlabstiche bei den
                              Chargen I und III am niedrigsten, – der Durchmesser des wenig entkohlten
                              Kernes daher am größten.
                           Fritz v. Ehrenwerth, Berg- und
                              Hüttenadjunct.