| Titel: | Ueber die Cementirung des Stabeisens durch Contact mit Kohlenoxyd und Kohle; von H. Caron. | 
| Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XC., S. 297 | 
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                        XC.
                        Ueber die Cementirung des Stabeisens durch
                           Contact mit Kohlenoxyd und Kohle; von H. Caron.
                        Aus den Comptes rendus, t. LIX p. 953, December
                              1864.
                        Caron, über die Cementirung des Stabeisens durch Kohlenoxyd und
                           Kohle.
                        
                     
                        
                           Aus Margueritte's letzten
                              VersuchenS. 220 im vorhergehenden Heft. scheint hervorzugehen, daß Eisen durch Kohlenoxyd cementirt werden kann;
                              berücksichtigt man aber die im Jahr 1859 von Dr. Percy angestellten Versuche, deren Competenz außer
                              Zweifel steht, so gelangt man zu ganz entgegengesetzten Folgerungen. Denn nachdem
                              Percy einen Strom von reinem Kohlenoxydgas (dessen
                              Darstellungsweise und verbrauchte Menge er angibt) über ein an der Oberfläche
                              sorgfältig gereinigtes Stück Eisen sieben Stunden lang geleitet hatte, fand er am
                              Ende des Versuchs eine so sehr geringe Gewichtszunahme des Eisens, daß er Anstand
                              nimmt, dieselbe einer Bindung von Kohlenstoff zuzuschreiben. Da die Sorgfalt, mit
                              welcher Margueritte bei seinen Versuchen zu Werke
                              gegangen zu seyn scheint, mir ebenso wenig, als die wohlbekannte Gewandtheit
                              Percy's im Experimentiren
                              gestattet, an der Wirklichkeit der von beiden Forschern erhaltenen, einander
                              widersprechenden Resultate zu zweifeln, so kann ich nur annehmen, daß ihre Versuche
                              nicht unter völlig gleichen Umständen und Bedingungen angestellt worden sind. Es
                              kommt nur – und das ist für mich der Hauptpunkt – darauf an,
                              nachzuweisen, ob das Kohlenoxyd auch in der Praxis, bei der im industriellen
                              Maaßstabe ausgeführten Cementirung, in derselben Weise wirkt, wie bei Margueritte's Versuch, oder ob es, wie Percy und ich selbst beobachteten, einen deutlich
                              wahrnehmbaren Einfluß in der Praxis nicht ausübt. Allerdings hat Margueritte gewisse, mit seiner Theorie im Widerspruche
                              stehende Erscheinungen bei der im Großen ausgeführten Cementirung zu erklären
                              versucht; doch stützen sich seine Erklärungen im Allgemeinen auf Schlüsse, deren
                              Richtigkeit mir zweifelhaft erscheint.
                           Nach Margueritte liegt die wahre Ursache, weßhalb die
                              Kohle zu mehreren aufeinander folgenden Cementationen mit Vortheil nicht angewendet
                              werden kann, in der Eigenschaft dieses Körpers, durch starkes Glühen dichter,
                              weniger leicht verbrennbar und somit zur Erzeugung oder zur Regeneration von
                              Kohlenoxydgas weniger geeignet zu werden. Mir ist indessen bezüglich der Cementirung
                              des Eisens keine Thatsache bekannt, durch welche diese Hypothese bestätigt
                              würde.
                           Um zu erörtern, ob der Grund, weßhalb die Kohle cementirrend wirkt oder nicht, in der
                              größeren oder geringeren Verbrennbarkeit derselben liegt, wählen wir zwei bei
                              derselben Temperatur dargestellte, d.h. gleich stark geglühte Kohlensorten: eine
                              sehr leichte, z.B. Kohle vom Faulbaum und eine sehr dichte, etwa Eichenholzkohle.
                              Wenn Margueritte Recht hätte, so müßte die erstere dieser
                              Kohlensorten, da sie weit leichter verbrennt als die zweite, auch eine tiefer
                              eindringende Stahlbildung bewirken. Es findet aber das Gegentheil statt;
                              Eichenholzkohle cementirt besser als die leichte Kohle. Demnach ist Margueritte's Erklärung nicht
                              stichhaltig. Den Versuch selbst anzustellen, hielt ich aber für überflüssig, denn
                              aus Margueritte's letzter
                              Mittheilung geht hervor, daß diese Thatsache von ihm stillschweigend anerkannt wird.
                              Nachdem er nämlich gesagt hat, daß die Wirksamkeit der Holzkohle als
                              Cementirungsmittel von dem Grade ihrer Verbrennbarkeit bedingt wird, führt er an,
                              daß in der Praxis allgemein Eichenkohle zur Cementstahlfabrication angewendet wird.
                              Demnach ist die Technik durch die Erfahrung zur Wahl gerade der dichtesten und am
                              schwierigsten verbrennbaren unter den ihr zu Gebote stehenden Kohlensorten geführt
                              worden; eine Thatsache, welcher Margueritte's Theorie geradezu widerspricht. Nach meiner
                              Anschauungsweise dagegen ist die von Seiten der Industrie getroffene Wahl ganz
                              zweckentsprechend; um sich davon zu überzeugen, braucht man nur Berthier's Analysen verschiedener
                              Arten von Holzkohlen zu vergleichen. Aus denselben geht hervor, daß Eichenholz zu
                              den alkalireichsten Hölzern gehört, und da überdieß die Kohle desselben größere
                              Dichtigkeit besitzt, als die der anderen gewöhnlichen Hölzer, so werden bei
                              Anwendung derselben die Cementirkästen mit einer bei gleichbleibendem Volum des
                              Cementirungsmittels größeren Alkalimenge beschickt.
                           
                           Ich kann hier noch einen anderen Versuch anführen. Nach Margueritte wirkt eine schon gebrauchte oder geglühte Kohle nicht mehr
                              cementirend aus dem Grunde, weil sie weniger leicht verbrennbar geworden ist; meinen
                              Beobachtungen zufolge aber deßhalb, weil sie ihren Gehalt an Alkalien eingebüßt hat.
                              Davon kann man sich sehr leicht überzeugen. Anstatt die Kohle ihres Alkaligehaltes
                              durch Glühen bei hoher Temperatur zu berauben, brauchen wir sie nur mit einer Säure
                              zu kochen, durch welche die Alkalien aufgelöst worden, darauf gut auszuwaschen und
                              zu trocknen, und dann im Vergleich mit frischer Holzkohle von derselben Sorte zu
                              probiren. Wir werden dann finden, daß die auf die angegebene Weise behandelte Kohle
                              ihre Wirksamkeit zum größten Theile eingebüßt hat, während sich gleichzeitig ganz
                              unzweideutig erkennen läßt, daß sie leichter verbrennbar geworden ist, als sie
                              vorher war. Gegen diesen Versuch wird vielleicht der Einwand erhoben werden, daß
                              durch Auskochen der Kohle in einer Flüssigkeit die in ihr möglicherweise vorhandenen
                              Kohlenwasserstoffe ausgetrieben werden. Auf diesen Einwand antworte ich, daß ich die
                              eine Kohlenprobe mit einer Alkalilösung, die andere mit einer verdünnten Säure
                              behandle; dann tritt der Unterschied noch schärfer hervor als bei dem vorigen
                              Versuche, und zwar stets zu Gunsten der mit dem Alkali behandelten Kohle. Es ist
                              ohne Zweifel unmöglich, der Kohle durch die Behandlung mit einer Säure ihre
                              stahlbildenden Eigenschaften gänzlich zu benehmenWenn wir den Stählungsgrad der nicht mit Säure gewaschenen Holzkohle = 10
                                    setzen, so ist dieser Grad bei derselben, aber mit Säure ausgewaschenen
                                    Kohle nur noch = 1. Diese Differenz wird bei höherer Steigerung der
                                    Temperatur geringer., wie sich dieß durch eine sehr hohe Temperatur erreichen läßt; allein
                              dadurch wird nur bewiesen, daß die Wirkung der Säure keine so durchgreifende und
                              vollständige ist, wie die der Hitze.
                           Einen ferneren Beweis, der immer stichhaltig und bisher noch durch keine Thatsache
                              abgeschwächt ist, liefert folgende Beobachtung. Eine stark geglühte Kohle ist nicht
                              mehr im Stande, Stabeisen in einem merklichen Grade zu cementiren; sobald man ihr
                              ein Alkali zusetzt, wird sie sofort zu einem der besten CementirungsmittelVgl. meine Abhandlung im vorhergehenden Heft, S. 217. – wohlverstanden, in beiden Fällen bei Gegenwart des Stickstoffs der
                              atmosphärischen Luft. Wird dieses Alkali der Kohle in Form eines kohlensauren Salzes
                              zugesetzt, so läßt sich annehmen, daß durch dasselbe die Bildung von Kohlenoxyd
                              befördert und erleichtert wird; wenn man aber die das Eisen umschließende
                              indifferente Kohle in einem Strome von trockenem Ammoniakgas erhitzt, und mit solcher Kohle
                              vortrefflichen Cementstahl erhält, so ist es doch unmöglich, die Wirkung der Cyanüre
                              zu bezweifeln, da dieselbe in diesem Falle von der vermeintlichen Wirkung des
                              Kohlenoxyds ganz unabhängig ist.
                           Aus diesen sämmtlichen Versuchen scheint mir nothwendigerweise hervorzugehen, daß die
                              Wirkungslosigkeit der heutzutage in der Industrie gebräuchlichen Cementirungsmittel,
                              welche nach ein- oder zweimaligem Gebrauche derselben eintritt, hauptsächlich dem
                              Verschwinden ihres Alkaligehaltes zugeschrieben werden muß. Demnach spielt das
                              Kohlenoxyd als Cementirungsmittel nur eine sehr untergeordnete, ja selbst
                              bedeutungslose Rolle bei diesem Processe.
                           Es bleibt mir noch übrig nachzuweisen, weßhalb bis jetzt noch nicht zugestanden
                              werden kann, daß die Kohle bei der gewöhnlich angewendeten Temperatur der
                              Cementirkästen das Eisen durch unmittelbaren Contact cementirt. Zu diesem Zwecke
                              führe ich zwei Versuche von Percy an, welche mir in hohem
                              Grade beweiskräftig erscheinen.
                           Zwei an der Oberfläche gut gereinigte Eisenstücke werden in einiger Entfernung von
                              einander in zwei mit einander in Verbindung stehende Röhren von böhmischem Glase
                              gebracht; das eine Eisenstück wird in vorher zum schwachen Rothglühen erhitzte
                              Zuckerkohle verpackt, während das andere frei bleibt. Jedes der beiden Stücke kommt
                              zwischen zwei Amianthpfröpfe zu liegen, um eine mechanische Wegführung von
                              Kohlenstoff zu verhindern. Durch den Apparat wird ein Strom Wasserstoffgas geleitet,
                              welcher zunächst zu dem in Zuckerkohle verpackten und dann zu dem frei liegenden
                              Eisen tritt. Beide Röhren werden mittelst Gaslampen mehrere Stunden lang zum
                              Rothglühen erhitzt; nach Verlauf dieser Zeit sind beide Eisenstücke cementirt.
                           Bei einem anderen Versuche wendete Percy, mit Beibehaltung
                              des beschriebenen Apparats, anstatt einer nur schwach geglühten Zuckerkohle,
                              dieselbe Zuckerkohle an, nachdem sie vorher bei einer dem Schmelzpunkte des
                              Stabeisens nahe liegenden Temperatur ausgeglüht worden. In diesem Falle findet keine
                              Stahlbildung statt, weder auf Distanz, noch durch Contact. Zur Erklärung dieser
                              Erscheinungen stellt Percy die Frage auf, ob. nicht die
                              anhaltend, aber nur bei Rothglühhitze calcinirte Kohle doch noch Kohlenwasserstoffe
                              enthält, oder ob nicht etwa der Wasserstoff auf seinem Wege durch die Kohle eine
                              analoge Verbindung bilden konnte; beide Hypothesen erscheinen ihm jedoch nicht wohl
                              zulässig.
                           Wie aber auch diese Erscheinung zu erklären seyn mag, so scheint mir für jetzt
                              bewiesen, daß die Kohle das Eisen durch Contact nur dann cementirt, wenn sie
                              dasselbe auch auf Distanz zu cementiren vermag; mit anderen Worten, die
                              Cementirung wird immer durch ein kohlenstoffhaltiges Gas hervorgebracht und nichts
                              beweist bis jetzt, daß sie durch den bloßen Contact der Kohle veranlaßt wird.
                           Operirt man, anstatt bei Rothglühhitze, bei einer bis zum Schmelzpunkt des Roheisens
                              oder des Stahls gesteigerten Temperatur, so ist der Zustand, in dem die Kohle sich
                              befindet, und der Grad der Calcinirung, welcher sie unterworfen gewesen, fast ohne
                              allen Einfluß. Wird die Kohle in Ueberschuß angewendet, so erhält man Roheisen,
                              welches zu einem König zusammenfließt; bei Anwendung einer hinlänglich geringen
                              Kohlenmenge entsteht Stahl. Zur Erzielung des letzteren Resultates ist es aber,
                              allem Anschein nach, erforderlich, daß die Temperatur mehr als hinlänglich sey, um
                              Stahl zum Schmelzen zu bringen. Dieß ist aber nicht mehr eine Stahlbildung durch
                              Cementiren. Wenn man Stabeisen cementiren will, so ist es also erforderlich, die
                              Temperatur, welcher die Kohle ausgesetzt gewesen, insbesondere aber deren
                              Zusammensetzung genau zu kennen; denn für sich allein oder calcinirt, vermag sie
                              nicht cementirend zu wirken. Aus diesem Grunde bin ich der Ansicht, daß die mit
                              Diamant angestellten Cementirungsversuche, so großes wissenschaftliches Interesse
                              sie auch haben, in technischer Beziehung von keiner Tragweite sind. Um aus diesen
                              Versuchen etwas folgern zu können, müßte zunächst festgestellt werden, ob der
                              Diamant einer bei hoher oder bei niedriger Temperatur erzeugten Kohle gleichkommt,
                              oder ob er in Folge seiner physikalischen Eigenschaften beiden Kategorien gleich
                              fern steht.