| Titel: | Ueber Gasdichtmachung des Wahrendorff'schen Kolbenverschlusses für gezogene Hinterladungsgeschütze mit Compressiv-Geschoß. | 
| Autor: | Dy | 
| Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. CVIII., S. 357 | 
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                        CVIII.
                        Ueber Gasdichtmachung des Wahrendorff'schen
                           Kolbenverschlusses für gezogene Hinterladungsgeschütze mit
                           Compressiv-Geschoß.
                        Ueber Gasdichtmachung des Wahrendorff'schen Kolbenverschlusses für
                           gezogene Hinterladungsgeschütze mit Compressiv-Geschoß.
                        
                     
                        
                           Mitgetheilt von Artillerie-Hauptmann
                                 Dy.
                           In Bd. CLXXV S. 14 dieses Journals wurde bezüglich des Blakely'schen Vorschlags zu Metall-Liderungen für
                              Hinterladungsgeschützverschlüsse bereits mitgetheilt, daß es dem Referenten schon im
                              Jahre 1862 gelungen ist, den Wahrendorff'schen
                              Kolbenverschluß durch einen kleinen Zusatz zum Preßspanboden vollkommen gasdicht zu
                              machen.
                           Da nun in der inmittelst erschienenen, ebenso lehrreichen als interessanten Schrift:
                              „Die preußische Marine, ihre Betheiligung am deutsch-dänischen Kriege,
                                 ihre Bedeutung und Zukunft, von einem Fachmann“ sich S. 31 und 32 die
                              Stelle findet: „Ein weiterer Fehler der preußischen gezogenen Geschütze,
                                 namentlich der 24 Pfünder, war das Klemmen ihrer Kolben, dessen Lösen bisweilen
                                 mehrere Minuten in Anspruch nahm und die Bedienung sehr verlangsamte. Dieser
                                 Fehler, gegen den auch in der Armee die verschiedensten Mittel fruchtlos
                                 angewendet worden sind, wurde später durch Ausbohrung des hinteren Seelentheiles
                                 beseitigt, war aber im Gefechte außerordentlich störend;“ –
                              und da durch seitdem im
                              Großen angestellte Schießversuche des vorigen Jahres sich noch weiter ergeben hat,
                              daß auch die am Schlusse obiger Stelle erwähnte Ausbohrung des hinteren
                              Seelentheiles, welche, dem Vernehmen nach eine belgische Erfindung, in conischer
                              Erweiterung des Ladungsraumes, von etwa ein Zoll hinter der vorderen
                              Verschlußkolbenfläche an, besteht, ihrem Zwecke nicht entspricht, sondern im
                              Gegentheil den zum Lüften der vorgekommenen Verschlußkolbenklemmungen dienenden
                              verhängnißvollen „Reiter“ stark in Anspruch genommen hat, so
                              dürfte es für einen Theil des Leserkreises dieses Journals wohl nicht uninteressant
                              seyn, nun auch über das oben erwähnte höchst einfache Abhilfsmittel, welches jede
                              Constructionsänderung des an sich sehr dauerhaften und zuverlässigen Wahrendorff'schen Verschlusses unnöthig macht, etwas
                              Näheres zu erfahren.
                           Die Beschreibung dieser Verbesserung wird sich am besten mit ihrer
                              Entstehungsgeschichte combinirt vortragen lassen, deren Anfangspunkt in dem Umstande
                              liegt, daß beim Schießen mit den betreffenden Hinterladungsgeschützen, durch das
                              Einklemmen der Verschlußkolben in den Rohren Störungen der ernstesten Art vorkommen,
                              welche um jeden Preis beseitigt werden mußten, und deren Abhülfe zunächst, ganz
                              einfach an dem einmal Gegebenen festhaltend, dadurch versucht wurde, daß man den
                              Preßspanboden, welcher bisher zur Kolbenliderung gedient hatte, durch einen
                              Metallboden derselben Form ersetzte, in dieser Beziehung also nur einen
                              Materialwechsel eintreten ließ. Klemmungen kamen hiernach dann allerdings zwar nicht
                              mehr vor, aber es wurde dadurch zugleich auch die gründliche Reinigung des Rohres
                              nach dem Schusse in einer solchen Weise verlangsamt und erschwert, daß man von
                              diesem Wege wieder abgieng, und nun die beiderseitigen Vorzüge von Preßspan- und
                              Metallboden-Liderung dadurch mit einander zu vereinigen strebte, daß in den bereits
                              vorhandenen Preßspanboden, wie er war, noch ein Metallring von entsprechender Stärke
                              eingesetzt wurde. – Zink schmolz bei den dahin
                              gehörigen Versuchen während des Schusses, Messing war zu
                              starr, um ein nachheriges Durchtreiben des mit einem Ringe dieses Metalles armirten
                              Preßspanbodens durch das Rohr ohne eine unzulässige Verzögerung der
                              Geschützbedienung zu gestatten, Kupfer endlich aber war
                              geschmeidig und widerstandsfähig genug, um einmal den Verschluß vollkommen gasdicht
                              zu machen, ein Durch- oder Vorbeischlagen der Pulvergase also gänzlich vermeiden zu
                              lassen, und dann auch noch das Reinigen des Rohres nach dem Schusse, mittelst
                              Durchstoßens des mit Kupferring armirten Preßspanbodens durch das Rohr hindurch,
                              ohne erheblichen Anstand zu gestatten.
                           Jahrelange praktische Verwendung des mit eingesetztem Kupferringe verstärkten Preßspanbodens,
                              sowie auch auswärts angestellte Versuche, welche der späteren Einführung desselben
                              in andere Artillerien theils vorausgiengen, theils nachfolgten, haben seitdem zur
                              Evidenz gebracht, daß dieser, dem vorliegenden praktischen Bedürfnisse entsprungene
                              Vorschlag genügende Lebensfähigkeit besitzt, um auch weiter noch empfohlen werden zu
                              können. Er hilft dem oben angegebenen Uebel gründlich ab, wenn man sich nur
                              entschließen kann ihn anzunehmen, und in Folge dessen je nach dem Kaliber 2 bis 3
                              Silbergroschen mehr als bisher pro Schuß auszugeben, ein
                              Betrag, welcher durch den Verkauf der bereits benutzten Ringe auch noch vermindert
                              werden kann. Die Güte eines hochstehenden Artilleristen ließ über den Werth dieser
                              Einrichtung, unter Anderem noch im Anfange vorigen Jahres, folgende Mittheilung
                              hierher gelangen: „Ein vergleichendes Schießen aus Hinterladungsgeschützen
                                 mit verschiedenem Verschlusse, ausgeführt im Februar v. J. unweit K., hat den
                                 Preßspanboden mit Kupferring als wesentlich nützlich erkennen lassen. Die
                                 Geschütze waren: ein 6 Pfünder mit Verschluß nach Wahrendorff, ein 6 Pfünder mit Keilverschluß und Kupferliderung, zwei
                                 6 Pfünder mit verschiedenem Verschluß nach Krupp;
                                 hiermit wurde noch ein glatter 6 Pfünder verbunden. Am entscheidendsten zeigte
                                 sich der Vergleich bei 55 Schüssen in einer Folge. Es
                                 hat sich hierbei ergeben (heißt das Urtheil), daß der Wahrendorff'sche Verschluß bei Verwendung des Preßspanbodens nach Dy. keinerlei Hemmungen erfahren hat. Ferner wird
                                 gesagt: Ueberhaupt stellt es sich heraus, daß ein tüchtiger Preßspanboden wie
                                 der Dy.sche mehr leistet als der Expansionsring, und
                                 ein solcher Preßspanboden bei dem Wahrendorff'schen
                                 Verschlusse nicht zu entbehren ist, wozu noch kommt, daß er zur Reinigung des
                                 Rohres erheblich beiträgt.“
                              
                           Diese, an bereits Vorhandenes sich anlehnende Einrichtung, welche in sehr einfacher
                              Weise den jetzt auch in Belgien (vergleiche: Les armes
                                 à feu portatives se chargeant par la culasse. Petite esquisse par un
                                 officier belge, Paris, Bruxelles 1865) immer mehr zur Geltung kommenden
                              Vortheil des Lefaucheux'schen Flintenverschlusses, seine
                              Liderung unabhängig von der Waffe mit jedem Schusse zu erneuern, in angemessener
                              Weise auf einen sonst guten, brauchbaren und nach Bd. CLXXVI S. 195 bis 196 dieses
                              Journals auch zur Ermöglichung imposanter Nahewirkungen sehr leicht noch zu
                              verstärkenden Geschützverschluß überträgt, dürfte hiernach also wohl einige
                              Aufmerksamkeit verdienen, um so mehr als man von der Anwendung des beim
                              Zündnadelgewehr so gute Dienste thuenden Kegelverschlusses nach v. Dreyse, beziehungsweise nach v. Baumgarten und Dörsch für gezogenes Geschütz
                              ganz abstrahiren zu
                              Wollen scheint und endlich Bretverschlüsse, wohin z.B. auch der sogenannte
                              Keilverschluß mit Kupferliderung, ein mit dem sehr sinnreich construirten Kreiner'schen Expansionsringe versehener Doppelkeil,
                              gehört, ihrer Natur nach dem Undichtwerden durch Ausbrennen und Federn mehr
                              ausgesetzt seyn dürften, als ein solid gearbeiteter Kolbenverschluß mit tüchtiger,
                              sich nicht schädlich abnutzender Liderung und mit einer solchen Befestigung des
                              Verschlußkolbens im Rohre, welche den Rückstoß der entzündeten Pulverladung weder
                              durch Schrauben noch durch Keile auf schiefe Ebenen des Verschlußmechanismus
                              einwirken läßt.
                           Cassel, im April 1865.