| Titel: | Ueber Winkler's Theorie der Erhärtung der Portland-Cemente; von Dr. G. Feichtinger. | 
| Autor: | Georg Feichtinger | 
| Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. CXIV., S. 378 | 
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                        CXIV.
                        Ueber Winkler's Theorie der Erhärtung der
                           Portland-Cemente; von Dr. G.
                              Feichtinger.
                        Feichtinger, über Winkler's Theorie der Erhärtung der
                           Portland-Cemente.
                        
                     
                        
                           Im 1. Februarheft 1865 dieses Journals (Bd. CLXXV S. 208) findet sich eine
                              Erwiederung des Hrn. August
                                 Winkler, worin derselbe die von mir gegen seine Ansicht über die
                              Erhärtung der Portland-Cemente im 2. Decemberhefte 1864 dieses Journals (Bd. CLXXIV S.
                              437 aufgeführten Versuche und deren Schlußfolgerungen zu widerlegen versucht, und
                              worin er wiederholt auf seine Versuche hinweist, welche ihm zur Begründung seiner
                              Ansicht dienen. Bevor ich nun auf's Neue den Beweis liefere, wie sehr meine Ansicht
                              gerechtfertigt ist, muß ich mich gegen eine gänzlich unrichtige Auffassung derselben
                              von Seite Winkler's verwahren.
                              Winkler legt in seiner Entgegnung das Hauptgewicht
                              immer darauf, als wenn ich gesagt hätte, daß der frische Portland-Cement nur freie Kieselerde enthalte, und daß die Erhärtung des
                              Portland-Cementes vorzugsweise auf der chemischen Verbindung von Kieselerde und Kalk
                              beruhe. Dieses ist ganz unrichtig. Ich habe mich vielmehr, gestützt auf meine
                              Versuche mit Portland-Cement, dahin ausgesprochen, daß der frische Portland-Cement
                              Silicate, aber auch freien
                                 Kalk enthält, und daß die Erhärtung des Portland-Cementes auf einer unter
                              dem Einfluße des Wassers sich bildenden Verbindung von Kalk mit den Silicaten
                              beruhe. Wenn die Portland-Cemente freie Kieselerde enthalten, so ist die Menge
                              derselben jedenfalls nur gering.
                           Das Wesentlichste, worin meine Ansicht von der Winkler's verschieden ist, liegt daher darin,
                              daß Winkler annimmt, der frische Portland-Cement enthalte
                              keinen freien Kalk, sondern nur basische Silicate, welche während des Erhärtens erst
                              Kalk an das Wasser abgeben, wodurch die Erhärtung eintritt. Meine Ansicht geht aber
                              dahin, daß der frische Portland-Cement auch freien Kalk enthält, und daß sich erst
                              beim Erhärten unter Wasser basische Kalk-Hydrosilicate bilden, wodurch die Erhärtung
                              der Portland-Cemente bedingt ist. Ich habe meine Ansicht vorzugsweise auf zwei
                              Versuche, die ich näher beschrieben habe, gestützt, nämlich auf das Verhalten von
                              Portland-Cement gegen Kohlensäure und kohlensaures Ammoniak (oder kohlensaures
                              Kali). Winkler sagt nun, daß die von mir gewonnenen
                              Resultate ganz gut mit seiner ausgesprochenen Ansicht übereinstimmen, indem er die
                              bekannte Thatsache zu Hülfe nimmt, daß Kohlensäure und das kohlensaure Ammoniak die
                              Kalksilicate zerlegen. Winkler meint hierbei, bei meinen
                              Versuchen hätten sich erst durch die Einwirkung von Kohlensäure resp. kohlensauren Ammoniak freie Kieselerde und saure
                              Silicate aus den im frischen Portland-Cemente enthaltenen basischen Silicaten
                              gebildet, und diese seyen die Ursache, warum frischer Portland-Cement, mit
                              Kohlensäure oder kohlensaurem Ammoniak behandelt, für sich nicht, wohl aber unter
                              Zugabe von Kalkhydrat im Wasser erhärtet.
                           Daß die Kohlensäure und das kohlensaure Ammoniak die Kalksilicate zerlegen, ist
                              allerdings eine längst bekannte Sache; aber ebenso bekannt ist auch, daß die Einwirkung der
                              genannten Körper auf Kalksilicate niemals eine so energische und in einer so kurzen
                              Zeit so weitgehende ist, wie sie von mir bei Portland-Cement beobachtet wurde. Ich
                              habe kieselsauren Kalk, bereitet durch Vermischen einer
                              Chlorcalcium- und einer Wasserglaslösung, gut ausgewaschen, getrocknet und geglüht,
                              ferner Hohofenschlacken mit 32,4 Proc. Kalk, beide im
                              gepulverten Zustande, auf gleiche Weise und eine gleich lange Zeit, wie frischen
                              Portland-Cement, der Einwirkung von Kohlensäure und kohlensaurem Ammoniak
                              ausgesetzt; beim kieselsauren Kalk hatten sich bei Einwirkung von Kohlensäure 4,65
                              Procent und bei Einwirkung von kohlensaurem Ammoniak 7,72 Procent kohlensaurer Kalk,
                              bei den Hohofenschlacken bei Einwirkung der Kohlensäure 3,95 Procent und bei
                              Einwirkung einer concentrirten Lösung von kohlensaurem Ammoniak 4,57 Procent
                              kohlensaurer Kalk gebildet, während bei frischem Portland-Cement die Menge von
                              kohlensaurem Kalk nach Einwirkung von Kohlensäure 25,4 Procent und nach Einwirkung
                              von kohlensaurem Ammoniak 31,7 Proc. betrug. Diese Versuche sprechen gewiß nicht für
                              Winkler's Ansicht, daß die
                              Portland-Cemente basische Silicate sind, und daß sich erst durch Einwirkung von
                              Kohlensäure oder kohlensaurem Ammoniak saure Silicate oder freie Kieselerde gebildet
                              hätten; diese Versuche beweisen auf das bestimmteste, daß der frische
                              Portland-Cement freien Kalk enthält, und daß nicht aller Kalk an die Kieselerde
                              gebunden ist. Die Portland-Cemente enthalten allerdings schon kalkhaltige Silicate;
                              diese Silicate, das eigentliche Cement der Portland-Cemente, welche ich nach einem
                              früher angegebenen VerfahrenPolytechn. Journal Bd. CLII S.
                                       40. aus den Portland-Cementen abgeschieden habe, sind aber noch nicht ganz mit
                              Kalk gesättigt, sondern sie sind im Stande, unter Mitwirkung des Wassers noch Kalk
                              aufzunehmen.
                           Winkler führt ferner drei Versuche an, welche er
                              namentlich als genügende Beweise für seine Ansicht hält; wie weit dieß der Fall ist,
                              will ich näher erörtern: ad 1.
                              „Portland-Cement mit viel Wasser wiederholt digerirt, gibt noch nach
                                 Monaten Kalk an das Wasser ab;“ dieß rührt nach Winkler von einer zuerst schnelleren, dann langsamer fortschreitenden
                              Zerlegung der basischen Silicate durch das Wasser her, während dieses darin seinen
                              Grund hat, daß im Portland-Cemente der freie Kalk überall von gesintertem Thon
                              umhüllt ist, wodurch die Einwirkung des Wassers auf Kalk, und die daraus erfolgende
                              Lösung desselben verlangsamt wird. Ein Umhülltseyn des freien Kalkes von gesintertem
                              Thon im
                              Portland-Cement, welches übrigens nicht von mir, sondern von Hrn. Prof. Dr. Pettenkofer zuerst
                              angenommen worden ist, will nun Winkler deßwegen nicht
                              gelten lassen, weil ein Nebeneinanderfixiren von schmelzendem Thon und freiem Kalk
                              ohne gegenseitige Verbindung der Erfahrung widerspreche; er nimmt daher an, daß sich
                              im Feuer erst leicht schmelzbare neutrale Silicate bilden, welche beim Schmelzen
                              durch Aufnahme von mehr Kalk in sehr schwer schmelzbare basische Verbindungen
                              übergehen; die basischen Silicate dürfen nicht geschmolzen werden.
                           Ich habe schon in meinem ersten Aufsatze ausgesprochen, daß die Portland-Cemente nur
                              soweit erhitzt werden dürfen, daß der in ihnen enthaltene Thon wohl zum Sintern,
                              nicht aber soweit in Fluß kommt, daß dabei aller Kalk in Verbindung mit dem Thon
                              treten kann; wie ich am Schlusse noch näher ausführen werde, tritt allerdings ein
                              Theil des Kalkes im Feuer in die Verbindung mit Thon ein, wodurch das Aufschließen
                              des letzteren bezweckt wird, so daß im Feuer allerdings schon ein kalkhaltiges
                              Silicat sich bildet, der größere Theil des Kalkes muß aber im Portland-Cement frei,
                              außerhalb der Verbindung mit Thon bleiben; dieser freie Kalk ist dann im gebrannten
                              Portland-Cemente überall von dem gesinterten kalkhaltigen Silicate umgeben.
                           Eine vollständige Verbindung des Kalkes mit Thon beim Brennen eines
                              Portland-Cementes, wie Winkler annimmt, ist aber nur
                              möglich, wenn eine vollständige Schmelzung, d.h. eine Verglasung eintritt; ohne vollständige Schmelzung der ganzen Masse ist es
                                 unmöglich, daß aller Kalk in Verbindung mit Thon treten kann, wo sich dabei
                              dann nur basische Silicate bilden. Jeder Portland-Cement-Fabrikant weiß, aber, daß
                              er einen Portland-Cement niemals bis zur vollständigen Verglasung erhitzen darf,
                              weil er in einem solchen Zustande nie mehr zu einem hydraulischen Mörtel tauglich
                              wäre. Alle bisherigen Erfahrungen über die Bildung von kieselsauren Salzen im Feuer
                              sprechen gegen Winkler's
                              Annahme, wornach sich beim Portland-Cemente im Feuer basische Silicate bilden
                              sollten, ohne daß dieselben geschmolzen werden dürften.
                           Ad 2. „Hydraulischer Kalk von Strehlen bei
                                 Dresden, in kochendem Wasser vollständig gelöscht und bei stärkster Weißgluth
                                 wieder gebrannt, gibt eine im Aussehen und Verhalten zu Wasser einem kalkreichen
                                 Portland-Cement gleiche Masse.“
                              Winkler schließt nun daraus: Während des Löschens in
                              kochendem Wasser hätte sich alle freie Kieselsäure mit Kalk verbinden müssen, und da
                              diese Verbindung durch das Brennen jedenfalls nicht zerlegt wird, so hätte das
                              Product nicht im Wasser
                              erhärten können, wenn das Erhärten auf einer Verbindung von Kalk mit Kieselsäure
                              beruhte. Winkler glaubt also annehmen zu müssen, daß
                              durch das Löschen eines hydraulischen Kalkes in kochendem Wasser, d.h. durch die
                              Behandlung eines hydraulischen Kalkes mit kochendem Wasser während einiger Stunden,
                              alle freie Kieselerde sich mit Kalk hätte verbinden müssen; dieses ist aber rein
                              unmöglich, denn eine Verbindung von Kalk mit Kieselsäure kann im Wasser nur dann
                              eintreten, wenn der Kalk zuerst in Lösung übergegangen ist, aus welcher Lösung dann
                              die Kieselerde den Kalk wegnimmt, und sich damit verbindet. Das Wasser löst dann
                              wieder neuen Kalk auf, welcher wieder von der Kieselerde weggenommen wird und so
                              geht dieses so lange fort, als die Kieselerde Kalk aufnehmen kann. Ganz dasselbe ist
                              auch der Fall bei Erhärtung eines Portland-Cementes, wo die in demselben enthaltenen
                              Silicate auch nur dann Kalk aufnehmen können, wenn der Kalk zuerst in Lösung
                              übergegangen ist. Bekanntlich löst sich aber der Kalk in
                                 heißem Wasser in viel geringerer Menge auf, als in kaltem; es kann daher
                              offenbar auch in heißem Wasser die Bindung von Kalk von Seite der in einem
                              hydraulischen Mörtel enthaltenen Silicate oder Kieselerde in einer gleichen Zeit nur
                              eine viel langsamere seyn als wie im kalten Wasser. Und selbst in kaltem Wasser ist
                              eine vollkommene Bindung des Kalkes in einigen Stunden nicht möglich; hierzu gehören
                              Monate, wie uns die Erfahrung lehrt. Die Anwendung von kochendem Wasser anstatt von
                              kaltem kann mithin nur als ein Kunstgriff betrachtet werden, die Silicate vor der
                              Verbindung mit Kalk mehr zu schützen und Winkler's Versuch beweist nichts anderes, als daß auch beim
                              obengenannten hydraulischen Kalk während des Löschens in heißem Wasser während
                              einiger Stunden nur ein ganz geringer Theil des Kalks, wie vorauszusehen war, mit
                              Kieselerde sich hat verbinden können. Das darauffolgende starke Brennen verursachte
                              eine ähnliche Veränderung wie beim Brennen des Portland-Cementes, d.h. eine
                              Sinterung des Thones, wobei wohl ein Theil des Kalks sich mit Thon verband, der
                              größere Theil Kalk aber außer der Verbindung blieb.
                           Ad 3. „Frisches wie erhärtetes Portland-Cement
                                 löst sich in alkoholischer Salzsäure vollständig. Auch die Kieselsäure wird
                                 gelöst und bleibt gelöst. Kieselsaurer Kalk, aus Wasserglas- und Kalklösung
                                 dargestellt, gibt mit alkoholischer Salzsäure ungelöste Kieselsäure als
                                 schleimigen Rückstand.“ Wegen dieses qualitativen Unterschiedes
                              zwischen erhärtetem Portland-Cement und einem auf nassem Wege entstandenen
                              Kalksilicat glaubt Winkler sich gegen die Theorie von Fuchs hinsichtlich des Erhärtungsprocesses der
                              Portland-Cemente aussprechen zu müssen. Daß sowohl frisches wie erhärtetes Portland-Cement gegen
                              alkoholische Salzsäure sich anders verhalten wie ein auf nassem Wege dargestelltes
                              Kalksilicat, darf uns nicht wundern, wir haben weder im frischen noch erhärteten
                              Portland-Cemente reines Kalksilicat; im frischen Portland-Cemente haben wir durch's
                              Feuer gebildete Doppelsilicate und freien Kalk; erstere nehmen bei der Erhärtung
                              unter Wasser noch Kalk auf und dadurch sind im erhärteten Portland-Cemente ebenfalls
                              Doppelsilicate, nur kalkreichere, enthalten.
                           Nach diesen Erörterungen wird es nun Jedermann ein Leichtes seyn, zu entscheiden, ob
                              Winkler's Ansicht über die
                              Zusammensetzung der Portland-Cemente, daß dieselben nämlich basische Silicate sind,
                              gegründet ist. Von der Unhaltbarkeit derselben werden wir aber noch mehr überzeugt,
                              wenn wir den Erhärtungsproceß der Portland-Cemente, wie ihn Winkler erklärt, noch näher untersuchen. Nach Winkler geben die Portland-Cemente, welche basische Silicate sind, während
                              des Erhärtens Kalk an das Wasser ab. Der Erhärtungsproceß ist nach ihm daher ein
                              doppelter: ein physikalischer, als er das Verkitten der
                              getrennten Pulvertheilchen zu einer zusammenhängenden Masse begreift; ein chemischer, als er die chemische Reaction begreift, durch
                              welche die Molecüle, welche die Pulvertheilchen bilden, vorübergehend beweglich werden, wodurch die Möglichkeit der Verkittung der
                              getrennten Pulvertheilchen gegeben ist.
                           Nach Winkler's Ansicht besteht
                              demnach der Erhärtungsproceß des Portland-Cementes darin, daß aus den basischen
                              Silicaten, welche im Portland-Cemente enthalten seyn sollen, durch die Einwirkung
                              des Wassers Kalk austritt, sich dann zwischen die Pulvertheilchen legt und so die
                              Verkittung derselben verursacht; die Kalkmolecüle, die aus den basischen Silicaten
                              abgeschieden werden, sind es demnach, die nur vorübergehend
                                 beweglich werden müssen. Denken wir uns nun die Portland-Cemente wirklich
                              als basische Kalksilicate, welche durch Einwirkung von Wasser in der Weise zerlegt
                              werden, daß Kalk aus der Verbindung austritt, so ist dieß nur dadurch möglich, daß
                              der ausgeschiedene Kalk vom Wasser gelöst wird; es sind daher einige Zeit nach dem
                              Anmachen eines Portland-Cementes zu Mörtel die Pulvertheilchen anstatt von reinem
                              Wasser, von Kalkwasser umgeben; letzteres, wenn einmal vollkommen gesättigt, kann
                              dann keine weitere auflösende Wirkung auf den in den basischen Silicaten enthaltenen
                              Kalk äußern. Eine weitere Zersetzung, d.h. Abscheidung von Kalk aus den basischen
                              Kalksilicaten kann nur dann wieder eintreten, wenn wir das Kalkwasser durch reines
                              Wasser ersetzen, oder wenn wir aus dem Kalkwasser den Kalk abscheiden. Das Kalkwasser gibt aber seinen
                              Kalk nur wieder ab, wenn ihm derselbe durch andere Körper entzogen wird, wie z.B.
                              durch Kohlensäure, Kieselsäure, kieselsaure Salze, wenn diese mit dem Kalkwasser in
                              Berührung gebracht werden. Dieses ist aber hier nicht der Fall. Es ist daher niemals
                              denkbar, daß der Kalk, welcher von dem Wasser aus den basischen Silicaten
                              aufgenommen wird, sich gleich wieder aus der Lösung abscheidet, sich zwischen die
                              einzelnen Pulvertheilchen legt und diese verkittet, worauf dann das Wasser wieder
                              neuen Kalk lösen könnte, welcher sich wieder ausscheidet und so fort, so lange eben
                              ein Austreten von Kalk aus den basischen Silicaten nothwendig und möglich ist. Eine
                              solche Rolle der Abscheidung des unter Mitwirkung des Wassers ausgetretenen Kalkes
                              könnte man etwa der Kohlensäure der Luft zuschreiben. Da aber Portland-Cement nur
                              einmal mit Wasser angemacht bei Luftabschluß ebenso hart wird, wie bei Luftzutritt,
                              so fällt die Hypothese Winkler's schon dadurch, abgesehen von allen übrigen Einwürfen, die man
                              noch machen könnte.
                           Alle von Winkler angeführten Punkte sind daher nicht im
                              Stande, meinen Ausspruch umzustoßen, wornach auch für die Erhärtung der
                              Portland-Cemente die Theorie von Fuchs im Wesentlichsten
                              ihre Geltung hat, daß nämlich auch die Portland-Cemente im frischen Zustande freien
                              Kalk enthalten und daß die Erhärtung derselben ebenfalls auf einer unter Mitwirkung
                              von Wasser eintretenden chemischen Verbindung beruhe. Warum aber die
                              Portland-Cemente sich so verschieden von den anderen hydraulischen Kalken verhalten,
                              beruht sowohl auf einem verschiedenen Thongehalt, als vorzugsweise auf der
                              chemischen Zusammensetzung des Thones, und den dadurch bedingten Veränderungen beim
                              Brennen. Es ist bekannt, daß die Zusammensetzung des Thones von unendlich großer
                              Wichtigkeit ist; zwei Mergel, bei welchen das Verhältniß des Thones zu Kalk ganz
                              gleich ist, und welche bei ganz gleicher Temperatur gebrannt werden, zeigen doch
                              nachher unter Wasser ein ganz verschiedenes Verhalten. Die Ursache hiervon liegt nur
                              in der verschiedenen Zusammensetzung des Thones.
                           In allen Fällen, wo kohlensaurer Kalk und Thon als Gemenge im Feuer aufeinander
                              wirken, wird zuerst der kohlensaure Kalk zu Aetzkalk, welcher dann auf die im Thone
                              enthaltenen Silicate oder Kieselerde dadurch aufschließend wirkt, daß sich im Feuer
                              Verbindungen der Silicate oder Kieselerde mit Kalk bilden, welche Verbindungen durch
                              Säuren zersetzbar sind. Es ist nun einleuchtend, daß je nach der chemischen
                              Zusammensetzung des Thones und je nach der größeren oder geringeren Hitze beim
                              Brennen die Verbindungen, welche sich zwischen dem Thone und dem Kalke bilden,
                              verschieden zusammengesetzt sind, und daß daher je nach der Verschiedenheit der im
                              Feuer gebildeten Silicate natürlich auch das Verhalten eines hydraulischen Kalkes im
                              Wasser verschieden seyn muß. Der Thon, d.h. der in Salzsäure unlösliche Theil der
                              Mergel enthält in den meisten Fällen nur sehr wenig Silicate, gewöhnlich
                              Thonerdesilicate; in sehr vielen Fällen besteht er größtentheils nur aus Kieselerde
                              allein; bei diesen lehrt daher schon längst die Erfahrung, daß beim Brennen
                              derselben die Hitze nicht zu hoch gesteigert werden darf; diese werden daher auch
                              nur bei einer geringen Hitze gebrannt, wodurch die im Feuer sich bildenden Silicate
                              nicht zum Sintern kommen; diese stellen dann im gebrannten Zustande eine erdige
                              Masse dar, deren Volumen im Feuer wenig verringert wurde; bei zu großer Hitze bilden
                              sich bei diesen leicht zu kalkreiche Silicate, welche im Wasser keinen Kalk mehr
                              aufnehmen können.
                           Im Thon zu den Portland-Cementen ist die Kieselerde mit ziemlich vielen Basen
                              verbunden; beim Brennen der Portland-Cemente tritt daher mit dem Aufschließen des
                              Thones zugleich eine Sinterung der im Feuer sich bildenden Silicate ein, ohne daß
                              zugleich die Kieselerde mit Kalk gesättigt wird, wodurch die Masse viel cohärenter
                              und dichter wird. Die im Feuer gebildeten Silicate der Portland-Cemente
                              unterscheiden sich daher von denjenigen in anderen hydraulischen Kalken durch ihre
                              Zusammensetzung und vorzugsweise durch ihren
                                 Cohärenzzustand.
                           Die Erhärtung tritt bei allen hydraulischen Mörteln auf gleiche Weise ein und zwar
                              dadurch, daß die im Feuer gebildeten Silicate unter Mitwirkung des Wassers noch Kalk
                              aufnehmen; in welcher Zeit die Erhärtung der hydraulischen Mörtel vor sich geht,
                              oder welchen Grad von Härte dieselben erlangen, hängt von der Zusammensetzung und
                              auch wesentlich von dem Cohärenzzustand der im
                              hydraulischen Mörtel im Feuer gebildeten Silicate ab. Je mehr Kalk im Feuer bereits
                              von dem Thone gebunden wurde, desto langsamer die Erhärtung und desto geringer der
                              Grad der Erhärtung. Schwach gebrannte hydraulische Kalke ziehen viel schneller an
                              und erhärten auch schneller, erlangen aber keine große Festigkeit, während bei
                              höherer Hitze gebrannte, worin die als Cement wirkenden Silicate dichter und
                              cohärenter sind, langsamer anziehen, längere Zeit zum Erhärten brauchen, aber dann
                              eine große Festigkeit erlangen. Dieses hängt vorzugsweise von der Cohärenz der
                              Silicate und der dadurch bedingten Wasseraufnahme beim Anmachen mit Wasser ab, wie
                              ich in meinen früheren Versuchen über die Wasseraufnahme beim Erhärten verschiedener
                              hydraulischen Kalke nachgewiesen habe. Es darf uns daher das so äußerst verschiedene
                              Verhalten der hydraulischen Kalke im Wasser nicht überraschen, denn wie sehr verschieden ist
                              der Thon in seiner chemischen Zusammensetzung und wie sehr verschieden die beim
                              Brennen angewendete Hitze, wodurch sich dann Silicate von so verschiedener
                              Zusammensetzung und verschiedener Cohärenz bilden. Aber so verschieden auch das
                              Verhalten der hydraulischen Kalke im Wasser ist, die Erhärtung derselben tritt bei
                              allen auf gleiche Weise ein, nämlich dadurch daß unter Mitwirkung von Wasser eine
                              chemische Vereinigung zwischen dem Kalk und den
                              Silicaten vor sich geht, und in dieser Beziehung muß ich mich wiederholt dahin
                              aussprechen, daß die Theorie von Fuchs über die Erhärtung der
                                 hydraulischen Mörtel im Wesentlichsten auch für die Portland-Cemente ihre
                                 Geltung hat.