| Titel: | Neues Verfahren zur Gußstahlfabrication von J. E. Martin. | 
| Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. LXIX., S. 310 | 
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                        LXIX.
                        Neues Verfahren zur Gußstahlfabrication von J. E.
                              Martin.
                        Aus Armengaud's Génie industriel, Juli 1865, S. 9.
                        Martin's Verfahren zur Gußstahlfabrication.
                        
                     
                        
                           Dieses am 10. August 1864 in Frankreich patentirte Verfahren besteht in
                              Folgendem:
                           1) Das zur Stahlfabrication bestimmte Material, Stabeisen oder Schmelzstahl, wird im
                              Flammofen, vorzugsweise im Siemens'schen Gasofen, in
                              einem Roheisenbade eingeschmolzen. Nachdem die Charge gehörig durchgearbeitet worden
                              und die erforderliche Temperatur erlangt hat, wird sie theilweise abgestochen,
                              worauf neues Material eingesetzt und auf gleiche Weise fortgefahren wird, so daß ein
                              continuirlicher Betrieb stattfindet, der den wesentlichen Charakter dieser Methode
                              ausmacht.
                           2) Diese Bäder müssen von den schweren, schwarzen, an Eisenoxyd reichen Schlacken
                              freigehalten und es müssen diese letzteren durch andere, von Eisen- und
                              anderen Metalloxyden möglichst freie Schlacken, z.B. durch die glasartigen
                              Holzkohlenhohofenschlacken vom gaaren Ofengange, oder durch Quarzsand und andere
                              verglasbare, gegen Oxydation schützende Zuschläge ersetzt werden.
                           Jene schwarzen Schlacken sind ganz besonders dann zu vermeiden, wenn gepuddelte
                              Luppen, für sich allein oder mit Zusatz von Roheisen, direct aus dem Puddelofen im
                              Schachtofen mit continuirlichem Betriebe auf guten, hämmerbaren Stahl verarbeitet
                              werden sollen. Zu diesem Behufe schlägt man den Luppen, beziehungsweise der aus
                              diesen und Roheisen bestehenden Charge eine genügende Menge der vorhin erwähnten
                              eisenoxydfreien Schlacke oder der verglasbaren, gleichfalls eisenfreien Flußmittel
                              zu, und läßt sie durch den Stich des Schachtofens abfließen, bis sie ganz hell und
                              oxydfrei erscheinen. Nach dieser Methode kann man auch die oben genannten Gemenge
                              von Roheisen, Stabeisen und Stahl schmelzen und dadurch Producte von verschiedenen
                              Graden der Festigkeit und Hämmerbarkeit darstellen.
                           Auf gleiche Weise lassen sich Flossen oder Gänze von Roheisen behandeln, indem
                              dieselben mit Eisendrehspänen, Abfällen von Walzwerken u.s.w. versetzt werden. Auch
                              kann man dem Roheisenbade Braunstein, Chlor- oder Fluorverbindungen,
                              salpetersaure Salze, verschiedene Metalle u.s.w. zuschlagen.
                           Ebenso kann man das flüssige Roheisen im Puddelofen oder in einem anderen Ofen mit
                              Glühspan, Eisenoxyd, Braunstein, Bleioxyd, sauerstoffreicher Schlacke oder einem sauerstoffreichen
                              Salze behandeln. Hat eine genügend intensive und anhaltende Reaction der Zuschläge
                              auf das Roheisen stattgefunden, so wird die Schlacke abgestochen und durch neutrale
                              oder basische Zuschläge, z.B. durch gepulverte Hohofenschlacke, verglasbaren Thon,
                              Natron- oder Kalisalze, Kalk etc., ersetzt und der teigige Zustand der
                              Beschickung durch Temperaturerhöhung in den dünnflüssigen verwandelt.
                           Endlich kann man auch Graphit, gepulverte Kohks oder Steinkohlen, Holzkohlenlösche,
                              überhaupt reducirende und kohlende Substanzen auf die Oberfläche des Bades bringen
                              oder der Charge beimengen, um die eisenoxydreiche Schlacke in eine eisenoxydfreie
                              oder doch wenigstens eisenoxydarme zu verwandeln.