| Titel: | Untersuchungen über den schwarzen Phosphor; von Dr. Blondlot. | 
| Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. LXXII., S. 317 | 
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                        LXXII.
                        Untersuchungen über den schwarzen Phosphor; von
                           Dr. Blondlot.
                        Aus den Comptes rendus,
                              t. LX p. 830, April 1865.
                        Blondlot, über den schwarzen Phosphor.
                        
                     
                        
                           Der krystallisirbare Phosphor zeigt hinsichtlich seiner Farbe drei allotropische
                              Varietäten, indem er als weißer, gelber und schwarzer Phosphor auftritt. Diese letztere, von Thenard entdeckte Varietät konnte bisher nur durch Zufall
                              reproducirt werden, so daß ihre Existenz von der Mehrzahl der Chemiker in Zweifel
                              gezogen wird.
                           Bei meinen Untersuchungen über die Darstellung des schwarzen Phosphors kam ich nun,
                              in Uebereinstimmung mit der von Thenard ausgesprochenen
                              Ansicht, zu der Erkenntniß, daß die verschiedene Farbe des Phosphors von dem Grade
                              seiner Reinheit und der Art seines Erkaltens nach dem Schmelzen bedingt wird.
                           Bekanntlich wird der Phosphor durch Destillation gereinigt. Nach meinem Verfahren
                              destillire ich ihn in einem Strome von Wasserstoffgas, aus einer kleinen tubulirten
                              Retorte, welche im Sandbade erhitzt wird und mit einem zur Hälfte mit Wasser
                              gefüllten Kolben verbunden ist; dieser Kolben liegt während der Operation in einer
                              großen, Wasser von 70° C. enthaltenden Schale. Nach dem Auseinandernehmen des
                              Apparates findet man gewöhnlich am Boden der Retorte eine gewisse Menge rothen
                              Phosphors. Nun besteht, meinen Beobachtungen zufolge, die Umwandlung des
                              gewöhnlichen gelben Phosphors unserer Laboratorien in den als rein geltenden weißen
                              Phosphor zunächst in der Erzeugung, dann in der allmählichen Eliminirung dieses
                              rothen Phosphors. Ich beobachtete ferner, daß man, wenn das
                              „Weißmachen“ des Phosphors durch wiederholte Destillation
                              gelingen soll, denselben zwischen jeder Operation der Insolation unterwerfen, d.h.
                              ihn – am besten in Glasröhren – der Einwirkung der Sonnenstrahlen
                              aussetzen muß, wodurch der gelbe Theil, welcher flüchtig ist, in rothen, nicht
                              flüchtigen Phosphor umgewandelt wird. Ist auf diese Weise der Phosphor weiß
                              geworden, so besitzt er die größte Neigung sich in die schwarze Modification zu
                              verwandeln. Dieß kann, wie Thenard gezeigt hat, in Folge
                              eines plötzlichen Erkaltens geschehen. Bekanntlich erhitzte der berühmte Chemiker
                              zur Erzielung dieses Resultates gewöhnlichen Phosphor in kleinen dünnen Röhren bis
                              zum Schmelzen und tauchte die letzteren dann in kaltes Wasser. Der auf diese Weise
                              entstandene schwarze Phosphor verlor beim Umschmelzen seine Farbe und nahm dieselbe
                              erst durch plötzliches Erkalten wieder an. Man schloß aus dieser Thatsache, daß der
                              schwarze Phosphor das Resultat des Abschreckens, einer Art von Härtung sey; doch ist
                              das ein Irrthum, denn es ist mir gelungen, diese Modification noch weit leichter
                              durch die entgegengesetzte Behandlung, d. i. durch sehr langsames Erkalten,
                              darzustellen. Dieß ist sogar die gewöhnliche Weise, auf welche ich mir schwarzen
                              Phosphor verschaffe.
                           Zu diesem Behufe destillire ich den zuvor insolirten (der Einwirkung der
                              Sonnenstrahlen ausgesetzten) Phosphor, bis das in der Vorlage aufgefangene, mit
                              Hülfe des Wasserbades auf die oben angegebene Weise sehr langsam abgekühlte
                              Destillationsproduct plötzlich schwarz wird. Diese sonderbare Veränderung geht
                              gewöhnlich in folgender Weise vor sich: sobald die Temperatur auf etwa 44° C.
                              gesunken ist, erstarrt der Phosphor wie gewöhnlich zu einer weißen Masse; wenn dann
                              das Wasser nach mehreren Stunden eine Temperatur von nur noch 5° oder
                              6° hat, so nimmt er plötzlich, im Verlaufe einer Secunde, ein schön schwarze
                              Farbe an. Uebrigens läßt sich dieser schwarze Phosphor, wenn er einmal erhalten
                              worden ist, unverändert umschmelzen und umdestilliren. Im flüssigen Zustande
                              erscheint er allerdings farblos, bei sehr langsamem Erkalten aber wird er wieder
                              schwarz, wie auch zuweilen bei sehr raschem Erkalten. Er besitzt übrigens alle
                              charakteristischen Eigenschaften des gewöhnlichen Phosphors, nur ist er etwas
                              weicher.
                           Aus dem Vorstehenden folgt, daß, da der gelbe Phosphor als unrein anerkannt ist, der
                              weiße aber nur einen Uebergangszustand zu dem schwarzen bildet, dieser letztere,
                              weit beständigere, nicht mehr als eine Anomalie, sondern
                              im Gegentheil als der wahre Typus des Phosphors zu betrachten ist.
                              Diese, vielleicht sonderbar erscheinende Ansicht wird dadurch unterstützt, daß
                              zuweilen alter, bei Zutritt von zerstreutem Lichte aufbewahrter Phosphor vorkommt,
                              welcher äußerlich mit einer rothen Schicht bedeckt, innen aber schwarz geworden ist,
                              wie wenn er sich spontan gereinigt und dabei eine Molecularveränderung erlitten
                              hätte, welche nicht ohne Analogie mit der Krystallisation ist.