| Titel: | Ueber einen Ventilations-Zimmerofen; von J. Graff, Baurath in Augsburg. | 
| Autor: | J. Graff | 
| Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. LXXXVIII., S. 367 | 
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                        LXXXVIII.
                        Ueber einen Ventilations-Zimmerofen; von
                           J. Graff, Baurath in Augsburg.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VI.
                        Graff, über einen Ventilations-Zimmerofen.
                        
                     
                        
                           Im 2. Märzheft dieses Journals, Bd. CLXXV S. 440, findet sich ein Aufsatz des
                              Generals Morin über einen neuen, in den Casernen und
                              Spitälern Englands angewendeten Kamin, erfunden von Douglas Dalton, großbritannischem Militär-Ingenieur. Der Vorzug dieses
                              Kamines vor den gewöhnlichen beruht auf der Verbindung der Ventilation der Zimmer
                              mit deren Heizung. Die Zuführung frischer Luft wird erreicht, indem man hinter dem
                              Kamine eine Luftkammer herstellt, durch welche das Rauchrohr zum Schlot geführt
                              wird, und in diese Kammer sodann am Boden frische Luft von
                                 Außen einströmen und an der Decke in das Zimmer austreten läßt, nachdem sie
                              sich bei dem Durchgange durch die Kammer an dem Rauchrohre und der hinteren Seite
                              des Kamins genügend erwärmt hat.
                           Diese Verbindung der Ventilation mit der für das milde Klima Englands, Italiens und
                              des südlichen Frankreichs ausreichenden Kaminheizung gewährt dasselbe, aber in
                              minder ergiebiger Weise, was Verfasser dieses bei der Construction eines
                              Ventilations-Zimmerofens erstrebte, welche derselbe für einen engeren
                              Leserkreis in der Beilage zum Jahresberichte der Augsburger Gewerbehalle von 1862
                              veröffentlicht hat, nämlich die Zuführung frischer Luft in
                                 bewohnte Räume vermittelst der gewöhnlichen Ofenheizung.
                           Die Wichtigkeit der Lufterneuerung in allen solchen Räumen, welche zum Aufenthalte
                              vieler Menschen dienen, ist zu allgemein anerkannt, als daß nicht jeder Beitrag
                              willkommen seyn müßte, welcher dazu dienen kann, auf eine wenig kostspielige und
                              einfache Weise dieselbe zu erreichen.
                           Jedermann weiß ja und kann es täglich beobachten, wie bald die Luft in einem mit
                              Menschen angefüllten Raume verdirbt, wenn nicht ein fortwährender Luftwechsel
                              stattfindet, und wie lästig und ungesund, wie deprimirend für Geist und Körper der
                              Aufenthalt in solchen Räumen ist. Schon die Kinder leiden unter dem Mangel an reiner
                              Luft in den Schulsälen und die geringere Empfänglichkeit für den Lehrstoff darf wohl
                              häufiger der hierdurch bewirkten Abspannung, als der Trägheit und Indolenz der
                              Jugend zugeschrieben werden. Dann findet man ganz gewöhnlich schlechte Luft in
                              Wirthschaftslocalitäten, Arbeitssälen, Gerichtssälen, Concert- und Ballsälen,
                              Theatern und namentlich in Krankenhäusern. Wie manche Gesundheit durch den Mangel an
                              gehörigem Luftwechsel untergraben, wie Krankheitsstoffe hierdurch rasch verbreitet
                              und die Widerstandskraft des Körpers gegen schädliche Einflüsse herabgestimmt wird,
                              davon weiß jeder Arzt aus seiner Erfahrung zu erzählen.
                           Zahlreich sind deßhalb auch die Versuche, welche gemacht wurden, um eine genügende
                              Lufterneuerung in geschlossenen, von vielen Menschen besetzten Räumen zu erzielen,
                              und Vieles ist über diesen Gegenstand geschrieben worden. Von der Einführung der
                              Ofenheizung im Innern der Zimmer und dem dadurch bewirkten Abzug der Zimmerluft in
                              den Rauchkamin bis zur Eintreibung frischer Luft mittelst mechanischer Kraft nach
                              van Heeke und der combinirten Heißwasserheizung und
                              Ventilation nach Haag ließe sich eine reiche Scala von
                              Vorschlägen und Versuchen aufzählen, durch welche den Leiden der Menschheit aus
                              Mangel an frischer Luft, dem nothwendigsten Lebenselement, abgeholfen werden
                              sollte.
                           Bis in die neueste Zeit hat man die Ventilation immer mit der Heizung zu verbinden
                              gesucht. Die Erwärmung der Räumlichkeiten war Hauptzweck, die Lufterneuerung wurde
                              nur nebenbei erstrebt. Mit Beendigung der Heizperiode war man auf die natürliche
                              Ventilation, das „Lüften“ der Zimmer angewiesen.
                           Eine Begünstigung des Luftwechsels wurde mittelst des Zimmerheizofens dadurch
                              eingeführt, daß man denselben von Innen heizbar machte und so einen Abzug
                              verbrauchter Luft aus dem Zimmer als Speiseluft des Feuers in den Kamin bewirkte. So
                              unzureichend dieses Mittel für die Lufterneuerung wirkt, so war es doch immerhin
                              eine Verbesserung und wurde bald allgemein als solche erkannt und eingeführt.
                           Die Eigenschaft der Luft, durch Erwärmung sich auszudehnen, wodurch das Gewicht eines
                              bestimmten Volumens sich entsprechend der Ausdehnung vermindert und eine erwärmte
                              Luftschichte in der umgebenden kälteren Luft so lange in die Höhe steigt, bis eine
                              Ausgleichung der Temperatur stattgefunden hat, wurde vielfach benutzt, um
                              verbrauchte Luft aus geschlossenen Localitäten mittelst Abzugscanälen zu beseitigen
                              und reine Luft dafür zuzuführen. Am wirksamsten und für viele Fälle genügend
                              geschieht dieß bei den speciell als Luftheizungen bezeichneten Einrichtungen, bei
                              welchen bekanntlich die Erwärmung der Localitäten durch Einführung eines
                              continuirlichen Stromes warmer Luft bewirkt wird. Indem man hierbei den
                              einzuführenden Luftstrom selbst zum Träger der Wärme
                              macht, erscheint der Zweck der Ventilation und Heizung hier auf's engste und
                              untrennbar verbunden. Diese Verbindung wird für gewisse Fälle der Luftheizung immerhin einen
                              Vorzug vor der Heißwasser- oder Dampfheizung sichern, d.h. in allen den
                              Fällen, wo die Ansprüche auf Lufterneuerung nicht sehr hoch gestellt werden
                              müssen.
                           Die größten Anforderungen bezüglich der Ventilation müssen immer bei den Spitälern
                              gestellt werden. Unter den Aerzten herrscht die der Erfahrung entsprungene Annahme,
                              daß eine vollkommen reine Luft in Krankensälen nur dann zu erhalten sey, wenn auf
                              einen Kranken per Stunde 60 Kubikmeter oder 2400
                              Kubikfuß reine Luft zugeführt werden. Solch hoher Forderung gegenüber genügen alle
                              Einrichtungen nicht mehr, welche nur auf die Gewichtsdifferenz zwischen kalter und
                              warmer Luft basirt sind. In Krankenhäusern hat man deßhalb in neuerer Zeit begonnen,
                              das nöthige Luftquantum durch mechanische Kraft mittelst
                              Ventilatoren einzutreiben. Der Betrieb geschieht gewöhnlich mittelst Dampfkraft, die
                              sich in solchen Anstalten ebenso wie der Dampf noch zu mancherlei anderen Zwecken
                              verwenden läßt, so daß nicht alle Kosten der Ventilation allein zugerechnet werden
                              müssen. Von Hauptcanälen aus vertheilt sich die Luft in Zweigcanäle und in die
                              einzelnen Säle oder Zimmer. Um die Temperatur immer auf der angemessenen Höhe zu
                              erhalten, läßt man die Luft noch besondere Kammern passiren, in welchen sie im
                              Winter erwärmt, im heißen Sommer abgekühlt wird. Damit scheint denn allen
                              Anforderungen, die man bezüglich Heizung und Ventilation stellen kann, genügt werden
                              zu können.
                           Solche Anlagen sind übrigens so kostspielig bezüglich der Herstellung und des
                              Betriebes, daß sie nur bei großen öffentlichen, reich dotirten Anstalten zur
                              Ausführung kommen können.
                           Für kleinere Anstalten, Schulen und jedes Zimmer empfiehlt sich deßhalb die
                              nachbeschriebene, mit jedem Zimmerofen mittelst ganz geringen Kostenaufwandes zu
                              verbindende Ventilationsvorrichtung, welche in ihrer Construction so einfach ist,
                              daß jeder einigermaßen intelligente Ofensetzer sie zur Ausführung bringen und je
                              nach der Stellung des Ofens und der Lage der Zimmer die entsprechenden
                              Modificationen treffen kann.
                           Die Figuren
                                 1–5 zeigen einen der in Deutschland so häufig angewendeten Thonöfen mit
                              Durchsichten, mit welchem diese Vorrichtung verbunden ist.
                           Dieselbe besteht in einem Rohre e für die Zuleitung
                              frischer Luft, in einem Heizkasten a, b, c, d, und in
                              einem Steigrohr f, f.
                           Das Ventilationsrohr e kann je nach Umständen wie in Fig. 6 einfach
                              durch die Mauer, oder es kann, wie in Fig. 7 von dem Ansatze e abwärts geführt, unter dem Fußboden zwischen die
                              Balken gelegt werden und
                              mittelst einer mit einem feinen Gitter zu versehenden Oeffnung in's Freie münden.
                              Ist ein luftiger Raum, wie ein Corridor, Vorplatz, Treppenhaus etc. gegen die
                              Ofenwand des zu ventilirenden Zimmers gelegen, so kann man auch aus diesem die Luft
                              entnehmen, vorausgesetzt daß dieselbe rein ist.
                           Es ist klar, daß eine lebhafte Bewegung der Luft stattfinden muß, sobald der Ofen
                              geheizt wird, und zwar tritt dieselbe bei e von Außen
                              ein, erwärmt sich in dem Heizkasten a, b, c, d, steigt
                              in dem Rohre f, f aufwärts und tritt am oberen Ende
                              desselben in das Zimmer ein.
                           Das Luftquantum, welches man auf diese Weise in ein Local einführen kann, hängt
                              natürlich von dem Querschnitte der Röhre und dem Grade der Heizung ab. Bei einer
                              Röhre von 288 Quadrat-Centimeter Querschnitt (wie in der beigegebenen
                              Zeichnung) und mäßiger Heizung berechnet sich dasselbe auf 311 Kubikmeter oder 12440
                              Kubikfuß. Es ist nämlich das zugeführte Luftquantum
                           q = pv .
                              3600
                           wenn p den Querschnitt der Röhre
                              und v die Geschwindigkeit der austretenden Luft per Secunde bezeichnet. v
                              darf = 3 Meter gesetzt werden.
                           Für den Abzug der Luft aus dem Zimmer sind besondere Vorkehrungen nicht erforderlich,
                              wenn der Ofen im Zimmer geheizt wird. Die Luft entweicht dann durch den
                              Feuerungsraum als Speiseluft des Feuers in den Kamin, ferner durch Ritzen der
                              Fenster und Thüren, endlich durch die Porositäten der Fußböden, Decken und
                              Mauern.
                           Wird aber der Ofen nicht im Innern des Zimmers geheizt, so wird man gut thun, die
                              Speisung des Feuers doch vom Zimmer aus durch Einführung der Luft unter den
                              Feuerrost zu bewerkstelligen, oder auf andere Weise den Luftabzug zu begünstigen.
                              Nach den Untersuchungen von Prof. Pettenkofer wäre zwar
                              dieß nicht nothwendig, da die Durchdringlichkeit unserer Baumaterialien im trockenen
                              Zustande für die Luft, dann die zufälligen Ritzen der Fenster und Thüren vollkommen
                              ausreichen würden, das Gleichgewicht der Luft im Zimmer mit der äußeren Luft
                              herzustellen; indeß ist zu beachten, daß Oelfarbe-Anstriche der Fußböden, der
                              Thüren und Fenster, Anbringung von Vorfenstern und Vorthüren, sorgfältige
                              Beseitigung aller Ritzen, die oft in mehreren Lagen übereinander geklebten Tapeten,
                              die Ausgleichung des Druckes der inneren und äußeren Luft sehr beeinträchtigen
                              können. Wo man solche Hindernisse des Luftaustrittes vorfindet, wird man selbst die
                              Anbringung von Abzugsröhren, am besten neben einem Rauchkamin gemauert und durch
                              denselben erwärmt, andernfalls auch in Holz oder Metallblech hergestellt und in einem höheren Stockwerke
                              in den Kamin einmündend, nicht als überflüssig erachten können.
                           Hierbei muß die Luft immer am Boden des Zimmers oder nahe demselben, niemals oben,
                              abgeführt werden, wenn nicht der Heizungszweck und der Austausch der Luft sehr
                              beeinträchtigt werden soll.
                           Bei strenger Kälte muß man das Luftzuleitungsrohr mit einer Klappe absperren können,
                              weil man sonst, beim Aufhören der Feuerung, der kalten Luft zu viel Zutritt
                              gestatten würde. Damit aber im Falle unrichtiger Behandlung der Klappe, d.h. wenn
                              vergessen würde dieselbe bei beginnender Feuerung wieder zu öffnen, der Heizapparat
                              nicht ohne Luftcirculation sey, muß die Einrichtung so getroffen seyn, daß die
                              Klappe, indem sie die äußere Luft absperrt, eine entsprechend große Oeffnung für den
                              Zutritt der Zimmerluft frei läßt, so daß dann diese
                              circulirt und für den Heizzweck und die Heizungsapparate keine Nachtheile entstehen,
                              mag die Klappe geöffnet oder geschlossen seyn.
                           Figur 8 stellt
                              eine solche Klappe für ein Rohr von rechtwinkeligem Querschnitt dar. Hat die Klappe
                              die Stellung m, n, so strömt die äußere Luft zu; legt
                              man sie um und bringt sie in die Lage m, o, so ist die
                              äußere Luft abgesperrt, aber für die Zimmerluft ist die Oeffnung m, n frei.
                           Es liegt nun nahe, daß man mittelst eines Häkchens und Kettchens oder einer
                              Zahnstange der Klappe auch jede beliebige Stellung zwischen m, n und m, o, z.B. m,
                                 p geben kann, wodurch dann theils äußere, theils innere Luft eintritt und
                              Gelegenheit zu beliebiger Regulirung gegeben ist.
                           Daß auf ähnliche Weise, wie hier, die Ventilation auch mit eisernen Oefen und
                              Mantelöfen verbunden werden kann, bedarf kaum der Erwähnung.
                           In Bezug auf den Heizzweck ist noch auf die Verbindungsröhre i zwischen den beiden Durchsichten und die Röhre k von der oberen Durchsicht zur Decke des Ofens aufmerksam zu machen.
                              Diese Röhren bedingen eine größere Wirksamkeit der Durchsichten durch Beförderung
                              der Circulation und durch Vergrößerung der Heizfläche.
                           Einen Ofen von der Größe des in der Zeichnung dargestellten, welcher für ein Zimmer
                              von 5000 Kubikfuß Rauminhalt vollständig ausreicht, würde der Hafner nach dem
                              gewohnten Verfahren mit drei Durchsichten versehen. Berechnet man nun die Heizfläche
                              eines solchen Ofens und vergleicht dieselbe mit der Heizfläche des Ventilationsofens
                              von gleicher Größe, so findet man, daß letzterer 50 Proc. Heizfläche mehr bietet.
                              Der Effect der Heizung aber stellt sich der besseren Circulation wegen, noch
                              bedeutend günstiger als dieses Procentverhältniß angibt.
                           
                           Nach einer Mittheilung im württembergischen Gewerbeblatt vom 7 Mai d. J. hat sich
                              Herr A. Widenmann zu Annarbor im Staate Michigane in
                              Nordamerika eine ähnliche Ventilationseinrichtung patentiren lassen, die in Amerika
                              vielfach in Schulen angewendet ist. Was die Engländer in Casernen und Spitälern und
                              die Amerikaner in Schulen schon eingeführt haben, das verdient wohl auch bei uns zur
                              allgemeinen Anwendung zu kommen, besonders nachdem die oben angegebene Construction
                              bei der Herstellung neuer Oefen so geringe Mehrkosten verursacht und in ihrer
                              Einfachheit von jedem Ofensetzer leicht erfaßt werden wird.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
