| Titel: | Eisenbahn über den Mont Cenis. – Ueber die Versuche, welche mit Locomotiven nach Fell's System auf einer Probestrecke der Mont-Cenis-Eisenbahn angestellt wurden; der englischen Regierung erstatteter Bericht von Ingenieur-Hauptmann Tyler. | 
| Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. CII., S. 432 | 
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                        CII.
                        Eisenbahn über den Mont Cenis. – Ueber die
                           Versuche, welche mit Locomotiven nach Fell's System auf einer
                           Probestrecke der Mont-Cenis-Eisenbahn angestellt wurden; der englischen
                           Regierung erstatteter Bericht von Ingenieur-Hauptmann Tyler.
                        Aus dem Engineer,
                              1865, Vol. XIX, No. 495.
                        Bericht über die Versuche mit Fell's Locomotivensystem.
                        
                     
                        
                           Die zur Zeit noch vorhandene Lücke zwischen den Städtchen St. Michel und Susa auf der
                              definitiven Mont-Cenis-Eisenbahn zur
                              Verbindung Frankreichs mit Italien hat eine Länge von 47,6 englischen Meilen (77
                              Kilometer) und der Postwagen bedarf, um dieselbe zurückzulegen, im Sommer neun und
                              im Winter zehn und eine halbe Stunde. Der Uebergang über den Berg, welcher auf der
                              französischen Seite bei Lanslebourg beginnt, findet auf
                              einer sehr guten 9 bis 10 Meter breiten Straße mit einer durchschnittlichen Steigung von 1 : 13 statt;
                              aber zur Winterszeit ist der Verkehr nicht nur durch den Schnee sehr erschwert,
                              sondern auch oft von großer Gefahr durch den Herabsturz von Lawinen sowie durch die
                              Schwierigkeit, mit welcher schwere Postwagen über Schnee und Eis bergabwärts fahren,
                              bedroht. Einen Theil des Winters hindurch findet zwar der Transport auf Schlitten
                              statt, aber die hierzu erforderliche Zeit ist unbestimmbar, weil sie ganz von den
                              Witterungsverhältnissen abhängt.
                           Um Zeit zu sparen und die Unannehmlichkeiten eines solchen Ueberganges zu beseitigen,
                              wird jetzt bekanntlich zwischen Modane und
                              Bardonnêche der 12220 Meter (7,59 engl. Meilen) lange Tunnel gebaut. Ich
                              benutzte die gebotene Gelegenheit zur Besichtigung dieses Tunnels und fand, daß
                              derselbe von Modane aus 2011 Meter und von Bardonnêche aus 2700 Meter vorgeschritten war, so
                              daß also noch 7509 Meter (ungefähr 4 2/3 englische Meilen) zu durchbohren sind. Die
                              sinnreichen, für diesen Tunnel von den HHrn. Sommeiller, Grandis und Grattoni entworfenen Bohrmaschinen
                              werden bekanntlich mit Luft betrieben, welche durch Wasserräder, die in dem darunter
                              befindlichen Thale, anderthalb engl. Meilen davon entfernt, angelegt sind, auf fünf
                              Atmosphären comprimirt wird; die Ortstöße werden durch auf einander folgende
                              Pulversprengungen mittelst 3 Fuß tief in das Gestein gebohrter, mit der Ladung und
                              Lehm gefüllter Löcher hergestellt.
                           Fünf dieser Wasserräder bei Modane haben bei meiner
                              Anwesenheit 400 PferdestärkenDieß wurde mir an Ort und Stelle mitgetheilt, aber die Zahl scheint etwas zu
                                    hoch gegriffen zu seyn. geliefert, um einerseits 27 Pferdestärken zum Betriebe von neun Steinbohrern
                              an der Vorderseite des zu durchbohrenden Gesteins zu beschaffen, andererseits eine
                              genügende Ventilation (mit Ausnahme der Stelle, wo die Bohrmaschine arbeitet) im
                              Innern herzustellen; man hat nämlich kürzlich wenigstens 8000 Pfd. Sterl. für den
                              Bau von cylindrischen kesselförmigen Behältern zur Aufnahme eines solchen Vorrathes
                              von comprimirter Luft verausgabt, daß derselbe für eine halbe Tagearbeit im Tunnel
                              hinreicht. Diese Reservoirs werden in den Pausen, wo die Bohrmaschinen still stehen,
                              gefüllt.
                           Nach den Fortschritten zu urtheilen, welche der Durchstich bisher gemacht hat und
                              nach der wahrscheinlichen Beschaffenheit des Gesteines läßt sich (abgesehen von
                              außergewöhnlichen Schwierigkeiten der Ventilation sowie von der Möglichkeit, daß man
                              auf Wasser trifft, welches bewältigt werden muß) nicht erwarten, daß dieser Tunnel in einer
                              kürzeren Zeit als in sieben bis acht Jahren vollendet werden wird. Auch kommen auf
                              der permanenten Eisenbahn nach dem dermaligen Projecte noch andere Tunnels zur
                              Ausführung, wozu noch manches Jahr erforderlich seyn wird.
                           Unter diesen Umständen hat Hr. Fell, als Vertreter der
                              HHrn. Brassey und Comp., der
                              französischen und italienischen Regierung vorgeschlagen, eine Eisenbahn von St. Michel über den Mont Cenis
                              nach Susa für die Zeit anzulegen, welche noch zu dem Baue
                              des großen Tunnels erforderlich ist und diese Bahn mit den fertigen permanenten
                              Bahnstrecken in Verbindung zu setzen.
                           Hr. Fell hat von keiner der beiden Regierungen eine
                              Geldunterstützung verlangt, da die Gesellschaft, deren Vertreter er ist, die
                              Ueberzeugung hat, daß sie sich während der zur Vollendung des großen Tunnels noch
                              erforderlichen Zeit nicht nur für ihre Auslagen an Capital und Zinsen bezahlt
                              machen, sondern auch noch Nutzen aus dieser Anlage ziehen werde.
                           Die in Betracht gezogenen Steigungen waren jedoch solche, daß sie von einer
                              Locomotive mit einer Last, deren Fortschaffung über gewöhnliche Steigungen man bei
                              dem auf die Schienen von ihr ausgeübten Adhäsionsgewichte als sicher annehmen darf,
                              nicht überwunden werden können; man war daher der Ansicht, daß man am besten die
                              erforderliche Adhäsion erlangen würde, wenn man Gebrauch von einem schon vor
                              längerer Zeit patentirten, aber niemals in Ausführung gebrachten Systeme machte,
                              welches darin besteht, daß zwischen den gewöhnlichen tragenden Schienen noch eine
                              dritte angeordnet wird, gegen welche zwei horizontale, an der Maschine befindliche
                              Treibräder wirken. Es wurde daher nach einer der dem Hrn. Fell patentirten Constructionen eine Locomotive mit zwei Paar horizontaler
                              und zwei Paar verticaler Treibräder gebaut und eine Versuchsstrecke von 800 Yards
                              Länge in Derbyshire auf der Cromford- und High-Peak-Eisenbahn
                              mit Zustimmung und unter Beihülfe der London- und
                              North-Western-Eisenbahngesellschaft hergestellt.
                           Diese Strecke hatte eine Spurweite von 3 Fuß, 7 3/8 Zoll, enthielt 180 Yards gerade
                              Linie mit einer Steigung von 1 : 13,5, und 150 Yards Curven mit Radien von 2 1/2 bis
                              3 1/2 Kettenlängen (à 66 Fuß) auf einer Steigung
                              von 1 : 12. Die dritte Schiene auf dieser Strecke, welche zwischen die horizontalen
                              Treibräder der Maschine gefaßt werden sollte, wurde auf ihrer Unterlage 7 1/2 Zoll
                              höher als die beiden anderen Schienen gelegt. Bei einer Reihe von Versuchen, welche
                              man vom September 1863
                              bis zum Februar 1864 anstellte, wurde mit der ersten Maschine, welche gebaut worden
                              war und die mit einer Dampfspannung bis 120 Pfund per
                              Quadratzoll arbeitete, der Zweck nicht ein einziges Mal verfehlt, da dieselbe nach
                              den mir hierüber zugekommenen Mittheilungen eine Last von 24 Tonnen über die oben
                              erwähnten Steigungen und durch die obigen Curven gezogen hat. Die äußeren Cylinder,
                              welche die vier verticalen Räder Umtrieben, die 16 Tonnen trugen, wenn die Maschine
                              mit Allem versehen war, konnten außer dem Eigengewicht der Maschine nur einen
                              beladenen, 7 Tonnen schweren Wagen über die Steigungen ziehen, während die
                              innenliegenden Cylinder, welche auf die horizontalen Räder wirkten, die mit 12
                              Tonnen gegen die Mittelschiene drückten, die Locomotive in den Stand setzten, an
                              demselben Tage und unter denselben Verhältnissen 24 Tonnen Last über die Strecke zu
                              ziehen. Da die Versuche auf der High Peak-Eisenbahn von so gutem Erfolge
                              waren, so beschloß man dieselben mit Erlaubniß der französischen Regierung in
                              größerem Maaßstabe auf den Abhängen des Mont Cenis fortzusetzen; die italienische
                              Regierung hatte sich nämlich bereit erklärt, der Compagnie die Concession zur
                              Ausführung des Unternehmens auf der Südseite des Berges unter der Bedingung zu
                              ertheilen, daß sie auch eine solche für die Nordseite von der französischen
                              Regierung erlangen würde und letztere hatte nach einiger Zögerung ihre Concession an
                              die Bedingung geknüpft, daß die Ausführbarkeit des Systems zuvor nachgewiesen
                              werde.
                           Die Versuchsstrecke, welche Hr. Fell nun auf dem Mont
                              Cenis gelegt hat, befindet sich zwischen Lanslebourg und
                              dem Gipfel des Berges; sie beginnt in einer Höhe von 1622 Meter und endigt in einer
                              Höhe von 1773 Meter (oder 5815 engl. Fuß) über dem Meere. Dieselbe ist beinahe 2
                              Kilometer oder 1 1/4 engl. Meilen lang und hat auf ihrer ganzen Länge eine mittlere
                              Steigung von 1 : 13; das Maximum der Steigung ist 1 : 12. Die Strecke ist um eine
                              scharfe Ecks – welche zwei von den Zickzacks der Auffahrt verbindet –
                              auf einer Curve von 40 Metern oder ungefähr 2 Kettenlängen (à 66 Fuß) Radius geführt; mit Ausnahme dieser Stelle ist die Bahn
                              an der Außenseite der Straße angelegt und nimmt auf dieser eine Breite von 3 1/2 bis
                              4 Metern ein, während für den Straßenverkehr eine Breite von wenigstens 5 Metern
                              frei bleibt.
                           Der für die Fuhrwerke übrig gelassene Theil von der Breite der Straße scheint für den
                              gegenwärtigen Verkehr vollkommen zu genügen. Den Postwagen und anderen Fuhrwerken
                              wird der Uebergang über den Berg durch die Bahn nicht erschwert und sie sind jetzt
                              gegen das Herabstürzen durch die zwischen der Straße und dem Abgrunde angelegte Eisenbahn mehr geschützt.
                              Der Locomotivbetrieb in solcher Nähe der öffentlichen Straße veranlaßte weniger
                              Inconvenienz als man erwartet hatte; und da zum Transport über den Berg meistens
                              dieselben Pferde und Maulthiere verwendet werden, so dürften sich diese immer mehr
                              an den Lärm der Maschine und Züge gewöhnen. Während des dreimonatlichen Betriebes
                              hat kein Unfall stattgefunden. Der Verkehr auf der Straße wird nach der Eröffnung
                              der Eisenbahn natürlich verhältnißmäßig unbedeutend seyn und der für denselben
                              verbleibende Theil von der Straße muß dann um so mehr für alle Zwecke
                              ausreichen.
                           Diese Probebahn ist absichtlich an der schwierigsten Stelle der Straße angelegt
                              worden, an welcher die Eisenbahn dem Projecte nach ohne Bedachung bleiben soll, und
                              dieselbe wurde auf die durch den Schnee erwachsenden Schwierigkeiten während der
                              sehr strengen Witterung in den ersten Monaten dieses Jahres hinreichend erprobt. Ein
                              günstigeres Resultat konnte kaum erwartet werden. Es ergab sich im Winter eine
                              größere Adhäsion an den Schienen als man für den Sommer erwartet hatte. Wenn der
                              Schnee bei ungünstiger Witterung von den Schienen entfernt wurde, so hinterließ er
                              diese trocken und in gutem Zustande, während der eigenthümliche Chausseestaub,
                              besonders wenn er mit Wasser gemischt ist, die Schienen ziemlich fettig und
                              schlüpfrig macht.
                           Diese Probestrecke hat eine Spurweite von 1,10 Meter (oder 3 Fuß 7 5/8 Zoll engl.);
                              die Schienen derselben wurden von der I. Section der Victor Emanuel-Eisenbahn
                              geliehen und der laufende Yard derselben wiegt ungefähr 75 Pfd. engl. Die tragenden
                              Schienen sind an den Stößen mittelst Laschen befestigt und werden von gußeisernen
                              Stühlen getragen, welche mittelst Nägeln in gewöhnlicher Weise auf die 3 Fuß von
                              einander entfernten hölzernen Querschwellen befestigt sind. Die einzige
                              Eigenthümlichkeit besteht (außer den starken Steigungen und scharfen Curven) in der
                              Anordnung einer mittleren Schiene von demselben Querschnitte, welche auf ihrer
                              Unterlage in die Mitte zwischen die beiden anderen Schienen und zwar um 7 1/2 Zoll
                              höher als diese gelegt wird. Diese Schiene ruht theilweise in gußeisernen und
                              theilweise in schmiedeeisernen Stühlen, wovon diejenigen an den Stößen je 20 Pfund
                              und die Mittelstühle je 16 Pfund wiegen. Diese Stühle liegen jetzt auf der geraden
                              Bahn 6 Fuß und auf den Curven 2 bis 3 Fuß von einander entfernt; die Stöße des
                              mittleren Schienenstranges sind noch nicht mittelst Laschen befestigt, aber man
                              beabsichtigt dieselben anzubringen, sobald die provisorische Bahn vollständig
                              hergestellt wird; dann sollen auch die Stühle auf der geraden Bahn 3 Fuß und in
                              Curven 1 Fuß 6 Zoll von
                              einander entfernt gelegt, sowie mittelst durchgehender Schraubenbolzen auf die
                              Langschwellen, auf welchen sie ruhen, befestigt werden. Die Langschwellen sind 8
                              Zoll hoch, 12 Zoll breit und auf die Querschwellen genagelt; sie erhalten auf diese
                              Weise eine festere Lage in dem Oberbau.
                           Die obigen Schienen sind zur Anwendung als Mittelschienen nicht zweckmäßig, weil die
                              horizontalen Treibräder der Locomotiven nur die hervorstehenden Theile des
                              Schienenquerschnittes fassen und so nicht die erreichbare Adhäsion erzeugen; es war
                              jedoch vortheilhaft, sie im Lande beschaffen zu können und man mag dabei gedacht
                              haben, daß die demnächst zur Herstellung der provisorischen Bahn zu verwendenden
                              Schienen jedenfalls nicht weniger wirksam seyn werden als die auf der Probestrecke
                              benutzten.
                           Für die ganze Strecke von St. Michel nach Susa wird sich (wenn man den Culminationspunkt in der
                              Mitte annimmt) eine mittlere Steigung von 1 : 25,6 ergeben. Die größte Steigung wird
                              1 : 12 seyn und eine Mittelschiene wird bei der Ausführung der Bahn an allen den
                              Stellen angebracht werden, wo die Steigung größer als 1 : 25 ist.
                           Außer 1960 Metern der Probestrecke sind auf der ganzen Strecke 850 Meter in Curven
                              gelegen; bei 450 Metern derselben variirt der Krümmungshalbmesser von 84 bis zu 40
                              Metern, während bei den übrigen 400 Metern der Radius 100 und mehr Meter beträgt.
                              Das Curvenverhältniß wird sich daher für die ganze Linie zwischen St. Michel und Susa viel günstiger
                              gestalten, und Hr. Fell machte den guten Vorschlag, die
                              Steigungen in den scharfen Curven zu modificiren und dieselben auf den geraden an
                              die Curven anschließenden Strecken zu vergrößen, jedoch nicht über das Verhältniß
                              von 1 : 12 hinaus. Auf diese Weise wird der Extra-Widerstand, welcher sonst
                              in Folge der Reibung der Maschine und der Wagen beim Durchgange durch die scharfen
                              Curven erzeugt würde, theilweise vermieden und die bei der Fahrt über die
                              verschiedenen Theile der Bahnstrecke stattfindenden Widerstände werden besser
                              ausgeglichen, weil die schärfsten Curven und größten Steigungen so nirgends an
                              demselben Punkte zusammentreffen.
                           Es werden zehn Niveau-Uebergänge über die Straße hergestellt werden, davon
                              sechs auf Steigungen von mehr als 1 : 25. Die Mittelschiene wird an dem
                              Uebergangspunkte von einigen derselben weggelassen werden, bei anderen wird sie
                              wahrscheinlich mittelst Rampen (für die Thiere und Fahrzeuge, welche die Straße
                              benutzen) passirt werden.
                           Die an verschiedenen Theilen des Berges zu überdachenden Strecken werden zusammen
                              eine Länge von 12–15 Kilometern (7 1/2 bis 9 1/3 engl. Meilen) haben, wenigstens ist
                              die letztere Zahl vorgesehen worden. Die Ueberdachungen werden von dreierlei Art
                              seyn, nämlich erstens aus einem hölzernen Dache mit Seitenwänden bestehen für eine
                              Länge von 5 Kilometern, um den ruhig herabfallenden Schnee vom Geleise abzuhalten;
                              zweitens in einer Holzconstruction, welche durch Eisen verstärkt wird, für eine
                              Länge von 7 Kilometern, als Schutz gegen Schneewehen, und drittens in einem starken
                              gemauerten Gewölbe für eine Länge von 3 Kilometern an den Stellen wo die Bahn von
                              Lawinen bedroht wird.
                           Man hat keine genauen Daten über die Schneemenge, welche am Mont Cenis fällt; das
                              Freihalten der Straße von Schnee für den Verkehr kostet aber gegenwärtig jährlich
                              ungefähr 12000 Fr., gegen 31900 Fr. welche für die Straße über den St. Gotthard zu
                              gleichem Zwecke bezahlt werden. Die Kosten für das Freihalten der Eisenbahn von
                              Schnee und die Schwierigkeiten welche der Schnee dem Eisenbahnverkehre verursachen
                              dürfte, werden aus verschiedenen Gründen gegen die bisherigen Kosten und
                              Schwierigkeiten des Straßenverkehrs gering seyn. Denn 1) wird die Eisenbahn an den
                              Stellen des Berges überdacht werden, wo von dem Schnee die größten Gefahren und
                              Nachtheile drohen; 2) wird sich die Eisenbahn in der Regel, wenn sie nicht überdacht
                              ist, an der äußeren Seite der Straße befinden, und 3) werden die Locomotiven die
                              Anwendung von Schneepflügen gestatten, wenn frisch gefallener Schnee dieß erfordert.
                              Die Kosten für das Freihalten der Bahn über den Sömmering von Schnee belaufen sich
                              jährlich auf 200 Francs per Kilometer.
                           Ich werde nun zur Beschreibung der beiden auf dem Mont Cenis
                                 probirten Locomotiven übergehen. Bei ihrem Entwurfe waren drei
                              Erfordernisse maßgebend: erstens sollten sie bei möglichst geringem Gewichte ein
                              Maximum von Kraft entwickeln, um von dieser für das Befahren starker Steigungen
                              möglichst viel übrig zu behalten; zweitens sollten sie eine besondere, von ihrem
                              Gewichte unabhängige Adhäsion vermittelst der horizontalen Räder hervorbringen,
                              welche von Federn hinter den Achsbüchsen gegen die erwähnte Mittelschiene gedrückt
                              werden; drittens sollten sie sich mit mäßiger Geschwindigkeit fortbewegen und
                              scharfe Curven durchlaufen.
                           Die Locomotive Nr. 1 wiegt, wenn sie mit Kohks und Wasser versehen ist, 14 Tonnen und
                              10 Ctr. engl. (290 Ctr.). Ihr Kessel ist 7 Fuß 9 1/2 Zoll lang, hat einen
                              Durchmesser von 2 Fuß 9 Zoll und enthält 100 Heizröhren von 1 1/2 Zoll äußerem
                              Durchmesser; er hat eine Heizfläche von 420 Quadratfuß und eine Rostfläche von 6 Fuß
                              6 Zoll. Dieselbe hat vier Cylinder, nämlich zwei außenliegende von 11 3/4 Zoll
                              Durchmesser mit einem Kolbenhube von 18 Zoll, welche die vier gekuppelten verticalen Räder von 2
                              Fuß 3 Zoll Durchmesser, mit einem Radstande von 5 Fuß 3 Zoll, treiben; und zwei
                              innenliegende Cylinder von 11 Zoll Durchmesser mit einem Kolbenhube von 10 Zoll, zum
                              Treiben von vier horizontalen gekuppelten Rädern mit einem Durchmesser von 1 Fuß 4
                              Zoll und mit einem Radstande von 1 Fuß 7 Zoll. Diese Locomotive übt jetzt einen
                              Druck von 16 Tonnen auf die horizontalen Räder aus – einen um 4 Tonnen
                              größeren als anfangs auf dieselben ausgeübt wurde. An dem hinteren Ende der Maschine
                              wurden auch Führungsräder angebracht, welche die Mittelschiene zwischen sich
                              fassen.
                           Diese Maschine arbeitet unter sehr nachtheiligen Verhältnissen; ihr
                              Bewegungsmechanismus ist nämlich mehr zusammengedrängt als es für eine bequeme
                              Instandsetzung und für die Vornahme von Reparaturen wünschenswerth ist; der Kessel
                              entwickelt für den Schnellzugsverkehr über den Mont Cenis nicht genug Kraft und das
                              Oel fällt aus den Schmierbüchsen auf die horizontalen Räder herab und beraubt diese
                              dadurch theilweise ihrer Adhäsionskraft. Die Maschine hat aber nichts desto weniger
                              genügt, um die Richtigkeit des angewandten Princips zu beweisen und der Erfolg ist
                              mit Rücksicht auf die Neuheit des Unternehmens ein überraschender.
                           Im Verlaufe von zwei Tagen sah ich sechs Probefahrten dieser Maschine auf der
                              Versuchsstrecke (hin und zurück) mit an, wobei sie jedesmal eine Last von 16 Tonnen
                              in drei Wagen einschließlich des Gewichtes der letzteren, fortzog und bergaufwärts
                              legte sie 1800 Meter in 8 1/8 Minuten mit einem Dampfverlust von 14 Pfund zurück, in
                              Folge dessen das Wasser in dem Wasserstandsglase um 5 1/3 Zoll sank; die
                              Dampfspannung im Kessel wechselte dabei im Durchschnitt aller dieser Versuche von 92
                              bis 125 Pfund per Quadratzoll.
                           Die erlangte Geschwindigkeit war bei jedem Versuche größer als diejenige, welche man
                              bei derselben Belastung für Expreßzüge vorgeschlagen hatte; denn die
                              durchschnittliche Geschwindigkeit betrug, wie wir schon angegeben haben, 13 1/3
                              Kilometer (oder 8 1/3 engl. Meilen) per Stunde, anstatt
                              12 Kilometer (oder 7 1/2 engl. Meilen) per Stunde, was
                              als die größte zulässige Fahrgeschwindigkeit in dem der französischen Regierung für
                              diesen Theil der Bahn (den nördlichen) übergebenen Programme angenommen war. Die
                              Witterung war schön und windstill, und die Fahrschienen waren im besten Zustande,
                              aber die Mittelschiene ebenso wie die horizontalen Räder waren ölig und daher in
                              einem zur Erzeugung bedeutender Adhäsion sehr ungünstigen Zustande.
                           Die nachstehende Berechnung zeigt die durchschnittliche Leistung der Maschine Nr. 1
                              während dreier Probefahrten.
                           
                           Lassen wir vorerst den besonderen, in den scharfen Curven entstehenden Widerstand weg
                              und vernachlässigen ebenso den durch die Atmosphäre erzeugten, so haben wir:
                           
                              
                                 Widerstand in Folge der Schwere
                                 = (32 × 2240)/13
                                 =  5514
                                 Pfd.
                                 
                              
                                 Reibung, welche von der Maschine mittelst
                                    der     außenliegenden Cylinder erzeugt
                                    wird
                                 =  16 × 20
                                 =    320
                                 „
                                 
                              
                                 Reibung, welche von der Maschine mittelst
                                    der     innenliegenden Cylinder erzeugt
                                    wird
                                 =  16 × 20
                                 =    320
                                 „
                                 
                              
                                 Reibung vom Zug
                                 =  16 × 10
                                 =    160
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 Ausgeübte Zugkraft
                                 
                                 6314
                                 Pfd.
                                 
                              
                           1800 Meter = 5906 engl. Fuß wurden in 8 1/8 Minuten oder 727
                              Fuß in einer Minute zurückgelegt.
                           
                              
                                 6314 Pfd. × 727 Fuß
                                       per Minute33000 Fußpfunde per Minute
                                 = 139 Pferdekräfte, während sich für dieselbe Last
                                 
                              
                                 bei 12 Kilometer per Stunde
                                 = 125 Pferdekräfte ergeben. Rechnet man hierzu
                                 
                              
                           in jedem Falle 10 Proc. für Extra-Widerstand in den
                              scharfen Curven, so erhält man:
                           
                              
                                 139 + 10 Proc. =
                                 153    Pferdekräfte bei 1800 Metern in 8 1/8
                                    Minuten,
                                 
                              
                                 125 + 10 Proc. =
                                 137,5 Pferdekräfte bei 1800 Metern in 9 Minuten.
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                   15,5 Pferdekräfte mehr als verlangt worden ist.
                                 
                              
                           Der Brennstoffverbrauch während dieser Probefahrten läßt sich kaum bestimmen, weil es
                              nicht möglich war, zwischen der während des Stillstehens der Maschine verzehrten
                              Brennstoffmenge und derjenigen zu unterscheiden, welche unmittelbar zur Ausübung der
                              Kraft gedient hatte. Aber die Maschine hat am ersten Tage ungefähr 3 Stunden und am
                              zweiten 3 1/2 Stunden im Dampfe gestanden und es wurden an diesen Tagen, so weit ich
                              mich überzeugen konnte, beziehungsweise 583 und 653 Pfd. gemischtes Brennmaterial im
                              Ganzen verbrannt. Von der angegebenen Zeit waren ungefähr 97 oder 98 Minuten
                              erforderlich, um bei den Probefahrten auf- und abwärts an beiden Tagen eine
                              Entfernung von im Ganzen 15 engl. Meilen zurückzulegen.
                           Diese Maschine hat bei dem Transporte von Oberbaumaterial etc. schon über 100 engl.
                              Meilen auf der Versuchsstrecke zurückgelegt und hierbei oft Ladungen von 16 bis 20
                              Tonnen ohne Unfall und Schwierigkeit gezogen.
                           Die Maschine Nr. 2, welche eigens für den Betrieb auf dem Mont Cenis gebaut wurde,
                              besteht theilweise aus Stahl. Ihr Nettogewicht beträgt 13 Tonnen und ihr größtes
                              Gewicht, wenn sie vollständig mit Brennstoff und Wasser versehen ist, 16 Tonnen 17
                              Ctr., ihr mittleres Gewicht also 16 Tonnen; durch Verstärkung mancher Theile
                              beabsichtigt man aber ihr Maximalgewicht auf 17 Tonnen 2 Ctr. und ihr mittleres Gewicht auf 16 Tonnen 4
                              Ctr. zu bringen. Der besondere Bewegungsmechanismus für die horizontalen Räder wiegt
                              jedoch nur 2 Tonnen 13 Ctr.
                           Der Kessel ist 8 Fuß 4 1/4 Zoll lang, hat einen Durchmesser von 3 Fuß 2 Zoll und
                              enthält 158 Röhren von 1 1/2 Zoll äußerem Durchmesser. Die Feuerkiste und die Röhren
                              bilden zusammen eine Heizfläche von 600 Quadratfuß; die Rostfläche beträgt 10
                              Quadratfuß. Die Maschine hat nur zwei Cylinder von 15 Zoll Durchmesser und 16 Zoll
                              Kolbenhub, welche sowohl die vier gekuppelten Horizontalräder als auch die vier
                              gekuppelten Verticalräder in Bewegung setzen, die alle einen Durchmesser von 27 Zoll
                              haben. Der Radstand der verticalen Räder beträgt 6 Fuß 10 Zoll und jener der
                              horizontalen Räder 2 Fuß 4 Zoll. Die' Maximalspannung im Kessel ist 120 Pfd. und der
                              effective Druck auf den Kolben beträgt 75 Pfd. per
                              Quadratzoll.
                           Diese Maschine besitzt in Folge ihres größeren Kessels auch mehr Kraft und hat einen
                              stetigeren Gang als die Maschine Nr. 1; ihr Mechanismus ist leichter zu überwachen
                              und der Druck auf die horizontalen Räder kann von dem Maschinenführer nach Belieben
                              von seinem Platze aus regulirt werden. Dieser Druck wird mittelst einer eisernen
                              Stange ausgeübt, welche durch rechts- und linksgängige Schrauben mit einem
                              Balken auf jeder Seite der Mittelschiene verbunden ist und diese Balken wirken auf
                              Spiralfedern, welche die horizontalen Räder gegen die Mittelschiene pressen. Der bei
                              den Versuchen auf jedes horizontale Rad ausgeübte Druck betrug 2 1/2 Tonnen oder im
                              Ganzen 10 Tonnen; aber der wirklich vorgesehene Druck, welcher im Nothfalle
                              angewandt wird, beträgt auf jedes Rad 6 Tonnen, also auf die vier horizontalen Räder
                              24 Tonnen.
                           Die verticalen Räder werden indirect durch Kolbenstangen von der Vorderseite und die
                              horizontalen Räder direct durch Kolbenstangen von der Rückseite der Cylinder aus in
                              Bewegung gesetzt. Die zum Anpressen der horizontalen Räder erforderlichen Bewegungen
                              ließen sich vollkommen gut ausführen; aber leider hätten einige von den Theilen an
                              der Vorderseite des Cylinders, welche mit den verticalen Rädern in Verbindung
                              stehen, stärker seyn sollen; es war daher, weil durch eine Beschädigung eine längere
                              Verzögerung hätte entstehen können, nicht rathsam, die Maschine während meiner
                              Anwesenheit zu stark zu belasten, sie überhaupt zu sehr anzustrengen; ebensowenig
                              konnte man warten, bis die neuen in der Anfertigung begriffenen Maschinentheile aus
                              England angekommen seyen. Die Maschine war aber trotzdem im Stande, über 1800 Meter
                              der Probestrecke dieselbe Last wie die vorige Maschine, nämlich 16 Tonnen, in drei
                              Wagen vertheilt, in 6 1/4 Minuten zu ziehen, oder mit einer Geschwindigkeit von 17 1/3 Kilometern per Stunde anstatt mit einer solchen von 12 Kilometern
                              per Stunde, welche dem Programme gemäß die
                              Expreßzüge annehmen sollten.
                           Die Dampfspannung in dem Kessel fiel von 112 auf 102 1/2 Pfd. per Quadratzoll und das Wasser in dem Wasserstandsglase um 3 Zoll, da die
                              Speisung erst wieder gegen das Ende des Versuches begann. Die Maschine Nr. 2 (deren
                              Reibungswiderstand 120 Pfd. weniger als bei der Maschine Nr. 1 beträgt, wenn nur ein
                              Druck von 10 Tonnen auf die horizontalen Räder angewendet wird) übte bei diesem
                              Versuche, wenn man den besonderen in den Curven entstehenden Widerstand wegläßt,
                              eine Kraft von 177 Pferden aus, oder wenn man den Widerstand in den Curven mit 10
                              Procent hinzurechnet, eine Kraft von 195 Pferden, also mehr als 12 Pferdekräfte auf
                              jede Tonne ihres Eigengewichtes, und nahezu 60 Pferdekräfte mehr als erforderlich
                              war, um dieselbe Last über dieselben Steigungen und durch dieselben Curven mit einer
                              Geschwindigkeit von 12 Kilometern per Stunde zu ziehen,
                              wie dieß in dem Programme vorgeschlagen war.
                           An dem folgenden Tage beobachtete ich, daß eine Dampfspannung von 40 Pfund im Kessel
                              oder ein Drittel der angewandten Maximalspannung) hinreichte um die Maschine allein
                              über eine Steigung von 1 : 12 1/2 zu bewegen, und da da die Reibung von Wagen
                              verhältnißmäßig viel geringer als diejenige einer Maschine ist, so dürfte dieselbe
                              Maschine um so mehr im Stande seyn, eine dreimal so große Last als ihr eigenes
                              Gewicht, nämlich 48 Tonnen, wenn sie mit ihrer größten Dampfspannung arbeitet, über
                              dieselbe Steigung zu ziehen.
                           Der einzige bis jetzt fertig gebaute Personenwagen ist 6 Fuß 4 Zoll breit, 12 Fuß
                              lang und im Lichten 6 Fuß hoch. Derselbe hat einen Durchgang in der Mitte mit sechs
                              Sitzen auf jeder Seite, so daß sich die Passagiere gegenüber sitzen. Die Räder haben
                              einen Durchmesser von 2 Fuß 3 Zoll und man beabsichtigt die Räder von allen Wagen an
                              einer Seite lose auf die Achse zu befestigen. Jedes Fahrzeug wird mit einer Bremse
                              der gewöhnlichen Construction versehen werden, und ein großer Theil der Fahrzeuge
                              auch noch mit Bremsen welche auf die Mittelschiene wirken.
                           Mit dem Straßenverkehre zwischen St. Michel und Susa sind nach den Geschäftsberichten der Victor
                              Emanuel-Eisenbahngesellschaft in den letzten vier Jahren folgende Einnahmen
                              erzielt worden: 1861, 1404771 Fr.; 1862, 1609617 Fr.; 1863, 1715424 Fr. und 1864,
                              1895543 Fr., was eine durchschnittliche Zunahme von mehr als 10 Proc. jährlich
                              ergibt. Nimmt man an, daß der Verkehr nach Eröffnung der Eisenbahn nur in demselben
                              Verhältnisse zunimmt, so würde die ganze Einnahme in sieben Jahren, von 1867 bis
                              1873 einschließlich, 27 Millionen Francs betragen; und man ist der Ansicht, daß von
                              dieser Einnahme zu Ende des erwähnten Zeitraumes nach Abzug aller Unkosten, nach
                              Zahlung der Interessen für das ganze Actiencapital von 8 Mill. Francs und Tilgung
                              desselben ein Reingewinn von mehreren Millionen Francs übrig bleiben wird. Der zu
                              Ende des angegebenen Zeitraumes in dem beweglichen Betriebsmaterial der Bahn
                              steckende Werth ist dann dem Gewinne der Gesellschaft noch hinzuzurechnen. Es kann
                              jedoch nicht bezweifelt werden, daß der Personenverkehr nach der Eröffnung der
                              Eisenbahn wegen der großen Zeitersparniß, sowie wegen der größeren Annehmlichkeit
                              und Bequemlichkeit bei dem Transporte über den Berg in einem viel größeren
                              Verhältnisse zunehmen wird, ferner daß nicht nur eine Zunahme des Güterverkehrs
                              stattfinden wird, sondern daß auch Aussicht auf einen Verkehr mit billigen Producten
                              und Mineralien vorhanden ist, welche bisher den Berg noch nicht passiren. Die
                              Unternehmer haben ferner gegründete Hoffnung, die indische Briefpost zu befördern,
                              weil man, wie ich sogleich nachweisen werde, auf diesem Wege für dieselbe 37 Stunden
                              Zeit von England nach Egypten zu ersparen vermag.
                           Für den täglichen Transport von 132 Passagieren und 88 Tonnen Güter von St. Michel nach Susa, und
                              umgekehrt, schlagen die Unternehmer vor, drei Züge nach jeder Richtung gehen zu
                              lassen, nämlich einen Zug mit vierzig Passagieren und deren Gepäck mit einem
                              Gewichte (ausschließlich der Maschine) von 16 Tonnen, welcher die 77 Kilometer lange
                              Strecke mit einer Geschwindigkeit von 18 Kilometern per
                              Stunde zurücklegen soll; einen zweiten Zug mit 26 Passagieren und 20 Tonnen Güter
                              bei einem Gesammtgewichte von 40 Tonnen mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit
                              von 12 bis 14 Kilometern per Stunde, und einen dritten
                              Zug mit 24 Tonnen Güter bei einem Gewichte von 48 Tonnen und einer mittleren
                              Geschwindigkeit von 10 Kilometern per Stunde. Der erste
                              von diesen Zügen soll dem Vorschlage der Unternehmer zufolge von einer Maschine,
                              jeder der beiden anderen aber von zwei Maschinen gezogen werden.
                           Die Entfernungen von Paris über die Mont-Cenis-Route nach Turin und
                              Genua und von Paris über Marseille ebendahin lassen sich in folgender Weise
                              bestimmen.
                           Die beiden Routen gehen von Paris bis Macon
                              gemeinschaftlich und ihre beiderseitigen Entfernungen von da sind:
                           
                           
                              
                                 
                                 Ueber Marseille,engl. Meilen.
                                 Ueber den Mont Cenis,engl. Meilen.
                                 
                              
                                 von Macon nach Genua
                                 559
                                 326
                                 
                              
                                 von Macon nach Turin
                                 659
                                 226
                                 
                              
                           es ergibt sich also zu Gunsten der
                              Mont-Cenis-Route eine Abkürzung von 233 engl. Meilen nach Genua und
                              von 433 engl. Meilen nach Turin.
                           Die Zeit, welche zu einer Fahrt von England über Paris nach Egypten nöthig ist, kann
                              für die Route über Marseille und für die Route über den
                              Mont Cenis und Brindisi
                              (bis zu welchem Hafen die italienischen Eisenbahnen kürzlich dem Verkehre übergeben
                              wurden) folgendermaßen bestimmt werden:
                           
                              
                                 Für die
                                       Marseiller-Route:
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Stunden
                                 
                              
                                 Von Paris nach Marseille, 864 Kilometer Entfernung, bei
                                    einer    Geschwindigkeit von 54 Kilom. per Stunde
                                   16
                                 
                              
                                 Von Marseille nach Alexandria, 1460 Seemeilen Entfernung,
                                    bei    einer Geschwindigkeit von 10
                                    Seemeilen per Stunde und
                                    mit    einem Aufenthalte von 6 Stunden in
                                    Malta
                                 152
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 Im Ganzen
                                 168
                                 
                              
                                 Für die
                                       Brindisi-Route über den Mont Cenis:
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Stunden
                                 
                              
                                 Von Paris nach Macon, 441 Kilometer Entfernung, bei 54
                                    Kilomet.    Geschwindigkeit per Stunde
                                       
                                    8 ¼
                                 
                              
                                 Von Macon nach St. Michel, 237 Kilom. Entfernung, bei 40
                                    Kilom.    Geschwindigkeit per Stunde
                                    6
                                 
                              
                                 Von St. Michel nach Susa, 77 Kilom. Entfernung, bei 18
                                    Kilom.    Geschwindigkeit per Stunde
                                         4
                                    ½
                                 
                              
                                 Von Susa nach Brindisi, 1159 Kilom. Entfernung, bei 40
                                    Kilom.    Geschwindigkeit per Stunde
                                   29
                                 
                              
                                 Von Brindisi nach Alexandria, 822 Seemeilen Entfernung, bei
                                    10    Seemeilen Geschwindigkeit per Stunde
                                       82 ¼
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 Im Ganzen
                                 130
                                 
                              
                           es ergibt sich also auf der Mont-Cenis-Route
                              eine Abkürzung von 38 Stunden.
                           Dieß ist von Bedeutung für die Hebung des Verkehrs zwischen
                                 England und Indien und für die Beförderung der
                                 indischen Briefpost, wenn auch hierbei, wie wir bemerken müssen, ein
                              Wechsel der Wagen zu St. Michel und Susa nöthig wird.
                           Die Resultate dieser Versuche sind von großer Wichtigkeit für
                                 die Zukunft des Eisenbahnbaues in gebirgigen Gegenden, wie ich jetzt
                                 durch einige kurze Bemerkungen nachzuweisen suchen werde.
                           So oft es nöthig wird, eine Gebirgskette mittelst einer Eisenbahn zu überschreiten,
                              entsteht die Frage, was weniger kostspielig seyn werde, über den Gipfel des Gebirges
                              hinwegzugehen oder einen mehr oder weniger langen Tunnel zu bauen. Um die Kosten des
                              Baues und Betriebes bei dem anzunehmenden Verkehre für beide Fälle berechnen zu
                              können, ist nothwendigerweise einerseits die Höhe zu bestimmen, welche man nach den
                              gegebenen Localverhältnissen erreichen und andererseits die Länge, welche der zu
                              bauende Tunnel erhalten muß; und das wichtigste Element bei der Berechnung ist die
                              Grenze, bis zu welcher starke Steigungen mit Sicherheit und in ökonomischer Weise
                              befahren werden können.
                           Hr. Fell hat nun praktisch gezeigt, daß bei Anwendung des
                              Systemes, bei welchem horizontale Treibräder auf eine Mittelschiene pressen,
                              Steigungen von 1 : 15 bis 1 : 12 anstatt solcher von 1 : 30 bis 1 : 25, welche
                              bisher als die prakticablen betrachtet wurden, angenommen und bei diesem Systeme
                              auch schärfere Curven mit mehr Sicherheit befahren werden können. Derselbe hat mit
                              anderen Worten nachgewiesen, daß eine Eisenbahn über einen gegebenen Gipfel mit nur
                              der Hälfte der Länge welche bisher nothwendig war und mit weniger als zwei
                              Drittheilen der bisherigen Kosten gebaut werden kann, weil, obgleich der Oberbau bei
                              seinem System kostspieliger ist – die engl. Meile dürfte durchschnittlich auf
                              3000 anstatt 1800 bis 2000 Pfd. Sterl. zu stehen kommen – durch Anwendung von
                              stärkeren Steigungen und schärferen Curven an schwierigen Punkten die Einschnitte
                              und Dämme vermindert oder vermieden werden und die Ausführung des Baues daher im
                              Ganzen doch billiger seyn wird. Ebenso wie die Baukosten werden auch die
                              Betriebs- und Unterhaltungskosten für dieselbe zu erreichende Höhe geringer
                              seyn; denn es ist nur eine halb so lange Bahnstrecke zu unterhalten und nur die
                              halbe Geschwindigkeit erforderlich, um den Gipfel in derselben Zeit, mit derselben
                              Last und demselben Kraftaufwands zu erreichen, indem die Adhäsion der Locomotiven
                              durch Vergrößerung ihres Gewichtes um nur ein Sechstel verdoppelt wird, wodurch man
                              eine bedeutende Verminderung des todten Gewichtes der Züge erzielt. Die Kosten für
                              die Zugkraft, um eine gegebene Last auf eine gegebene Höhe zu schaffen, welche
                              nahezu die bisherigen seyn müssen, können in Folge der erzielten Ersparniß an todtem
                              Gewicht jedenfalls nicht viel größer werden, und andere Ausgaben werden sich bei
                              einer größeren Geschwindigkeit gegen die bisherigen vermindern, bei einer geringeren
                              Geschwindigkeit aber wegfallen.
                           Eine Bahn über einen Berggipfel kann also aus den angegebenen Gründen leichter, in
                              kürzerer Zeit und billiger als bisher gebaut werden, und es dürfte nicht ohne
                              Interesse seyn beispielsweise für den Mont Cenis eine
                              Vergleichung der Kosten der jetzt im Bau begriffenen Tunnel-Bahn durch den Berg mit denen einer permanenten Bahn über den Berg anzustellen. Ich stelle die Vergleichung
                              aber nicht mit Rücksicht auf den vorliegenden Fall an, da ja die Vollendung der
                              permanenten Tunnel-Bahn nach Ablauf einer Anzahl von Jahren als gesichert
                              angenommen werden kann und die Bahn über den Gipfel von den HHrn. Brassey und Comp. nur als eine
                              provisorische ausgeführt wird, bis jene eröffnet werden kann, sondern weil die
                              Vergleichung für andere Gebirgsübergänge in den Alpen etc. von Wichtigkeit ist.
                           Die Kosten der provisorischen Linie von St. Michel nach
                              Susa sind von dem Civilingenieur Brunlees auf 8 Millionen Francs oder 320,000 Pfd. Sterl.,
                              also auf ungefähr 6720 Pfd. Sterl. per engl. Meile
                              veranschlagt worden, während die Tunnel-Bahnstrecke (mit Einschluß von 6
                              Proc. Zinsen während der Bauzeit) beiläufig 135 Mill. Francs oder 5,400,000 Pfd.
                              Sterl., also per engl. Meile 128,500 Pfd. St., kosten
                              wird. Die letztere ist nämlich 68 Kilometer (42 engl. Meilen) lang, erhält eine
                              Maximalsteigung von 1 : 28, durch die Hälfte des großen Tunnels eine Steigung von 1
                              : 35 1/2 und für die ganze Strecke eine mittlere Steigung von 1 zu 46, während die
                              erstere Bahnlinie mit einer Länge von 77 Kilom. (47,6 engl. M.) eine Maximalsteigung
                              von 1 : 12 erhält und eine um 2520 Fuß größere Höhe zu erreichen hat. Die zum
                              Durchfahren beider Bahnstrecken zwischen St. Michel und
                              Susa erforderliche Zeit wird einschließlich des
                              Anhaltens bei der Strecke durch den Tunnel ungefähr 3 Stunden, bei der Strecke über
                              den Gipfel 4 1/2 Stunden betragen.
                           Die Kosten einer permanenten und unabhängigen Bahn über den Berggipfel mit einer
                              größeren Geleisweite und günstigeren Curven können per
                              engl. Meile zu 20,000 Pfd. Sterl. oder nahezu dem Dreifachen von dem angenommen
                              werden, was die obige provisorische Bahn kosten wird; und die Extrakosten für den
                              Betrieb über die größere Höhe von 2520 Fuß können, wenn man einen zehnmal so großen
                              Verkehr als den gegenwärtig über den Mont Cenis stattfindenden voraussetzt und die
                              durchschnittlichen Kosten für die Zugkraft nach den Kosten bei der Bahn über den Sömmering und über die schiefe Ebene von Giovi (1/4 Franc oder 2 1/2 Pence per Pferdekraft und Stunde) berechnet und dieselben zu 6 Proc.
                              capitalisirt, auf 13,000 Pfd. Sterl. per engl. Meile
                              veranschlagt werden.
                              Diese zwei Summen addirt, ergeben per Meile 33,000 Pfd.
                              Sterl., etwas mehr als den vierten Theil von 128,500 Pfd. Sterl., welche sich oben
                              für die Tunnel-Bahn per Meile herausgestellt
                              hatten.
                           Diese Berechnung muß natürlich durch die jedesmaligen localen Umstände wesentlich
                              modificirt werden, aber sie dient als Anhaltspunkt für die Vortheile, welche der Bau
                              von Eisenbahnen mit schärferen Curven, als bisher für anwendbar gehalten
                              wurden-, beim Betrieb nach Fell's System, in den
                              Fällen gewährt, wo stationäre Dampfmaschinen und mit Seilen betriebene schiefe
                              Ebenen nicht anwendbar sind.
                           Als die Resultate meiner Beobachtungen und Versuche habe ich schließlich zu
                              bezeichnen, daß dieses System, den Mont Cenis zu überschreiten, meiner Ansicht nach
                              in jeder Hinsicht praktisch ist und daß der Uebergang über den Berg auf diese Weise
                              nicht nur schneller, regelmäßiger und bequemer, sondern auch sicherer als auf die
                              gegenwärtige Weise stattfinden kann. Wenige Personen dürften im ersten Augenblicke
                              des Gefühls sich entschlagen können, daß die Fahrt über so starke Steigungen und
                              durch so scharfe Curven auf dem Bergabhang mit sehr großer Gefahr verbunden sey und
                              daß der Bruch einer Kuppelung oder eines Radreifes, oder das Entgleisen eines Wagens
                              auf einer solchen Bahn von sehr schlimmen Folgen seyn müsse. Bei diesem Systeme von
                              Locomotivbetrieb ist aber ein Sicherheit-Element vorhanden, welches keine
                              andere Eisenbahn besitzt. Die mittlere Schiene befähigt nicht nur die Maschine, die
                              angehängten Wagen über solche Steigungen zu ziehen, sondern sie gewährt auch das
                              Mittel, jede Bremskraft anwenden zu können, welche zum Mäßigen der Geschwindigkeit
                              oder zum Anhalten von Wagen die sich während der Fahrt von der Maschine getrennt
                              haben, erforderlich seyn dürfte, und durch Anwendung horizontaler Führungsräder an
                              den verschiedenen Wagen wird sie der vollkommenste Sicherheitswächter zur
                              Verhinderung des Entgleisens der Maschinen und Wagen. In der That werden die
                              sichersten Strecken der projectirten Bahn diejenigen seyn, wo die Steigung größer
                              als 1 : 25 ist, wo nämlich die Mittelschiene angewendet wird.
                           Die Mittelschiene ist nicht schwierig so anzubringen und zu befestigen, daß sie einen
                              ununterbrochenen Schienenstrang bildet; es fragt sich nur noch, ob es nicht
                              wünschenswerth wäre, ihre Anwendung auf geringere Steigungen als 1 : 25 auszudehnen.
                              Dieß würde offenbar vortheilhaft seyn, nicht nur um eine größere Adhäsion mit
                              verhältnißmäßig geringerem Gewichte und daher eine billigere Zugkraft zu erhalten,
                              sondern auch um eine größere Sicherheit, namentlich in den Curven der Bahn, zu
                              erzielen.