| Titel: | Ueber die Verbleiung der gezogenen Kanonenrohre. | 
| Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. CVI., S. 451 | 
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                        CVI.
                        Ueber die Verbleiung der gezogenen
                           Kanonenrohre.
                        Ueber Rohrverbleiung.
                        
                     
                        
                           In dem dießjährigen ersten Hefte des Archives für die Officiere der königl.
                                    preußischen Artillerie- und Ingenieur-Corps, Bd. LVII, wird
                              „über die veranlassenden Ursachen der Verbleiung der gezogenen
                                 Kanonenrohre, sowie über den Grund der zur Beseitigung derselben mit Erfolg in
                                 Anwendung gebrachten Auflösung von schwarzer Seife in Wasser, nebst Andeutungen
                                 über die möglichste Verhütung der gedachten Verbleiungen“ ein auf
                              Veranlassung der kgl. preußischen Artillerie-Prüfungs-Commission
                              abgegebenes Gutachten des Hrn. Kleist,
                              Ober-Stabs-Apothekers und pharmaceutischen Consulenten der königl.
                              Marine mitgetheilt, nach welchem der beim Schießen mit Bleimantelgeschossen an den
                              Eisen- oder Gußstahlrohren sich bildende Bleiabsatz, die sogenannte
                              Rohrverbleiung, durch Waschungen mit in Wasser gelöster schwarzer Seife aus dem
                              Grunde sich beseitigen lassen soll, weil das in dieser Seifenart gewöhnlich
                              vorwaltende Aetzkali die Eigenschaft habe, Bleioxyd und Bleisalze aufzulösen, die
                              Rohrverbleiung aber aus einem Cemente von schwefelsaurem Bleioxyd und Schwefelblei bestehe, in welche
                              Salze die im Rohre sich ablagernden Schichten von Bleioxyd und rein metallischem
                              Blei durch Einwirkung der Verbrennungsproducte des Pulvers – Kohlensäure,
                              Schwefelsäure und Schwefelkalium – übergeführt würden.
                           Als Vorsichtsmaßregel wird, bei den variirenden Gehalten der schwarzen Seife an
                              Aetzkali, dann noch vorgeschlagen, derselben vor ihrer Verwendung zum Reinigen der
                              Geschützrohre per Pfund immer erst noch 1 bis 2 Loth des
                              im Handel als Kali causticum siccum vorkommenden Alkalis
                              in wässeriger Lösung zuzusetzen; – weiter wird auch der, im vorliegenden Falle sehr
                              wichtige Umstand erwähnt, daß beim Auswaschen der Geschütze mit einer so verstärkten
                              Seifenlauge die Wischerstangen von leinenen Stoffen, Werg etc. etc. umgeben seyn
                              müssen, weil Wolle, Haare und Borsten vom Aetzkali angegriffen, beziehungsweise
                              aufgelöst werden, und endlich wird auch noch darauf aufmerksam gemacht, daß nach
                              einer so bewirkten Entfernung der Verbleiung von Geschütz- etc. Rohren
                              letztere später immer noch so lange mit reinem Wasser ausgewaschen werden müssen,
                              bis jede Spur von schwarzer Seife entfernt ist, weil sonst das zurückbleibende
                              Aetzkali derselben begierig Feuchtigkeit aus der Luft anzieht und dadurch
                              rosterzeugend wirkt.
                           Zur möglichsten Verhütung der Entstehung solcher Rohrverbleiungen sollen nach
                              genanntem Gutachten die Bleimäntel (beziehungsweise Bleigeschosse) sofort nach deren
                              Guß auf ihrer Oberfläche mit dem sogenannten Belmontylöl (reinstem Olivenöl)
                              eingerieben und zu deren Darstellung auch immer nur das weiche Frischblei, niemals
                              aber ein mit Arsenik verunreinigtes Hartblei verwendet werden. Erstere Anordnung ist
                              gegen die Oxydation der Geschoß-Bleioberflächen gerichtet, weil die grauen
                              oder weißgrauen Oxydationsstufen des Bleies, durch mechanische Abreibung den festen
                              Pulverrückständen zugesellt, nach der diesem Gutachten zu Grunde liegenden Ansicht
                              den Beginn der Rohrverbleiungen verursachen, und arsenikhaltiges Hartblei soll man
                              nicht anwenden, weil dasselbe nicht nur für die Gesundheit der bei seinem Schmelzen
                              beschäftigten Mannschaft gefährlich, sondern seiner Sprödigkeit wegen auch weit mehr
                              zu Abschieferungen geneigt ist, als reines, weiches Blei.
                           Endlich wird als mechanisches Erkennungsmittel von arsenikhaltigem Blei im
                              obenbezeichneten Gutachten vorgeschlagen, vermittelst einer und derselben Form
                              Probekugeln von bereits erprobtem Weichblei und von der zu untersuchenden Bleisorte
                              zu gießen, beide Kugeln hiernach unter ein Fallwerk zu bringen und dann die
                              erlangten Ausdehnungen beider Kugeln miteinander zu vergleichen, wobei als
                              maaßgebend beachtet werden soll, daß die harten Bleisorten, welche sich auch weniger
                              leicht schneiden und biegen lassen, als reines, weiches Blei, diesem nicht nur an
                              Ausdehnbarkeit nachstehen, sondern bei fortgesetzter Zusammenpressung der
                              Probekugeln auch durch an deren Rande entstehende Einrisse sich kenntlich
                              machen.
                           Bei der großen militärischen Wichtigkeit dieses Gegenstandes hat man sich, angeregt
                              durch das in Rede stehende Gutachten, auch in Cassel mit den Rohrverbleiungen und
                              ihrer für das Rohr möglichst unschädlichen Beseitigungsweise beschäftigt, wobei man
                              unter Mitwirkung eines befreundeten Chemikers zu folgenden Resultaten gelangte:
                           
                           Die chemische Untersuchung von Bleiansätzen, welche in einem gezogenen Kanonenrohre
                              durch das Schießen mit Bleimantel-Compressiv-Geschossen aus demselben
                              entstanden, und demselben vermittelst der Reinigungsfeile entnommen worden waren,
                              ergab als Bestandtheile dieser Rohrverbleiung: metallisches Blei, metallisches
                              Eisen, unverseiftes Oel und sehr geringe Mengen von schwefelsaurem Kali, welches
                              letztere dem Rückstande des gewöhnlichen Schießpulvers angehört, während das
                              unverseifte Oel dem Einölen des Gußstahlrohres mit sogenanntem Belmontylöl (reinstem
                              Olivenöl) zuzuschreiben ist.
                           Hiernach war die Wirkung des Kalis beim Auswaschen der verbleiten Rohre mit in Wasser
                              aufgelöster schwarzer Seife aber auch nicht mehr in der Auflösung eines
                              Bleicementes, sondern lediglich darin zu suchen, daß die beim Aufwalzen der
                              Bleitheilchen, welche sich während des Schusses vom Projectile losreißen, mit
                              eingeschlossen werdenden Belmontylölschichten von der Kalilösung verseift, die
                              Bleianschuppungen also gelockert und dadurch für eine Beseitigung derselben auf
                              mechanischem Wege zugänglicher werden, – ein Untersuchungsresultat, welches
                              naturgemäß zu der Frage führen mußte, ob bei den sonstigen schädlichen Wirkungen des
                              Kalis auf Kleidung der Mannschaft etc. und dem daraus folgenden unangenehmen
                              Handthiren mit demselben es nicht besser sey, die Lockerung der Rohroerbleiungen
                              durch andere, sonst mehr indifferente Auflösungsmittel für Oele, als z.B. durch
                              Terpenthinöl, Benzin etc. zu bewirken.
                           Nach dieser Richtung hin mit Terpenthinöl und Erdöl-Aether angestellte
                              Parallelversuche ergaben dann auch sehr bald, daß letzteres Material, welches aus
                              dem Petroleum etc. abdestillirt wird und so sehr billig im Handel zu beziehen ist,
                              in einem hohen Grade lockernd auf die Rohrverbleiungen einwirkt. Rohre, in denen man
                              12 bis 24 Stunden lang diesen Erdöl-Aether stehen ließ, werden sich einer
                              unschädlichen Beseitigung ihrer Verbleiungen bedeutend zugänglicher zeigen als
                              dieses vorher der Fall war.
                           Dy.,                       Hauptmann
                              im Generalstabe in Cassel.