| Titel: | Ueber die Gewinnung des Zuckers aus Melasse in der Fabrik von Schröter und Wellmann in Berlin; von Louis Walkhoff. | 
| Autor: | Louis Walkhoff | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. XXI., S. 69 | 
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                        XXI.
                        Ueber die Gewinnung des Zuckers aus Melasse in
                           der Fabrik von Schröter und
                           Wellmann in Berlin; von
                           Louis Walkhoff.
                        Walkhoff, über fabrikmäßige Gewinnung des Zuckers aus
                           Melasse.
                        
                     
                        
                           Diese Fabrik beschäftigt sich nur damit, den Zucker aus der Melasse zu gewinnen und
                              bedient sich dazu der Eigenschaft des Zuckers, mit Kalk unlösliche Verbindungen
                              einzugehen.
                           Bekanntlich wurde Péligot durch seine Beobachtungen
                              über die Verbindungen des Zuckers mit Kalk auf die Vermuthung geführt, daß der
                              krystallisirbare Zucker der Melasse vermittelst dieser Base im Großen, unter
                              Mithülfe von Schwefelsäure oder Kohlensäure, wieder gewonnen werden könne; es gelang
                              ihm auch im Kleinen auf diese Art aus roher Rübenmelasse 25 Proc. krystallisirbaren
                              Zucker abzuscheiden.Man s. Péligot's Abhandlung im polytechn.
                                    Journal, 1851, Bd. CXX S. 302.
                              
                           In der Berliner Fabrik, welche seit dem Jahre 1864 in Betrieb ist, setzt man der
                              concentrirten Melasselösung Kalkhydrat zu, bis sich darin solches nicht mehr auflöst
                              und fällt den gebildeten Zuckerkalk mittelst Alkohol von 85 Volumprocenten aus.
                              – Ich lasse nun die näheren Angaben folgen.
                           In zwei (zum Schließen eingerichteten) Einmaischgefäßen von 4 Fuß Durchmesser und 3
                              Fuß Höhe werden 300 Pfd. Melasse mit 40 Pfd. Kalk und 300 Quart Spiritus von 82 bis 85° Tralles
                              durch ein Rührwerk 1/2 bis 3/4 Stunden lang tüchtig gemischt, bis eine flockige
                              Ausscheidung (die sogenannte Probe) stattfindet.
                           Der hierbei gebildete und ausgefällte Zuckerkalk wird dann in den neueren
                              Filterpressen von dem Spiritus und der Lösung geschieden, in der Presse selbst aber
                              noch mittelst Spiritus gewaschen, resp. gereinigt, auf dieselbe Art, wie man sonst
                              den Schlammrückstand der Scheidung in Rübenzuckerfabriken mittelst Wasser absüßt.
                              Die erhaltene alkoholische Lösung wird in einem Destillirapparat behufs
                              Wiedergewinnung des Spiritus (von 85° Tralles) abdestillirt; das Phlegma,
                              welches einen großen Theil der Unreinigkeiten der Melasse enthält, läßt man
                              unbenutzt fortlaufen. Von 300 Pfd. Melasse erhält man eine Schlammpresse voll
                              Zuckerkalk, welcher dann mit reinem Wasser verdünnt und in zwei geschlossenen
                              Gefäßen (von 6 Fuß Höhe und 2 1/2 Fuß Durchmesser) durch einen Strom Kohlensäure
                              zersetzt wird. Diese Saturation ist ziemlich schwierig; sie erfordert nicht nur viel
                              Zeit (3/4 Stunden), sondern auch Vorsicht, um den noch in der Lösung befindlichen
                              Spiritus nicht zu verlieren; derselbe wird auch aus dieser Lösung abdestillirt und
                              mit 85° Tralles wieder gewonnen. Nach vollständiger Ausfällung des Kalkes in
                              Form von kohlensaurem Kalk und nach beendigtem Entgeisten der Lösung wird jener in
                              den mechanischen Fachfiltern (sogenannten Schlammpressen) zurückgehalten und die
                              erhaltene Zuckerlösung ebenso behandelt wie gewöhnlich in den Zuckerfabriken, d.h.
                              sie wird über Knochenkohle filtrirt und im Vacuum zum Krystallisationspunkt
                              eingedickt.
                           Die so gewonnene Zuckermasse hat ein sehr hübsches Aussehen und krystallisirt fast
                              vollständig. Ich sandte eine Probe davon an Hrn. Dr. Weiler (Chemiker des Vereines für
                              Rübenzucker-Industrie in Prag), welcher die Freundlichkeit hatte, dieselbe zu
                              analysiren und dabei folgende Zusammensetzung in 100 Gewichtstheilen fand:
                           
                              
                                 Wasser
                                 12,886
                                 
                              
                                 Zucker (durch Polarisation bestimmt)
                                 66,000
                                 
                              
                                 organische Substanzen
                                 13,801
                                 
                              
                                 Kali- und NatronsalzeAls kohlensaure Alkalien bestimmt.
                                 7,129
                                 
                              
                                 Kalksalze etc.
                                 0,184
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,000
                                 
                              
                           Es kommen somit auf 100 Th. Zucker 31,929 Th. fremder Substanzen, nämlich:
                           
                           
                              
                                 Kali- und Natronsalze
                                 10,801
                                 
                              
                                 Kalksalze
                                 0,217
                                 
                              
                                 organische Substanzen
                                 20,911
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 31,929
                                 
                              
                           In 100 Theilen fester Substanz waren demnach 76 Theile Zucker und wenn man annimmt,
                              daß je 1 Theil fremder Beimengung 1 Theil Zucker praktisch ungewinnbar macht, so
                              würden von 100 Th. fester Substanz 52 Th. Zucker praktisch gewonnen werden können.
                              – Nehmen wir in runder Zahl 50 Proc. Ausbeute an, ferner daß in 100 Th.
                              käuflicher Melasse 80 feste Theile enthalten sind, von denen 15–20 Th. in der
                              Fabrication abgeschieden werden, so kommen wir zu dem Resultate daß hierbei 30 Pfd.
                              Zucker aus einem Centner Melasse gewonnen werden können; je nach der Zusammensetzung
                              der käuflichen Melasse wird diese Ausbeute jedoch immer variiren.
                           Der von obiger Füllmasse abgezogene klare Syrup enthielt nach Dr.
                              Weiler's Untersuchung:
                           
                              
                                 Wasser
                                 19,889
                                 
                              
                                 Zucker
                                 51,800
                                 
                              
                                 organische Substanzen
                                 17,770
                                 
                              
                                 Kali- und NatronsalzeAls kohlensaure Alkalien bestimmt.
                                 10,541
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,000
                                 
                              
                           Der abgezogene Syrup enthielt also Zucker, Salze, organische Substanzen und Wasser
                              fast genau in demselben Verhältniß wie die gewöhnliche Melasse.
                           Wenn wir bedenken, daß mittelst des beschriebenen Verfahrens aus Melasse, welche in
                              100 Theilen fester Substanz circa 63 Theile Zucker
                              enthält, eine Zuckermasse gewonnen wurde, die auf 100 Theile fester Substanz 76
                              Theile Zucker enthielt, so ist das eine Veredlung des Productes, welche einer
                              näheren Prüfung unterworfen zu werden verdient, zu welchem Behufe ich sie hiermit
                              veröffentliche.