| Titel: | Watzka's Umsteuerung mit variabler Expansion; mitgetheilt von J. Musy. | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. XLVI., S. 172 | 
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                        XLVI.
                        Watzka's Umsteuerung mit variabler Expansion; mitgetheilt von J. Musy.
                        Aus der Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und
                                 Architektenvereins, 1865 S. 157.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IV.
                        Watzka's Umsteuerung mit variabler Expansion.
                        
                     
                        
                           Die bekannten Mängel der Stephenson'schen
                              Coulissen-Steuerung gaben schon zu vielen neuen Constructionen
                              Veranlassung.
                           Ein im Principe sinnreich combinirter Mechanismus dieser Art wurde von Hrn. J. Watzka, Locomotivführer der österreichischen
                              Staatseisenbahn-Gesellschaft in Prag, erdacht, und wir verdanken es der
                              uneigennützigen Bereitwilligkeit des Erfinders, denselben hier mittheilen zu
                              können.
                           Die Aufgabe einer Umsteuerung für variable Expansion bei constantem Voreilen mit einem Excenter wurde von ihm durch eine Combination
                              gelöst, von der die Figuren 49 und 50
                              eine Art der Ausführung darstellen.
                           A ist die Maschinenachse,
                           B das um 180° gegen die Kurbel o, a aufgekeilte Excenter von der Excentricität ob.
                           C ist eine mit einem Schlitze versehene Scheibe, welche
                              ihrerseits vom Ringe D der Excenterstange H umgeben ist. Das Excenter B bewegt sich im genannten Schlitze und theilt hierbei der Scheibe C sammt Ring D,
                              Excenterstange H und Schieberleitstange J eine hin- und hergehende Bewegung mit, indem
                              der Ring mittelst der zwei Chairs E, E'
                               und der Lineale F, G und F', G' auf der
                              Achse gerade geführt, der Angriffspunkt der Excenterstange h aber an den verticalen, um die Achse K
                              drehbaren Stangen L, L' aufgehängt ist, und daher in
                              einem flachen Bogen schwingt.
                           Zum Zwecke der veränderlichen Expansion und Umsteuerung ist die Scheibe C mittelst der beiden parallelen Stangen cd, fg
                              verstellbar, deren Angriffspunkte d, g zwei Enden eines
                              dreiarmigen Hebels d, g, m fassen, welcher um den Bolzen
                              h drehbar, am dritten Hebelsarm h, m durch die zum Steuerungshebel i, l führende Hängestange l,
                                 m erfaßt wird.
                           K ist die Steuerungswelle; der auf derselben sitzende
                              Hebel i, k wird von der Zugstange erfaßt, welche zum
                              Umsteuerungs-Gradbogen führt.
                           Die Stellung xy der Mittellinie des Schlitzes
                              entspricht nach dem Diagramme Fig. 51 einer Füllung von
                              70 Proc. bei der in Fig. 49 angedeuteten Bewegungsrichtung der Kurbel; die Stellung x
                              ₂
                              y₂ entspricht der entgegengesetzten
                              Bewegungsrichtung bei derselben Cylinderfüllung.
                           x₁ y₁ die verticale Stellung des Schlitzes entspricht der
                                 Ruhestellung der gewöhnlichen Umsteuerungen, denn es geschieht hier die
                              Dampfvertheilung wie durch ein um 180° gegen die Kurbel aufgesetztes
                              einfaches Excenter, welches, wie bekannt, keine Bewegung der Maschine unterhalten
                              kann.
                           Zwischenx₁ y₁ und xy einerseits, ferner
                              x
                              ₁ y₁ und
                              x
                              ₂
                              y₂
                              anderseits liegen alle Admissionsgrade von 0 bis 70 Proc. für
                                 den Vor- und Rückwärtsgang der Maschine.
                           Die letzt angegebene Admission ist jedenfalls die Maximalgrenze, da der Schlitz schon
                              eine sehr schiefe Richtung einnimmt. Eine Füllung während des ganzen Kolbenhubes ist
                              nach dem geometrischen Zusammenhange unerreichbar.
                           
                        
                           Theorie der Steuerung.
                           Es handelt sich zunächst um die Bestimmung des Schieberweges, wenn die Kurbel einen
                              beliebigen Winkel ω zurückgelegt hat.
                           Wie schon oben bemerkt, kann sich die Schlitzscheibe nur parallel in der Linie oh (Fig. 49) verschieben, so
                              daß der Neigungswinkel des Schlitzes constant bleibt.
                           Stellt nun, in Bezug auf die Figur 55, xy die Mittellinie des Schlitzes bei einer
                              gegebenen Stellung odx = α, oa₁ die Stellung der Kurbel,
                              wenn sie den Winkel aoa₁ = ω durchlaufen hat, ferner
                              oc = r die
                              Excentricität vor, so ist od die Verschiebung des
                              Schiebers vom Schieber-Mittel gerechnet:
                           
                           
                              od = S = of/sin α,
                              
                           of = oc. cos. cof = oc . cos. (ω
                                 – 90° + α) = r sin (α +
                                 ω) = r sin α cos ω + r cos α
                                 sin ω,
                           welcher Werth, in obige Gleichung gesetzt, gibt:
                           S = r cos ω + r 1/tang α sin ω. . . . (1)
                           Diese Gleichung ist von der allgemeinen Forms = A cos ω + B sin ω, wobei A = r, B = r/tang α
                              ist.
                           Es lassen sich daher die Schieberwege nach dem bekannten
                                 Zeuner'schen Kreisdiagramme als Sehnen eines Kreises betrachten, dessen
                              Mittelpunkt-Coordinaten (Fig. 51):
                           oa = A/2 = r/2 und
                           ab = B/2 . r/2 .
                              1/tang α sind, und dessen Radius
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 179, S. 174
                              
                           Beschreibt man aus dem Mittelpunkt c drei Kreise mit den
                              Halbmessern:
                           
                              
                                 
                                    om
                                    
                                 = r = der Excentricität,
                                 
                              
                                 
                                    ol
                                    
                                 = e = der äußeren Deckung, und
                                 
                              
                                 
                                    oq
                                    
                                 = i = der inneren Deckung,
                                 
                              
                           so kann man die Dampfvertheilung durch alle Phasen
                              verfolgen.
                           Aus Obigem ersieht man, daß die Abscisse der Schieberkreis-Mittelpunkte
                              unabhängig von der Füllung für alle Schieberkreise constant und gleich der halben
                              Excentricität ist. Es werden sich daher alle Schieberkreise in
                                 dem Punkte
                              m (Fig. 51) schneiden, was das constante Voreilen dieser Umsteuerung
                                 beweist.
                           Der Maximal-Schieberweg tritt für ω = 90
                              – α ein, und beträgt daher nach Gleichung
                              (1):
                           S max = r sin α + (r cos α)/(sin α) .
                                 cos α = r/sin α.
                           Die größte Oeffnung für die Einströmung ist:
                           r/sin α
                                 – e,
                           
                           und für die Ausströmung:
                           r/sin α
                                 – i.
                           Der Schieberweg für den todten Punkt ist: r –
                                 e.
                           Wie schon Eingangs erwähnt, hängt die Admission von dem Neigungswinkel α des Schlitzes ab.
                           Die Einströmung hört auf, sobald der Schieberweg gleich der äußeren Deckung, also S₁ = e wird. Setzen
                              wir diesen Werth in Gleichung (1) und suchen tang
                                 α, so folgt:
                           tang α = (r sin ω₁)/(e – r cos ω₁).
                           In Bezug auf Fig.
                                 51 ist ω₁ = hod, ferner:
                           kp = pl
                              tang klp,
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 179, S. 175
                              
                           Es ist dem zu Folge der Winkel
                           α = Winkel klp.
                           Diese letzte Relation gibt eine sehr einfache Verzeichnungsmethode des Diagrammes.
                              Man mache df/dg
                              = m = dem Expansionsverhältnisse, ziehe die Senkrechte
                              fh, verbinde h mit
                              o, so erhält man den Durchschnittspunkt k und durch Verbindung mit l
                              den Neigungswinkel α. Man errichte ferner aus o auf kl die
                              Senkrechte oc, in welcher der
                              Schieberkreis-Mittelpunkt liegt. Durch s eine
                              Parallele st zu kl gibt ot als
                              Schieberkreis-Durchmesser.
                           Dem Diagramme auf Fig. 51 liegen folgende Daten zu Grunde:
                           
                              
                                 Excentricität
                                 
                                        r
                                    
                                 = 16''',5
                                 
                              
                                 äußere
                                 Deckung
                                 des
                                 Schiebers
                                 
                                        e
                                    
                                 = 14''',5
                                 
                              
                                 innere
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                                        i
                                    
                                 =   3'''
                                 
                              
                                 lineares Voreilen des Schiebers
                                 
                                    r–e
                                    
                                 =   2'''.
                                 
                              
                           Die übrigen Verhältnisse ergeben sich aus Fig. 52.
                           Bei 70 Proc. Cylinderfüllung beträgt der Winkel α
                              35° 37'; die größte Oeffnung für die Einströmung 13''',9.
                           Bei 50 Proc. Cylinderfüllung ist α = 48°
                              41', die größte Oeffnung für die Einströmung 7''',5.
                           Bei 40 Proc. ist α = 62° 26', die größte
                              Oeffnung 4''',1.
                           Diese Mittheilungen dürften genügen, um das Verdienst der dargestellten
                              Steuerungs-Construction in das richtige Licht zu stellen.
                           
                           Es wird nämlich mit Hülfe bloß eines Excenters eine
                              Schieberbewegung erzielt, welche vollkommen gleich für den Vor- und
                              Rückwärtsgang der Maschine ist, und ein symmetrisches Oscilliren des Schiebers um
                              seine Mittelstellung im Gefolge hat.
                           Wird von den Störungen abgesehen, welche von der Kürze der Leitstange herrühren, so
                              erfolgt die Schieberbewegung mit mathematischer Schärfe nach dem oben verzeichneten
                              Diagramm; denn die Verdrehung des Schlitzes kann während eines ganzen Schieberhubes
                              sogar bei verhältnißmäßig geringer Länge der Excenterstange und Hängestangen L, L₁ kaum 3/4 Grad betragen, und ist daher in
                              der Praxis nicht wahrnehmbar.
                           Den Nachtheil der geringeren Eröffnung der Einströmungscanäle für höhere Expansionen
                              theilt diese Anordnung übrigens mit allen nur durch einen Schieber continuirlich
                              bewegten Steuerungen.
                           Das constante Voreilen für alle Expansionsgrade ist in der Construction selbst
                              begründet.
                           Die Schieberbewegung ist nahezu unabhängig von der Länge der Excenterstange, ein
                              Umstand, welcher diese Steuerung wesentlich zu ihrem Vortheile von der Stephenson'schen unterscheidet.
                           Für solche Fälle, bei welchen der Vor- und Rückwärtsgang gleich wichtig ist,
                              wie bei Fördermaschinen, oder woselbst möglichst kurze Excenterstangen Bedingung
                              sind, wie bei vielen Schiffsmaschinen, dürfte eine Construction nach Art der oben
                              beschriebenen sehr gute Dienste leisten.
                           Es läßt sich wohl kaum verkennen, daß die Reibung im Schlitze eine bedeutende werden
                              kann; wir zweifeln indessen nicht, daß es dem praktischen Sinn des Hrn. J. Watzka, welcher bereits eine andere sinnreiche
                              Verbesserung an Dampfmaschinen angegeben hat, gelingen wird, auch diesen Nachtheil
                              seiner Construction zu beseitigen. Indem wir diese Steuerung hiemit den Fachgenossen
                              zur Erprobung empfehlen, können wir schließlich nicht umhin, Hrn. Watzka unsere volle Anerkennung auszudrücken.
                           
                        
                     
                  
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