| Titel: | Untersuchungen über die im flüssigen Roheisen und Stahle enthaltenen Gase; von L. Cailletet. | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. LV., S. 208 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LV.
                        Untersuchungen über die im flüssigen Roheisen und
                           Stahle enthaltenen Gase; von L.
                              Cailletet.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXI p. 850; November
                              1865.
                        Cailletet, über die im flüssigen Roheisen enthaltenen
                           Gase.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich entweichen beim Gießen des Roheisens in dem Augenblicke, wo dasselbe in
                              die Gußform fließt, aus dieser letzteren brennbare Gase.
                           Lange Zeit hindurch glaubte man, daß die in dem angewendeten Formsande stets
                              vorhandene Feuchtigkeit durch die Einwirkung des Metalles bei hoher Temperatur
                              zersetzt werde und daß in Folge dieses Vorganges jene brennbaren Gase auftreten,
                              welche durch Anbringen besonderer Ausgangsröhren in den Formen (der sogenannten Windpfeifen) abgeleitet werden müssen, wenn man sich
                              nicht der Gefahr schlimmer Explosionen aussetzen will. Die Eigenschaft, Gase
                              aufzulösen oder zu binden, ist aber keineswegs einigen besonderen, bei hohen
                              Temperaturgraden geschmolzenen Metallen eigenthümlich, sie scheint im Gegentheil eine ziemlich allgemeine
                              zu seyn. Silber, Bleiglätte, Erzschlacken, Laven und noch viele andere Substanzen
                              besitzen allem Anscheine nach in dieser Hinsicht die gleichen Eigenschaften, wie
                              Roheisen und Stahl; über letztere habe ich eine Reihe von Versuchen angestellt,
                              deren Ergebnisse ich hiermit der Akademie in einer kurzen Uebersicht vorlege.
                           Der Apparat, welchen ich bei meinen ersten Versuchen anwandte, bestand in einem
                              hohlen, gußeisernen Gefäße von kegelförmiger Gestalt, das an seiner Basis mit einer
                              gleichfalls gußeisernen, durch Schrauben festgehaltenen Platte verschlossen war. Das
                              flüssige Roheisen wurde durch die Spitze dieses Kegels eingegossen und dann ward
                              letztere mittelst eines mit einem Gasleitungsrohre versehenen Stopfens verschlossen.
                              Die Erfahrung zeigte bald, daß sich mit diesem Apparate nicht rasch genug
                              experimentiren ließ, um auf diese Weise eine zur näheren Untersuchung hinreichende
                              Gasmenge zu erhalten, da das Roheisen in Berührung mit den Metallwänden bald
                              erstarrte und seinen Gasgehalt entweichen ließ, bevor das Gefäß gehörig verschlossen
                              werden konnte.
                           Der Apparat, dessen ich mich jetzt bediene, scheint den Anforderungen, die ich an ihn
                              gestellt – nämlich der Möglichkeit, eine beliebig große Gasmenge mit
                              ausschließlicher Anwendung von metallenen Gefäßen und ganz frei von beigemischter
                              atmosphärischer Luft aus dem flüssigen Eisen sammeln zu können – in
                              genügender Weise zu entsprechen.
                           Dieser Apparat besteht aus einem hohlen, gußeisernen, unten offenen und an seiner
                              Spitze mit einem Kupferrohre von schwachem Durchmesser verbundenen Kegel, welcher
                              mittelst eines Systems von Gegengewichten in aufrechter Stellung erhalten werden
                              kann, so daß er sich in einer bestimmten Stellung mit der größten Leichtigkeit
                              handhaben und fixiren läßt. Nachdem das anzuwendende Roheisen aus dem Ofen in einen
                              geräumigen Behälter abgestochen ist, hängt man den behufs der Entfernung jeder Spur
                              von Feuchtigkeit vorher zum Rothglühen erhitzten Apparat in die flüssige Masse
                              hinein.
                           In Folge des bedeutenden Temperaturunterschiedes erkaltet das in den Hohlraum des
                              Apparates eingedrungene flüssige Roheisen bald und läßt reichliche Gasmengen fahren,
                              die sich ohne Mühe in den mit Wasser oder Quecksilber gefüllten Glasglocken, welche
                              mit dem Ende des Kupferrohres in Verbindung stehen, auffangen lassen. In dieser
                              Weise untersuchte ich zahlreiche Roheisensorten. Die Analysen wurden nach der
                              Methode von Peligot ausgeführt und gaben mir die
                              nachstehenden Resultate hinsichtlich der Zusammensetzung der von zwei, ihrer
                              Beschaffenheit und ihrem Ursprunge nach sehr verschiedenen Roheisensorten
                              entwickelten Gase:
                           
                           
                              
                                 
                                 Graues
                                       englischesKohksroheisen.
                                 Reines, schwach
                                       grauesHolzkohlenroheisen.
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                   33,70
                                   38,60
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                   57,90
                                   49,20
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                     8,40
                                   12,20
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Rührte der bei meinen sämmtlichen Analysen bestimmte Stickstoff von einem Reste
                              atmosphärischer Luft her, welche trotz der stets beobachteten Vorsichtsmaßregel,
                              vorher eine ziemlich bedeutende Gasmenge entweichen zu lassen, um sie gänzlich zu
                              eliminiren, nicht vollständig ausgetrieben war? Es gelang mir nicht, darüber
                              vollkommen in's Klare zu kommen.
                           Die Untersuchung der aus dem geschmolzenen Stahle im
                              Momente seines Erstarrens austretenden Gase ist sehr schwierig: denn die Temperatur
                              des flüssigen Stahls ist so hoch, daß der gußeiserne Apparat durch dieselbe sofort
                              geschmolzen würde.
                           Bei meinen auf der Stahlhütte zu Drambon (Deptm. Côte-d'Or)
                              angestellten Versuchen mußte ich mich endlich damit begnügen, die Gase durch
                              Aspiration derselben an der Verbindungsstelle der beiden Hälften der zur Aufnahme
                              des Stahls aus den Tiegeln dienenden Zainform anzusammeln.
                           Die auf diese Weise erhaltenen Gase waren stets mit einer ziemlich bedeutenden, wenn
                              auch verschieden großen Menge atmosphärischer Luft gemischt, enthielten aber
                              beständig Wasserstoff und Kohlenoxyd.
                           Ungeachtet aller Bemühungen gelang es mir nicht, bei wiederholten Untersuchungen
                              einer und derselben Stahlsorte übereinstimmende analytische Resultate zu erhalten;
                              begreiflicherweise ist das Experimentiren mit Substanzen von so bedeutendem Volum
                              und so großem Gewichte, welche die höchste, in der Industrie zu erzeugende
                              Temperatur besitzen, außerordentlich schwierig.