| Titel: | Ueber die Fabrikation des zur Farbenbereitung geeigneten Anilins; von den Gebrüdern Depouilly. | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. LVII., S. 213 | 
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                        LVII.
                        Ueber die Fabrikation des zur Farbenbereitung
                           geeigneten Anilins; von den Gebrüdern
                              Depouilly.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Mulhouse, 1865, t. XXXV p. 217.
                        Mit einer Abbildung.
                        Depouilly, über Anilinfabrication.
                        
                     
                        
                           I. Die zur Darstellung des käuflichen
                                 Anilins angewendeten Oele.
                           Unsere Quelle für die das Benzol und Toluol enthaltenden Oele ist der bei der
                              Leuchtgasfabrication erzeugte Steinkohlentheer.
                           Bei der Destillation dieses Theeres geht zunächst ein Oel über, welches leichter ist
                              als Wasser, und deßhalb im Handel leichtes Oel genannt wird. Dasselbe enthält:
                           1) flüssige neutrale Hydrocarbüre oder Kohlenwasserstoffe, nämlich Benzol, Toluol, Cumol u.a., sowie eine geringe
                              Menge eines festen Kohlenwasserstoffes, Naphtalin;
                           2) Phenole, Körper welche gleichzeitig Alkohol und Säuren
                              enthalten: Phenylsäure, Cresylsäure;
                           3) sehr geringe Mengen von Alkaloiden: Anilin, Picolin,
                              Chinolin. Zur Gewinnung der zur Fabrication der Anilinfarben verwendbaren
                              Bestandtheile aus diesen Oelen müssen zunächst die Phenole aus denselben
                              abgeschieden werden. Zu diesem Zwecke werden die Oele mit geringen Mengen
                              Aetznatronlauge von 40° Baumé (oder von noch stärkerer Concentration)
                              tüchtig durchgerührt. Man sondert die wässerige Schicht ab, welche die Phenole in
                              Verbindung mit Natron enthält. Nach zweimaliger Wiederholung dieser Operation sind
                              die Oele vollkommen phenolfrei.
                           Zuweilen werden vor diesem Processe die Oele durch rasches und kräftiges Umrühren mit
                              einer geringen Menge Schwefelsäure von ihrem Gehalte an den oben genannten
                              Alkaloiden befreit.
                           Dieses Waschen der Oele muß ihrer Rectification vorhergehen, da sich das Naphtalin
                              von ihnen durch nochmaliges Destilliren weit leichter abscheiden läßt, wenn sie
                              neutral sind.
                           Hierauf müssen Benzol und Toluol von ihren Homologen, den anderen flüssigen
                              Kohlenwasserstoffen, getrennt werden. Dieh geschieht gewöhnlich durch fractionirte
                              Destillation, indem Alles, was zwischen 80 und 120° C. übergeht, für sich
                              aufgefangen wird. Dieser Antheil kommt als Benzol in den
                              Handel und wird (als Rohbenzol) zur Anilinfabrication verwendet.
                           Das Benzol (Rohbenzol) wird gewöhnlich mit Angabe eines auf die Verhältnisse der
                              Siedepunkte bezüglichen sogen. Procentgehalts verkauft,
                              und zwar meist als Benzol von 60 Proc. oder als solches von 90 Proc.; d.h. 60 Proc.
                              oder 90 Proc. desselben destilliren bei einer unter 100° C. liegenden
                              Temperatur über. In den letzteren Jahren wurde vorzugsweise 90 procentiges Benzol
                              verwendet; seit einiger Zeit hat man indessen erkannt, daß das aus 60procentigem
                              Benzol dargestellte Anilin einen reichlicheren Ertrag an Farbstoffen gewährt.
                           Diese Benzole (Rohbenzole) bestehen fast ausschließlich aus zwei verschiedenen
                              Kohlenwasserstoffen, aus dem eigentlichen Benzol (benzine der Franzosen) und aus Toluol.
                           Das Benzol (im engeren Wortsinne) C¹²H⁶, destillirt bei
                              80° C.; mit Salpetersäure behandelt, gibt es Nitrobenzol C¹²H⁵NO⁴, welches bei 213°
                              C. destillirt und bei der Behandlung mit reducirenden Substanzen Anilin (C¹²H⁷N) gibt, welches bei
                              182° übergeht.
                           Das Toluol, C¹⁴H⁸, geht bei 114° über; durch
                              Salpetersäure wird es in
                              Nitrotoluol, C¹⁴H⁷NO⁴
                              verwandelt, und aus diesem entsteht Toluidin,
                              C¹⁴H⁹N, welches bei 182° siedet.
                           In dieser Reihe von homologen Kohlenwasserstoffen – Benzol, Toluol, Xilol,
                              Cumol, Cymol – nimmt das specifische Gewicht in dem Maaße ab, in welchem
                              Aequivalent und Siedepunkt steigen, und dieses Gesetz gilt nicht allein für diese
                              Kohlenwasserstoffe selbst, sondern auch für ihre nitrirten Derivate, für die aus
                              ihnen derivirten Alkaloide und die entsprechenden Phenole (Alkohole oder
                              Säuren).
                           So hat z.B. ein bei 80° C. siedender Kohlenwasserstoff ein spec. Gewicht von
                              0,885; ein anderer bei 110° bis 114° übergehender dagegen nur eine
                              Dichtigkeit von 0,870.
                           Das spec. Gewicht eines bei 213° bis 220° siedenden Nitrobenzols ist =
                              1,200 bis 1,210; das eines bei 220° bis 230° übergehenden Nitrotoluols
                              ist dagegen 1,180 bis 1,190.
                           Das spec. Gewicht des reinen Anilins, C¹²H⁷N, welches bei
                              182° siedet, ist = 1,028; die Dichtigkeit des bei 198°
                              überdestillirenden reinen Toluidins hingegen = 1,001 bis 1,002.
                           Das Phenylphenol (Phenylalkohol, Phenylsäure), C¹²H⁶O²,
                              ist schwerer als das Cresylphenol (Cresylalkohol),
                              C¹⁴H⁸O².
                           Reines Anilin gibt keine Farbstoffe, ebenso wenig reines Toluidin.
                           Die Praxis lehrt, daß man die besten Resultate in Bezug auf Schönheit der Farbstoffe
                              sowohl, wie auf Größe des Ausbringens (und zwar nicht allein für Violett, sondern
                              auch für Roth) mit einem Gemische von 70 Proc. Toluidin und 30 Proc. Anilin, also
                              von 2 Aequiv. des ersteren und 1 Aequiv. des letzteren, erhält. Diese Verhältnisse
                              stimmen mit der von Hofmann für das Rosanilin aufgestellten Formel vollkommen überein; die industrielle
                              Aufgabe ist daher, ein nach jenen Verhältnissen zusammengesetztes Anilin
                              darzustellen.
                           Dieses Resultat durch fractionirte Destillation des käuflichen Anilins zu erreichen,
                              ist schwierig; die Destillation der Nitrobenzole ist nicht allein gefährlich,
                              sondern auch sehr kostspielig. Daher ist es vorzuziehen, die zur Anilinfabrication
                              dienenden Kohlenwasserstoffe abzuscheiden. Obgleich dieses Verfahren nicht allgemein
                              angewendet wird, so erscheint es uns doch als die einzige rationelle Methode, Anilin
                              von einer constanten Zusammensetzung zu erhalten.
                           Das erste Mittel zur Trennung der Hydrocarbüre verdanken wir Mansfield, welcher in den Jahren 1848 und 1849 die fabrikmäßige
                              Darstellung der Steinkohlen-Kohlenwasserstoffe und ihrer Derivate in's Leben
                              rief und zahlreiche Anwendungen dieser Producte angab. Diese Arbeit kostete ihm
                              leider das Leben.
                           
                           Zur Abscheidung des Benzols aus den leichten Steinkohlenölen erhitzte Mansfield diese letzteren in einem Kessel, in dessen
                              Mündung ein metallenes, von Wasser umgebenes und mit seinem unteren Ende mit dem
                              Kessel communicirendes Gefäß befestigt war. Sobald die Dämpfe in dieses Gefäß
                              traten, condensirten sie sich und flossen in den Kessel zurück; es trat ein
                              Zeitpunkt ein, wo das das Gefäß umgebende und nicht durch frisches ersetzte Wasser
                              in's Kochen gerieth. Von dem Augenblicke an, wo das Wasser eine Temperatur von
                              80° erreichte, condensirte sich das Benzol nicht mehr und trat in das
                              Schlangenkühlrohr, während die übrigen Oele in den Kessel zurückflossen. Sobald das
                              Wasser in's Sieden kam, ging nur noch Benzol, und bald darauf gar nichts mehr über,
                              indem alles Benzol abgeschieden war.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 179, S. 216
                              
                           Diese vollständige Trennung war demnach auf den zwischen dem Siedepunkt des Benzols
                              – 80° C. – und dem des Toluols – 114° –
                              liegenden Siedepunkt des Wassers basirt.
                           Mansfield wollte nur das Benzol abscheiden. Sein
                              Verfahren würde sich leicht so modificiren lassen, daß mittelst desselben auf
                              ähnliche Weise auch das Toluol gewonnen werden könnte; es brauchte, nach Abscheidung des Benzols, das
                              Wasser nur durch eine andere Flüssigkeit (z.B. durch eine Salzlösung, deren Niveau
                              selbstverständlich constant erhalten werden müßte) ersetzt zu werden, deren
                              Siedepunkt zwischen dem des Toluols und dem des Xylols läge.
                           Mansfield war auch auf den Gedanken gerathen, das Benzol
                              mittelst der zum Rectificiren des Alkohols dienenden Apparate zu gewinnen. Auf
                              verschiedene Methoden zur Verwerthung derselben Idee haben mehrere andere Chemiker
                              Patente genommen, von denen wir hier nur Th. Coupier
                              anführen, welcher die Abscheidung des Benzols und Toluols mittelst eines ihm
                              patentirten sinnreichen Apparates fabrikmäßig betreibt. Wir haben mehrere von seiner
                              Fabrik zu Poissy herstammende Producte vor uns, nämlich reines Benzol, fast reines
                              Toluol, reines Anilin und fast reines Toluidin.
                           Unserer Ansicht nach muß eine möglichst vollkommene und dabei billige Abscheidung der
                              Steinkohlentheeröle zum Hauptziele aller betreffenden Untersuchungen gemacht werden,
                              dessen Erreichung jedenfalls bedeutende Fortschritte in der Darstellung der
                              Anilinfarben herbeiführen wird.
                           Ein anderer Grund, der uns veranlaßt diesen Punkt hervorzuheben, liegt in dem so sehr
                              verschiedenen Verhalten des Toluols und des Benzols gegen Salpetersäure bei der
                              Anwendung dieses Reagens zur Umwandlung der genannten Kohlenwasserstoffe in
                              Nitrobenzol. Das Toluol wird weit leichter angegriffen; deßhalb müssen auch bei
                              Behandlung dieses Körpers die Gemische von Schwefelsäure und Salpetersäure in
                              angemessener Weise abgeändert werden.
                           Die Salpetersäure wirkt auf die dieser Reihe angehörenden Kohlenwasserstoffe um so
                              heftiger, namentlich um so stärker oxydirend und gibt mit ihnen um so schwieriger
                              die entsprechenden Nitrokörper, je höher das Aequivalent des betreffenden
                              Hydrocarbürs ist; es bedarf sogar großer Sorgfalt und Vorsicht, um die
                              Nitroverbindungen der höheren Kohlenwasserstoffe zu erhalten. In Folge davon
                              entstehen leicht Verluste durch Bildung von secundären Producten, und bei der
                              Verarbeitung eines Gemisches von Benzol mit anderen Oelen läuft man dann Gefahr, daß
                              diese Oele theilweise zerstört oder daß das Benzol theilweise nicht angegriffen
                              wird.
                           Es drängt sich übrigens die Frage auf, ob das Toluol dem Benzol wirklich vollkommen
                              homolog ist? Die Wirkung des Chlors auf diese beiden Körper ist nicht die gleiche;
                              durch Einwirkung von Chlor auf das Benzol entstehen Chlorüre, ohne daß Wasserstoff
                              eliminirt wird, während bei der Behandlung von Toluol mit Chlor Chlorotoluole
                              entstehen, indem ein oder mehrere Wasserstoffatome durch Chlor substituirt
                              werden.
                           
                        
                           
                           II. Die Nitrobenzole.
                           Die anfänglich mit Gefahr verknüpft gewesene fabrikmäßige Darstellung der
                              Nitrobenzole ist durch die praktische Erfahrung zu einem leicht ausführbaren
                              Processe geworden. Die Vorsichtsmaßregeln, deren Beobachtung die Möglichkeit von
                              Unfällen fast gänzlich beseitigt, sind gleichzeitig auch zur Erzielung guter
                              Producte durchaus erforderlich.
                           In erster Reihe steht eine größtmögliche Reinheit der zu verarbeitenden Benzole, ein
                              vollkommenes Waschen und eine mit aller Sorgfalt ausgeführte fractionirte
                              Destillation. Denn wenn die zu bearbeitenden Benzole Phenole enthalten, so wird ihre
                              Behandlung mit Säuren gefährlich; auch gibt die Gegenwart von Phenolen zur Bildung
                              von schädlichen Nitroproducten Anlaß. Das Naphtalin gibt Nitronaphtaline, welche die
                              Schönheit des Nitrobenzols beeinträchtigen und später, bei der Umwandlung in Anilin,
                              Alkaloide erzeugen, die sich an der Luft verharzen, und noch weit mehr werden diese
                              Alkaloide dann bei der Darstellung der Farbstoffe gebildet. Die Hydrocarbüre
                              endlich, welche ein höheres Aequivalent haben als das Toluol, werden durch zu starke
                              Säuregemische theilweise oxydirt und der in nitrirte Substanzen umgewandelte Antheil
                              gibt Alkaloide, welche über 200° C. überdestilliren, und hinsichtlich der
                              Quantität der erzeugten Farbstoffe bis jetzt als nur wenig nützlich, in Bezug auf
                              die Schönheit der Farben aber als entschieden nachtheilig sich erwiesen haben.
                           Möglichste Reinheit der Benzole macht eine kostspielige und gefährliche, von
                              Substanzverlust durchaus unzertrennliche Operation unnöthig: nämlich die Destillation der Nitrobenzole. Das zur Darstellung von
                              Anilin bestimmte Nitrobenzol wird nicht mehr destillirt.
                           Eine fernere, zur Vermeidung von Feuersgefahr nothwendige Vorsicht besteht darin,
                              niemals große Massen von Säuren und unangegriffenen Hydrocarbüren
                              zusammenzubringen.
                           Zur Umwandlung eines Gemisches von Benzol und Toluol in verkäufliches Nitrobenzol
                              werden noch jetzt verschiedene Methoden angewendet, welche sämmtlich auf demselben
                              Principe beruhen, insofern stets nicht eher neues Benzol zur Säure hinzugefügt
                              werden darf, als bis der vorher zugesetzte Antheil fast gänzlich in Nitrobenzol
                              verwandelt ist. Dadurch werden Unfälle, sowie zu starke Erhitzung des Gemisches
                              verhütet, durch welche letztere in Gegenwart überschüssiger Säure secundäre Producte
                              erzeugt wurden.
                           Durch rauchende Salpetersäure wird das Benzol fast augenblicklich in Nitrobenzol
                              verwandelt. Setzt man rauchender, in einem Kältegemische stehender Salpetersäure langsam
                              Benzol hinzu und läßt das Ganze 24 Stunden ruhig stehen, so wird das Benzol bei
                              Gegenwart einer hinlänglichen Säuremenge vollständig in Nitrobenzol umgewandelt.
                              Dieses Verfahren ist in mehrfacher Beziehung fehlerhaft. Zunächst nimmt die Säure
                              stets an Stärke ab, somit wird auch ihre Wirkung immer schwächer, so daß bei
                              Beendigung der Operation ein Theil des Oels unverändert zurückbleibt, wenn nicht ein
                              großer Säureüberschuß angewendet wird, was die derzeitigen Preise nicht gestatten.
                              Ueberdieß kann in Gegenwart einer so großen Menge starker Säure leicht festes
                              Binitrobenzol entstehen und das vorhandene Toluol in Binitrotoluol verwandelt
                              werden.
                           In der Fabrikpraxis wird häufig ein aus Steinzeug angefertigtes, in einem mit kaltem
                              Wasser gefüllten Gefäße liegendes Schlangenrohr angewendet. In den oberen Theil des
                              letzteren läßt man aus zwei mit Regulirhähnen versehenen Gefäßen einen Strahl
                              rauchender Salpetersäure und einen Strahl Rohbenzol einfließen, welche sich mit
                              einander vermischen, so daß die Reaction beinahe schon vollständig erfolgt ist, wenn
                              das Gemisch in den unteren Theil dieses Kühlrohrs gelangt. Durch kleine, in den
                              Windungen des Kühlrohrs angebrachte Cuvetten oder Erweiterungen wird die Reaction
                              beider Substanzen auf einander sehr befördert.
                           Wenn der Zufluß der Säure und des Rohbenzols so regulirt wird, daß gleichzeitig ein
                              Aequivalent Benzol und ein Aequivalent Säure, nebst einem geringen Ueberschusse der
                              letzteren in das Kühlrohr tritt, so geht der Proceß in gewünschter Weise von
                              statten, und man erhält ein sowohl in Bezug auf Quantität, als auf Qualität des
                              Productes günstiges Resultat.
                           Die Anwendung von rauchender Säure gewährt auch den Vortheil, daß Nitrobenzol und
                              Säure in einander gelöst bleiben und eine homogene Flüssigkeit bilden, wodurch die
                              Reaction sehr erleichtert wird. Diese Apparate aber sind kostspielig und sehr
                              zerbrechlich, und die rauchende Salpetersäure ist immerhin gefährlich zu
                              handhaben.
                           Auch wenden viele Fabrikanten ein Gemisch von Salpetersäure mit Schwefelsäure von
                              66° Baumé in verschiedenen, der Stärke der Salpetersäure
                              entsprechenden Verhältnissen an. Die Menge der anzuwendenden Schwefelsäure muß
                              hinreichen, um die Salpetersäure in Säure mit einem, höchstens mit zwei
                              Aequivalenten Wasser zu verwandeln; die anzuwendende Salpetersäure muß mindestens
                              40° Baumé zeigen, eher noch stärker seyn.
                           Das Rohbenzol wird dem Säuregemische am besten allmählich und zwar täglich in einer
                              kleinen Quantität zugesetzt, und die ganze Flüssigkeit muß oft umgerührt werden, da
                              bei dieser Verfahrungsweise die Producte zwei Schichten bilden, so daß das Umrühren
                              unerläßlich ist, um die
                              Substanzen gehörig mit einander in Berührung zu bringen. Diese Gewinnungsmethode
                              wird häufig so ausgeführt, daß zur vollständigen Darstellung des Nitrobenzols zwei
                              bis drei Wochen verstreichen. Zwar erfordert dieselbe einen ziemlich bedeutenden
                              Ueberschuß von Säure, aber sie gibt, wenn sie in großem Maaßstabe betrieben wird,
                              sowohl in Bezug auf Qualität, als auf Quantität der Producte recht gute Resultate,
                              und deßhalb dürfte es gerathen seyn, bei der Anwendung des Gemisches beider Säuren
                              zu bleiben.
                           In England, in neuester Zeit auch in Frankreich, ist dieses Verfahren etwas
                              abgeändert worden; man wendet nämlich in beiden Ländern geschlossene Apparate an,
                              wie solche in England zur Anilinfabrication gebräuchlich sind. Benzol und
                              Säuregemisch fließen in zwei gehörig regulirten Strahlen in den Apparat; ein
                              Rührwerk bringt die Substanzen in genügende Berührung mit einander; die bei der
                              Reaction frei werdende Wärme wird theilweise zur Beförderung der Zersetzung benutzt.
                              Die angewendete Salpetersäure besitzt stets hohe Concentrationsgrade. Die Reaction
                              verläuft sehr rasch und die angewendete Säuremenge entspricht ziemlich genau der
                              theoretisch nothwendigen Quantität. Das etwa nicht umgewandelte Rohbenzol sammelt
                              sich in einen: Schlangenrohre.
                           Welche von diesen Methoden nun auch angewendet werden mag, stets muß die nach
                              Beendigung der Reaction (welche sich an der Entfärbung der Producte erkennen läßt)
                              zurückbleibende Säure mit Wasser verdünnt werden, um das Nitrobenzol vollständig
                              abscheiden zu können. Diese Operation läßt sich indessen so ausführen, daß das
                              Säuregemisch noch hinlänglich concentrirt bleibt, um zu gewissen Zwecken verwendet
                              werden zu können. Es ist auf diese Weise nicht schwierig, eine mehr oder weniger
                              Salpetersäure enthaltende Schwefelsäure von 50 bis 55° Baumé als
                              Rückstand zu erhalten.
                           Das Nitrobenzol und die verdünnte Säure bilden zwei Schichten, welche sich durch
                              Decantiren leicht von einander trennen lassen. Das decantirte Nitrobenzol wird erst
                              mit Wasser, dann mit einer sehr schwachen Lösung von kohlensaurem Natron, und darauf
                              nochmals mit Wasser ausgewaschen. Diese Operation erfordert große Sorgfalt, insofern
                              bei ihr leicht ein bedeutender Substanzverlust stattfindet; denn indem schlecht
                              gewaschenes Nitrobenzol säurehaltig bleibt und Salpetrigsäuredämpfe entwickelt, gibt
                              es unreines Anilin, weil die nitrösen Dämpfe auf einen Theil des gebildeten Anilins
                              wirken und theerige Producte erzeugen.
                           Ein Auswaschverfahren, welches uns recht günstige Resultate lieferte, besteht darin,
                              das decantirte Nitrobenzol mit einem geringen Ueberschuß von Aetzammoniak zu
                              behandeln, wobei sich schwefelsaures, salpetersaures und salpetrigsaures Ammoniak
                              bildet. Das Ganze wird auf 105° bis 110° C. erhitzt; dadurch wird das
                              Salpetrigsäuresalz zersetzt, während das Salpetersäuresalz nebst dem
                              Schwefelsäuresalz ungelöst zurückbleibt, so daß man nur zu filtriren braucht. Auf
                              diese Weise erhält man ein zur Anilinfabrication sehr geeignetes Nitrobenzol.
                           Das Ausbringen an Nitrobenzol in großen Fabriken ist jetzt bedeutend; es beträgt
                              durchschnittlich 130 bis 135 Proc. vom Gewichte des angewendeten Benzols, also nur
                              10 Proc. weniger, als der Theorie nach ein Gemisch von 1 Thl. Benzol und 2 Thln.
                              Toluol geben muß.
                           Wahrscheinlich würde man sowohl in Bezug auf Güte, als auf Menge der Producte
                              günstigere Resultate erhalten, wenn man Benzol und Toluol jedes für sich mit Säuren
                              behandelte; denn diese Substanzen sind nicht gleich empfindlich gegen die Einwirkung
                              der Salpetersäure und der Schwefelsäure.
                           Toluol wird von Salpetersäure weit stärker angegriffen als Benzol.
                           Für die Richtigkeit dieses Satzes spricht die Thatsache, daß sich in den Säuren,
                              nachdem sie zur Darstellung von käuflichem Nitrobenzol gedient haben, Nitrodracylsäure findet, ein Isomer der Nitrobenzoesäure, C¹⁴H⁵ (NO⁴,
                              O⁴) offenbar ein durch Oxydation gebildetes Derivat des Nitrotoluols,
                              C¹⁴H⁷ (NO⁴) und nicht des Nitrobenzols,
                              C¹²H⁵ (NO⁴).
                           Ferner wird das Toluol, sogar schon bei gewöhnlicher Temperatur, durch Schwefelsäure
                              von 66° B. angegriffen, das Benzol hingegen nicht. Es würde demnach ein ganz
                              rationelles Verfahren seyn, jede dieser Substanzen für sich mit einem für sie
                              geeigneten Säuregemische zu behandeln.
                           Um ein käufliches Nitrobenzol vor seiner Umwandlung in Anilin zu probiren, muß man
                              zunächst sein specifisches Gewicht bestimmen. Dasselbe wird um so höher seyn, je
                              reicher an reinem Nitrobenzol und je ärmer an Nitrotoluol das Product ist. Die
                              Dichtigkeit des Nitrobenzols bei + 15° C. ist = 1,209, diejenige des
                              Nitrotoluols ist 1,180. Wenn aber das zu untersuchende Nitrobenzol unzersetzte
                              Hydrocarbüre oder binitrirte Körper enthält, so wird das gefundene specifische
                              Gewicht zu niedrig oder zu hoch ausfallen, und dann muß man zur Destillation
                              schreiten; Nitrobenzol geht bei 213° C. über, Nitrotoluol bei 225°;
                              deßhalb muß Alles, was unter 213° übergeht, beseitigt werden. Ein gutes, zur
                              Anilinfabrication für Roth und Violett geeignetes Nitrobenzol muß zwischen
                              215° und 230°, der größere Antheil zwischen 220° und
                              227° übergehen; ist dieß der Fall, so enthält es die beiden erforderlichen
                              Substanzen – Nitrobenzol und Nitrotoluol – in geeigneten Verhältnissen
                              zur Darstellung eines für den genannten Zweck brauchbaren Anilins. Ueberdieß dürfen sich bei der
                              Destillation höchstens Spuren von Salpetrigsäuredämpfen entwickeln.
                           
                        
                           III. Die Aniline.
                           Durch Behandlung mit reducirenden Substanzen wird das Nitrobenzol in Anilin
                              umgewandelt, nach folgender Gleichung:
                           C¹²H⁵ (NO⁴) + 6 H =
                              C¹²H⁷N + 4 HO.
                           Zur fabrikmäßigen Ausführung dieser Umwandlung sind zahlreiche Methoden in Vorschlag
                              gebracht worden; doch ist man im Allgemeinen bei dem Verfahren von Béchamp stehen geblieben, nach welchem das
                              Nitrobenzol mit Eisen und Essigsäure behandelt wird.
                           Béchamp brachte 50 Grm. käufliches Nitrobenzol,
                              ein gleiches Volum Essigsäure und 100 Grm. Eisenfeilspäne in eine Retorte. Die
                              Reaction gibt sich durch lebhaftes Aufbrausen kund; ist dieses vorüber, so cohobirt
                              man und destillirt zur Trockne ab, wobei das entstandene Anilin mit dem Wasser
                              übergeht.
                           In der Praxis sind diese Mengenverhältnisse mannichfach modificirt worden; sie haben
                              nichts Festes, indem jeder Fabrikant seine besonderen Recepte, sowie seine
                              besonderen Apparate und seine besondere Verfahrungsweise hat. Wir kommen auf die zu
                              beobachtenden quantitativen Verhältnisse weiter unten zurück; zunächst wollen wir
                              beispielsweise zwei Verfahren beschreiben, deren erstes aus Frankreich stammt,
                              während das andere englischen Ursprungs ist. Das erstere wird ohne Zuhülfenahme von
                              künstlich erzeugter Wärme ausgeführt; das zweite erfordert die Anwendung von
                              Wasserdampf.
                           
                              Erstes Verfahren.
                              Die Verhältnisse der anzuwendenden Materialien sind:
                              100 Thle. Nitrobenzol,
                              60 bis 65 Thle. käufliche Essigsäure,
                              150 Thle. mittelgrobe, zerstoßene Eisendrehspäne.
                              Das Nitrobenzol und die Eisendrehspäne werden in einen gußeisernen Kessel
                                 gebracht, dann wird die Essigsäure entweder auf einmal oder auf zweimal –
                                 und zwar die zweite Hälfte 12 Stunden nach der ersten – hinzugegossen.
                                 Nach Verlauf einer Stunde erfolgt eine heftige Reaction, welche von starkem
                                 Aufbrausen und bedeutender Wärmeentwickelung begleitet ist, dann aber von selbst
                                 aufhört. Man rührt nun das Ganze mit einer Krücke tüchtig um, worauf die
                                 Reaction von Neuem beginnt, und in dieser Weise fährt man fort, so lange
                                 überhaupt die Substanzen auf einander einwirken. Nach 36 bis 48 Stunden ist die
                                 Operation beendigt.
                              Der Kessel muß mittelst eines Deckels verschlossen werden, der mit einem
                                 Schlangenrohre oder einem anderen, aufsteigenden Kühlapparate in Verbindung
                                 steht. Dieser letztere dient dazu, die erzeugten Dämpfe zu condensiren und sie
                                 in den Kessel zurückzuführen; ohne diese Vorsichtsmaßregel findet ein
                                 beträchtlicher Verlust statt.
                              Nach Beendigung der Operation ist das in Arbeit genommene Gemisch in einen
                                 gleichartigen, dicken, überschüssiges Eisen enthaltenden Teig verwandelt; alles
                                 Nitrobenzol ist zu Anilin geworden, welches Essigsäure und Eisenoxyd beigemengt
                                 enthält.
                              Dieser Teig wird in halbcylindrische, aus dünnem Eisenblech angefertigte
                                 Schiffchen gebracht, welche man in horizontalliegenden, cylindrischen, schwach
                                 abgeplatteten Retorten erhitzt, die den Gasretorten ähnlich sind, aber aus
                                 Gußeisen bestehen und große Dimensionen haben; das Anilin destillirt, mit Wasser
                                 gemischt, über und wird in einem kühlgehaltenen Schlangenrohre condensirt.
                              Der Ofen muß so construirt seyn, daß der obere Theil der Retorte mit der Flamme
                                 nicht in Berührung kommt, denn sonst würden sich die Anilindämpfe zum Theil
                                 zersetzen. Da diese Dämpfe sich leicht condensiren, so muß das Entweichungsrohr
                                 möglichst tief angebracht seyn, und darf kein aufsteigendes Knie haben.
                              Die Anwendung der Blechschiffchen gewährt den großen Vortheil, daß die Cylinder
                                 binnen sehr kurzer Zeit und während sie noch heiß sind, entleert und von Neuem
                                 beschickt werden können. Das bei dieser Destillation übergehende Gemisch von
                                 Anilin und Wasser wird mit einer kleinen Quantität Kochsalz und Natron versetzt,
                                 worauf sich zwei Schichten bilden; die obere derselben, aus Anilin bestehend,
                                 wird decantirt und dann durch Destillation rectificirt.
                              
                           
                              Zweites Verfahren.
                              Die Mengenverhältnisse der Rohstoffe sind folgende:
                              100 Thle. Nitrobenzol,
                                  8 bis 10 Thle. Essigsäure,
                              200 Thle. Eisen.
                              Der Proceß wird in einem aufrecht stehenden eisernen Cylinder vorgenommen. In der
                                 Mitte desselben steht eine hohle, als Dampfzuleitungsrohr dienende und mit Armen
                                 zum Umrühren der Beschickung versehene Welle, welche durch Zahnräder und
                                 Getriebe mit einem Motor verbunden ist. Die entwickelten dampfförmigen Producte
                                 werden durch ein am
                                 oberen Theile des Cylinders angebrachtes Rohr in ein Schlangenkühlrohr
                                 geleitet.
                              Nachdem Eisen und Essigsäure in den Cylinder eingetragen sind, setzt man etwa 20
                                 Kilogr. Nitrobenzol hinzu, worauf eine heftige Reaction eintritt. Hat dieselbe
                                 aufgehört, so wird die Welle in Bewegung gesetzt und Dampf zugelassen, während
                                 gleichzeitig der Rest des in einem über dem Cylinder angebrachten Gefäße
                                 befindlichen Nitrobenzols in einem continuirlichen Strahle einfließt. Das
                                 entstandene Anilin destillirt mit dem von der Condensation des Dampfes
                                 herrührenden Wasser über.
                              Dieses Verfahren ist wegen der sehr geringen Menge Essigsäure, die es erfordert,
                                 sehr vortheilhaft; unserer Ansicht nach würde es aber besser seyn, den Proceß,
                                 sobald das Nitrobenzol vollständig in Anilin übergeführt worden, zu
                                 unterbrechen, dann den Teig aus dem Cylinder zu entfernen, ihn in Retorten zu
                                 bringen und hernach in der bei der ersten Methode beschriebenen Weise weiter zu
                                 behandeln.
                              Durch ein solches Verfahren muß ein größeres Ausbringen erzielt werden, denn die
                                 Löslichkeit des Anilins im Wasser veranlaßt Verluste, und da die Destillation
                                 mittelst Dampf nicht so vollständig seyn kann als die über offenem Feuer, so
                                 müssen die hochhaltigen, also die für die Farbenfabrication werthvollsten
                                 Aniline, verloren gehen.
                              Offenbar könnte man bei Anwendung des englischen Verfahrens mit einer gegebenen
                                 Menge Essigsäure eine unbegrenzte Menge Nitrobenzol in Anilin überführen, sobald
                                 immer Eisen und Wasser vorhanden ist. Die Praxis gibt uns über die verschiedenen
                                 Stadien der Reaction genügenden Aufschluß.
                              Zunächst wirkt die Essigsäure auf das Eisen, es bildet sich essigsaures
                                 Eisenoxydul und Wasserstoff; der Wasserstoff im Entstehungsmoment verwandelt das
                                 Nitrobenzol in Anilin und Wasser.
                              Dann spaltet sich das essigsaure Eisenoxydul in Gegenwart von Wasser und
                                 Nitrobenzol in essigsaures Eisenoxyd und freies Eisenoxyd, und reducirt das
                                 Nitrobenzol zu Anilin.
                              Das entstandene Anilin zersetzt das essigsaure Eisenoxydul und Oxyd, und schlägt
                                 sie als Oxydhydrate nieder; das Eisenoxydul verwandelt sich auf Kosten des
                                 Nitrobenzols in Oxyd; das essigsaure Anilin wirkt auf das Eisen wie freie
                                 Essigsäure, und auf diese Weise setzt sich die Reaction in's Unbegrenzte fort,
                                 so lange Wasser, Eisen und Nitrobenzol vorhanden sind; als Endproducte dieses
                                 Processes treten Anilin und Eisenoxyd auf.
                              Die käuflichen Aniline sind stets Gemische von Anilin und Toluidin in
                                 wandelbaren Verhältnissen: – eine nothwendige Folge der Zusammensetzung der zur
                                 Darstellung des Nitrobenzols angewendeten Rohmaterialien, welche niemals aus
                                 reinem Benzol oder aus reinem Toluol bestehen. Auch erhält man nie Anilin,
                                 welches bei 182°, noch Toluidin, welches bei 198° C.
                                 destillirt.
                              Außerdem enthalten diese Aniline noch verschiedene secundäre Producte, welche
                                 entweder von den in den angewendeten Hydrocarbüren enthaltenen Beimengungen
                                 herrühren, oder sich bei der Darstellung des Nitrobenzols, oder bei der des
                                 Anilins gebildet haben. Als secundäre Producte finden sich in den käuflichen
                                 Anilinen am häufigsten:
                              Alkaloide, deren Siedepunkt über 200° C.
                                 liegt, von einem Gehalte der Benzole an Hydrocarbüren von größerem Aequivalente,
                                 als das Toluol, herrührend.
                              Benzol, von noch benzolhaltigem, also schlecht
                                 dargestelltem Nitrobenzol herstammend; ferner Phenyldiamin und Toluyldiamin welche durch
                                 Reduction der im angewendeten Nitrobenzol enthaltenen binirirten Körper
                                 entstanden sind.
                              Nitrobenzol, welches bei der Darstellung des Anilins
                                 unzersetzt blieb.
                              Essigsäure und Derivate derselben, nämlich Acetanilid und Acetotoluid, welche letzteren in den Anilinen oft in großer Menge
                                 enthalten sind, indessen weniger, seitdem bei der Anilinfabrication geringere
                                 Mengen von Essigsäure angewendet werden.
                              Aceton, welches namentlich in den Producten
                                 derjenigen Fabrikanten auftritt, die bei der Destillation aus gußeisernen
                                 Retorten Kalk zusetzen.
                              Ein großer Theil dieser fremdartigen Beimengungen wird durch Rectificiren des
                                 Productes entfernt; doch bleibt immer noch eine beträchtliche Quantität
                                 derselben im Anilin zurück.
                              Zur Werthbestimmung der käuflichen Aniline muß man
                                 zunächst das spec. Gewicht bestimmen. Die Dichtigkeit des Anilins ist = 1,028,
                                 die des Toluidins = 1,001 bis 1,002. Ein Anilin, dessen Dichtigkeit geringer
                                 ist, als 1,000, enthält Aceton oder Benzol; übersteigt das spec. Gewicht eines
                                 Anilins 1,030, so enthält es Nitrobenzol oder andere dichte Körper.
                              Eine fernere wichtige Probe ist die, das zu prüfende Anilin mit wenigstens der
                                 Hälfte seines Gewichts Schwefelsäure, die mit der dreifachen Menge Wasser
                                 verdünnt worden, zu behandeln. Es bildet sich ein dicker Teig von schwefelsaurem
                                 Anilin, den man mit Wasser verdünnt, um das Salz in Lösung zu bringen; sind
                                 theerartige Verbindungen, ferner Nitrobenzol etc. vorhanden, so schwimmen diese
                                 auf der Oberfläche der Lösung.
                              Wird das Anilin einer fractionirten Destillation unterworfen, so müssen die unter
                                 180° sowie die über 200° C. übergehenden Antheile beseitigt
                                 werden.
                              Destillirt man dasselbe Anilin in Gegenwart einer geringen Menge Aetznatron, und
                                 unterwirft man das Destillat einer neuen Destillation, so muß letzteres bei
                                 denselben Temperaturgraden übergehen, wie das Anilin selbst. Beobachtet man
                                 hierbei, wie das häufig der Fall ist, eine bedeutende Temperaturdifferenz, so
                                 enthält das geprüfte Anilin Essigsäure oder Derivate derselben, deren Gegenwart
                                 den Siedepunkt verrückt hat.
                              Das Vorhandenseyn dieser verschiedenen Unreinigkeiten gibt häufig zu mancherlei
                                 Irrthümern Anlaß. Oft glaubt der Fabrikant ein hochhaltiges Anilin vor sich zu
                                 haben, während er in Wirklichkeit nur mit einem unreinen Producte zu thun
                                 hat.
                              Die fractionirte Destillation gibt somit Anhaltspunkte zur Beurtheilung der
                                 Zusammensetzung des im Handel vorkommenden Anilins bezüglich seines Gehaltes an
                                 reinem Anilin und an Toluidin; doch läßt sich durch diese Operation das Anilin
                                 vom Toluidin nicht trennen, denn wenn man ein Gemisch dieser beiden Alkaloide
                                 der Destillation unterwirft, so geht es, sobald die Flüssigkeit die Temperatur
                                 von 182° – den Siedepunkt des Anilins – erreicht hat, bis
                                 zu der von 198° – dem Siedepunkte des Toluidins –
                                 ununterbrochen in die Vorlage über.
                              Indessen bleibt dabei das Thermometer ziemlich lange stationär, zuerst zwischen
                                 187° und 188°, dann zwischen 192° und 193°.
                              Die bei diesen beiden Temperaturen übergehenden Flüssigkeiten sind bestimmte
                                 Gemische; die erstere, zwischen 187° und 188° übergehende, enthält
                                 zwei Theile Anilin auf einen Theil Toluidin und hat das spec. Gewicht = 1,018;
                                 die zweite hingegen, welche zwischen 192° und 193° überdestillirt,
                                 besteht aus einem Theile Anilin und zwei Theilen Toluidin, ihre Dichtigkeit ist
                                 = 1,010. Diese spec. Gewichte entsprechen genau den mittleren Dichtigkeiten der
                                 in den Verhältnissen von 2 : 1 und von 1 : 2 absichtlich hergestellten Gemische
                                 beider Alkaloide.
                              Aus Vorstehendem ergibt sich als unbestreitbar, daß es jedenfalls vorzuziehen
                                 ist, Anilin und Toluidin, jedes für sich, von möglichster Reinheit darzustellen,
                                 und dieses Ziel muß unter den jetzigen Verhältnissen jeder rationelle Fabrikant
                                 von verkäuflichem Anilin zu erreichen streben.