| Titel: | Die Spieß- oder Span-Probe als Mittel zur Beurtheilung des Processes beim Bessemern; von P. Tunner. | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. LXXII., S. 293 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        LXXII.
                        Die Spieß- oder Span-Probe als
                           Mittel zur Beurtheilung des Processes beim Bessemern; von P. Tunner.
                        Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und
                                 Hüttenwesen, 1865, Nr. 51.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VI.
                        Tunner, über die Span-Probe beim Bessemern.
                        
                     
                        
                           Schon bei der Gelegenheit, als ich am 24. September 1861 vor der zweiten allgemeinen
                              Versammlung von Berg- und Hüttenmännern zu Wien einen Vortrag über das
                              Bessemern gehalten habe, erwähnte ichMan s. den „Bericht über die zweite allgemeine Versammlung von
                                       Berg- und Hüttenmännern zu Wien. Wien 1862, Verlag von Förster und Bartelmus“ Seite 72, unter c., daß es mich befremde, daß man beim Bessemern noch nicht darauf verfallen
                              ist, in gleicher Weise, wie bei der Eisen-Herdfrischerei, oder wie beim
                              Kupfergaaren in Herden, oder bei dem Silberfeinbrennen u.s.w., die genaue
                              Orientirung in dem Verlauf des Processes durch unmittelbares Sondiren mit einem
                              geeigneten Spieße vorzunehmen; denn es liegt auf der Hand, daß man aus der
                              Spießbelegung ein richtigeres Urtheil fällen kann, als nach der flüchtigen
                              Erscheinung der einzelnen Funken. Sonder Zweifel wird man durch Zuhülfenahme der
                              Spießprobe in der Beurtheilung des richtigen Momentes für die Unterbrechung des
                              Processes einen nicht unerheblichen Fortschritt machen.
                           Es wird auffallen, daß ich über diesen Gegenstand nochmals mich öffentlich
                              ausspreche, ohne darin selbst etwas Entscheidendes auf den Bessemerhütten gethan zu
                              haben, wozu mir die Gelegenheit doch nicht fehlen konnte, nachdem ich bei der
                              Einführung des Bessemerns auf den drei ersten dießfallsigen Hütten in Steiermark und
                              Kärnten einen thätigen Antheil genommen habe. Allein bei der ersten Einführung, wo
                              die sämmtlichen Arbeiter, Apparate und Maschinen, wie das zu verwendende Roheisen,
                              sammt und sonders neu sind, ist es der mehreren Sicherheit wegen vorerst gerathen,
                              in der schon erprobten Art und Weise vorzugehen; denn die Methode, wie die
                              Spießprobe nach meiner Idee genommen werden sollte, fordert einen dafür entsprechend
                              vorgerichteten Ofen, mit horizontalen großen Düsen- oder Fernöffnungen, wie
                              sie bisher nicht üblich waren. Als ich im Juni 1865 mit den Hütteneleven in Neuberg
                              war, wurde auf der dortigen, bereits in geregeltem Betriebe stehenden Bessemerhütte
                              auf meinen Antrag mit der successiven Erweiterung der Fernöffnungen und, zur Einhaltung der gleichen
                              Windmenge und Pressung, gleichzeitigen Verminderung der Anzahl der Fern bei dem
                              schwedischen Ofen begonnen. Noch während meiner Anwesenheit daselbst wurde die Zahl
                              der Fern auf 9 herabgesetzt, wobei jede 10''' Durchmesser hatte, und ist dabei der
                              Proceß gleich regelmäßig wie bei 18 Fern vor sich gegangen. Die Versuche sollten in
                              dieser Richtung fortgesetzt werden, um wo möglich auf 3 Fern jede zu 17'''
                              Durchmesser zu kommen, wobei die Spießprobe durch die Fern bequem genommen werden
                              könnte, indem bloß an der geeigneten Stelle des Windkastens von außen ein gleich
                              großes, mit einem Zapfen zu schließendes Loch gebohrt zu werden brauchte, um mit dem
                              Spieß durch die Fernöffnung Probe nehmen zu können. Ich bemerkte dazu noch, daß es
                              mir gerathen erscheine, die größeren Fernöffnungen statt kreisrund elliptisch zu
                              machen und dabei die längere Achse der Ellipse horizontal, sowie die Fernachse etwas
                              geneigt zu legen. Als ich im Monate August 1865 wieder nach Neuberg kam, wurde mir
                              gesagt, daß es mit der weiteren Vegrößerung der Fernmündungen nicht mehr gut
                              gegangen sey und dieserwegen von der Fortsetzung dieses Versuches Umgang genommen
                              wurde. Es that mir leid dieß vernehmen zu müssen, um so mehr, als ich in der
                              Verminderung der Fernzahl zugleich Mittel und Wege erkannte, die häufigen
                              Reparaturen im unteren Theile des Ofens zu vermindern; allein ich mußte mich damit
                              bescheiden.
                           Es ist begreiflich, daß es in der Dicke des Windstrahles eine gewisse Grenze geben
                              müsse, über die hinaus die Berührung zwischen Luft und Eisen nicht mehr zureichend
                              ist, um allen atmosphärischen Sauerstoff zur Wirkung zu bringen und diese selbst
                              gleichförmig zu erhalten. Der verbesserte Tiegel zur Eisen- und
                              Stahlfabrication von E. B. Wilson in LondonMechanics' Magazine, December 1862, S. 384;
                                    polytechn. Journal Bd. CLXVIII S.
                                       123., bei welchem der Wind in einem einzigen Strahle das Eisen im Bessemerofen
                              von unten nach oben durchströmt, hat sich meines Wissens nicht bewährt.
                           Es war mir daher eine sehr angenehme Ueberraschung, dieser Tage von Hrn.
                              Oberverwalter Wahlstedt aus Nischne-Tagilsk am
                              Ural persönlich zu vernehmen, daß man auf den dortigen Eisenwerken des Fürsten Demidoff in einem englischen, beweglichen Ofen mit zwei
                              horizontalen Fern bläst, wie in Fig. 13 dargestellt ist.
                              Jede Fern hat 1 5/8 Zoll Durchmesser, liegt etwas geneigt und nach Art der
                              schwedischen Bessemeröfen in der horizontalen Ebene in excentrischer Richtung. Die
                              Roheisen-Charge beträgt 1 3/4 englische Tonnen (ca. 32 Ctr. W. G.),
                              die Windpressung 8–9 Pfd. und die Chargendauer 17–18 Min. Die Fern
                              halten im Durchschnitt 12 Chargen aus und sind im Inneren mit Eisenblech
                              ausgefüttert, welches bei der Anfertigung der Fern mit eingestampft wird.
                           In dieser Art und Weise arbeitet man in Nischne-Tagilsk bereits über 3/4 Jahre
                              mit sehr befriedigenden Erfolgen, die vielleicht noch besser wären, wenn durch eine
                              etwas größere Windmenge die Chargendauer abgekürzt würde.
                           Was ich in Neuberg durch Versuche allmählich ermitteln wollte, liegt demnach in dem
                              Beispiele von Nischne-Tagilsk als vollendete und erprobte Thatsache vor, und
                              es darf zur Ausführung der Spießprobe nur noch von außen durch den Windkasten bei
                              a und b eine circa 1 1/2 Zoll weite Oeffnung gebohrt werden, die für
                              gewöhnlich mit einem Zapfen oder bequemer mit einem Schuber geschlossen ist, in
                              welchen ein durchsichtiges Glas eingesetzt seyn kann. Hr. Wahlstedt schien auch sehr überrascht, als ich ihm meine Idee für die
                              Anwendung der Spießprobe mittheilte, und versprach mir, dieselbe bei seiner
                              Zurückkunft sogleich zu versuchen.
                           Sollte sich, wegen zu hoher Temperatur im Inneren des Ofens, an einen einfachen
                              Eisenspieß kein Span anlegen, so bedarf es natürlich bloß eines entsprechenden
                              Ausschnittes am oder im Spieße, um statt des Spanes gleichsam eine kleine
                              Schöpfprobe zu erhalten.
                           Der Umstand, daß dieser in den Figuren 13 und 14
                              dargestellte Ofen von Nischne-Tagilsk nach meinem Dafürhalten eine sehr
                              praktische Kombination der Eigenthümlichkeiten des englischen und des schwedischen
                              Bessemerofens repräsentirt, bestimmt mich um so mehr, denselben hiermit unseren
                              bessemernden Hüttenmännern bekannt zu geben. Durch die horizontale, etwas stehende
                              Lage der Fern dieses Ofens wird, sowie bei den gewöhnlichen schwedischen Oefen, der
                              Eisenstand über den Fernmündungen in einer mehr gleichbleibenden Höhe erhalten, und
                              wird die Dauer der Berührung zwischen dem Windstrome und dem flüssigen Eisen
                              verlängert. Durch den ersten dieser Vortheile wird die Zulässigkeit geboten, mit
                              einer geringen Windpressung zu arbeiten, und durch den letzteren wird es zulässig,
                              den Wind in dickeren Strömen einzublasen, ohne besorgen zu müssen, daß der
                              atmosphärische Sauerstoff nicht vollständig zur Wirkung gelangt, wie dieses beim
                              Tiegel von Wilson der Fall gewesen seyn dürfte. Die
                              wenigen, dafür aber weiten Fernmündungen ermöglichen, außer der Spießprobe, zugleich
                              ein Reinigen der Fernmündungen, was insbesondere bei unseren sehr zur
                              Graphitausscheidung geneigten Roheisensorten öfters wünschenswerth wird. Zugleich
                              wird aber auch durch die
                              Beweglichkeit dieses Ofens der wesentliche Vortheil des englischen Ofens erreicht,
                              daß man im gewünschten Falle die Operation jeden Augenblick auf kurze Zeit
                              unterbrechen, nach beendetem Processe das flüssige Metall einige Minuten im
                              geneigten Ofen zurückbehalten (sich reinigen, mehr dem Gußstahl gleich werden
                              lassen) kann, und schließlich das Ausgießen des Metalles nach Belieben zu reguliren
                              im Stande ist. Der unter Umständen gewiß sehr zu beachtende Vorschlag des Hrn. Dr. H. Wedding in Berlin,
                              eine wenigstens theilweise Beseitigung der vorerst gebildeten, mehr phosphorhaltigen
                              SchlackeOesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1865, Nr.
                                    44., ist meines Erachtens ebenfalls nur bei beweglichen Oefen ausführbar und zu
                              berücksichtigen, insoferne dieses nicht mit dem vorausgelassenen Umschmelzen des
                              Roheisens verbunden werden kann.
                           Es war zu erwarten, daß bei den gegenseitigen vergleichenden Versuchen mit den
                              englischen und den schwedischen Oefen sich schließlich eine Ofenconstruction als die
                              zweckmäßigste herausstellen werde, welche so viel als möglich die Vortheile beider
                              Oefen in sich vereinigt. In der That ist dieser Ofen von Nischne-Tagilsk ein
                              solcher, welchen ich dieserwegen auch, für dermalen wenigstens, als den
                              zweckmäßigsten halte, zweckmäßiger als die verschiedenen anderen beweglichen Oefen
                              mit horizontaler Windeinströmung, wie mehrere solche, namentlich in England, theils
                              wirklich versucht, theils nur in Vorschlag gebracht worden sind.
                           So wie bei den Oefen sich eine Combination des englischen und des schwedischen Ofens
                              als zweckmäßig erweist, so stellt sich dieses in gleichen bei der Manipulation nach
                              den bisherigen Erfahrungen auf unseren Hütten heraus, indem das Roheisen, wie in
                              Schweden, ohne umzuschmelzen direct vom Hohofen genommen, der Frischproceß aber, wie
                              in England, bis zur völligen Entkohlung getrieben und dann, nicht Spiegeleisen,
                              sondern wieder nur Roheisen vom Hohofen in entsprechender Menge, je nach dem
                              beabsichtigten Härtegrad nachgetragen wird. Durch die directe Benutzung des
                              Roheisens vom Hohofen, die allerdings nur bei reinem Roheisen zulässig ist, wird der
                              Proceß vereinfacht und die Erzeugung billiger gemacht; durch die völlig beendete
                              Kohlung in Verbindung mit dem Nachtragen von Roheisen wird mehr Sicherheit in die
                              Manipulation gebracht und der Erzeugung von verbranntem, kurzem Bessemermetall
                              vorgebeugt.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
