| Titel: | Die Verarbeitung des feuerfesten Thones zu Stourbridge; von Dr. G. Lunge. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. LXXV., S. 304 | 
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                        LXXV.
                        Die Verarbeitung des feuerfesten Thones zu
                           Stourbridge; von Dr. G.
                              Lunge.
                        Lunge, über die Verarbeitung des feuerfesten Thones zu Stourbridge
                           in England.
                        
                     
                        
                           Das weltberühmte Lager von feuerfestem Thone, welches sich bei Stourbridge in der
                              englischen Grafschaft Worcestershire (dicht an der Grenze von Staffordshire) findet,
                              und welches, mit dem zu Garnkirk in Schottland, die besten bekannten feuerfesten Fabricate
                              liefert, hat eine Ausdehnung von etwa zwei englischen Meilen in der Länge, und
                              streicht in schiefer Richtung aus einer nicht genau bekannten Tiefe bis an die
                              Erdoberfläche, wo es früher zu Tage ausging. An dieser Stelle ist es aber schon ganz
                              abgebaut, und die Schachte, welche zu ihm führen, gehen jetzt schon 80 bis 120 Yards
                              (à 3 engl. Fuß) tief herab, indem sie die
                              Kohlenformation 16 Yards über dem Thone durchbrechen. In der That wird aus denselben
                              Schachten auch Kohle gefördert, aber natürlich nicht zu gleicher Zeit mit dem Thone
                              darauf gebaut. Ueber der Steinkohle liegt dann an der Erdoberfläche der rothe
                              Sandstein, welcher hier die herrschende Formation ist. Wie überall in jener Gegend,
                              durchsetzen Gänge von Eisenstein alle diese Schichten und sind, wo sie in den Thon
                              eindringen, sehr nachtheilig für dessen Qualität. Das Thonlager selbst hat eine
                              durchschnittliche Mächtigkeit von 5 Fuß, welche jedoch stellenweise bis auf 3 Fuß
                              sinkt. Die Qualität der verschiedenen Schichten ist sehr ungleich, und namentlich in
                              der Mitte besser als da, wo der Thon mit dem Hangenden und Liegenden in Berührung
                              kommt; immerhin aber ist sie auch da noch gut genug, um feuerfeste Ziegeln
                              herzustellen, wie sie von keinen anderen bis jetzt fabricirten übertroffen, und kaum
                              von den Garnkirkern erreicht werden.
                           Das Feld, unter welchem sich der Thon befindet, ist im Besitze von 12 verschiedenen
                              Fabrikanten (vor drei Jahren gab es nur drei derselben), welche aber sehr ungleiche
                              Parzellen davon haben. Die von mir besuchte Fabrik (von F. T. Rufford) ist eine der größten, eben in Folge des großen Areals, auf
                              welchem sich ihre Gruben befinden. Die Gewinnung des Thones geht in ganz
                              bergmännischer Weise vor sich, genau wie die von Kohle und Eisenstein in jener
                              Gegend, und fiel es mir nur auf, daß auf allen Gruben jenes Besitzers ausschließlich
                              Hanfseile, keine Drahtseile, zur Förderung benutzt werden, trotz der Lage in dem
                              größten Eisendistricte der Welt. Schon in der Grube wird der Thon in drei
                              verschiedene Qualitäten sortirt: 1) die beste, für Glashäfen und
                              Hohöfen-Kernschachte bestimmte; 2) für Schmelztiegel, benutzt zum Schmelzen
                              von Messing und Eisen (für feinere Waaren); 3) für feuerfeste Ziegeln und Formsteine
                              aller Art. Die ersten beiden Nummern werden bei der Verarbeitung mit schon
                              gebranntem Thone gemischt, die dritte nicht, und zu ihr kommen auch alle die Abfälle
                              der beiden ersten Sorten. Außerdem wird in allen drei Qualitäten noch zwischen
                              streng und mild, d.h. harter und weicher Abart, unterschieden; beide werden getrennt
                              gehalten, und nach Erforderniß gemischt. Die ersten beiden Qualitäten werden, sowie
                              sie zu Tage gefördert sind, noch einmal sortirt; Weiber zerschlagen die Stücke mit dem
                              Hammer, und sondern jeden mit Aederchen von Eisenstein und anderen Verunreinigungen
                              durchzogenen Theil aus. Die so verworfenen Stücke kommen als offal (Ausschuß) zur dritten Sorte und gehen alle mit in die Ziegeln ein.
                              Die für gut befundenen Stücke werden vor dem Mahlen ganz klein zerschlagen und einer
                              letzten, sehr sorgfältigen Sortirung unterworfen. Der vollständig ausgelesene und
                              gereinigte Thon der ersten Qualität wird in ringsum geschlossenen Schuppen
                              aufbewahrt, um ihn vor dem Regen zu schützen; die anderen Sorten werden im Freien
                              gelagert. Alle diese Vorsichtsmaßregeln sind durchaus nöthig, um die für Glashäfen
                              u. dgl. erforderliche ausgezeichnete Qualität zu erreichen.
                           Der für Glashäfen, Schmelztiegel u.s.w. einzumischende gebrannte Thon wird nicht erst
                              vorher geformt, sondern die rohen Stücke werden in einem gewöhnlichen Brennofen gar
                              gebrannt und dann grob gemahlen.
                           Zur Verarbeitung wird der Thon nicht eingesumpft, und noch viel weniger geschlämmt,
                              sondern nur durch Besprengen mit Wasser angefeuchtet, und zwar die beiden ersten
                              Sorten nur so weit, daß sie sich eben formen lassen, die dritte etwas mehr, so daß
                              sie sich zu zähen Klumpen ballen läßt. Vorher wird er aber gemahlen, und zwar sind,
                              um jede Verunreinigung zu verhüten, zwei verschiedene Mühlen vorhanden, auf deren
                              einer ausschließlich die beiden besseren Sorten, auf der andern der Ausschuß
                              gemahlen wird. Die Mühlen sind Kollergänge, sowohl Bodenplatte als Läufer von Stein,
                              mit dicken gußeisernen Ringen eingefaßt. Vor dem Mahlen wird der Thon (Nr. I und II)
                              mit Wasser besprengt, so daß er eben feucht wird; dann geht er einige Zeit in dem
                              Kollergange herum. Die Streichmesser desselben schaffen ihn dann auf einen breiten,
                              endlosen, rotirenden Riemen mit hölzernen Querstegen (um das Zurückfallen des Thones
                              zu verhüten); dieser transportirt ihn etwas höher hinauf in einen Schütteltrichter
                              (Mühlrumpf), aus welchem er auf ein Rättersieb fällt; was nicht durch das Sieb geht
                              und am unteren Ende desselben abläuft, wird durch ein anderes endloses Band von der
                              Einrichtung des eben beschriebenen wieder den Mühlsteinen zugeführt. Was durch das
                              Sieb gegangen ist, wird noch einmal von Hand gesiebt um etwa zufällig
                              hineingefallene gröbere Stückchen zu entfernen, eine Operation, welche natürlich
                              sehr schnell von statten geht, da nur sehr wenig auf diesen Handsieben zurückbleibt.
                              Die Mühle für die Sorte Nr. III hat ganz dieselben Einrichtungen, außerdem aber eine
                              Art Knetapparat. Dieser besteht aus einem flachen, kreisförmigen Troge von 10'
                              Durchmesser, an dessen einer Seite der gesiebte Thon continuirlich einfällt, während
                              zugleich ein dünner Wasserstrahl auf ihn fällt. Im Mittelpunkte des Troges rotirt
                              eine senkrechte Welle mit vier horizontalen Armen von ungleicher Länge, an welchen
                              krumme, sichelförmige Stahlmesser sitzen; diese Messer stehen im rechten Winkel zu
                              den vier Armen, aber in derselben Horizontalebene. Einer der Arme reicht bis fast an
                              die Peripherie, der zweite, dritte und vierte nehmen jeder immer an Länge gegen den
                              vorhergehenden ab. Die an ihnen sitzenden Messer wirken also in schraubenförmiger
                              Weise, und schaffen den Thon, indem sie ihn mit dem Wasser durcharbeiten, zugleich
                              in die Mitte des Troges, welche durchlöchert ist. Hier sinkt die zähe Masse langsam
                              herab, und kommt unten fertig zum Formen an, ohne, wie schon erwähnt, weiter mit
                              vorher gebranntem Thone gemischt zu werden.
                           Die Sorten I und II müssen natürlich, wenn sie von der Mühle kommen, auch noch mit
                              Wasser so weit gemischt werden, daß sie plastisch werden; die Durcharbeitung
                              geschieht hier von Menschen durch Treten mit den nackten Füßen. Maschinenarbeit wird
                              hier sowohl als beim Formen absichtlich vermieden, weil die Masse dadurch zu dicht
                              wird und dann im Feuer, beim Entweichen der Wasserdämpfe, dem Reißen ausgesetzt ist;
                              beim Formen kommt noch hinzu, daß Maschinenarbeit nur bei einem außerordentlich
                              umfangreichen Absatze mit der hier so einfachen Handarbeit concurriren kann, ein
                              Absatz, wie er für feuerfeste Steine doch nicht vorhanden ist. Jedenfalls steht die
                              Thatsache fest, daß keine der Fabriken in Stourbridge zum Kneten oder Formen
                              Maschinenarbeit gebraucht, obwohl sie bei dem sehr geringen Preise der Kohlen an
                              jenem Orte sehr gerne dazu greifen würden, wenn es thunlich wäre.
                           Das Formen der Ziegeln geschieht von Weibern, welche täglich 1000 bis 1200 Stück (in
                              Accordarbeit) fertigen; natürlich weniger von größeren Formstücken, Gewölbsteinen u.
                              dgl. Die jährliche Production von Ziegeln der gewöhnlichen Form in der von mir
                              besuchten Fabrik beträgt 3 Millionen; außerdem aber werden noch eine Menge anderer
                              Artikel gemacht, Platten, Fliesen, Gewölbsteine, Formsteine jeder Art, Gasretorten,
                              Badewannen u.s.f. Die Gegenstände, Ziegeln und andere, werden nach dem Formen
                              hochkantig auf die Sohle des Formraumes gelegt, welcher durch einige darunter
                              hergehende Feuerzüge sehr mäßig erwärmt ist.
                           Sie brauchen so nur einen bis zwei Tage zu bleiben, und können dann schon in größeren
                              Haufen aufgesetzt werden, um dann noch einige Tage länger zu trocknen, ehe sie in
                              den Brennofen kommen. Von Brennöfen hat jene Fabrik 14 Stück von kreisrunder Form
                              und einige eckige; sie sind fast alle backofenartig, d.h. die Flamme streicht nicht
                              direct durch die zu brennenden Gegenstände, sondern ist überall durch dünne Mauern von ihnen getrennt.
                              Bei den kreisrunden Oefen liegen 8 bis 10 Feueröffnungen um den Ofen herum, mit sehr
                              steil geneigten Rosten und ohne Feuerthür, indem die Schüröffnung durch kalte Kohlen
                              verschlossen gehalten wird. Zwei Reihen von breitem und starkem Bandeisen umspannen
                              den Ofen; sie werden durch einen den Eisenbahnwagen-Kuppelungen ähnlichen
                              Schraubenverschluß angezogen. Die Flamme der verschiedenen Feuerungen geht erst
                              unter die Ofensohle, dann in einem ringförmigen Raume in die Höhe, welcher Raum
                              durch eine mit der Außenmauer concentrische Mauer von 9'' Stärke von dem Innern des
                              Ofens abgesondert wird, und dann bei den Oefen älterer Einrichtungen durch eine
                              Oeffnung in der den Oefen oben schließenden Kuppel in's Freie; bei den neuerdings
                              errichteten Oefen muß die Flamme noch durch einen senkrechten Canal im Centrum des
                              Ofens gehen. Die Gestalt der Oefen gleicht somit zwei Bienenkörben, von denen der
                              größere über den kleineren gestülpt ist; der kleinere innere Schacht ist oben
                              geschlossen, und hat an der Seite eine Eingangsthür; der größere, äußere hat unten
                              die Feuerungslöcher und oben das Rauchloch. Die Dimensionen der Oefen sind der Art,
                              daß sie, mit gewöhnlichen Ziegeln besetzt, davon 20,000 Stück fassen; sie darüber
                              hinaus zu vergrößern hat sich nicht praktisch bewiesen, wahrscheinlich weil die
                              nöthige Hitze dann nicht mehr zu erreichen ist. Nach der Beschickung und Zusetzung
                              des Ofens wird er langsam angefeuert und das Feuer allmählich bis zu dem höchsten
                              erreichbaren Hitzegrade gesteigert; nach acht Tagen wird damit aufgehört. Dann
                              bedarf der Ofen natürlich wieder langer Zeit zur Abkühlung, ehe. man ihn öffnen
                              kann; im Ganzen rechnet man darauf, alle drei Wochen einen Brand zu machen.
                           Für besondere Zwecke sind noch einige viereckige Oefen von oblonger Form vorhanden,
                              welche mit einem Tonnengewölbe überspannt sind und durch starke Ankersäulen
                              zusammengehalten werden; ihre Feuerungen sind an beiden Längsseiten. In einem
                              solchen Ofen werden z.B. die Badewannen gebrannt, von denen nur alle vier Wochen ein
                              Brand fertig wird.
                           In dieser Fabrik wird eine eigene Art Ziegeln, Platten u. dgl. gefertigt, welche an
                              einer Seite glasirt sind. Die Glasur ist ein wirkliches Porzellan; es wird dazu die
                              gewöhnliche Masse einer Porzellanfabrik angekauft und verwendet. Die dafür
                              bestimmten Ziegeln werden erst in dem gewöhnlichen Ofen ganz leicht gebrannt (es
                              sind gar keine Oefen mit mehreren Etagen vorhanden); dann wird der Ofen geöffnet,
                              jeder Ziegel an einer Seite mit der Porzellanmasse überpinselt, der Ofen wieder
                              geschlossen und fertig gebrannt. Die Glasur brennt sich so fest in den Stein ein, daß sie ganz
                              untrennbar von ihm wird. Auch die oben erwähnten Badewannen werden in dieser Weise
                              inwendig glasirt; natürlich erfordert ihre Anfertigung, Formung, Trocknung,
                              Transport und Brennen die größte Vorsicht, um sie vor dem Reißen zu bewahren; einmal
                              fertig, sind sie aber sehr dauerhaft, und haben vor emaillirten gußeisernen
                              Badewannen den Vorzug, daß ihr Email niemals rauh wird oder abspringt. Bei ihnen
                              sowohl, als bei den glasirten Ziegeln ist die Porzellan-Glasur der
                              unterliegenden Thonmasse vollkommen incorporirt und mechanisch gar nicht mehr davon
                              zu trennen; ein Reihen derselben kommt nie vor.
                           Die Schmelztiegel, welche, wie oben erwähnt, aus der zweiten Sorte Thon gemacht
                              werden, kommen gar nicht zum Brennen, sondern werden ungebrannt, nur getrocknet (green) in den Handel gebracht. Die für sie bestimmte,
                              mit etwas gebranntem Thon gemischte Masse wird, schon angemacht, in solchen Klumpen
                              abgewogen, wie sie für Tiegel von jedem bestimmten Inhalt erforderlich sind. Diese
                              Klumpen werden dann auf conischen Holzblöcken geformt, welche dem Innern des Tiegels
                              entsprechend gearbeitet sind und auf einem Stocke drehbar in einem Loche einer Bank
                              stecken; der Former sitzt rittlings auf dieser Bank und arbeitet den Thonklumpen mit
                              den Händen von dem (nach oben gerichteten) Boden der Form an den Seitenwänden
                              entlang herunter, indem er ihn durch die Bewegung der Hände selbst in regelmäßige
                              Drehung versetzt; sein einziges Hülfsmittel zum Fertigmachen der Waare ist ein
                              Bretchen, mit welchem er die Außenwände des Tiegels glatt schlägt und von den
                              Fingereindrücken befreit; dann wird nur noch mit einem Stäbchen die Ausgußnase
                              eingedrückt, und der Tiegel dem Trocknen an der Luft überlassen. Selbstverständlich
                              müssen diese Schmelztiegel beim ersten Gebrauche vorsichtig angewärmt werden.
                           Zu größeren und dickeren Platten wird der Thon in einen auf der Erde liegenden Rahmen
                              mit den Füßen eingetreten, und die Oberseite mit einem Streichlineale geglättet;
                              dann wird der Rahmen abgehoben, und die Platte bleibt auf dem Boden liegen, bis sie
                              zur Transportfähigkeit ausgetrocknet ist. Noch größere Blöcke von mehreren Kubikfuß
                              Inhalt, theils würfelförmig, theils mit geneigten Seiten, wie sie für die Wände und
                              Gewölbe von Glasöfen erforderlich sind, werden auf ähnliche Weise geformt und in
                              einem besonderen Gebäude 12 bis 18 Monate der Austrocknung überlassen; dann werden
                              sie ungebrannt zum Aufbau des Glasofens verwendet. Um die ausgezeichnete Qualität
                              der hier gefertigten Glashäfen zu erweisen, wird im Comptoir ein Stück eines Hafens
                              aufbewahrt, welcher
                              über drei Weihnachten, also mehr als zwei Jahre, seinen Dienst im Glasofen
                              verrichtet hatte.
                           Schließlich will ich noch erwähnen, daß in dieser Fabrik weit über 300 Leute
                              beschäftigt sind, und daß ihre Fabricate, selbst die gewöhnlichen feuerfesten
                              Ziegeln, einerseits bis nach Valparaiso, andererseits bis nach Moskau versendet
                              werden.