| Titel: | Ueber die Hydraulicität der Magnesia; von H. Sainte-Claire Deville. | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. LXXVI., S. 309 | 
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                        LXXVI.
                        Ueber die Hydraulicität der Magnesia; von
                           H. Sainte-Claire
                              Deville.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXI p. 975; December
                              1865.
                        Deville, über die Hydraulicität der Magnesia.
                        
                     
                        
                           Vor etwa acht Jahren schickte mir Hr. Dony, Ingenieur der
                              südfranzösischen Salinengesellschaft, Magnesia, welche durch Glühen von
                              Chlormagnesium dargestellt war; sie war ein Product der von Balard zur Verwerthung der Mutterlaugen von Salinen erfundenen
                              Verfahrungsarten, die in Frankreich und in Staßfurt (preuß. Provinz Sachsen), an
                              welchem letzteren Orte bekanntlich große Mengen von Chlormagnesium und Chlorkalium,
                              sowie von schwefelsaurem Natron gewonnen werden, in Anwendung sind.
                           Diese wasserfreie, derbe und dichte Stücke bildende Magnesia ließ ich in meinem
                              chemischen Laboratorium in der École normale
                              mehrere Monate lang unter einem Hahne liegen, aus welchem ein ununterbrochener
                              Wasserstrahl über sie floß. In Folge dieser Behandlung nahm sie eine auffallende
                              Consistenz an; sie wurde so hart, daß sie Marmor ritzte, dessen specifisches Gewicht
                              und Festigkeit sie zeigt, in dünneren Stücken durchsichtig wie Alabaster und war in
                              Drusenräumen, die sich in ihrem Inneren gebildet, krystallisirt. Nachdem sie sechs
                              Jahre hindurch an der Luft gelegen, hat sich diese Substanz gar nicht verändert; bei
                              der Analyse zeigte sie folgende Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Wasser
                                 27,7
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 8,3
                                 
                              
                                 Thonerde und Eisenoxyd
                                 ,3
                                 
                              
                                 Magnesia
                                 57,1
                                 
                              
                                 Sand
                                 5,6
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           
                           Der geringe Kohlensäuregehalt dieser steinartigen Masse beweist zunächst, daß
                              dieselbe wesentlich aus einem krystallisirten Hydrate besteht und dann, daß dieses
                              Hydrat, gleich dem Brucit, sich nicht durch Aufnahme von Kohlensäure in
                              Magnesiacarbonat verwandelt.
                           Um zu beweisen, daß dieß wirklich der Fall ist, stellte ich mir durch Glühen von
                              salpetersaurer Magnesia bis zu dunkler Rothgluth sehr reine Magnesia dar, pulverte
                              sie so fein, daß sie mit Wasser einen ziemlich plastischen Teig bildete, brachte
                              diesen in einer Glasröhre, welche dann vor der Lampe zugeschmolzen wurde, in frisch
                              ausgekochtes destillirtes Wasser, und ließ dieses mehrere Wochen hindurch auf die
                              Magnesia einwirken.Schüttet man feingepulverte Magnesia lose auf den Boden eines Glasrohres und
                                    gießt dann Wasser darüber, so zerbricht das Glasrohr bald, indem sich
                                    dichtes Magnesiahydrat bildet, dessen Volum größer ist als das der
                                    calcinirten Magnesia. Die letztere ging allmählich eine Verbindung mit dem Wasser ein, und nahm in
                              Folge dessen dieselbe Härte und Festigkeit an, wie die oben besprochenen ersten
                              Proben; ebenso wurde sie krystallinisch und durchsichtig. Nach dem Trocknen an der
                              Luft zeigte sie folgende Zusammensetzung:
                           
                              
                                 
                                 Gefunden.
                                 
                                 Berechnet.
                                 
                              
                                 Wasser
                                   31,7
                                 HO
                                   30,7
                                 
                              
                                 Magnesia
                                   68,3
                                 MgO
                                   69,3
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           Demnach ist die Substanz ein einfaches Magnesiahydrat.
                           Mit dieser Substanz habe ich auf dieselbe Weise, wie mit Gyps, Abgüsse von Denkmünzen
                              gemacht, welche unter Wasser so rasch erhärteten, daß sie das Ansehen von Marmor
                              zeigten.Es ist hier nur von der durch Glühen von Chlormagnesium oder von
                                    salpetersaurer Magnesia dargestellten reinen Magnesia die Rede. Die leichte,
                                    aus dem Hydrocarbonate dargestellte Magnesia erscheint nach der Aufnahme von
                                    Hydratwasser talkartig und zeigt geringere Festigkeit; auf diese Erscheinung
                                    werde ich später zurückkommen.
                              
                           Die von Balard dargestellte Magnesia zeigt, wenn sie zum
                              Hellrothglühen erhitzt worden ist, hydraulische Eigenschaften, welche in einer
                              staunenswerth raschen und vollkommenen Weise auftreten. Wird sie dagegen zwölf
                              Stunden lang weißgeglüht, dann gepulvert und mit Wasser zu einem Teige angemacht, so
                              erhärtet sie nicht mehr, wenn man sie nicht mehrere Wochen lang dem Luftzutritte
                              aussetzt, und auch dann findet das Erhärten immer nur langsam statt, so daß es
                              scheint, als ob ihre hydraulischen Eigenschaften ganz verloren gegangen seyen.
                           Ein Gemenge von gepulverter Kreide oder gepulvertem Marmor und fein geriebener
                              Magnesia gibt mit Wasser einen etwas plastischen Teig, welcher sich gut formen
                              läßt und nachdem er einige Zeit in Wasser gewesen ist, Producte von einer
                              außerordentlichen Festigkeit liefert. Ich gedenke, diese Masse zum Gießen von Büsten aus künstlichem Marmor anzuwenden,
                              welcher, falls meine Annahmen sich bestätigen, sehr werthvolle Eigenschaften
                              Besitzen dürfte. Alle meine bisherigen Versuche wurden mit einem Gemenge von
                              gleichen Theilen Magnesia und gepulvertem Marmor angestellt.Damour hat (Bulletin de la
                                       Société géologique de France, 1847, t. IV p. 1052) die
                                    Analyse des Predazzits, eines Minerales aus dem
                                    Muschelkalk von Canzacoli bei Predazzo veröffentlicht, welches, gleich
                                    meinen künstlichen Steinen, aus kohlensaurem Kalk und Magnesiahydrat
                                    besteht. Damour betrachtet diesen Mineralkörper
                                    als ein Gemenge, in welchem der kohlensaure Kalk durch Magnesiahydrat
                                    verkittet ist. Diese Ansicht wird durch meine Untersuchungen vollkommen
                                    bestätigt. Die Analyse des Predazzits ergab die Zusammensetzung:kohlensaurer Kalk63,0Magnesiahydrat35,1fremde Substanzen und Verlust11,9–––––––100,0(Man vergl. auch J. Roth in Erdmann's Journal für praktische Chemie, 1851, Bd. LII S. 346 und
                                    in der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 1851, Bd. III S.
                                    141.) H.
                              
                           Pulverisirter Sandstein von Fontainebleau gibt mit
                              Magnesia ein Product, welches in Bezug auf das Korn, das dieser künstliche Stein
                              annimmt, und auf seine Festigkeit noch merkwürdiger erscheint.
                           Ein Gemenge von Gyps und Magnesia verändert sich, in
                              Wasser gebracht, und vermindert die hydraulischen Eigenschaften der letzteren.
                           Meine Versuche mit derartigen verschiedenen Gemengen führten mich auf den Gedanken,
                              ziemlich magnesiareiche Dolomite bei einer noch unter der
                              Dunkelrothglühhitze liegenden Temperatur von 300 bis 400° C. zu glühen, sie
                              dann mit Wasser zu einem Teige anzumachen und zu probiren, ob sie sich als Cemente
                              verwenden lassen. Diese Producte unterscheiden sich von magerem Kalk nur dadurch,
                              daß sie bei einer Temperatur gebrannt sind, welche weit geringer als die der
                              Kalköfen ist; auch haben sie wesentlich verschiedene Eigenschaften.
                           Schwach gebrannter Dolomit erhärtet unter Wasser sehr rasch und gibt einen Stein von
                              wahrhaft außerordentlicher Härte. Die Probe, welche ich der Akademie vorlege, ist
                              aus dem Dolomite dargestellt, den die HHrn. Bell in
                              Newcastle zur Fabrication von Magnesia nach dem Pattinson'schen Verfahren anwenden.
                           Wird der Dolomit stärker erhitzt, so daß sich in seiner Masse etwas Aetzkalk bilden
                              kann, so verhindert letzterer sein Erhärten noch nicht, sondern scheidet sich in
                              krystallinischen Trümchen und Adern in Form von durchaus reinem und magnesiafreiem
                              Arragonit aus. Die Krystalle dieses Kohlensäuresalzes sind
                              mittelst der Loupe deutlich zu unterscheiden; sie sind sämmtlich prismatisch und
                              lassen bezüglich ihrer Form keinen Zweifel. Das gänzliche Fehlen von kohlensaurer
                              Magnesia in dieser Substanz gibt einen ferneren Beweis für die Richtigkeit der
                              Beobachtungen meines Bruders, denen zufolge Kalkerde und Magnesia sich nicht mit
                              einander vertragen, sich gegenseitig ausschließen, sobald die Verbindungen beider
                              Basen gewisse bestimmte Krystallformen annehmen.
                           Erhitzt man den Dolomit zum Rothglühen, so verwandelt sich der kohlensaure Kalk in
                              Aetzkalk, und das vollständig calcinirte Product zerfällt, wenn es gepulvert und zum
                              Teige angerührt wird, im Wasser augenblicklich.
                           Bei diesen sämmtlichen Versuchen erweist sich die Magnesia als die hydraulisirende
                              Substanz, welche in Folge der Aufnahme von Hydratwasser die Partikelchen von
                              unzersetztem kohlensauren Kalke mit einander vereinigt, sie gewissermaßen
                              zusammenlöthet und zu einem dichten, festen, compacten Steine umwandelt, ganz so,
                              wie bei den künstlichen Gemengen von Magnesia und Marmor.
                           Auf mein Ersuchen hat Hr. Paul Michelot alle diese
                              magnesiahaltigen Substanzen im Hafen von Boulogne der Einwirkung des Meeres
                              ausgesetzt; dieselben haben sich bisher nach Verlauf einer ziemlich langen Probezeit
                              gehalten und dem Einflüsse des Seewassers widerstanden. Doch sind diese Versuche
                              noch keineswegs abgeschlossen, und ich will die Veröffentlichung ihrer definitiven
                              Resultate dem genannten ausgezeichneten Ingenieur selbst überlassen.
                           Auf meine Angaben hin sind auch andere Versuche mit schwach erhitzten Dolomiten
                              abgeführt worden; nach den summarischen Mittheilungen, welche mir Hr. Michelot darüber zukommen ließ, bestätigen dieselben die
                              von mir im Vorstehenden näher erörterten Resultate durchgehends.
                           Die hier mitgetheilten Thatsachen bewiesen die vollkommene Hydraulicität der reinen
                              Magnesia in Folge der Entstehung eines Hydrats von einer bestimmten Zusammensetzung;
                              sie geben gleichzeitig die Erklärung der mit Erfolg gekrönten wiederholten Versuche
                              Vicat's, zu den zu Seewasserbauten bestimmten
                              Cementen magnesiahaltige Substanzen zu verwenden und berechtigen zu der Hoffnung,
                              daß mittelst ihrer eine durch Balard's Verfahren zu sehr
                              niedrigen Preisen und in unbegrenzter Menge zugängige Substanz zu technischen
                              Zwecken verwerthet werden wird.