| Titel: | Technisch-chemische Notizen; von Dr. R. Brimmeyr. | 
| Autor: | R. Brimmeyr | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. XCV., S. 388 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XCV.
                        Technisch-chemische Notizen; von Dr.
                           R. Brimmeyr.
                        Brimmeyr, technisch-chemische Notizen.
                        
                     
                        
                           II. Zur Fuchsinfabrication.
                              (Fortsetzung.)
                           Die früher erhaltenen Resultate (man sehe die Abhandlung in diesem Journal Bd. CLXXVI S. 461) wurden noch an einem
                              fabrikmäßig dargestellten Material geprüft, wobei besonders auf das Verhalten der
                              arsenigen Säure Rücksicht genommen und versucht wurde, dieselbe wo möglich zum
                              größten Theile wohlfeil wieder zu gewinnen.
                           Zur Untersuchung diente Rohmasse, welche durch Erhitzen von 11 Theilen Anilin und 16
                              Theilen syrupöser Arsensäure in gußeisernen Retorten dargestellt worden und wobei
                              ungefähr 40 Proc. Anilin der Reaction durch Destillation entgangen waren. Da beim
                              fabrikmäßigen Betriebe, wo verhältnißmäßig bedeutende Mengen Material in Arbeit
                              genommen werden, die Rohmasse beim Garpunkt angelangt noch immer etwas Anilin
                              zurückhält, welches einen gewissen Werth repräsentirt, so muß dasselbe bei späterer
                              Behandlung nothwendiger Weise auch in Betracht kommen, indem es sonst in die
                              Waschwässer übergeht und somit verloren ist. Als Mittel aus mehreren Bestimmungen
                              des in die wässerige Lösung des Rohfuchsins übergehenden Anilins ergab sich, daß bei
                              einer gutgeführten Operation die Schmelze nicht über 2 Proc. ihres Gewichtes an
                              Anilin zurückhalten darf und dieses ist noch immer nicht unbedeutend, wenn man
                              erwägt daß im Mittel 100 Theile Schmelze 45 Theilen Anilin entsprechen. Wir werden
                              später sehen, daß man günstigere Verhältnisse erzielen kann.
                           Es war ferner interessant zu wissen, welches durchschnittlich das Gewicht des
                              unlöslichen, von den Säuren des Arsens befreiten organischen Rückstandes sey.
                              Mehrere Bestimmungen, worunter eine mit 9 Centnern Schmelze ausgeführte, ergaben
                              nach vollständigem, mehrmaligem Auskochen mit Salzsäure und Wasser, als trockenen
                              unlöslichen Rückstand 10 Proc. vom Gewichte der Rohmasse.
                           Als 10 Grm. obigen Rohmaterials durch mehrmaliges Kochen mit Wasser ausgezogen wurden bis dasselbe kaum gefärbt ablief, blieb ein
                              Rückstand, der getrocknet 1,22 Grm. wog; derselbe zu wiederholten Malen mit
                              kohlensaurem Natron und Essigsäure behandelt und getrocknet, wog noch 1,035 Grm.
                              oder 10,35 Proc. vom Gewicht der Schmelze; der Verlust bestand aus 0,02 Grm.
                              arseniger Säure und 0,175 Grm. eines, aus der alkalischen Lösung durch Essigsäure
                              gefällten violetten Farbstoffes, der neben Fuchsin und einem schmutzig dunkelblauen Farbstoff
                              in der Schmelze vorkommt. Der erste concentrirte Auszug setzte beim Erkalten
                              arsensaures Rosanilin ab, denn 0,3015 Grm. enthielten 0,0988 Grm. AsO⁵ und
                              nur 0,008 AsO³.
                           Die vereinigten wässerigen Auszüge enthielten nach dem Sättigen mit kohlensaurem Kalk
                              und Filtriren:
                           
                              
                                 18,6 Proc.
                                 (vom Gewichte
                                 der Rohmasse)
                                 arsenige Säure,
                                 
                              
                                   3,6 Proc.
                                 „
                                 „
                                 Arsensäure
                                 
                              
                                   2,8 Proc.
                                 „
                                 „
                                 Kalk (CaO).
                                 
                              
                           Der Niederschlag wurde ein zweites Mal mit kochendem Wasser ausgezogen, wobei 1,89
                              Proc. Arsensäure und 2,5 Proc. arsenige Säure in Lösung giengen.
                           Nach wiederholtem Auswaschen, ohne weitere Prüfung der Waschwässer, enthielt der
                              Rückstand noch 16,38 Proc. Arsensäure und 2,86 Proc. arsenige Säure.
                           30 Grm. Fuchsinschmelze wurden unter Zusatz von etwas Kalkmilch, welche die Lösung
                              der Masse bedeutend befördert, mit kochendem Wasser behandelt; die Flüssigkeit, aus
                              der sich beim Erkalten der größte Theil des Farbstoffes abgeschieden, wurde wieder
                              kochend mit einem Ueberschuß von Kreide gesättigt. Die abfiltrirte erkaltete
                              Flüssigkeit ergab bei der Bestimmung durch Jod 4,43 Grm. AsO³ und 0,258 CaO;
                              das auf's Filtrum nachgegossene Waschwasser enthielt noch 0,1 Grm. AsO³.
                           Als die Flüssigkeit mit einer dem Kalkgehalt entsprechenden Menge Schwefelsäure
                              versetzt und erwärmt wurde, setzte sich gleich anfangs ein weißer krystallinischer
                              Niederschlag ab, der sich als schwefelsaurer Kalk, mit 1,5 Proc. seines Gewichtes
                              AsO³ gemischt, erwies. Bei fernerem Eindampfen schied sich ein schwerer, aus
                              arseniger Säure bestehender und 4,493 Grm. wiegender Niederschlag ab. Die übrig
                              gebliebene Flüssigkeit entwickelte mit Kalkhydrat versetzt reichlich Ammoniak, welches aber nicht weiter quantitativ bestimmt
                              wurde.
                           In der Ammoniakentwickelung und der Thatsache, daß trotz der vollkommenen heißen
                              Saturation mit kohlensaurem Kalk noch so viel arsenige Säure und wenig Kalk in
                              Lösung bleiben, finden wir eine Bestätigung der schon früher von Bolley (in diesem Journal Bd. CLXVIII S. 51) angeführten Beobachtung
                              der Gegenwart von Ammoniaksalzen in dem rohen Fuchsin und der durch dieselben
                              herbeigeführten Löslichkeit des arsenig- und arsensauren Kalkes. Es stellte
                              sich durch Versuche heraus, daß durch längeres Kochen der obigen Flüssigkeit mit
                              Kalkmilch zwar alle Arsensäure, nicht aber alle arsenige
                              Säure gefällt wurde. Es ist dieß insofern von Bedeutung, als aus
                              gesundheitspolizeilichen Rücksichten die Fabrikanten von Anilinfarben gehalten sind, die Säuren
                              des Arsens auf eine unschädliche Weise zu beseitigen und alle vorgeschlagenen
                              Mittel, die abfließenden Mutterlaugen von denselben zu befreien, sich als ungenügend
                              erwiesen haben. Das von Levinstein (dieses Journal Bd. CLXXVI S. 155) als in Norddeutschland
                              gebräuchlich angeführte Verfahren möchte den Zweck nur theilweise erfüllen, indem in
                              der Kälte die Sättigung mit Kalk und Kreide nicht vollständig ist und die Anhäufung
                              von Mutterlaugen wohl bald lästig werden muß. Um letzteres zu vermeiden, wird man
                              also doch einmal gezwungen seyn, durch Abdampfen das Volum der schädlichen
                              Flüssigkeiten zu vermindern. Wie dieß am besten zu bewerkstelligen, sey es durch
                              Anlegung besonderer Oefen mit Abdampfwannen oder durch Benutzung verlorener Wärme,
                              muß dem Ermessen der Fabrikanten anheimgestellt bleiben; unsere Aufgabe muß sich auf
                              Andeutungen beschränken, die wir aus Beobachtungen und Versucht in kleinerem und
                              größerem Maaßstabe gewonnen haben.
                           In den französischen Fabriken, welche bis in die letzte
                              Zeit das Fuchsin nur als salzsaures Rosanilin in den Handel brachten, wird die
                              Fuchsinschmelze mit dem anderthalbfachen bis zweifachen Gewicht Wasser gekocht; beim
                              Erkalten scheidet sich der größte Theil des Farbstoffes mit den unlöslichen
                              Bestandtheilen am Boden des Gefäßes ab. Die Waschflüssigkeit enthält fast alle
                              Arsensäure und einen Theil der arsenigen Säure gelöst, nebst etwas rothem und gelbem
                              Farbstoff. Die rückständige Masse des Rohfuchsins wird mit Salzsäure und Wasser
                              gekocht, bis die Lösung des Fuchsins vollständig geworden; die Flüssigkeit wird nach
                              viertelstündiger Ruhe in tiefer stehende Bottiche gezogen und durch krystallisirte
                              Soda (!) gesättigt, wobei der rohe chlorwasserstoffsaure Farbstoff als geschmolzener
                              Kuchen durch die Kohlensäure an die Oberfläche gerissen und dann zu fernerer
                              Behandlung abgeschäumt wird. Wie leicht einzusehen, geht hier alle angewandte Soda
                              in Form von Chlornatrium und arsenigsaurem Natron verloren, da die Lösung in Gruben
                              abfließt, woselbst sie einige Zeit mit Kalk in Berührung bleibt, oder bei der Nähe
                              eines Flusses direct durch Canäle abgeführt wird.
                           Obige Waschflüssigkeit scheidet beim Eindampfen bis auf die Hälfte ihres Volums 5
                              Proc. vom Gewicht der Schmelze arsenige Säure, durch Sättigen mit Soda 3 Proc.
                              Farbstoff von schmutzigrother Färbung ab; also von der arsenigen Säure kaum 1/4 des
                              technisch wieder verwerthbaren Körpers. Außerdem enthält dieselbe noch 2 Proc.
                              Anilin, welche ebenfalls verloren gehen, wenn man sie nicht auf Kosten der Säuren
                              durch Destillation mit Kalkhydrat wieder gewinnen will.
                           Abgesehen von den complicirten Operationen, welche das Product unnöthigerweise vertheuren, hat
                              man bei diesem Verfahren noch nicht die Sicherheit, ein arsenfreies Salz zu
                              erhalten, bei einer lästigen Anhäufung schädlicher Flüssigkeiten.
                           Es wäre also meiner Ansicht nach rathsamer, das arsensaure Rosanilin darzustellen und
                              von demselben ausgehend, arsenfreie Rosanilinsalze für den Handel zu liefern. Zu
                              diesem Ende wird die Fuchsinschmelze in ihrem 4 bis 5fachen Gewichte Wasser gelöst,
                              unter allmählichem Zusatz von so viel Kreide oder Marmorpulver bis ein
                              herausgenommener Tropfen beim Erkalten auf einem Uhrglase beinahe farblos
                              erscheint.
                           Der Zusatz von kohlensaurem Kalt bietet den Vortheil, alle arsenige Säure in Lösung
                              zu bringen, während durch bloße Behandlung mit Wasser ein Theil dieser Säure beim
                              Erkalten sich wieder ausscheidet oder gar nicht gelöst werden kann. Was das Gewicht
                              des anzuwendenden kohlensauren Kalkes betrifft, so kann man bis zu 1/3 vom Gewichte
                              der in der Schmelze repräsentirten Arsensäure zufügen und kochen lassen, bis alle
                              Kohlensäure entwichen ist; die heiße Lösung wird in Krystallisationsgefäße filtrirt
                              und zum Erkalten hingestellt.
                           Nach einem oder zwei Tagen wird die Flüssigkeit in die Abdampfwannen abgezogen und
                              mit einer dem Kalkgehalte entsprechenden Menge Schwefelsäure entweder gleich
                              versetzt oder erst nachdem man durch Zusatz von einem Ueberschuß kohlensauren Kalkes
                              den größten Theil der Arsensäure gefällt hat. Die Wahl zwischen diesen beiden
                              Verfahrungsarten hängt von dem Ermessen des Fabrikanten ab, der zwischen zwei Uebeln
                              für das geringste sich zu entscheiden hat. Bei ersterer umgeht man, bei größerem
                              Verbrauch an Schwefelsäure, die Operation des Decantirens von dem gefällten
                              arsensauren Kalk; man gewinnt auch dabei wieder einen Theil der Arsensäure, nebst
                              der größten Menge der arsenigen Säure. Sobald nach Zusatz der Schwefelsäure erwärmt
                              wird, scheidet sich der schwefelsaure Kalt rasch ab; die Flüssigkeit wird dann in
                              andere Concentrationspfannen decantirt, welche ähnlich den Auslaugapparaten der
                              Sodafabriken terrassenförmig übereinander gestellt seyn können; in jedem Kasten oder
                              Pfanne scheidet sich eine dem Concentrationsgrade entsprechende Menge arseniger
                              Säure in Pulverform aus. Das Endresultat ist eine concentrirte Lösung von
                              Arsensäure, zum Theil gebunden an Anilin, Farbstoff und Ammoniak; man kann daraus
                              nach dem Sättigen mit Soda das Anilin abdestilliren, den Farbstoff isoliren und
                              ziemlich reines arsensaures Natron gewinnen.
                           10 Liter Waschwasser, in der Kälte mit 500 Grm. Marmorpulver behandelt und filtrirt,
                              enthielten 317 Grm. AsO⁵ und 176,5 CaO, welche zur Sättigung 300–305
                              Grm. Schwefelsäurehydrat erforderten.
                           
                           Nach Entfernung des schwefelsauren Kalkes wurde beim Eindampfen ein reichlicher
                              Niederschlag von arseniger Säure erhalten, der, obgleich nicht genauer gewogen,
                              nicht weniger als 500 bis 700 Grm. betragen konnte.
                           Bei der zweiten Verfahrungsart hat man vorzüglich die gänzliche Bindung aller Säuren
                              an Kalk und die Wiedergewinnung des in der Schmelze eingeschlossenen Anilins im
                              Auge; das Uebrige ergibt sich aus dem oben Gesagten.
                           Der durch die erste Behandlung nicht vollkommen erschöpfte Rückstand wird mit einer
                              neuen Menge Wasser gekocht und die Lösung in die Krystallisationspfannen filtrirt;
                              die nach dem Erkalten abgezogene Mutterlauge wird zur Lösung der Rohschmelze
                              verwendet.
                           Was die weitere Behandlung der in beiden Operationen erhaltenen Rosanilinsalze
                              betrifft, so bietet dieselbe keine Schwierigkeiten, indem vermittelst des jetzt
                              käuflichen Aetznatrons oder des ebenfalls nicht theuren Ammoniaks die Umwandlung in
                              Rosanilin leicht bewerkstelligt wird. In Bezug auf die nachherige Lösung in den
                              Säuren, deren Salze man erzielen will, sey nur bemerkt, daß die Krystalle um so
                              schöner und vollkommener ausfallen, je concentrirter die Lösung gehalten wird und je
                              langsamer sie erkaltet. Ich habe aus concentrirten Lösungen von
                              chlorwasserstoffsaurem und schwefelsaurem Rosanilin stänglige Krystalle von
                              4–5''' Länge erhalten, deren Oktaeder treppenförmig übereinander gelagert
                              sind, mit vollkommener Ausbildung der Endflächen.
                           Je nach dem Säurequantum erhält man Fuchsin von mehr oder minder violettem Tone.
                              Gewöhnlich enthält das im Handel vorkommende Fuchsin etwas violetten Farbstoff
                              beigemengt; derselbe ist etwas löslich in heißem Wasser, daher seine Gegenwart im
                              Fuchsin, aber vollkommen unlöslich in kaltem; man kann ihn daher leicht isoliren,
                              indem man die Fuchsinkrystalle in viel kaltem, mit Salzsäure angesäuertem Wasser
                              löst, beim Filtriren bleibt der violette Farbstoff auf dem Filter.
                           Bekanntlich enthält das Rohfuchsin auch ein lösliches Harz von schwach basischen
                              Eigenschaften, aus welchem Nicholson das Chrysanilin
                              ausgezogen hat. Zu derselben Zeit als A. W. Hofmann seine
                              Arbeit über das Chrysanilin veröffentlichte, brachte das Haus Renard und Franc einen gelben Farbstoff unter
                              dem Namen „Xanthin“ in den Handel,
                              welchen ich zuerst aus den Waschwässern des Bleu de Lyon
                              dargestellt hatte. Das aus denselben durch Soda gefällte, wahrscheinlich von dem
                              unvollkommen gereinigten Fuchsin herrührende Harz wurde mit verdünnter Sälzsäure und
                              Zink so lange in Berührung gelassen, bis die dunkel braunrothe Farbe der Lösung in
                              Orangegelb übergegangen war. Die filtrirte kalte Lösung wurde mit Ammoniak vorsichtig versetzt, bis eben
                              ein pulveriger Niederschlag entstand; auf diese Weise gelang es den Farbstoff frei
                              von Zinkoxyd zu gewinnen; derselbe stellt trocken ein ziegelrothes Pulver dar,
                              welches, wenig löslich in Wasser, leichter löslich in verdünnten Säuren und
                              vollkommen löslich in Alkohol, Seide und Wolle ohne Beize schön orange färbt. Ob
                              dieser Stoff mit dem von Hofmann beschriebenen
                              Chrysanilin identisch ist, kann ich nicht bestimmt sagen, indem es mir nicht gelang,
                              krystallisirte Salze und besonders das schwer lösliche Nitrat damit zu gewinnen.
                           Als Material zur Bereitung des Xanthins bediente ich mich später des obigen Harzes;
                              dasselbe wird in Salzsäure gelöst und ebenfalls mit Zinkabfällen erhitzt, bis die
                              Flüssigkeit eine schöne, gelbe Farbe angenommen hat, und dann in erwähnter Weise mit
                              Ammoniak gefällt. Will man dem Harz alles Rosanilin entziehen, so genügt ein
                              successives Auskochen mit salmiakhaltigem Wasser, welches das Rosanilin als
                              chlorwasserstoffsaures Salz löst und das Harz als einen gelbgrünlich schillernden
                              Kuchen zurückläßt. Seide und Wolle werden dadurch schmutzig braunroth gefärbt.
                           Wird der ziegelrothe Niederschlag längere Zeit mit einem Ueberschuß von
                              Ammoniakflüssigkeit digerirt, so verwandelt er sich in ein grüngelbes Pulver,
                              welches in seinem Verhalten zu Säuren mit dem Chrysanilin einige Analogie zeigt.
                           Wir haben im Eingange gesehen, daß die Fuchsinschmelze ungefähr 2 Proc. ihres
                              Gewichtes an Anilin zurückhält. Da die Rosanilinsalze um so löslicher in dem
                              Waschwasser sind, je mehr Anilinsalz dasselbe enthält, so muß in der Technik die
                              nächste Aufmerksamkeit auf eine regelrechte Darstellung der Schmelze gerichtet seyn.
                              Arbeitet man immer unter denselben Bedingungen in Bezug auf Concentrationsgrad der
                              Arsensäure, Temperatur und Mischungsverhältniß von Säure und Anilin, so muß man auch
                              ein constantes Verhältniß constatiren können zwischen verbrauchtem oder der Reaction
                              entgangenem Anilin und Säuremenge, oder, da letztere in ihrer Concentration variiren
                              kann, zwischen verbrauchtem Anilin und erzeugter Rohschmelze.
                           A. Während halbjährigen Betriebes
                              waren in Arbeit genommen worden:
                           68998 Kilogr. Anilin und
                           98439 Kilogr. syrupöser Arsensäure (60 bis 63 Proc. wasserfreier
                              Arsensäure enthaltend).
                           Es entgiengen der Reaction durch Destillation 23951 Kil. Anilin und
                              wurden erhalten:
                           
                           102721 Kil. Schmelze. Charge der Retorten 15 Kil. Anilin auf 22
                              Kil. Arsensäure.
                           
                              
                                 
                                    a.
                                    
                                 Verhältniß des in Arbeit genommenen Anilins zu dem verflüchtigten 
                                 100    :   34,7
                                 
                              
                                 
                                    b.
                                    
                                 Verhältniß des
                                 verbrauchten
                                 Anilins
                                 zur Arsensäure 
                                   45,7 : 100 
                                 
                              
                                 
                                    c.
                                    
                                 „
                                 „
                                 „
                                 zur Rohmasse 
                                   43,8 : 100
                                 
                              
                           B. In einer anderen Operation
                              wurden die Retorten mit 10 Kilogr. Anilin auf 16 Arsensäure gefüllt; es wurden dabei
                              erzielt:
                           
                              
                                 
                                    a.
                                    
                                 Verhältniß des in Arbeit genommenen zum verflüchtigten Anilin 
                                 100      :   36,87
                                    
                                 
                              
                                 b.
                                 Verhältniß des
                                 verbrauchten
                                 Anilins
                                 zur Arsensäure
                                   39,45 : 100
                                 
                              
                                 
                                    c.
                                    
                                 „
                                 „
                                 „
                                 zur Rohmasse
                                   40,7   : 100
                                 
                              
                           C. Endlich wurden die Retorten mit
                              20 Kilogr. Anilin auf 35 Kil. Arsensäure beschickt:
                           
                              
                                 
                                    a.
                                    
                                 Verhältniß des in Arbeit genommenen zum verflüchtigten Anilin 
                                 100    :   39,1
                                 
                              
                                 b.
                                 Verhältniß des
                                 verbrauchten
                                 Anilins
                                 zur Arsensäure
                                   34,8 : 100
                                 
                              
                                 c.
                                 „
                                 „
                                 „
                                 zur Rohmasse
                                   33,8 : 100
                                 
                              
                           Es war bei der letzteren Operation stärker erhitzt und die Masse so lange im Oelbade
                              gelassen worden, bis kein Tropfen mehr überdestillirte und dieselbe beim
                              Herausnehmen sogleich fest und spröde wurde. Dessenungeachtet enthielt die Schmelze
                              noch 1,4 Proc. ihres Gewichtes Anilin.
                           Bei Wiederholung dieser Versuche im Laboratorium änderte ich nicht nur die
                              Mischungsverhältnisse von Anilin und Säure, sondern auch die Temperatur, bei welcher
                              die Reaction vor sich gehen sollte, so daß mit einem und demselben Verhältniß ein
                              Versuch über freier Flamme, ein anderer im Oelbad zwischen 180 und 200°C.,
                              und ein dritter im Oelbad zwischen 200 und 210° gemacht wurde. Die Temperatur
                              der Mischung wurde vermittelst eines in derselben befindlichen Thermometers
                              beobachtet. Es stellte sich heraus, daß die Reaction erst beginnt nachdem alles
                              Wasser fortgetrieben ist; bei allen Versuchen fieng die Masse, unter beständigem
                              Sieden, bei 175°C. an sich zu färben, und stieg die Temperatur langsam,
                              während noch etwas Anilin überdestillirte, bis 195°, wo die Operation als
                              beendet angesehen werden konnte; zwischen 175 und 180° lag jedoch der
                              eigentliche Punkt der Reaction. Dieß stimmt so ziemlich mit den Beobachtungen von H.
                              Schiff und Béchamp
                              überein.
                           Folgendes waren die Resultate, welche ich erhielt (Bedeutung der Buchstaben wie
                              oben):
                           
                              
                                 1. Ueber freiem Feuer: AsO⁵ (60 proc.)
                                 100 Grm., Anilin 68 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 a = 100/36,7   b = 43/100   c = 41/100
                                 
                              
                                 2. Oelbad 180°–200°: AsO⁵ (60 proc.)
                                    100 Grm., Anilin 68 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 a = 100/32,4   b = 46/100   c = 43,8/100
                                 
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                              
                                 3. Oelbad 200°–210°: AsO⁵ (60 proc.)
                                    100 Grm., Anilin 68 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 a = 100/45,6   b = 37/100   c = 34,5/100
                                 
                              
                                 4. Oelbad 200°–210°: AsO⁵ (60 proc.)
                                    100 Grm., Anilin 62 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 a = 100/43,2   b = 35,5/100   c = 33,8/100
                                 
                              
                                 5. Ueber freiem Feuer: AsO⁵ (60 proc.) 100 Grm., Anilin
                                    58,6 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 a = 100/30,7   b = 40,6/100   c = 40,6/100
                                 
                              
                                 6. Oelbad 180°–200°: AsO⁵ (60 proc.)
                                    100 Grm., Anilin 58,6 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 a = 100/25,6   b = 43,6/100   c = 40,5/100
                                 
                              
                                 7. Oelbad 200°–210°: AsO⁵ (60 proc.)
                                    100 Grm., Anilin 58,6 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 a = 100/27,3   b = 42/100   c = 40,5/100
                                 
                              
                                 8. Oelbad 180°–200°: AsO⁵ (60 proc.)
                                    100 Grm., Anilin 43 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 a = 100/21   b = 34/100   c = 34/100.
                                 
                              
                           Quantitativ das in der Schmelze enthaltene Rosanilin zu bestimmen, ist bei kleinen
                              Mengen und vergleichenden Versuchen ziemlich schwierig; besser gelingt dagegen
                              Aufdrucken von vergleichenden Mustern in verschiedenen Abstufungen der Farbe auf
                              weißen Merinozeug und Fixiren durch Dampf; man erhält dadurch ein Kriterium für
                              Intensität und Reinheit der Farbe, welches für die Technik maaßgebend ist. Ich fand
                              für die Versuche 1, 5, 7 die Farbe der Muster am reinsten und intensivsten, weniger
                              befriedigend fielen 3 und 4 aus.
                           Ohne ein endgültiges Urtheil in einer Frage fällen zu wollen, welche nur durch eine
                              größere, mit aller Umsicht geführte und vollendete Versuchsreihe entschieden werden
                              kann, glaube ich doch, daß man eine um so günstigere und schönere Ausbeute an
                              Fuchsin gewinnt, je näher das Mischungsverhältniß von Säure und Anilin dem
                              Aequivalentenverhältniß steht und je rascher die Operation zu Ende geführt wird.
                              Diese zwei wesentlichen Punkte erklären für den mit dem Processe vertrauten Fachmann
                              einerseits den schädlichen Einfluß eines großen Ueberschusses von Anilin auf die
                              Ausbeute an rothem Farbstoff und andererseits die Nachtheile, welche eine zu große
                              Verdünnung der Arsensäure mit Wasser herbeiführt, indem durch die Wasserdämpfe ein
                              Theil des für die Reaction nöthigen Anilins mit fortgerissen wird. Bestimmte
                              Anhaltspunkte bei der Erzeugung der Rosanilinsalze können auch nur allein zu einer
                              Werthbestimmung der käuflichen Anilinsorten führen, indem sie uns in den Stand
                              setzen, immer dieselben Bedingungen hervorzurufen, von denen die relativen
                              Verhältnisse der mit dem Rosanilin entstehenden noch wenig bekannten Substanzen
                              abhängen. Bekanntlich ist die fractionirte Destillation allein ein sehr unsicheres
                              und unbequemes Mittel, die relativen Mengen der mit dem Anilin vermischten Homologen
                              zu bestimmen. Ich glaube daher, daß eine quantitative Bestimmung der in der Schmelze
                              enthaltenen Farbkörper, welche, in ihrem Verhalten gegen Säuren und Alkalien eine
                              gewisse Stufenfolge der Basicität einhaltend, wahrscheinlich im Zusammenhange stehen mit den das
                              käufliche Anilin componirenden homologen Basen, eher zum Ziele führen würde. Ich
                              bedaure, augenblicklich mich selbst nicht mit diesen interessanten Fragen
                              beschäftigen zu können und empfehle sie daher den Fachgenossen zur wohlverdienten
                              Beachtung. Schließlich sey es mir erlaubt zu bemerken, daß mir die ganze auf Anilin
                              bezügliche Literatur vorliegt, ich aber nicht näher auf einzelne vielleicht schon
                              von Anderen berührte Thatsachen eingehen konnte, da ich nur die Absicht hatte in
                              meinen Andeutungen dem praktischen Chemiker einige Winke zu geben. In chemischen
                              Laboratorien wird des Neuen und Interessanten Manches gefunden, dem der technische
                              Chemiker vielleicht schon längst begegnet ist, ohne näher darauf eingehen zu können,
                              da für ihn praktische Anwendung die Hauptsache ist. Ich kann hierin nur folgender
                              Bemerkung von Dr. Max Vogel
                              im Vorwort zu seinem schätzbaren Werkchen „die Entwickelung der
                                 Anilin-Industrie“ mich anschließen: „Die chemischen
                                 und technischen Journale bringen fast in jeder Nummer Neues über Anilinfarben,
                                 und noch viel Wichtigeres wird in den chemischen Fabriken, in den Färbereien und
                                 Druckereien von fleißigen Technikern erforscht, ohne daß die Mitwelt mehr als
                                 die Producte dieser rührigen Thätigkeit zu sehen bekommt.“
                              
                           
                        
                           III. Verbessertes Verfahren zur
                                 technischen Darstellung von Anilin.
                           Von allen in Vorschlag gebrachten Methoden zur Darstellung von Anilin hat sich meines
                              Wissens die von Béchamp allein erhalten und als
                              praktisch bewährt; alle anderen leiden an den Nebeln der Unzuverlässigkeit und des
                              zu hohen Preises der Chemikalien, sind also in technischer Beziehung einer
                              wohlverdienten Vergessenheit anheimgefallen. Das von Kremer (in diesem Journal Bd. CLXIX S.
                                 377) angegebene Verfahren allein besitzt einen reellen Werth und könnte da
                              in Anwendung kommen, wo es gelänge Zinkstaub nicht allein wohlfeil darzustellen,
                              sondern auch nachher wieder zu verwerthen; bis jetzt ist es aber nicht gelungen, dem
                              Zinkstaub seines immerhin hohen Preises wegen Eingang in die Anilinfabriken zu
                              verschaffen. Die Reaction zwischen Zinkstaub und Nitrobenzin brachte mich auf den
                              Gedanken, sie auch auf Eisen anzuwenden, und es ist mir wirklich gelungen,
                              vermittelst Eisen ohne Beihülfe der theuren Essigsäure die Reduction des
                              Nitrobenzins zu vollführen. Durch Wasserstoff reducirtes Eisen soll nach Kremer ebenso gut, jedoch langsamer wirken wie Zinkstaub;
                              es ist jedoch praktisch ziemlich schwierig zu erzeugen und daher zu kostspielig.
                              Besser bewährt sich gröbliches Pulver von Eisen oder sogar Gußeisen, welches
                              verhältnißmäßig billig ist oder erhalten werden kann. Mir gelang die vollständige Reduction noch sehr gut
                              mit Pulver das durch ein Sieb von 9/10 Millimeter Maschenöffnung geschlagen worden.
                              Wenn man bedenkt, daß durch den Wegfall der Essigsäure wenigstens 10 Proc. an den
                              Herstellungskosten des Anilins gespart werden, so ist dieses Verfahren für den
                              fabrikmäßigen Betrieb gewiß beachtenswerth. Versuche sowohl im Laboratorium mit
                              kleineren Mengen Material, als auch im größeren Maaßstabe bis zu 40 Pfund
                              Nitrobenzin, haben mir stets ein vollkommen reines Product geliefert, welches der
                              Rectification nicht bedurfte. Die Art der Anwendung des Eisens, welche ich als mein
                              Eigenthum am 8. März 1864 bei der Lyoner Handelskammer als versiegeltes Packet
                              deponirte, bedingt allein den Erfolg. Folgende zwei Versuche dürften zum besseren
                              Verständniß des Verfahrens beitragen und dessen praktischen Werth einleuchtender
                              machen.
                           In einem ersten Versuche erhielt ich aus 20 Pfd. Nitrobenzin und 15 Pfd. Eisenpulver,
                              nachdem beide Stoffe mit angesäuertem (2 bis 2,5 Proc. Salzsäure vom Gewichte des
                              Nitrobenzins) Wasser während zwei Tagen in Berührung geblieben, durch Destillation
                              11,96 Pfd. Anilin, welches durch etwas Kochsalz leicht vom Wasser getrennt werden
                              konnte. Folgendes sind die Resultate einer fractionirten Destillation:
                           
                              
                                 Anilin
                                 gesammelt
                                 bis
                                 185°
                                   5 Proc.
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 von
                                 185–190°
                                 49,6  „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 von
                                 190–195°
                                 26,4  „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 von
                                 195–200°
                                   9,6  „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 von
                                 200–210°
                                   4,8  „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Rückstand
                                   4,8  „
                                 
                              
                                 Brennmaterial (Steinkohlen) 100 Pfd.
                                 
                              
                           Bei einem anderen Versuche wurden 40 Pfd. Nitrobenzin (dasselbe wie oben) und 60 Pfd.
                              Eisenpulver unter Zusatz von angesäuertem Wasser in derselben Retorte während drei
                              Tagen in Digestion gelassen. Durch Destillation mit 160 Pfd. Brennmaterial
                              (Steinkohlen) wurden 24 Pfd. Anilin erhalten, dessen Zusammensetzung sich wie folgt
                              ergab:
                           
                              
                                 Wasser
                                 
                                 
                                 
                                   3 Proc.
                                 
                              
                                 Anilin
                                 gesammelt
                                 bei
                                 182°
                                   5    „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 von
                                 182–185°
                                   9    „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 von
                                 185–190°
                                 57    „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 von
                                 190–195°
                                 18    „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 von
                                 195–200°
                                   8    „
                                 
                              
                           Wie man sieht, ist das Verfahren, was Quantität des erhaltenen Productes betrifft,
                              sehr befriedigend, indem in der Technik wohl selten mehr als 60 Proc. vom
                              angewendeten Nitrobenzin an Anilin gewonnen werden. In Bezug auf Qualität wurde das
                              Anilin ebenso gut befunden als das nach dem gewöhnlichen Béchamp'schen Verfahren dargestellte, wie die aus demselben
                              bereitete Fuchsinschmelze colorimetrisch zur Genüge bewies.
                           Echternach (Luxemburg), im Januar 1866.
                           
                              
                                 (Die Fortsetzung folgt.)