| Titel: | Ueber Graphotypie, ein Verfahren zum Ersatz des Holzstiches. | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. XCVI., S. 399 | 
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                        XCVI.
                        Ueber Graphotypie, ein Verfahren zum Ersatz des
                           Holzstiches.
                        Aus dem Mechanics' Magazine, December 1865, S.
                              373.
                        Ueber Graphotypie.
                        
                     
                        
                           Diese neue Methode, von Zeichnungen ohne die Hülfe des Graveurs Stöcke für den Druck
                              in erhabener Manier darzustellen, ist die Erfindung des Hrn. De Witt Clinton Hitchcock, eines der ersten Zeichner und Graveure in
                              New-York, auf welche derselbe in Folge eines Zufalles verfiel, worüber Hr. H.
                              Fitz-Cook in der Sitzung der Society of arts vom 6. December 1865 Näheres
                              mittheilte.
                           Im Sommer des Jahres 1860 war Hitchcock mit der
                              Anfertigung einer Zeichnung auf Buchsbaumholz beschäftigt, und sah sich dabei
                              genöthigt, einen Theil derselben durch Schaben zu entfernen und die betreffende
                              Stelle des Holzes wieder weiß herzustellen. Das zu diesem Zwecke angewendete
                              Material war die glacirte, mit Wasser und einer Bürste aufgeweichte, obere Fläche
                              einer gewöhnlichen Visitenkarte – eine den meisten Zeichnern auf Holz
                              geläufige Methode. Zufälliger Weise war die angewendete Karte eine von einer
                              Kupferplatte abgezogene, und nach der Entfernung des glacirten Ueberzugs fand der
                              Zeichner zu seiner Ueberraschung, daß die gedruckten Buchstaben unverletzt waren und
                              in scharfem Relief dastanden.
                           Sein erster Versuch zur praktischen Ausbeutung des Gedankens, auf welchen dieser
                              Zufall ihn geführt, wurde mit einer, aus einem gewöhnlichen großen Stücke Kreide
                              herausgesägten Platte gemacht, welche er auf der einen Fläche durch sorgfältiges
                              Schaben möglichst glättete. Auf diese glatte Kreidefläche trug er die Zeichnung
                              mittelst eines Federkiels und einer Tinte auf, welche letztere aus
                              Wasserglas-Lösung, gefärbt mit Indigo, bestand. Als die Linien der Zeichnung
                              ganz trocken geworden waren, bürstete er mittelst einer Zahnbürste – jedoch
                              ohne Anwendung von Wasser, wie dieß bei dem Weißen der Holzflächen mit der Glacirung
                              einer Visitenkarte geschieht – alle die Theile der Kreidefläche hinweg, auf welche keine Linien
                              aufgetragen waren. „Die Linien der Zeichnung,“ so heißt es in
                              der betreffenden Mittheilung, „bestanden buchstäblich aus Stein und
                                 widerstanden den Angriffen der Zahnbürste, wogegen die zwischen ihnen
                                 befindlichen Kreidetheilchen als eine Wolke von weißem Staub verschwanden und
                                 die imprägnirten Linien in Relief zurückließen, so daß diese von selbst
                                 einluden, ihre Festigkeit durch Abdrucken auf Papier zu erproben. Dieß konnte
                                 aber erst geschehen, nachdem die ganze Kreidemasse durch Sättigung mit
                                 Wasserglas-Lösung in Stein verwandelt war; schon nach einer halben Stunde
                                 war jedoch der Kreidestock auf die gewöhnliche Weise geschwärzt und
                                 gedruckt.“
                              
                           Später gelangte Hitchcock nach sehr zahlreichen Versuchen
                              zu einem Verfahren, welches allem Anschein nach dem Holzstich, wenn auch nicht für
                              alle, so doch für sehr viele Zwecke vorgezogen werden wird, da es weit billiger ist
                              als xylographischer Druck und vor diesem noch den großen Vorzug hat, daß jeder, auch
                              der feinste Strich des Künstlers mit unfehlbarer Genauigkeit reproducirt wird.
                              Gegenwärtig wird das Verfahren in folgender Weise ausgeübt:
                           Zunächst wird die nöthige Menge der besten französischen Kreide zu feinstem Pulver
                              gerieben, mit Wasser zu einer dünnen Milch angerührt und der zuerst sich absetzende
                              Antheil bei Seite gestellt (mit anderen Worten, das Kreidepulver wird sorgfältig
                              geschlämmt); dieß wird mehrere Male wiederholt, so daß alle harten und groben Theile
                              abgeschieden werden; das auf diese Weise erhaltene sehr feine Kreidemehl wird
                              getrocknet und durch ein Drahtsieb, welches per
                              Quadratzoll zehntausend Oeffnungen hat, auf eine vollkommen glatte Zinkplatte
                              gesiebt, so daß es auf derselben eine gleichmäßig starke Schicht bildet. Hierauf
                              wird diese Schicht mit einer hochpolirten Stahlplatte bedeckt und dann unter einer
                              hydraulischen Presse stark zusammengepreßt; nach dem Herausnehmen aus der Presse
                              haftet die Kreide fest an der Zinkplatte und zeigt nach der Entfernung der
                              Stahlplatte eine vollkommen ebene und glatte Oberfläche, welche dann nur noch
                              „grundirt“ zu werden braucht, damit die anzuwendende Tinte
                              nicht fließt; sie ist dann zum Gebrauche für den Künstler fertig. Dieser verfährt
                              wie gewöhnlich beim Auftragen einer Zeichnung auf Holz, indem er auf dem Stocke oder
                              der Platte zunächst die Umrisse mit Rothstift aufträgt und dann mit Zobelhaarpinseln
                              von verschiedener Größe und Stärke die Details Strich für Strich so aufträgt, wie
                              sie nach dem Drucke erscheinen sollen. Die graphotypische Tinte ist ein Gemisch von
                              Leim und Lampenschwarz und trocknet augenblicklich, so daß der Zeichner eine Reihe
                              von Linien und Strichen, so dick dieselben auch seyn mögen, gleich nach dem Auftragen mit anderen
                              durchkreuzen kann.
                           Ist die Zeichnung vollendet, so werden die zwischen den Strichen derselben
                              befindlichen Partien der Kreidefläche ungefähr bis zur Tiefe eines Achtelzolls
                              mittelst Bürsten, welche theils aus Iltishaar, theils aus Seidensammt angefertigt
                              sind, entfernt und dann wird die Kreideplatte durch Eintauchen in
                              Wasserglas-Lösung gehärtet.
                           Hierauf wird von der Platte oder dem Stocke ein Abklatsch genommen und mittelst
                              desselben nach dem gewöhnlichen Verfahren beim Stereotypiren ein Abguß aus
                              Letternmetall angefertigt. Dieser Abguß und nicht die ursprüngliche Platte dient nun
                              zum Drucken.
                           „Das Verfahren ist so zarter Natur,“ sagt Hr. Fitz-Cook, „daß man im Stande ist, mit
                                 dem Abdrucke des mit der graphotypischen Tinte befeuchteten Daumens, mit Federn,
                                 Gerippen von Blättern etc. durch die Graphotypie in der gewöhnlichen
                                 Druckerpresse schöne Abdrücke darzustellen, während der feinste Haarstrich, den
                                 der Künstler zu machen im Stande ist, ebenso gut steht, wie die stärksten
                                 Partieen.“
                              
                           Der Letternmetall-Abguß kann ganz bequem binnen drei Stunden nach der
                              Vollendung der Zeichnung auf der Kreideplatte erhalten werden, so daß das neue
                              Verfahren einen bedeutenden Vorzug vor dem Holzschnitt besitzt, nicht allein
                              hinsichtlich der Billigkeit, sondern auch in Bezug auf Zeitersparniß insofern die
                              Zeit, welche zwischen der Vollendung einer Zeichnung und der zu ihrer
                              Vervielfältigung durch die Druckerpresse dienenden Platte verstreicht, eine
                              außerordentlich geringe ist. Und bei dieser Billigkeit und Raschheit reproducirt das
                              neue Verfahren das Werk des Künstlers mit absoluter, selbst vom ausgezeichnetsten
                              Graveur unerreichbarer Genauigkeit.