| Titel: | Ueber die gleichzeitige Wirkung des Lichtes und der oxydirenden Salze auf das violette Silberchlorür; Anwendung derselben, um mittelst der Photographie die natürlichen Farben auf Papier zu erhalten; von L. A. Poitevin. | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. CXI., S. 455 | 
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                        CXI.
                        Ueber die gleichzeitige Wirkung des Lichtes und
                           der oxydirenden Salze auf das violette Silberchlorür; Anwendung derselben, um mittelst
                           der Photographie die natürlichen Farben auf Papier zu erhalten; von L. A. Poitevin.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXI p. 1111; December
                              1865.
                        Poitevin's Darstellung farbiger Lichtbilder auf Papier.
                        
                     
                        
                           Hr. Edm. Becquerel hat bekanntlich bei seinen
                              Untersuchungen über die Erzeugung der Farben durch die chemische Wirkung des
                              Lichtes, welche er im Jahre 1848 veröffentlichte,Becquerel's Abhandlungen „über das
                                       photochromatische Bild des Sonnenspectrums und die Erzeugung farbiger
                                       Bilder in der camera obscura“
                                    wurden aus den Annales de Chimie et de Physique
                                    im polytechn. Journal Bd. CX S. 25,
                                    Bd. CXIV S. 44 und 118 mitgetheilt. Man s. auch den über
                                    Becquerel's Versuche der französischen
                                    Akademie erstatteten Bericht von Biot, Chevreul
                                    und Regnault, im polytechn. Journal Bd. CXII S. 29.A. d. Red. die Entdeckung gemacht, daß das violette Silberchlorür, welches durch
                              Behandlung einer polirten Silberplatte mit Chlor unter gewissen Umständen erhalten
                              wird, die Eigenschaft besitzt, die verschiedenen Farben der darauf fallenden
                              Strahlen ziemlich gleichzeitig anzunehmen. Die prächtigen Bilder des
                              Sonnenspectrums, welche er erhielt, sowie die Bilder welche er mit ihren natürlichen
                              Farben im Focus der camera obscura copirte, blieben
                              bisher unübertroffen.
                           Behufs der Anwendung dieser Entdeckung zur farbigen Photographie auf Papier, war ich
                              bemüht zu ermitteln, ob die Wirkung des Lichtes auf das violette Silberchlorür nicht
                              erleichtert und vollständiger gemacht werden kann, indem man letzterem verschiedene
                              Substanzen zusetzt, welche selbst durch das Licht modificirbar sind. Die
                              reducirenden Substanzen, nämlich diejenigen welche das Chlor absorbiren und sich mit
                              demselben chemisch verbinden, zeigten keine Wirkung; anders verhielten sich die
                              Körper, welche entweder Sauerstoff, oder Chlor etc. liefern, vorausgesetzt jedoch,
                              daß sie nicht an und für sich auf das violette Silberchlorür wirken. Das
                              zweifachchromsaure Kali, die freie Chromsäure, sowie das salpetersaure Uranoxyd,
                              gaben mir gute Resultate; das salpetersaure Silberoxyd würde in gleicher Weise
                              wirken, aber indem es sich zersetzt, wird es schwarz und benachtheiligt daher das
                              Bild.
                           Nach zahlreichen Versuchen fand ich dann, daß das violette Silberchlorür, welches auf Papier sich nur sehr
                              langsam und sehr unvollständig färbt, wenn man es unter einer durchsichtigen und
                              gefärbten Zeichnung den Sonnenstrahlen aussetzt, im Gegentheil modificirt wird,
                              sogar im zerstreuten Licht, wenn man es vorher mit einer Auflösung von
                              zweifachchromsaurem Kali etc. überzogen hat; es wird dann im weißen Lichte weiß, und
                              nimmt Farben an, analog denjenigen der verschiedenen darauf wirkenden Strahlen.
                           Ich will nun das Verfahren beschreiben, wornach ich die der Akademie übergebenen
                              natürlich gefärbten Bilder erhalten habe.
                           Ich verschaffe mir photographisches Papier, das mit einer Schicht violetten
                              Silberchlorürs überzogen ist, welche entsteht, wenn weißes Chlorsilber in Gegenwart
                              eines reducirenden Salzes dem Licht ausgesetzt wird; die Oberfläche solchen Papiers
                              überziehe ich mit einer Flüssigkeit, welche durch Vermischen von 1 Volum gesättigter
                              Auflösung von zweifachchromsaurem Kali, 1 Volum gesättigter
                              Kupfervitriol-Lösung und 1 Volum 5procentiger Chlorkalium-Lösung
                              dargestellt wurde; ich lasse dieses Papier dann trocknen und bewahre es an einem
                              dunkeln Orte auf; es bleibt mehrere Tage zur Anwendung brauchbar. Das
                              zweifach-chromsaure Kali ist hier das Hauptagens; man könnte es, jedoch ohne
                              Vortheil, durch Chromsäure etc. ersetzen; der Kupfervitriol erleichtert die
                              Reaction, und das Chlorkalium conservirt die Weißen welche sich gebildet haben.
                           Unter Glasgemälden braucht man so präparirtes Papier dem directen Licht nur fünf bis
                              zehn Minuten lang auszusetzen.
                           Dieses Papier ist für die Verwendung in der camera
                                 obscura noch nicht empfindlich genug; man kann aber mit demselben farbige
                              Bilder im Vergrößerungsapparat oder Sonnen-Megaskop erhalten.
                           Um diese Bilder in einem Album aufbewahren zu können, braucht man sie nur in mit
                              Chromsäure angesäuertem Wasser zu waschen, dann mit Wasser zu behandeln, welches
                              Quecksilberchlorid enthält, hernach in Wasser zu waschen, worin salpetersaures
                              Bleioxyd aufgelöst ist, und endlich in reinem Wasser zu spülen. Die Bilder verändern
                              sich dann nicht mehr, wenn sie gegen das Licht geschützt sind, sie bräunen sich aber
                              im directen Sonnenlicht.
                           Ich werde später auf diesen Gegenstand und speciell auf die Darstellung des von mir
                              verwendeten Silberchlorür-Papiers zurückkommen.
                           
                        
                           Bemerkungen von Edm.
                                 Becquerel.
                           Wenn man auf Papier das Silberchlorür in derselben Weise hervorzubringen sucht, wie
                              man es auf einer Silberplatte erzeugt, so erhält man durch die Wirkung des Lichtes
                              gefärbte Abdrücke, welche viel weniger lebhaft sind, als die auf der Oberfläche einer
                              Silberplatte entstehenden, die mit Silberchlorür überzogen wurde, welches man durch
                              elektrochemische Wirkung nach den von mir veröffentlichten Verfahrungsarten
                              dargestellt hat.
                           Das Verfahren von Poitevin, welcher das Licht auf das auf
                              Papier abgelagerte violette Silberchlorür in Gegenwart eines oxydirenden Salzes
                              wirken läßt, ist sehr wichtig, weil es gestattet auf Papier gefärbte Bilder zu
                              erhalten, welche den auf Silberplatten erzeugten nahe kommen, obgleich sie weniger
                              lebhaft als letztere sind, auch die blauen und violetten Farben nicht so deutlich
                              reproducirt werden. Es ist übrigens möglich, daß bei diesem Verfahren die Wirkung
                              des zweifach-chromsauren Kalis nicht auf das isolirte Silberchlorür
                              stattfindet, sondern auf eine auf dem Papier abgelagerte empfindliche Schicht von
                              complicirter Zusammensetzung.
                           Andererseits schienen mir die Abdrücke auf Papier nicht rascher erzeugt Zu werden als
                              auf Silberplatten, auch keine größere Beständigkeit zu besitzen, und es ist
                              wahrscheinlich daß in dieser Hinsicht nur ein geringer Unterschied stattfindet. Da
                              man aber auf Papier die gefärbten Bilder mit großer Leichtigkeit erhält, so verdient
                              Poitevin's Verfahren alle Beachtung.