| Titel: | Ueber die Darstellung des Phenylalkohols (Phenylsäure, Carbolsäure); von Hugo Müller. | 
| Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. CXIII., S. 461 | 
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                        CXIII.
                        Ueber die Darstellung des Phenylalkohols
                           (Phenylsäure, Carbolsäure); von Hugo
                              Müller.
                        Müller, über Darstellung der Carbolsäure.
                        
                     
                        
                           Als ich mich vor mehreren Jahren mit der Darstellung größerer Mengen von
                              Phenylalkohol für chemische Zwecke beschäftigte, machte ich die Beobachtung, daß die
                              höchst umständliche Darstellungsweise auf dem Wege der fractionirten Destillation
                              sehr wesentlich abgekürzt werden kann, indem man der Destillation eine fractionirte
                              Fällung, oder was dasselbe ist, fractionirte Sättigung des rohen Phenylalkohols
                              vorausgehen läßt.
                           Der Phenylalkohol zeigt nämlich in seinem Verhalten zu caustischen Alkalien eine
                              bemerklich größere Affinität als der so ähnliche Cressylalkohol und nächstfolgende
                              Xylylalkohol. Je nachdem man mit rohem Steinkohlentheer oder mit bereits aus diesem
                              abgeschiedenem Phenyalkohol arbeitet, kann man folgende Wege einschlagen, welche
                              aber im Grunde genommen ein und derselbe sind. Die durch Behandlung von
                              Steinkohlentheer mit caustischer Soda oder Kalkmilch oder einer Mischung beider
                              erhaltene wässerige Lösung enthält neben Phenylalkohol einige andere leicht
                              oxydirbare und sich braun färbende Körper und außerdem, besonders wenn die Lösung
                              ziemlich concentrirt ist, eine nicht unbedeutende Menge von Naphtalin. Eine
                              concentrirte alkalische Lösung des Phenylalkohols löst nämlich Naphtalin und andere
                              ähnliche neutrale Substanzen, welche für sich in Wasser unlöslich sind. Um nun diese
                              Verunreinigungen abzuscheiden, verdünnt man so lange mit Wasser, bis ein weiterer
                              Zusatz keine Ausscheidung von Naphtalin mehr veranlaßt und setzt dann die
                              Flüssigkeit, welche sich bald dunkelbraun färbt, unter häufigem Umrühren in flachen
                              Gefäßen mehrere Tage der Luft aus. Die braune Lösung wird dann filtrirt und in einer
                              gegebenen Menge derselben der gelöste Phenylalkohol (Cressylalkohol u.s.w.)
                              bestimmt, und daraus die für die ganze Menge zur Ausfüllung nöthige Säure ermittelt.
                              Setzt man nun etwa ein Sechstel oder Achtel der berechneten Säuremenge unter starkem
                              Umrühren zu, so fällt zunächst die durch die Einwirkung der Luft veränderte, nun
                              harzige Substanz gemengt mit mehr oder weniger Cressylalkohol, Xylylalkohol u.s.w.
                              nieder.
                           
                           Ein zweiter Zusatz von Säure fällt je nach der Quantität und Zusammensetzung
                              hauptsächlich Cressylalkohol, und nach einigen Versuchen gelingt es gewöhnlich, die
                              Menge der Säuren so zu treffen, daß durch die dritte und letzte Ausfüllung fast
                              reiner Phenylalkohol erhalten wird, welcher schon nach einmaligem Destilliren
                              krystallisirt. Da schon eine geringe Menge Wasser die Krystallisation des
                              Phenylalkohols verhindert, so ist es nothwendig, daß dieses möglichst entfernt wird
                              und dieß geschieht am einfachsten dadurch, daß man über den beinahe zum Sieden
                              erhitzten Phenylalkohol einen Strom trockener Luft gehen läßt. Die Krystallisation
                              kann durch Abkühlen oder Einbringen einer kleinen Menge krystallisirten
                              Phenylalkohols beschleunigt werden. Will man den in der Mutterlauge noch gelöst
                              enthaltenen Phenylalkohol gewinnen, so kann dieses durch Destilliren oder Sättigung
                              mit Kochsalz oder schwefelsaurem Natron bezweckt werden, doch lohnt sich dieß
                              gewöhnlich nicht der Mühe.
                           Arbeitet man mit rohem Phenylalkohol, wie er von Theerraffinerien in den Handel
                              gebracht wird, so läßt sich die Reindarstellung dadurch bezwecken, daß man denselben
                              mehrere Male nach einander mit entsprechenden Mengen caustischer Soda u.s.w.
                              behandelt. Man erhält in den ersten Auszügen das reinere Product; doch ehe man den
                              Phenylalkohol ausfällt, muß das Verdünnen mit Wasser und Aussetzen an der Luft
                              vorausgehen.
                           Man erhält nur dann ein vollkommen reines und nach längerem Aufbewahren farblos
                              bleibendes Product, wenn durch die Einwirkung der Luft auf die alkalische Lösung die
                              sich an der Luft braunfärbenden Substanzen vollkommen verharzt wurden.
                           Es ist selbst für die Darstellung von Pikrinsäure zweckmäßig, einen ziemlich reinen
                              Phenylalkohol zu verwenden, denn die Verunreinigungen verursachen einen unnöthigen
                              Verbrauch von Salpetersäure.
                           Ich will noch anführen, daß der Phenylalkohol gewöhnlich von einer geringen Menge
                              einer höchst unangenehm riechenden Substanz begleitet wird, welche in ihren
                              Eigenschaften dem Phenylalkohol sehr ähnlich und daher nur schwierig zu entfernen
                              ist. Nach meinen Untersuchungen ist dieser Körper eine Schwefelverbindung des
                              Phenyls (Cressyls?) und es gelang mir, denselben durch einen geringen Zusatz von
                              Bleioxyd zu dem zu destillirenden Phenylalkohol zu entfernen. (Hübner's Zeitschrift für
                                    Chemie, 1865.)