| Titel: | Ueber Kerpely's neues Verfahren zum feinen des Roheisens; von J. Nickles. | 
| Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. LV., S. 207 | 
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                        LV.
                        Ueber Kerpely's neues Verfahren zum feinen des Roheisens;
                           von J. Nickles.
                        Aus den Annales du Génie civil, Mai 1866, S.
                              325.
                        Kerpely's Verfahren zum Feinen des Roheisens.
                        
                     
                        
                           Zum Feinen des Roheisens ist schon früher der Zuschlag von Alkalichloriden empfohlen
                              worden. Ausgezeichnete Metallurgen wendeten vorzugsweise Chlornatrium (Koch- oder Steinsalz) an, um unreines Roheisen beim
                              Verfrischen auf rasche Weise von seinen „Parasiten“ zu befreien
                              und es mit verhältnißmäßig geringen Kosten zu reinigen, indem sie einerseits auf das
                              starke Vereinigungsbestreben des Chlors mit dem Schwefel, dem Phosphor, dem
                              Arsen, dem Silicium und
                              anderen, dem Eisen mit so großer Hartnäckigkeit anhaftenden Stoffen sich stützten,
                              andererseits von dem Erfahrungssatze ausgingen, daß auch das Natrium das Bestreben besitzt, Schwefel und Phosphor zu binden.
                           Karsten wendete beim Verfrischen des Roheisens schon vor
                              länger als vierzig Jahren Chlornatrium, welches er in Form von Kochsalz der Luppe
                              zusetzen ließ, versuchsweise an; auch Schafhäutl führte
                              recht verdienstvolle Versuche zum Feinen von unreinem Roheisen durch Anwendung von
                              Chlornatrium und Braunstein aus. Im Bulletin du Musée de
                                 l'Industrie, 1844 p. 19, wird zu dem gleichen Zwecke ein Gemenge von Braunstein und Salmiak
                              empfohlen.
                           A. Chenot
                              Comptes rendus, t. XXXV p. 521. wendet Steinsalz an; ebenso verfährt Calvert
                              Comptes rendus, September 1852, S. 433;
                                    polytechn. Journal Bd. CXXVI S.
                                       112., und zwar nicht allein zum Feinen des Roheisens, sondern auch zum
                              Entschwefeln der Kohks.
                           Obschon bei allen diesen Versuchen ein recht gut gefrischtes Stabeisen erhalten
                              wurde, so kam man damit leider doch nicht über das Stadium des Experimentirens
                              hinaus; ein regelmäßiger Betrieb ließ sich nicht herstellen, und zwar ohne Zweifel
                              aus dem folgenden Grunde:
                           
                           Das der Beschickung zugesetzte Salz gelangte, mit dem Erze, dem Zuschlage und dem
                              Brennmateriale gemengt, zur Rast hinab, gerieth in Folge der im Gestelle
                              herrschenden hohen Temperatur in Fluß, breitete sich auf dem Erze aus, bildete einen
                              Ueberzug auf demselben und zog sich in dasselbe hinein; auf diese Weise wurde das
                              Erz der Einwirkung der reducirenden Gase entzogen. Dadurch wurde aber ein
                              unregelmäßiger Gang des Hohofens herbeigeführt und daher rühren auch die unsicheren
                              Resultate, welche eine bleibende Einführung dieser interessanten Reinigungsmethoden
                              in die eisenhüttenmännische Praxis bisher verhindert haben.
                           Die Idee selbst ist indessen noch keineswegs aufgegeben; denn neuerdings hat Kerpely die Frage von einem anderen Gesichtspunkte aus
                              wieder aufgenommen und sie ihrer Lösung um einen Schritt näher gebracht. Nach seinem
                              Verfahren wird das Salz nicht der Beschickung beigemengt,
                              sondern dasselbe wird im Gegentheil unmittelbar in das Gestell des Hohofens eingeblasen und somit direct an die Punkte gebracht,
                              wo es allein seine feinende Wirkung auszuüben vermag. Zu diesem Zwecke hat Kerpely eine Art von Büchse erfunden, welche, auf dem
                              Wege des Gebläsewindes angebracht, binnen vierundzwanzig Stunden 25 bis 30 Kilogr.
                              gepulvertes Kochsalz an denselben abgibt.
                           Mehrere vom Erfinder an einem Hohofen zu Reschitza (Ungarn) mit grauem Holzkohlenroheisen abgeführte Versuche gaben sehr
                              zufriedenstellende Resultate. Das mit Wind von gewöhnlicher Temperatur erblasene
                              graue Roheisen enthielt vor der Chlorirung:
                           
                              
                                 Schwefel      
                                 0,137
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,206
                                 
                              
                                 Kupfer
                                 0,119.
                                 
                              
                           Nach dem Einblasen des Salzes enthielt es dagegen nur
                              noch:
                           
                              
                                 Schwefel      
                                 0,053
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,078
                                 
                              
                                 Kupfer
                                 0,0345.
                                 
                              
                           Mit heißem Winde (von 280° R.) und einem Zuschlage von 40 Proc.
                              Frischschlacken zur Beschickung erblasenes weißes
                              Holzkohlenroheisen enthielt:
                           
                              
                                 
                                 vor dem Chloriren:
                                 
                                    nach dem Chloriren:
                                    
                                 
                              
                                 Schwefel      
                                 0,123
                                 0,054
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,235
                                 0,094
                                 
                              
                                 Kupfer
                                 0,079
                                 0,000.
                                 
                              
                           Demnach verflüchtigten sich in Folge der Einwirkung des mit dem Gebläsewinde in das
                              Gestell eingeblasenen Kochsalzes:
                           
                           
                              
                                 56
                                 bis
                                 61 Proc.
                                 Schwefel,
                                 
                              
                                 60
                                 bis
                                 61    „
                                 Silicium,
                                 
                              
                                 71
                                 
                                         „
                                 Kupfer.
                                 
                              
                           Nach der Angabe des Erfinders eignet sich sein Verfahren hauptsächlich zur Behandlung
                              von sehr kupferhaltigen Eisenerzen, was durch die
                              vorstehenden Zahlen bestätigt wird.
                           Als fernere Vorzüge seiner Methode hebt er namentlich hervor:
                           1) die Möglichkeit, auch eisenkieshaltige Steinkohle ohne
                              vorherige Aufbereitung oder sonstige besondere Behandlung derselben und ohne die
                              Nothwendigkeit, sie vorher verkohlen zu müssen, anwenden zu können;
                           2) die Möglichkeit, selbst kieshaltige Eisenerze zu
                              verhütten, wenn die Umstände dieß erfordern;
                           3) die Möglichkeit der Anwendung von Torf anstatt der
                              Steinkohle. Zu Briquettes geformt und gehörig comprimirt würde jenes Brennmaterial
                              durch den, von dem Gehalte seiner Asche an Sulfaten und Phosphaten herrührenden
                              Schwefel und Phosphor keine Betriebsstörungen mehr verursachen.
                           Bekanntlich hat ein Gehalt der Erze (und des Brennmaterials) an Kupfer und an Kiesen
                              bereits manche Eisenhütte in Schaden und Gefahr gebracht; den alten berühmten Oefen
                              von Framont (Vogesen) haben sie mehr Nachtheil zugefügt, als der auf diesen Werken
                              schwer genug lastende Mangel an Communicationswegen, als die Verdrängung der
                              Holzkohle durch Steinkohle und andere Vervollkommnungen in der Verhüttung der
                              Eisenerze; Fortschritte, von denen diese Hütten in Folge ihrer isolirten Lage nicht
                              den gleichen Nutzen ziehen konnten, wie die mit ihnen rivalisirenden
                              Hüttenwerke.
                           Die zahlreichen Eisenhütten Lothringens, namentlich die um Metz und Nancy gruppirten
                              Werke des Meurthe- und des Moselthales, haben in Folge ihrer geographischen
                              Lage ein unmittelbares Interesse daran, daß das Kerpely'sche Verfahren durch günstige Erfolge sich bewährt. Zwischen dem
                              Saar-Kohlenbecken, einer unerschöpflichen Steinkohlen-Ablagerung und
                              den ausgedehnten und zahlreichen Torfmooren der Vogesen, unmittelbar auf
                              Eisensteinlagerstätten und inmitten wichtiger Communicationswege – der
                              Ostbahn, der Meurthe- und Moselbahn und des Marne-Rheincanales
                              – gelegen, würden diese in solcher Weise so bedeutend bevorzugten Hütten bei
                              der Einführung des neuen Verfahrens Alles zu gewinnen haben, wenn dasselbe sich für
                              die eisenhüttenmännische Praxis mit Vortheil ausführbar erweisen würde.
                           
                           Kerpely hat auch mit Salmiak
                              (Chlorammonium) Versuche angestellt. Dieses Salz zeigt sich zwar für den in Rede
                              stehenden Zweck gleichfalls geeignet, aber es gibt andere Resultate und würde nicht
                              in allen Fällen angewendet werden können; denn es wirkt, wie leicht zu begreifen,
                              nur durch sein Chlor, während das Ammon sich verflüchtigt oder in andere Verbindungen sich umsetzt. Dabei
                              bildet sich auf Kosten des Roheisens Eisenchlorür (oder
                              Eisenchlorid), was indessen, wie der Erfinder bemerkt, durchaus kein Hinderniß der
                              Anwendung des Salmiaks bilden würde, insofern diese Verbindung im Gestelle in
                              Gegenwart der hier sich entwickelnden, stark erhitzten Gase – Wasserstoffgas
                              und gekohlte Gase – nicht bestehen kann. Das Eisen wird nämlich zu
                              Kohleneisen und das dabei frei werdende Chlor übt seine
                              Wirkung an anderen Punkten des Ofenschachtes aus. Aber das Ammon geht verloren, und in Folge dieses Umstandes wird die Anwendung des
                              Salmiaks um so kostspieliger, als dieses Salz ohnehin schon ziemlich theuer ist.
                           Da nun aber das Eisenchlorür im Hohofen sich ebenso verhält wie das Kochsalz und der
                              Salmiak, so ist kein Grund einzusehen, weßhalb das Chlorammonium nicht gleich durch
                              Chloreisen selbst ersetzt werden könnte, indem
                              letzteres im Handel zu billigen Preisen zu haben ist und der aus Kohleneisen
                              bestehende feste Rückstand dieses Salzes (welcher durch den Gebläsewind und durch
                              die Einwirkung der im Gestelle vorhandenen glühenden Schmelzmaterialien gebildet
                              wird) das Roheisenausbringen direct erhöht.
                           Wir unterwerfen diesen Vorschlag der Prüfung von Seiten der Eisenhüttenmänner; möchte
                              derselbe dazu beitragen, die Einführung des neuen, unserer Ansicht nach zur
                              Vereinfachung der noch immer so verwickelten Frage des Roheisenfeinens wohl
                              berufenen Verfahrens zu beschleunigen.