| Titel: | Untersuchungen über die Hefe; von Dr. I. C. Lermer, Brau-Techniker. | 
| Autor: | Johann Karl Lermer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. LXII., S. 223 | 
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                        LXII.
                        Untersuchungen über die Hefe; von Dr. I. C. Lermer,
                           Brau-Techniker.
                        Lermer, Untersuchungen über die Hefe.
                        
                     
                        
                           I. Bau und chemischer Charakter der
                                 Hefenzellen.
                           Unter Hefe versteht man einen vegetabilischen Organismus, welcher aus einzelnen oder
                              zusammengereihten Zellen besteht, in gährungsfähigen Flüssigkeiten, die bestimmte
                              organische Stoffe gelöst enthalten, lebt und sich darin durch Theilung
                              fortpflanzt.
                           Der gänzliche Mangel an Chlorophyll in den Hefenzellen und ihre Ernährung durch
                              organische Substanzen hat die Botaniker bestimmt, diese vegetabilischen Organismen
                              zu den Pilzen zu stellen.
                           Bis in die neueste Zeit hielt man die Hefe für einen selbstständigen, d.h. für einen,
                              keine weiteren Entwickelungsformen darbietenden Pilz.
                           Durch die gründlichen Untersuchungen von Hoffmann
                              Botanische Zeitung von 1865 und 1866., Bail
                              Flora von 1857. und Berkley ist die Frage über die Natur der Hefe
                              in ein ganz neues Stadium getreten. Die drei genannten Forscher haben durch directe
                              Versuche constatirt, daß die Hefe nur aus Entwickelungsformen der Schimmelpilze, und
                              zwar bloß aus den Fortpflanzungs-Zellen (Sporen) besteht, welche sich an den
                              Fruchtästen dieser Pilze entwickeln und die, in gährungsfähige Flüssigkeiten
                              gebracht, sich selbstständig durch Theilung fortzupflanzen vermögen.
                           Durch die Untersuchungen Pasteur's und Anderer wurde
                              endgültig constatirt, daß die chemische Action bei der Gährung mit den
                              Lebensvorgängen der Hefe
                              in unmittelbarster Verbindung steht, daß die chemische Wirkung, die wir in gährenden
                              Flüssigkeiten vor sich gehen sehen, auf jenen chemischen Vorgängen beruht, die im
                              Gefolge des Lebensactes der Pilze stehen.
                           Hefe, die zu leben, d.h. sich zu organisiren aufgehört hat, ist nicht mehr im Stande
                              den Gährungsproceß auszuführen.
                           Je nach dem Endproducte des zersetzten Substrates unterscheidet man Alkoholhefe,
                              Essigsäurehefe und Milchsäurehefe.
                           Die vorliegende Untersuchung bezieht sich zunächst auf die Alkoholhefe (Bierhefe).
                           Alkoholhefe ist nach Hoffmann, Bail und Berkley ein Abkömmling der gemeinsten Schimmelpilze,
                              deren Sporen allenthalben in der Atmosphäre vorkommen. In zuckerhaltige
                              Flüssigkeiten gerathen, pflanzen sich die Sporen selbstständig durch eine Art
                              Theilung fort, die man seit langer Zeit mit dem Ausdrucke
                              „Knospung“ bezeichnete. Nach Hoffmann finden sich in der Alkoholhefe vorzüglich die Sporen der
                              Schimmelpilze: Penicillum glaucum, Ascophora Mucedo,
                                 Ascophora elegans und Periconia hyalina
                              vor.
                           In neuester Zeit hat auch Hallier
                              Botanische Zeitung von 1865 und 1866. eine bisher unbekannt gebliebene Abstammung der Hefe zur Kenntniß gebracht,
                              die von hohem Interesse ist.
                           Bringt man nach Hallier Hefe auf concentrirte
                              Nahrungsflüssigkeiten, z.B. auf saftige Früchte (angeschnittene Kirschen, Citronen
                              etc.), so platzen die Hefenzellen und es treten aus denselben kleine Körnchen
                              hervor, die unter Umständen zu Hefenzellen auswachsen, oder sich zu langen
                              fadenförmigen Pflänzchen entwickeln, welche man früher als selbstständige Organismen
                              beschrieb und mit dem Namen Leptothrix belegte.
                           Leptothrix ist aber keine selbstständige Pflanze,
                              ebensowenig wie Hefe, sondern eine Entwickelungsform der Schimmelpilze.
                           Im Nachfolgenden werde ich außer der Bezeichnung „Leptothrix,“ welche für die eben genannten fadenförmigen
                              Gebilde gilt, auch noch die Bezeichnung „Leptothrix-Körner“ gebrauchen. Hierunter versteht
                              man seit Hallier die kleinen Körnchen, welche aus den
                              platzenden Hefenzellen hervortreten, und entweder zu Hefe oder zu Letothrix werden.
                           Die Bierhefe, Hormiscium cerevisiae (Bail), gab das Material für vorliegende Untersuchungen.
                              Ihre Zellen haben durchschnittlich 1/100 Millimet. Durchmesser und sind im normalen Zustande
                              von rundlicher oder etwas elliptischer Form. Nur bei unregelmäßiger Gährung treten
                              elliptische oder lange Zellen auf, in welchem Falle selten eine völlige Klärung des
                              Bieres erfolgt.
                           Die Hefenzelle besteht im fertigen, ausgewachsenen Zustande aus der Zellwand, dem der
                              Zellwand anliegenden Primordialschlauche, ferner aus einer körnig-schleimigen
                              Substanz, dem Protoplasma, und einer wässerigen Zellflüssigkeit, die in mehr oder
                              minder großen Tropfen (Vacuolen) im Protoplasma liegt.
                           Die Vacuolen erscheinen entweder ganz homogen, oder es befinden sich in denselben
                              kleine Körnchen, welche in mehr oder minder zitternder lebhafter Bewegung begriffen
                              sind.
                           Die Zellwand der ausgebildeten jungen Zelle ist structurlos. Die Erscheinung
                              concentrischer Schichtung im Momente des Aufquellens bei Einwirkung concentrirter
                              Chromsäure ist nur optisch, denn bei Anwendung des Polarisations-Apparates
                              konnte ich kein positives Resultat erhalten.
                           Die Membran besitzt eine ziemlich große Elasticität, indem sich die Zellen unter dem
                              Compressorium ziemlich stark platt drücken lassen, ehe ein Aufreißen der Membran
                              erfolgt, wie sich auch noch daraus ergibt, daß die Zellen auf dem Objectträger, bei
                              hinreichend dichter Aneinanderlagerung, einem aus sechsseitigen Zellen bestehenden
                              Parenchym-Gewebe gleichen.
                           Die Zellwand besteht aus Cellulose; da sie aber mit Jod und SO³ nicht die
                              bekannte Blaufärbung zeigt, hat man sie mit dem Namen Pilzcellulose belegt. (De Bary.)
                           Der Primordialschlauch (Mohl) oder die Hautschichte (Pringsheim) liegt der Zellwand enge an. Er ist ein sehr
                              zartes, aus Eiweißkörpern bestehendes Häutchen, welches das Protoplasma umkleidet,
                              und aus letzterem entstand. Jod färbt dasselbe deutlich braungelb.
                           Das Protoplasma ist eine schleimig-körnige, aus Eiweißkörpern bestehende
                              Substanz, welche besonders bei älteren Zellen eine (optisch) grünlichbläuliche bis
                              hellbläuliche Färbung zeigt. Das Protoplasma jugendlicher Hefenzellen besteht aus
                              einer sehr feinkörnigen, fast hyalinerscheinenden körnigen Masse, an welcher man
                              erst nach Einwirkung verdünnter Säuren die körnige Beschaffenheit wahrnimmt.
                           Bringt man jugendliche Zellen mittelst des Compressoriums zum Platzen, so findet man
                              das Protoplasma aus vielen rundlichen Zwischenräumen (Kammern) bestehend, die mit
                              Flüssigkeit gefüllt sind und die Plasmakörner enthalten. Besonders deutlich ist dieß
                              an älteren Hefenzellen wahrnehmbar, an welchen ebenfalls eine stete hin- und herrückende Bewegung
                              der Plasmakörner sichtbar ist. Beim Platzen der Zellen eilen die Körner unter
                              wimmelnder Bewegung aus ihren Kammern davon und zerstreuen sich in die
                              Flüssigkeit.
                           Mit dem Altern der Zelle verschwindet successive das Protoplasma, indem es zum Aufbau
                              der Plasmakörner verwendet wird, wobei diese nicht selten eine so beträchtliche
                              Größe annehmen, daß zwei oder mehrere den Inhalt der Mutterzelle ausfüllen.
                           Die Protoplasmakörner sind sehr stark lichtbrechend; in ihrem Inneren konnte ich
                              keine weitere Structur erkennen, wohl aber bemerkte ich, daß sie häufig kleine
                              Knöspchen tragen und sohin wahrscheinlich schon in der Mutterzelle wieder
                              abschnüren, wofür auch die Thatsache spricht, daß Hefenzellen mit großen Vacuolen in
                              frischer Bierwürze ihre Vacuolen allmählich mit Körnchen füllen, so daß die Vacuolen
                              gänzlich verschwinden.
                           Bei sehr starker Vergrößerung gewährt man, daß die Protoplasmakörner meist eine
                              längliche Gestalt haben, und zwar tritt dieß besonders deutlich beim Platzen der
                              Zelle vor Augen.
                           Das Protoplasma von Zellen in frischer Bierwürze ist der Sitz kräftigster
                              Neubildung.
                           Zu Reagentien und anderen Flüssigkeiten zeigte die Hefe folgendes Verhalten:
                           Durch längeres Verweilen der Hefe in Wasser werden die
                              Vacuolen auffallend vergrößert, und reichen dann nicht selten ihre Grenzen bis nahe
                              an die Wand der Zelle. Die Vergrößerung der Vacuolen steht im Zusammenhange mit
                              einer Aufquellung der Hefenzellen. Beide Erscheinungen beruhen auf dem Proceß der
                              Membran-Diffusion, in Folge welcher nicht nur Wasser von der Zelle
                              aufgenommen, sondern auch Flüssigkeiten des Zellinhaltes an das umgebende Medium
                              abgegeben werden.
                           Eine derartige Hefe hat, wie den Praktikern längst bekannt ist, viel von ihrer
                              zuckerzersetzenden Eigenschaft eingebüßt. Jodlösung färbt die Zelle nur mehr schwach
                              gelblich, Zucker und SO³ bringen eine kaum mehr unterscheidbare, rosenrothe
                              Färbung hervor, was wohl schließen läßt, daß die Menge der Eiweißkörperchen durch
                              Einwirkung des Wassers bedeutend vermindert wurde.
                           An einigen Zellen löst sich der Primordialschlauch von der Zellwand ab, indem der
                              Zellinhalt contrahirt wird; in anderen haben sich die Plasmakörner beträchtlich
                              vergrößert und erscheinen nun (optisch) grünlich-bläulich gefärbt.
                           Hefe mit größeren und gleichzeitig farbig erscheinenden Körnern satz ich niemals mehr zur Abschnürung
                              kommen. An solchen Hefenzellen färben sich durch Jod nur mehr die Plasmakörner
                              braungelb; vom schleimig-körnigen Protoplasma ist auch nichts mehr zu sehen.
                              Chromsäure löst die Membran allmählich unter Hinterlassung einer sehr geringen Menge
                              Plasma oder der Körner auf. Eine Contraction des Primordialschlauches ist hier
                              seltener zu sehen; Jodlösung contrahirt hier manche Zellen.
                           Kalilauge färbt die in Wasser aufgeschwemmte Hefe
                              bräunlich. Die Zellen erhalten hierbei ein hyalines Aussehen und die Körner des
                              Plasmas treten deutlich unter Annahme einer (optisch) grünlich-gelblichen
                              Färbung hervor.
                           Nach längerer Einwirkung von Kalilauge scheint eine Verflüssigung des Protoplasmas
                              einzutreten, indem die früher in demselben gebetteten Körner nun unbehindert und oft
                              ziemlich lebhaft sich zu bewegen beginnen.
                           Bei Anwendung stärkerer Lauge nehmen die Hefenzellen ein bis auf die Plasmakörner
                              ganz gleichartiges Aussehen an. An einer so veränderten Zelle ist die Membran nicht
                              zu sehen, tritt aber auf Zusatz von Jod alsbald wieder hervor. Dieses Reagens
                              bewirkt nämlich an der Hefenzelle eine Contraction des sich braungelb färbenden
                              Protoplasmas, wobei die Membran mindestens theilweise freigelegt wird.
                           Der plasmatische Inhalt erhält an seiner Peripherie eine gezahnte Contour, eine
                              Gestaltänderung, die, wie ich mich überzeugt habe, hin und wieder auch die Membran
                              ergreift. Diese Gestaltveränderung der Hefenzellen erinnert sehr an die sternförmige
                              Verschrumpfung der Blutkörperchen, welche bekanntlich bei deren Eintrocknung
                              auftritt.
                           Zusatz von SO³ entfärbt die Zellen wieder oder macht sie in eine Unzahl
                              kleiner Körnerchen zerfallen, die mit Körnchen von ausgeschiedenem Jod untermischt
                              sind. Concentrirte Kalilauge löst die durch längere Zeit bei erhöhter Temperatur
                              digerirten Zellen vollständig auf.
                           In einer, mit kalkhaltiger Kalilauge vermischten, in Wasser aufgeschwemmten Hefe
                              scheiden sich eine Menge Krystalle von oxalsaurem Kalk in Quadrat-Oktaedern
                              ab. Im Faßgeläger finden sich aber stets Krystalle von oxalsaurem Kalk, oft die
                              Größe der Hefenzellen mehrmals übertreffend.Ich habe den oxalsauren Kalk schon vor mehreren Jahren in Ausscheidungen
                                    sowohl während der Haupt- als der Nachgährung gefunden und mich
                                    überzeugt, daß in der Gerste keiner, in dem fertigen Malze nur Spuren, im
                                    gegohrenen Biere aber stets größere Mengen von ihm auftreten und deßhalb
                                    wahrscheinlich ein Product der Gährung sind.
                              
                           
                           Chromsäure wirkt auf die Zellen sehr energisch und ist,
                              in verschiedenen Concentrationsgraden angewendet, allen anderen Säuren
                              vorzuziehen.
                           Concentrirtere Chromsäure-Lösung bewirkt augenblickliche Contraction aller
                              Hefenzellen; dabei wird die oft sehr feinkörnige Structur des Protoplasmas
                              jugendlicher Zellen deutlicher sichtbar. Nach einigen Minuten löst sich die Membran
                              vom Zelleninhalte los und dieser zieht sich immer mehr zusammen. Nach einiger Zeit
                              sieht man nur mehr kleine, regelmäßige, runde Ringe mit Vacuolen, welche später auch
                              noch vollständig gelöst werden, während die Zellmembran nicht unbeträchtlich
                              aufquillt, und dann rasch in Lösung übergeht.
                           Bei Anwendung dieses Reagens in nicht zu verdünnter Lösung ergab sich auch die sehr
                              interessante Beobachtung, daß ganz jugendliche Hefenzellen noch keine Membran
                              besitzen; die Membran der Mutterzelle grenzt nur bis an die Verbindungsstelle der
                              Protoplasma-Masse der Mutter- und Tochterzelle. Deßgleichen findet an
                              den größeren Körnern in den Hefenzellen bei Anwendung des genannten Reagens wohl
                              Contraction der Körner, aber keine Abscheidung einer Membran statt, und erscheinen
                              diese Körner selbst bei 3–5000 facher Vergrößerung als gleichartige, stark
                              lichtbrechende Körner ohne irgend welche Structur im Inneren.
                           Unter den verschiedenen Salzen bewirken besonders Chlorzink und Chloraluminium Contraction unter
                              Freilegung des Primordialschlauches; weniger energisch wirken salpetersaures Silber, schwefelsaures Kupfer etc. auf die Hefenzellen
                              ein.
                           Kupferoxyd-Ammoniak bewirkt nur an manchen Zellen
                              eine bläulichgraue Färbung.
                           Von indifferenten Stoffen bewirken concentrirte Zucker- und Glycerinlösungen
                              Contraction des Primordialschlauches; weniger kräftig contrahiren concentrirte
                              Dextrinlösung und sehr concentrirte Bierwürze. Reine Candiszucker-Lösung,
                              selbst in sehr verdünntem Zustande (2–8 procentige), contrahirt die
                              Hefenzellen und beeinträchtigt ihre gährungsfähige Wirkung. Ebenso wie Reagentien
                              wirken Temperatur-Erhöhungen alterirend auf die Hefenzellen ein; junge Hefe
                              wird schon bei 27°C. granulös, während dieß bei alter Hefe erst bei
                              40°C. und darüber stattfindet.
                           Bierwürzen, über 45°C. erhitzt, hören zu gähren auf und wird auch über dieser
                              Temperatur bei mehrtägiger Digestion keine Gährung mehr eingeleitet, während mit
                              Hefe versetzte Würze bei 35°C. schon in einer halben Stunde lebhaft Gasblasen
                              entwickelt.
                           Absoluter Alkohol contrahirte die Hefenzellen
                              beträchtlich und in
                              Folge von Wasserentziehung bauchten sich die Zellen von einer Seite stark ein, so
                              daß sie ein napfförmiges Ansehen bekamen; andere hatten die Zellwand aufgesprengt
                              und einen Theil des Protoplasmas entlassen.
                           Durch Wasserentziehung werden die Zellen gänzlich getödtet, weßhalb auch Trocknen der
                              Hefe zur Conservation nicht mit Vortheil angewendet werden kann. Bringt man
                              künstlich getrocknete Hefe mit Wasser zusammen, so bemerkt man an den meisten Zellen
                              ein Aufreißen derselben; nur die in größeren Klumpen eingeschlossene und also nicht
                              vollständig ausgetrocknete Hefe ist unverändert, und es ist nur diese, welche noch
                              Gährung einzuleiten vermag. Selbst gewöhnlicher Branntwein wirkt alterirend auf die
                              Hefenzellen ein. Zusatz von alkoholischen Flüssigkeiten, wie Arrack, Kirschengeist
                              etc. zur Hefe beim Zeuggeben, zu vermeintlicher Kräftigung derselben, erscheint
                              somit als nicht gerechtfertigt.
                           Von Tinctionen sind es besonders Carmin und Anilin, welche sich für das Studium der
                              Hefenzellen eignen. Sehr intensiv färbt Anilin, jedoch nicht alle Zellen, sondern
                              nur die jüngeren. Ebenso werden auch die Leptothrix
                              Fäden sehr intensiv gefärbt.
                           
                        
                           II. Fortpflanzung der Hefe.
                           Die Fortpflanzung der Hefe findet auf zweierlei Weise statt:
                           1) durch Knospenbildung (Knospung, Sprossung) schon vorhandener Hefenzellen;
                           2) durch Auswachsen von Körnchen (Leptothrix-Körner), welche aus platzenden Hefenzellen hervortreten.
                           Die Sprossung der Bierhefe ist, wie ich gefunden habe, an allen Orten der Zellgrenze
                              möglich; doch ist nicht zu verkennen, daß sie am häufigsten am schmalen Ende der
                              Zellen eintritt. Hier erfolgt sie entweder geradezu an den Endpunkten der großen
                              Achse oder etwas seitlich.
                           Hat die Tochterzelle (d. i. die durch Knospung entstandene Zelle) etwa die Größe der
                              Mutterzelle erreicht, so ist sie wieder fortpflanzungsfähig u.s.w.
                           Die Erscheinungen, welche während dieses Knospungs-Vorganges beobachtet werden
                              können, sind folgende:
                           In einer Zelle mit ziemlich großer Vacuole verschwindet diese letztere ziemlich
                              vollständig; an ihre Stelle tritt sodann eine feinkörnige Masse; die in der
                              Hefenzelle ursprünglich schon vorhanden gewesenen Protoplasmakörner, sowie die Zelle
                              selbst vergrößern sich etwas und mit dem Voranschreiten des Wachsens der Zelle
                              vermehrt sich auch die Bewegung der Protoplasmakörner. Im Inneren der Hefe
                              concentrirt sich nicht selten an irgend einer Stelle diese körnige compactere Masse.
                              An einer solchen Zelle
                              tritt sodann alsbald Knofpung ein, und zwar bildet sich die Knospe stets an jener
                              Seite der Zelle, wo die genannte compactere Körnermasse liegt. Das Knöspchen
                              erscheint in Form einer Ausbauchung oder eines Stecknadelköpfchens.
                           Von dem körnigen Protoplasma der Mutterzelle treten nun erst die feineren, später
                              auch größeren Körnchen in die junge Zelle hinüber. Die Körnchen in der jungen Zelle
                              bewegen sich nach allen Richtungen in selber herum, ohne jedoch nach bestimmten
                              Richtungen zu strömen.
                           Wenn die jugendliche Zelle etwa die halbe Größe, oder etwas mehr, der Mutterzelle
                              erreicht hat, trennt sich das Protoplasma an der Verbindungsstelle zwischen
                              Mutter- und Tochterzelle, und in kurzer Zeit schnürt auch die Tochterzelle
                              wieder ab. Die Sprossungen der jungen Zellen gehen sehr rasch vor sich, so daß man
                              innerhalb zwei Tagen oft schon ein ganzes Haufwerk von Zellen, die noch mechanisch
                              aneinander haften, vor sich hat.
                           Gegen Ende der Hauptgährung im Großen, wenn das Bier schon anfängt sich zu klären,
                              schwimmen solche conglutinirte Hefenmassen, welche oft aus bloß einer Mutterzelle
                              hervorgegangen sind, und häufig aus mehr als hundert Zellen bestehen, als
                              Flöckenmassen in der Flüssigkeit herum.
                           Die Dauer der Abschnürung einer Knospe in gährungsfähigen Flüssigkeiten liegender
                              Hefenzellen hängt selbstverständlich von der Natur der Hefe, des Substrates und der
                              Temperatur ab, erfolgt aber in den meisten Fällen in etwa zwei Stunden. Alte
                              Hefenzellen, wie die des Faßgelägers brauchen hierzu die doppelte Zeit, hingegen
                              kleine Sprossen bloß 1–1 1/2 Stunde. Bedeutend rascher erfolgt die
                              Entwickelung der Hefe bei Anwendung eines heizbaren Object-Tisches. Erwärmt
                              man den Tisch auf 30–35°C., so ist schon nach Ablauf von einer
                              Viertel- oder halben Stunde eine Abschnürung beendet.
                           In alten Hefenzellen, wie solche z.B. im Faßgeläger sich häufig finden, existirt kein
                              Protoplasma mehr; dasselbe wurde zum Aufbau der Membran und Protoplasmakörner
                              verbraucht. Im Inneren solcher Zellen finden sich eben nur einzelne große Leptothrix-Körner vor, die im wässerigen Zellsafte
                              suspendirt sind.
                           Die zweite Art der Fortpflanzung der Hefenzellen durch Auswachsen der Leptothrix-Körner ereignet sich vorzugsweise an
                              alten Hefenzellen, bei welchen die Zellmembran die zur Knospenbildung erforderliche
                              Elasticität nicht mehr besitzt, und kann am besten bei Anstellung von Würze mit
                              Faßgeläger verfolgt werden.
                           Die in der Würze liegenden Hefenzellen vergrößern ihr Volumen sich, und nun erst treten sie
                              aus der berstenden Membran aus, so daß es den Anschein gewinnt, als könnte die
                              erstarrte Membran die neugebildete Körnermasse nicht fassen. Das Aufreißen der
                              Membran erfolgt in verschiedener Weise, manchmal bloß durch einen kurzen, manchmal
                              durch einen, die ganze Länge der Hefenzelle ablaufenden Riß. Das körnige Protoplasma
                              wird oft auf der doppelten Länge des Durchmessers der Zelle als ununterbrochene
                              Masse herausgeschleudert, wobei die Zelle fast um die Hälfte kleiner wird, und sich
                              auch meist der Primordialschlauch von der Zellwand ablöst.
                           Die in die Würze austretende Körnermasse vertheilt sich in die Flüssigkeit umher, das
                              Phänomen der Molecularbewegung zeigend; ein anderer Theil bleibt in Ruhe und wächst
                              innerhalb 4–6 Tagen zu Hefenzellen aus.
                           Bei dieser Entwickelung von Hefe findet man aber meist viele Leptothrix-Fäden und Ketten von Leptothrix-Körnern in der Flüssigkeit.
                           In einer mit Faßgeläger angestellten Würze findet man nach Beendigung der
                              Hauptgährung Hefenzellen verschiedener Abstufung bis zur normalen Größe der
                              Mutterzelle.
                           Das Phänomen der freiwilligen Gährung beruht auf einem Entwickelungsproceß der Leptothrix-Formen, weßhalb ich Veranlassung
                              nehmen will, hier einige meiner einschlägigen Beobachtungen mitzutheilen.
                           Die freiwillige Gährung tritt bekanntlich stets ein, wenn eine gährungsfähige
                              Flüssigkeit unter sonst für die Gährung günstigen Verhältnissen in unmittelbarer
                              Berührung mit der Atmosphäre steht. Wie ich finde, treten in derartigen, der
                              Selbstgährung überlassenen Flüssigkeiten anfänglich kleine Körnchen (Leptothrix) auf, welche sich allmählich vergrößern und
                              nun erst zu Hefe werden. Ob Leptothrix aus der
                              Atmosphäre in die Flüssigkeit wandert, oder ob in die Flüssigkeit gerathene
                              Hefenzellen platzen und ihres körnigen Inhaltes sich entledigen, konnte ich nicht
                              entscheiden.
                           Die bei der freiwilligen Gährung auftretende Hefe kann der mikroskopischen
                              Beobachtung sehr leicht entgehen, indem ihre Zellen nahezu dieselben
                              Brechungsexponenten besitzen, wie die Bierwürze. Durch Einwirkung von Jod tritt
                              jedoch diese Hefe alsogleich hervor. Genannte Hefe besteht aus länglichen Zellen und
                              ist reichlich mit Leptothrix-Körnern und Leptothrix-Fäden untermischt.
                           Im atmosphärischen Staube findet man stets Sporen, am häufigsten von Penicillum glaucum und Leptothrix-Körnern; Staub, wie er sich in Kühlhäusern findet, enthält
                              vorzüglich Sporen von Penicillum glaucum und Mucor Mucedo, deren Mycelien, dann Hefenzellen, Leptothrix-Körner und -Fäden.
                           Dieser Staub ist es, der die sogenannte freiwillige Gährung einzuleiten im Stande
                              ist.
                           In solchen freiwilligen Gährungen treten außer den Hefenzellen, welche fast immer
                              eine mehr elliptische Gestalt besitzen, große Mengen Leptothrix-Fäden auf. In allen von mit untersuchten Würzen, in
                              denen sich elliptische oder gar längliche Hefenzellen und Leptothrix-Fäden vorfanden, erfolgte eine vollständige Klärung des
                              Bieres. An Leptothrix reiche Hefe oder lange Hefenzellen
                              sind bei Anstellung von Gährung, wie ich mich auch durch Versuche im Großen
                              überzeugte, immerhin zu beseitigen, da sie keine völlige Klärung des Bieres zur
                              Folge haben.
                           Zum günstigen Verlaufe der Gährung ist unbedingt der Zutritt atmosphärischer Luft
                              erforderlich; bei gehemmtem Luftzutritt jedoch scheint die Entwickelung der Leptothrix ebenfalls zu erfolgen, wie sich aus
                              nachstehendem Versuche schließen läßt.
                           Gekochte, dann erkaltete Würze kam in einer verkorkten Flasche nach zwei Monaten bei
                              mittlerer Temperatur nicht zur Gährung, wohl aber hatte eine große Entwickelung von
                              Letothrix-Fäden stattgefunden.
                           Zur Ausführung meiner vorliegenden und weiterer, später zu veröffentlichenden
                              Untersuchungen war ich vorerst bedacht, mit die besten optischen Hülfsmittel
                              anzuschaffen, welche gegenwärtig zu Gebote stehen, nämlich das große Mikroskop von
                              Hartnack in Paris mit dem Immersions-System
                              Nr. 11, und dann das große, sehr ausgezeichnete Mikroskop von Powell und Lealand in London, mit dem Systeme
                              1/50, wovon bis jetzt nur sieben Exemplare gefertigt wurden, deren ganz vorzügliche
                              Leistungsfähigkeit auf dem Continente noch wenig bekannt zu seyn scheint und worüber
                              ich später besonders berichten werde.
                           Zu den Beobachtungen über das Wachsen der Hefenzellen und der Pilzsporen, welches oft
                              wochenlange zu verfolgen nothwendig wird, habe ich mit nach mehreren Versuchen in
                              folgender Weise einen passenden Object-Träger
                              zusammengestellt:
                           Derselbe ist eine Platte von reinem weißem Glase, 78 Millimeter lang, 52 Millimet.
                              breit und 3 Millimet. dick. In der Mitte der Breitenachse dieser Platte ist am
                              vorderen Rande eine Vertiefung (Reservoir) von 15 Millimet. Durchmesser und 1 1/2
                              Millimet. Tiefe eingeschliffen.
                           In die Mitte des Object-Trägers bringt man das zu beobachtende Object, bedeckt
                              es mit einem dünnen Deckglase von 30 Millimit. Durchmesser, so daß ein Theil des Deckglases
                              circa 5 Millimet. über das Reservoir hinreicht, und
                              legt dann, indem man das Reservoir überschüssig mit Nahrungsflüssigkeit füllt, zur
                              Beschwerung ein größeres Glas, 50 Millimet. lang, 38 Millimet. breit und 2 Millimet.
                              dick, in dessen Mitte eine Oeffnung von 20 Millim. angebracht ist, darüber auf.
                           Der so vorgerichtete Object-Träger gestattet die Anwendung von Luft-
                              sowohl als Immersions-Linsen und hat den sehr wesentlichen Vortheil daß, wenn
                              mittelst auf einem verschiebbaren kleinen Stativ stehenden Niveau-Fläschchens
                              von circa 50 Kub. Centim. Inhalt constantes
                              Flüssigkeits-Niveau in dem Reservoir unterhalten wird, man Gegenstände
                              wochenlang unter dem Mikroskop verfolgen kann.
                           
                              
                                 (Die Fortsetzung folgt.)