| Titel: | Ueber das Zerfallen der Herdgase metallurgischer Oefen; von L. Cailletet. | 
| Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. LXXVI., S. 292 | 
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                        LXXVI.
                        Ueber das Zerfallen der Herdgase metallurgischer
                           Oefen; von L.
                              Cailletet.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXII p. 891; April
                              1866.
                        Cailletet, über das Zerfallen der Herdgase.
                        
                     
                        
                           H. Samte-Claire Deville hat durch eine Reihe von
                              Versuchen nachgewiesen, daß man zusammengesetzte gasförmige Körper durch Erhitzen zu
                              einer hohen Temperatur in ihre Elementarbestandtheile zersetzen kann.
                           Auf diese in die Wissenschaft eingeführten neuen Thatsachen mich stützend, unternahm
                              ich die Versuche, von denen ich im Nachstehenden einen Ueberblick geben will.
                           Diese Versuche, welche bei verschiedenen, auf Eisenhüttenwerken angewendeten
                              Feuerungen angestellt wurden, in denen die gasförmigen Verbrennungsproducte von
                              Steinkohle und Holzkohle circuliren, bestätigen die von Deville erhaltenen Resultate vollständig.
                           Wie von ihm nachgewiesen ist, müssen die zerfallenen Gase rasch und plötzlich
                              abgekühlt werden, um zu verhindern, daß sie sich in Folge einer allmählichen
                              Abkühlung von Neuem mit einander verbinden. Ich bediene mich daher zum Auffangen der
                              Gase im Herde eines kupfernen Rohres von einem halben Millimeter Durchmesser,
                              welches in den einen Schenkel eines zweiten, ebenfalls aus Kupfer angefertigten,
                              aber weiteren und Uförmig gebogenen Rohres
                              hineinragt.
                           In dem zwischen beiden Röhren frei bleibenden ringförmigen Raume circulirt ein aus
                              einem höher liegenden Reservoir zufließender Strahl von kaltem Wasser und erhält den
                              Apparat constant auf einer Temperatur von etwa 10º C.
                           Das eine Ende des engen Rohres tritt durch die Wandungen der Krümmung des Uförmigen Rohres und ist hier mit Zinn festgelöthet,
                              während das andere Ende aus der Oeffnung frei herausragt und im Aspirator
                              mündet.
                           Der Aspirator besteht in einer Flasche von 3 bis 4 Liter Inhalt, die oben mittelst einer an einem
                              Dreiweghahne festgelötheten Metallkapsel verschlossen ist. An diesem Hahne mündet
                              das Gasleitungsrohr. Die Flasche ist außerdem unten mit einer Tubulatur versehen,
                              welche durch ein Kautschukrohr mit der unteren Tubulatur einer zweiten, ganz
                              gleichen Flasche in Verbindung steht. Das Wasser, mit welchem der Aspirator gefüllt
                              ist, muß natürlich in diese zweite Flasche hinabfließen, wenn man dieselbe niedriger
                              stellt als die erste, den eigentlichen Aspirator bildende, und gleichzeitig müssen
                              die Gase des Feuerraumes, mit der im Apparate enthaltenen atmosphärischen Luft
                              gemischt, das ausgeflossene Wasser ersetzen. Um diese Gase in ganz reinem Zustande
                              zu erhalten, braucht man nur, nachdem man etwa 1 Liter des Gasgemisches aufgefangen
                              hat, den Dreiweghahn so zu handhaben, daß die Mündung des Abflußrohres verschlossen
                              und die Flasche mit der Luft in Communication gebracht wird. Hebt man dann die
                              untere Flasche in die Höhe, so treibt das wieder in den Aspirator eintretende Wasser
                              die Gase, von welchen es vorher verdrängt worden war, aus demselben aus. Hat sich
                              nun das Aspiratorgefäß von Neuem mit Wasser gefüllt, so stellt man die Communication
                              zwischen dem Herde und dem Aspirator wieder her, und das Ausfließen des Wassers wird
                              den Wiedereintritt der Gase veranlassen, welche nun frei von jeder Beimischung
                              sind.
                           Der so eingerichtete Apparat ist vollkommen gasdicht; ich habe mich überzeugt, daß
                              sich in demselben Wasserstoffgas mehrere Tage lang aufbewahren läßt. Dabei ist er
                              auch sehr leicht zu handhaben, indem das Uförmige Rohr
                              in einem Herd oder sonstigen Feuerraum von beliebig höher Temperatur angebracht
                              werden kann, vorausgesetzt, daß der Strom von kaltem Wasser regelmäßig unterhalten
                              wird.
                           Meine ersten Versuche wurden an dem Hohofen zu Villotte (Côte-d'Or) angestellt, welcher mit Holzkohlen und heißem
                              Winde von etwa 250º C. betrieben wird. Die in demselben verhüttete
                              Beschickung besteht aus einem Gemenge von oolithischem Kalk und Eisenstein mit
                              kieseliger Gangart und gibt ein Roheisen-Ausbringen von durchschnittlich 23
                              Procent. Das Uförmige Rohr meines Apparates führte ich
                              durch die Form, welche dann mit feuerfestem Thone geschlossen wurde, so ein, daß es
                              in die glühende Masse, womit der Herd gefüllt ist, etwa 20 Centimet.
                              hineinreichte.
                           An dieser Stelle ist die Temperatur so hoch, daß Porzellan schmilzt, sobald es
                              eingebracht wird; auch Platin geräth hier in Fluß. Zwar versatz mein Apparat seine
                              Dienste ganz gut; allein die Roheisentröpfchen, welche ununterbrochen in den Herd
                              fallen, haben eine so hohe Temperatur, daß diejenigen, welche das kalte Rohr treffen, dasselbe
                              durchdringen, indem sie mit ihm innig zusammenschweißen.In diesem Zustande ist das Roheisen vollkommen weiß und hinsichtlich seiner
                                    Härte dem gehärteten Stahl zu vergleichen.
                              
                           Die Gase, welche in den Aspirator treten, gleichen einem dicken Rauche, eine
                              Erscheinung, welche ohne Zweifel von einer geringen Menge Wasserdampf und
                              hauptsächlich von außerordentlich fein vertheilter Kohle, die sie mit sich reißen,
                              herrührt.
                           Die Analyse derselben, welche, wie alle nachfolgenden, nach dem Verfahren von Peligot ausgeführt wurde, ergab folgende
                              Zusammensetzung:Jede Analyse entspricht einer besonders aufgefangenen Probe des
                                    Gasgemisches.
                              
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                   15,24
                                   15,75
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                     1,80
                                     –
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                     2,10
                                     1,30
                                 
                              
                                 Kohlensäure      
                                     3,00
                                     2,15
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                   77,86
                                   80,80
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Hieraus ersieht man, daß der Sauerstoff ohne Wirkung auf den Wasserstoff, die Kohle
                              und das Kohlenoxyd bleibt, inmitten einer bis über den Schmelzpunkt des Platins
                              hinaus erhitzten brennbaren Masse. Dadurch werden in großem Maaßstabe die Resultate
                              der merkwürdigen Versuche Deville's bestätigt, welcher
                              zusammengesetzte Gase durch ein zum Weißglühen erhitztes Porzellanrohr leitete.
                           Es war von Wichtigkeit, die Veränderungen näher zu bestimmen, welche durch das
                              Erkalten in der Zusammensetzung der vorher durch hohe Temperatur zerfallenen Gase
                              hervorgebracht werden. Ich benutzte zu diesen Versuchen einen Schweißofen von großen
                              Dimensionen, welcher mit Steinkohlen gefeuert wird und seinen Wind von einem
                              Ventilatorgebläse erhält. Nachdem die Herdgase die Arbeitssohle verlassen haben,
                              heizen sie einen horizontalen, mit Siederohr versehenen Dampfkessel und werden dann
                              von einer hohen Esse angesogen. Die Gasproben wurden unmittelbar über dem Roste
                              genommen. An dieser Stelle ist die Temperatur so hoch, daß das Auge den Glanz der
                              zur höchsten Weißgluth erhitzten Ziegelsteine nicht ertragen kann; Porzellan
                              schmilzt hier sehr rasch. Ungeachtet dieser außerordentlich starken Hitze blieb mein
                              Apparat über eine Viertelstunde in dem Ofen, wobei seine Zinnlöthungen vollkommen
                              widerstanden.
                           
                           Die aufgefangenen Gase enthielten:
                           
                              
                                 
                                 III.
                                 IV.
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                   13,15
                                   12,33
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                     3,31
                                     2,10
                                 
                              
                                 Kohlensäure      
                                     1,04
                                     4,20
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                   82,50
                                   81,37
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Beim Herausnehmen aus dem Ofen zeigte sich das Rohr mit einer dicken Schicht von
                              Kienruß bedecktGerade so wie bei dem kalten und heißen Rohre von Deville's Apparat (man s. Seite 289 der vorhergehenden
                                    Abhandlung).; auch hier war somit, wie im Hohofen, der Sauerstoff fast ganz ohne Wirkung
                              auf die Kohle geblieben. Die verbrennlichen Körper werden indessen in dem Gasstrome
                              verbrannt; das Eisen oxydirt sich darin und entwickelt dabei eine Temperatur, welche
                              weit höher ist als die des Ofens, von welcher Thatsache man sich durch das mit
                              gefärbtem Glase bewaffnete Auge überzeugen kann. Auch das Abfließen der Schlacke
                              beweist die Oxydirung des Eisens, wodurch während der zum Ausschweißen
                              erforderlichen Hitze der Abbrand über 10 Procent steigen kann.
                           Wenn, wie es wahrscheinlich ist, durch genügend hohe Temperaturen alle Körper zum
                              Zerfallen gebracht werden können, so muß die Dissociationstension des Eisenoxyds
                              weit geringer seyn als diejenige der von uns untersuchten Gase. Bei der Temperatur,
                              bei welcher wir operiren, ist demnach die Verwandtschaft des Sauerstoffs zum Eisen
                              nicht aufgehoben und in Folge der zweifachen Wirkung der Hitze des Feuerraums und
                              der durch den Oxydationsproceß entwickelten hohen Temperatur, läßt sich dieses
                              Metall in den metallurgischen Oefen schweißen.
                           Um einen Anhaltspunkt zur Vergleichung zu gewinnen, mußte ich die Gase, nachdem ich
                              deren Zusammensetzung an der Stelle des Ofens, wo die höchste Temperatur herrscht,
                              bestimmt hatte, auch analysiren, nachdem sie einen Theil ihres Weges unter dem
                              Dampfkessel zurückgelegt hatten.
                           In 15 Meter Entfernung vom Roste vermag der Gasstrom nicht mehr Kupfer in Fluß zu
                              bringen, Antimon hingegen schmilzt hier leicht. Die Temperatur der Herdgase muß
                              demnach an dieser Stelle höher als 500º C. seyn.
                           Die dort aufgefangenen Gase zeigten folgende Zusammensetzung:
                           
                           
                              
                                 
                                 V.
                                 VI.
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                     8,00
                                     7,30
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                     2,40
                                     4,02
                                 
                              
                                 Kohlensäure      
                                     7,12
                                     7,72
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                   82,48
                                   80,96
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Demnach haben sich die gasförmigen Elemente, welche durch die hohe Temperatur von
                              einander getrennt worden waren, zum Theil wieder mit einander verbunden; diese
                              Erscheinung tritt noch schlagender hervor, wenn man die Gase, anstatt sie mit meinem
                              bis auf + 10º C. abgekühlten Apparat aufzufangen, mittelst eines einfachen
                              Metallrohres aspirirt. Da in letzterem Falle die Gase langsam von der Rothglühhitze
                              zu der Temperatur des Aspirators übergehen, so verbinden sich ihre Elemente von
                              Neuem, wie dieß sowohl die beiden vorstehenden Analysen zeigen, welche mit
                              demselben, mittelst des abgekühlten Rohres aufgefangenen Gase angestellt wurden, als
                              die Analyse Nro. VII, für welche das Gas mittelst des einfachen Metallrohres
                              gesammelt worden war.
                           
                              
                                 
                                 Mittel aus den Analysen
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Nro. V und VI.
                                 VII.
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                    7,65
                                 1,21
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                    3,21
                                 1,42
                                 
                              
                                 Kohlensäure      
                                    7,42
                                 15,02
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                  81,72
                                 82,35
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Demnach ist der Sauerstoff zum großen Theile verschwunden, um 15 Proc. Kohlensäure
                              auf Kosten des Kohlenoxyds und besonders der in der Flamme suspendirten Kohle zu
                              bilden.
                           Ebelmen, welcher zuerst sehr ausgedehnte und umsichtig
                              ersonnene Untersuchungen über die Zusammensetzung der in den zu technischen Zwecken
                              dienenden Feuerungen entwickelten Herdgase anstellte, verwendete für seine Versuche
                              ein von einem Gewehrlaufe umschlossenes Porzellanrohr. Die mittelst dieses
                              Verfahrens aspirirten Gase erkalteten allmählich und aus diesem Grunde konnte ihn
                              deren Untersuchung nicht auf die Entdeckung der merkwürdigen Erscheinungen des
                              Zerfallens führen. Die Resultate der von Ebelmen
                              veröffentlichten Analysen der Gase aus den Glühöfenessen stimmen sehr nahe mit denen
                              meiner Analyse Nr. VII überein; daß er aber in den in der Nähe der Windform des
                              Hohofens zu ClairvalRecueil des travaux scientifiques de M. Ebelmen. t. II p. 420. aufgefangenen Gasen beinahe 40 Proc. Kohlenoxyd fand, hatte darin seinen Grund, daß
                              diese Verbindung sich in dem von ihm angewendeten langen Porzellanrohre auf Kosten
                              der anfänglich zerfallenen Gase bildete.
                           Aus den im Vorstehenden mitgetheilten Versuchen glaube ich schließen zu dürfen, daß
                              in dem am stärksten erhitzten Theile der Hohöfen und Schweißöfen nur sehr geringe
                              Mengen von zusammengesetzten Gasen vorkommen. Aus den von mit angestellten
                              vergleichenden Versuchen dürfte sich auch die Nothwendigkeit ergeben, die so neuen
                              und unerwarteten Erscheinungen des Zerfallens bei allen Versuchen zu
                              berücksichtigen, welche früher über die in den Herden von hoher Temperatur
                              gesammelten Gase angestellt worden sind.
                           ––––––––––
                           H. Sainte-Claire Deville macht zu der vorstehenden
                              Mittheilung folgende Bemerkungen:
                           
                              „Der Aufsatz von L. Cailletet betrifft Versuche
                                 und Analysen, denen von Seiten der Metallurgen eine große Wichtigkeit beigelegt
                                 werden muß. Der Verfasser will sie als Bestätigung meiner eigenen Arbeiten
                                 angesehen wissen: indessen darf diese Bescheidenheit weder der unbestreitbaren
                                 Originalität seiner Arbeit, noch dem Verdienste der Ueberwindung bedeutender
                                 Schwierigkeiten Eintrag thun.
                              
                           
                              Der einzige Einwurf, welcher gegen Cailletet's Folgerungen erhoben werden könnte,
                                 ist der, daß sich annehmen ließe, das Gemisch der verbrennenden und der
                                 verbrennlichen Gase in einem hüttenmännischen Ofen sey kein inniges, und der zur
                                 raschen Abkühlung der Gase dienende Apparat entziehe dieselben übereinander
                                 liegenden Schichten, worin sie noch nicht vollständig auf einander eingewirkt
                                 haben. Aber dieser Einwurf, welchen die Praktiker schwerlich erheben dürften,
                                 fällt durch die folgenden Bemerkungen:
                              
                           
                              1) Cailletet's Resultate stimmen vollkommen mit denen
                                 überein, welche ich mit reinen und innig gemischten Gasen erhalten habe;
                              
                           
                              2) Ebelmen entnahm seine Gase Flammen von sehr kleinem
                                 Querschnitt, welche er langsam abkühlte und mit denen er die normalen Producte
                                 der vollständigen Verbrennung erhielt. Auf diese Weise hat er nachgewiesen, daß
                                 die Gasgemische der Hohöfen homogen sind und die Nothwendigkeit von Cailletet's Folgerungen im Voraus
                                 bestätigt.“