| Titel: | Ueber die Entstehung von Acetylen bei unvollständigen Verbrennungen; von Berthelot. | 
| Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. LXXIX., S. 301 | 
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                        LXXIX.
                        Ueber die Entstehung von Acetylen bei
                           unvollständigen Verbrennungen; von Berthelot.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXII p. 94; Januar
                              1866.
                        Berthelot, über die Bildung von Acetylen bei unvollständigen
                           Verbrennung.
                        
                     
                        
                           Die Bildung von Acetylen bei der unvollständigen Verbrennung läßt sich im
                              Allgemeinen, sowohl mit Gasen als auch mit sehr flüchtigen Flüssigkeiten, durch
                              folgenden Versuch nachweisen:
                           
                           Wählen wir als Gas z.B. Aethylen, C⁴H⁴; Chlorwasserstoffäther,
                              C⁴H⁵Cl; Propylen, C⁶H⁶. Methyläther, C²H²
                              (C²H⁴O²). Sumpfgas, C²H⁴ etc; oder als sehr
                              flüchtige Flüssigkeit z.B. gewöhnlichen Aether, C⁴H⁴
                              (C⁴H⁶O²); Amylen, C¹⁰H¹⁰.
                              Umylenhydrür, C¹⁰H¹², und selbst Benzin,
                              C¹²H⁶; Aceton, C⁶H⁶O². Methylformyläther,
                              C²H² (C²H²O⁴) etc.; füllen wir ein Probirrohr von
                              300 Kubikcentim. Inhalt mit dem Gase, oder bringen einige Tropfen der flüchtigen
                              Flüssigkeit hinein; gießen wir dann noch einige Kubikcent. ammoniakalische
                              Kupferchlorürlösung hinzu, zünden nun den brennbaren Dampf an und neigen das
                              Probirrohr bis fast zur horizontalen Lage, indem wir es zwischen den Fingern
                              hin- und herrollen, bis die Kupferlösung die ganze innere Glasfläche benetzt,
                              so werden wir sofort die Entstehung von Acetylkupfer bemerken, welches sich am
                              Berührungspunkte mit der Flamme und unterhalb derselben in Form eines
                              charakteristisch rothen Niederschlages abscheidet.
                           Der Versuch fällt besonders glänzend aus, wenn man gewöhnlichen Aether und
                              Amylenhydrür anwendet.
                           Die Menge des unter diesen Umständen in Form der Kupferverbindung auftretenden
                              Acetylens ist offenbar größer als diejenige, welche in Folge der bloßen Einwirkung
                              der Wärme allein auf diese Verbindungen erzeugt wird. Die Gesammtmenge des wirklich
                              entstandenen Acetylens ist übrigens weit größer als diejenige, welche in Form der
                              Kupferverbindung auftritt, weil der größere Theil des Acetylens fast augenblicklich
                              nach seiner Entstehung, und ohne mit dem Reagens in Berührung zu kommen, verbrennt.
                              Meiner Ansicht nach wird es auch möglich seyn, aus diesem Versuche, wenn er in
                              geeigneter Weise abgeändert wird, für die Darstellung des Acetylens eine
                              vortheilhaftere Methode als die bisher bekannten abzuleiten.
                           Auch das Leuchtgas unterliegt dem allgemeinen Gesetze,
                              wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man die Spuren von Acetylen, welche es
                              in seinem normalen Zustande enthält, berücksichtigt.
                           Dagegen erhielt ich weder mit einem Gemisch von Kohlenoxyd und Wasserstoff, noch mit
                              Wasserstoff der mit feinem Staube von reinem Kohlenstoff beladen war, oder welcher
                              als Strahl auf einen aus Retortengraphit bestehenden Stift geleitet wurde, ein
                              Resultat.
                           Das Acetylen bildet sich nicht allein bei der Verbrennung der
                              Kohlenwasserstoffverbindungen im halbgeschlossenen Gefäße, sondern es tritt auch
                              stets auf und zerstreuet sich in die Atmosphäre, wenn eine organische Verbindung bei
                              Berührung mit der atmosphärischen Luft mit Erzeugung von Kienruß verbrennt.
                           Dieß läßt sich nachweisen, wenn man die Mündung eines verticalen Vorstoßes in solcher Entfernung
                              über die Flamme hält, daß die Verbrennung nicht gehindert wird und die entwickelten
                              Gase mittelst eines langsamen Wasserausflusses (1 bis 2 Liter per Minute) aspirirt. Auf diese Weise füllt man eine leere, trockene
                              Flasche von etwa 1 Liter Inhalt durch Verdrängung mit Verbrennungsgasen. Nach
                              Verlauf einiger Minuten gießt man einige Tropfen einer ammoniakalischen Lösung von
                              Kupferchlorür in die Flasche, worauf der charakteristische Niederschlag entsteht,
                              jedoch in geringerer Menge als bei der Verbrennung in halbgeschlossenen Gefäßen. Ich
                              habe dieses Resultat namentlich erhalten, indem ich in einer kleinen Schale einen
                              der nachstehenden Körper verbrannte: gewöhnlichen Aether; Benzol,
                              C¹²H⁶; Terpenthinöl, C²⁰H¹⁶; zum
                              Brennen dienendes Petroleum; Pflanzenöl; Stearinsäure; Naphtalin,
                              C²⁰H⁸.
                           Die mit Benzol und Naphtalin erhaltenen Resultate sind um so beachtenswerther, als es
                              mit bisher nicht gelungen war, diese Carbüre durch die bloße Hitze in Acetylen
                              umzuwandeln. Man findet darin einen neuen Beweis für die außerordentliche Stabilität
                              des Acetylens, besonders wenn es mit einer gewissen Menge fremdartiger Gase gemischt
                              ist.
                           Dieselben Bemerkungen gelten für die Verbrennung des Leuchtgases. Das Gas, welches
                              durch einen sogenannten Schmetterlingsbrenner oder durch die rußende Flamme eines
                              Bunsen'schen Brenners in die Atmosphäre gelangte,
                              enthält eine sehr bemerkbare Menge Acetylen.
                           Hierdurch wird es erklärlich, daß in Räumen, in welchen Gas gebrannt wird, oft ein
                              eigenthümlicher Geruch wahrzunehmen ist. Indessen übt das in die Atmosphäre
                              entwichene Acetylen an und für sich eine speciell schädliche physiologische Wirkung
                              nicht aus; denn ich habe mich überzeugt, daß seine toxische Wirkung nicht
                              auffallender ist, als die der gewöhnlichen Kohlenwasserstoffe Aber seine Gegenwart
                              ist das unzweideutige Zeichen einer unvollständigen Verbrennung, und eine solche
                              Verbrennung muß die Entstehung einer bedeutenden Menge des so giftigen Kohlenoxydes
                              im Gefolge haben. Vom Gesichtspunkte der Verbrennungstheorie aus ist die allgemeine Bildung des Acetylens nicht
                              ohne Interesse. Sie steht mit dem als absolut angenommenen Axiom in Widerspruch, daß
                              der Wasserstoff der Kohlenwasserstoffe bei der unvollständigen Verbrennung zuerst
                              seiner ganzen Menge nach verbrennt und den Kohlenstoff frei hinterläßt. So muh z.B.
                              bei der unvollständigen Verbrennung des Naphtalins, C²⁰H⁸ eines
                              an Wasserstoff weniger reichen Körpers als das Acetylen, C⁴H² –
                              welches letztere bei diesem Vorgange erzeugt wird – wenigstens ein Theil des
                              ursprünglichen Carbürs seinen Kohlenstoff vor seinem Wasserstoffe verlieren:
                           
                           C²⁰H⁸ = 4C⁴H² + C⁴
                           Die Verbrennung der kohlenwasserstoffhaltigen Verbindungen geht in Wirklichkeit nicht
                              auf einmal vor sich, sondern in einer Reihe von Zersetzungen. Bei den ersten dieser
                              Zersetzungen entstehen specielle, von der eigenthümlichen Natur der brennbaren
                              Körper abhängige Producte; so ist z.B. das erste Product der unvollständigen
                              Verbrennung des Alkohols bekanntlich das Aldehyd. Dann kommen allgemeinere Producte,
                              welche bei allen Verbrennungen entstehen und vor dem Auftreten von Wasser und
                              Kohlensäure erscheinen.