| Titel: | Darstellung des Ameisenäthers des Handels; von Dr. Julius Stinde. | 
| Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. XCVIII., S. 402 | 
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                        XCVIII.
                        Darstellung des Ameisenäthers des Handels; von
                           Dr. Julius
                              Stinde.
                        Aus dem Hamburger Gewerbeblatt, 1866, Nr. 28 und
                              29.
                        Stinde, über Darstellung des Ameisenäthers.
                        
                     
                        
                           Der Ameisenäther findet in den letzten Jahren eine ausgedehntere Anwendung in der
                              Fabrication der Rum-Arrack-, Wein- und dahin gehörenden
                              Essenzen und ist daher ein ziemlich begehrtes Präparat. Selbstverständlich ist die
                              chemische Reinheit des Ameisenäthers zu diesem Zwecke nicht unumgänglich nothwendig
                              und wird auch deßhalb meistens ein Präparat geliefert, welches neben dem
                              überwiegenden Antheil Ameisenäther unzersetzten Weingeist und kleine Quantitäten
                              freier Ameisensäure enthält.
                           Die beigemischte freie Ameisensäure kann dem Aether, resp. der Mischung von Aether
                              und Weingeist, leicht entzogen werden, jedoch ist dieß nicht rathsam wenn der Aether
                              zur Anfertigung künstlicher Rumarten benutzt werden soll, da die freie Säure
                              wesentlich zur Erzielung des gewünschten Aromas beiträgt. Ebenfalls ist von der
                              Beimischung unzersetzten Weingeistes nichts zu fürchten, sondern sie ist
                              unwesentlich sobald eine Fabrik einen sogen. Ameisenäther stets nach derselben
                              Vorschrift liefert; die Zusammensetzung der verschiedenartigen Essenzen, zu denen
                              Ameisenäther erforderlich ist, erleidet dadurch ebenfalls keine Aenderung, zumal bei
                              der Zusammenstellung dieser nicht die Vorschrift, sondern nur der Geschmack
                              maßgebend ist.
                           Die Darstellung des besprochenen Ameisenäthers mit isolirter Ameisensäure oder mit
                              möglichst reinen ameisensauren Salzen ist ein zu umständlicher und kostspieliger
                              Weg, als daß man im Stande wäre mit Vortheil zu arbeiten. Die hier mitgetheilte
                              Methode läßt ein Präparat erreichen, welches die Wünsche der Rumfabrikanten im
                              höchsten Grade befriedigt und zu gleicher Zeit die Darstellung eines reinen
                              Ameisenäthers aus demselben gestattet. Um mit Vortheil zu arbeiten, ist es
                              nothwendig möglichst große Quantitäten auf einmal darstellen zu können. Bei der
                              Darstellung der Ameisensäure tritt jedoch bald eine Grenze ein, über welche man
                              nicht gut hinausgehen darf: das Aufschäumen der Masse würde Apparate von ungeheuren
                              Dimensionen erfordern und würde bei Anwendung einer zu großen Quantität Materialien
                              die Erhitzung eine zu starke werden, so daß man nur mit Gefahr zu arbeiten
                              vermöchte.
                           
                           Der Apparat, in welchem die Ameisensäure dargestellt wird, besteht aus einem
                              cylindrischen eisernen Kessel, dessen Innenwand mit Blei ausgeschlagen ist, und aus
                              einem Kühlfasse mit einem Kühlrohr dessen Metall aus Blei und Zinn
                              (Orgelpfeifenlegirung) zusammengesetzt ist. Die Höhe des Kessels beträgt 4 Fuß
                              Hamb., der Durchmesser 2 1/2 Fuß Hamb., die obere Oeffnung des Kessels wird durch
                              einen dicht schließenden eisernen Deckel, dessen untere Seite ebenfalls mit Blei
                              überzogen, verschlossen. In dem Deckel befindet sich ein Ansatz, in welchen ein
                              bewegliches Metallrohr (Legirung wie vorhin angegeben) hineinpaßt. Dieses Rohr
                              vermittelt die Verbindung zwischen dem Destillircylinder und dem Kühlfasse.
                              Sämmtliche Fugen an dem Deckel und an dem Rohr, das die Stelle eines Helmes
                              vertritt, werden nach der theilweisen Füllung des Apparates mit einem Kitt aus
                              gestoßenen Leinkuchen und Thon zu gleichen Theilen gut gedichtet.
                           Bevor man den Deckel auf dem Apparat befestigt, schüttet man in denselben ein Gemisch
                              von 9 Pfund Stärkemehl und 29 Pfd. Braunstein. Da nun aber das reine Stärkemehl zu
                              kostspielig ist, so nimmt man statt dessen Abfall aus den Stärkefabriken, namentlich
                              ist Arrowrootstaub (verunreinigtes, beschädigtes Arrowroot), wie man denselben von
                              großen Handlungshäusern beziehen kann, außerordentlich verwendbar. Der Braunstein
                              muß mindestens 85 Proc. reines Manganüberoxyd enthalten, und ist dafür zu sorgen,
                              daß von einem ärmeren Braunstein ein entsprechend größeres Quantum genommen
                              werde.
                           Nachdem das Hineinschütten der Stärkemischung erfolgt ist, wird der Deckel auf den
                              Apparat gelegt und sämmtliche Fugen mit dem erwähnten Kitte gut gedichtet. Alsdann
                              wird eine gut abgekühlte Mischung von 28 Pfund
                              Schwefelsäure mit 5 Pfund Wasser und 15 Pfd. Spiritus von 85° Tralles in die
                              im Deckel befindliche Oeffnung nachgegossen. Das in das Kühlfaß führende Rohr setzt
                              man rasch auf und verkittet auch hier alle Fugen. Ein passendes Gefäß zum Auffangen
                              des Destillates wurde schon im Anfang vorgelegt, damit die Destillation ohne Verzug
                              beginnen kann. Man leitet, wenn Alles so weit hergerichtet, durch ein seitlich am
                              Boden des Destillirapparates angebrachtes Dampfrohr mit passender Bleispitze einen
                              starken Dampfstrom in den Apparat, hört aber sofort mit dem Einleiten des Dampfes
                              auf, so wie die Außenwände und namentlich der Deckel des Aparates heiß werden. Schon
                              nach wenigen Augenblicken beginnt die Destillation. Die ersten Antheile des
                              Destillates – etwa ein halbes Pfund – fängt man für sich auf, weil sie
                              größtentheils aus unverändertem Weingeist bestehen; erst ein aromatischer, scharfer,
                              an Arrack erinnernder Geruch' sowie ölartige Streifen, welche in der Vorlage auftreten, zeigen
                              den Anfang der eigentlichen Aetherbildung an.
                           Ist die Destillation erst einmal im Gange, so ist jeder weitere Dampfzutritt
                              unnöthig, ja sogar schädlich. Die Wärme, welche bei der in dem Apparat
                              stattfindenden Zersetzung auftritt, genügt um den Aether sämmtlich überzutreiben.
                              Erst wenn der Aether tropfenweise und langsam zu destilliren anfängt, gibt man einen
                              schwachen Dampfstrom hinzu, entfernt jedoch die Vorlage, um das jetzt folgende
                              Destillat für sich aufzufangen. Die freiwillig abdestillirte Flüssigkeit ist der
                              Ameisenäther des Handels. Das darauf folgende Destillat, welches bei schwachem
                              Dampfzutritt übergeht, wird nur so lange aufgefangen, als das Destillat
                              40–50° Tralles zeigt und kann – wenn es angenehm von Geruch und
                              Geschmack ist-, der Hauptmasse des Aethers zugemischt werden.
                           Erst gegen Ende der Destillation läßt man den Dampf stärker zutreten; das Destillat,
                              welches stark sauer schmeckt und nur schwach weingeistig riecht, enthält viel freie
                              Ameisensäure. Man destillirt so lange, bis nur 2–3 Proc. Säure mehr
                              auftreten. Ein einfacher Titrirversuch läßt diesen Punkt erkennen.
                           Sobald die Destillation so weit gediehen, unterdrückt man sie, spült den Apparat mit
                              kaltem Wasser aus und füllt ihn wieder in der angegebenen Weise.
                           Man kann an einem Tage mit Bequemlichkeit 6–7 solche Destillationen ausführen,
                              und da jede Destillation eine Ausbeute von circa
                              14–16 Pfund Ameisenäther gibt, so ist es möglich 80–100 Pfund
                              Ameisenäther an einem Tage zu erhalten.
                           Das letzte saure Destillat wird mit Kalkmilch oder besser mit Soda neutralisirt,
                              abgedampft und als rohes ameisensaures Natron aufbewahrt. Durch Umkrystallisiren,
                              Behandeln der Lauge mit Knochenkohle etc. kann man reines ameisensaure Natron und
                              aus diesem weitere ameisensaure Salze erhalten.