| Titel: | Ueber die Ermittelung geringer Mengen von Festkörpern; von J. Nicklès. | 
| Fundstelle: | Band 181, Jahrgang 1866, Nr. CXV., S. 462 | 
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                        CXV.
                        Ueber die Ermittelung geringer Mengen von
                           Festkörpern; von J.
                              Nicklès.
                        Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
                                 Muhlhouse, t. XXXVI p. 172; April 1866.
                        Nicklès, über Ermittelung geringer Mengen von
                           Festkörpern.
                        
                     
                        
                           Wirft man kleine Stückchen von Kampher auf reines Wasser, so gerathen sie meistens in
                              Bewegung; jedes einzelne Stückchen dreht sich mit größerer oder geringerer
                              Geschwindigkeit und mit mehr oder weniger unregelmäßigen Bewegungen um sich selbst
                              und verschwindet allmählich, indem es sich im Wasser löst.
                           Diese zuerst im vorigen Jahrhunderte von Romieu
                              beobachtete Erscheinung machte Dutrochet zum Gegenstande
                              einer Reihe von Untersuchungen, wobei dieser Forscher die von ihm sogen. epipoliche Kraft entdeckt zu haben glaubt.Comptes rendus, t. XII p. 2, 29, 126, 598; t. XIV p. 382; t. XVI p. 610. Seiner Angabe nach verflüchtigt sich nämlich Kampher auf Wasser rascher, als
                              wenn er auf einem festen Körper liegt; der entstandene Dampf löst sich im Wasser und
                              veranlaßt dabei eine Entwickelung von Wärme, und dieß wäre die wahre Ursache der
                              kreisförmigen Bewegung.
                           Nach der Ansicht Anderer (z.B. Venturi) rührt diese
                              Bewegung daher, daß der Kampher sich löst oder sich verflüchtigt; dadurch werde eine mechanische
                              Reaction und in Folge derselben eine derjenigen des hydraulischen Drehkreuzes
                              vergleichbare Bewegung hervorgebracht.
                           Da aber nicht alle löslichen Körper jene Erscheinung erzeugen, so ist diese Erklärung
                              augenscheinlich ungenügend. Abgesehen davon, ist es Thatsache, daß die Bewegung des
                              Kamphers durch die Gegenwart eines Fettkörpers augenblicklich unterbrochen und
                              gehindert wird; auch entsteht sie nicht in einem fettigen Glase, ebenso wenig wenn
                              die Kampherstückchen vorher mit fettigen Fingern berührt waren. Daher rührt denn
                              auch das ziemlich häufige Mißlingen des Versuches, in Folge dessen viele Lehrer
                              denselben als sehr unsicher betrachten und daher in ihren Vorträgen nicht
                              anstellen.
                           Hoffentlich wird die vorliegende Mittheilung dazu dienen, diese Unsicherheit zu
                              beseitigen; denn ich werde im Nachstehenden die Vorsichtsmaßregeln angeben, durch
                              deren Beobachtung das Gelingen dieses Versuches gesichert wird, welcher nicht allein
                              interessant ist, sondern auch der theoretischen und der praktischen Chemie Dienste
                              zu leisten vermag.
                           Die paralysirende oder hemmende Wirkung der Fettkörper geht so weit, daß man nur
                              einen vorher durch das Haupthaar gezogenen Glasstab in die Flüssigkeit zu tauchen
                              braucht; die Bewegung hört augenblicklich auf, offenbar durch die Vermittelung der
                              geringen Menge Fett, welche sich an den Stab angesetzt hat und indem es sich um die
                              Kamphertheilchen legt, dieselben außer unmittelbare Berührung mit dem Wasser
                              bringt.
                           Diese i. J. 1801 von Benedict Prévost
                              Annales de chimie et de physique, t. XXI p. 255; t. XXIV; t. XL. entdeckte Thatsache ist vor Kurzem von Lightfoot
                              Journal de pharmacie et de chimie, t. XLV p. 105. zur Ermittelung geringer, möglicherweise in einem Wasser enthaltener Mengen
                              von Fettkörpern angewendet worden, und zwar bei Gelegenheit eines Rechtsstreites,
                              bei welchem es sich um die Nachweisung einer ganz geringen Menge von Fettsubstanz in
                              dem zur Türkischrothfärberei benutzten Wasser eines Teiches handelte.
                           Die Anwendung der gewöhnlichen Untersuchungsmethoden hatte in diesem Falle zu einem
                              entscheidenden Resultate nicht geführt; bloß beim Färben selbst ergab sich die
                              Gegenwart von Fett aus den auf den Zeugen entstandenen Flecken. Dieselbe wurde dann
                              durch Prévost's Versuch bestätigt, denn auf der
                              Oberfläche des aus dem betreffenden Teiche geschöpften Wassers verhielt sich Kampher
                              ganz träge.
                           
                           Ich war in dem Falle, das gleiche Verfahren anzuwenden, wobei ich fand, daß dabei
                              einige Vorsichtsmaßregeln zu beobachten sind, welche ich im Nachstehenden angeben
                              werde.
                           Meinen Beobachtungen zufolge ist die kreiselnde Bewegung um so lebhafter, je kleiner
                              die Oberfläche des Wassers ist. Wenn z.B. die Rotation in einer Abdampfschale oder
                              in einer Schüssel beinahe gleich Null ist, so findet sie in einem Weinglase sehr
                              energisch statt. Der zu dem Versuche anzuwendende Kampher muß mittelst eines ganz
                              reinen Messers in feine Späne verwandelt werden, deren Berührung mit den Fingern man
                              vermeiden muß. Diese Späne läßt man in dem Augenblicke, wo man sie von dem größeren
                              Kampherstücke losschabt, auf das Wasser fallen und macht sie so fein als möglich, da
                              nach meiner Erfahrung die epipolische Bewegung bei ganz kleinen Stückchen weit
                              stärker ist als bei größeren.
                           Bleiben trotz dieser Vorsichtsmaßregeln die Kamphertheilchen träge, so kommt dieß
                              daher, daß ein Fettkörper zugegen ist. Hat man reines Wasser angewendet, so kann das
                              Fett nur von dem Gefäße herrühren, welches, selbst wenn es mit Lauge ausgewaschen
                              worden ist, an den Rändern noch einen schwachen Ueberzug von Fett haben kann; bei
                              Gegenwart von Wasser sondert sich dieser Ueberzug ab und begibt sich auf die
                              Oberfläche des Wassers, daher er jedenfalls beseitigt werden muß, wenn der Versuch
                              gelingen soll.
                           Dieß ist aber weder durch sorgfältiges Auswaschen, noch durch die Anwendung von
                              Laugen so gut und so leicht zu bewerkstelligen, als durch einen einfachen
                              Kunstgriff: man läßt nämlich in das Glas einen Wasserstrahl so lange eintreten, daß
                              die Flüssigkeit eine Zeit lang überläuft; dadurch wird die Fettschicht, welche sich
                              an der Oberfläche zu bilden strebt, fortwährend entfernt, und auf diese Weise lassen
                              sich Gläser, in denen von einem früheren Versuche so viel Fett zurückgeblieben war,
                              daß das Wasser dadurch verunreinigt und die Rotation der Kamphertheilchen verhindert
                              wird, binnen wenigen Secunden vollständig reinigen.
                           Diese Vorsichtsmaßregeln mögen kleinlich erscheinen; allein sie dürfen, sobald es
                              sich um eine Rechtsfrage, um die Ehre oder das Interesse eines Nebenmenschen
                              handelt, durchaus nicht vernachlässigt werden. Ueberdieß kann man stets
                              vergleichsweise verfahren, vorausgesetzt, daß man zu dem Versuch ein hinlänglich
                              geräumiges Glas anwendet; man beginnt nämlich mit reinem Wasser und Kampher, und in
                              diesem Falle muß die kreiselnde Bewegung ganz leicht eintreten; gießt man dann die
                              streitige Flüssigkeit hinzu, so wird man hinsichtlich des Vorhandenseyns oder der
                              Abwesenheit des Fettkörpers sehr bald im Reinen seyn, denn ist ein solcher vorhanden, so hört die
                              epipolische Bewegung plötzlich auf, während sie im entgegengesetzten Falle
                              fortdauert.
                           Der Kampher ist nicht die einzige Substanz, welche die im Vorstehenden besprochenen
                              Erscheinungen zeigt; es gibt deren noch manche andere, unter welchen wir den buttersauren Baryt, Spänchen von Seife (Dutrochet), sowie feine, mit Aether
                              getränkte und vorsichtig auf Wasser gelegte Stückchen Badeschwamm (Biot) anführen. Naphtalin bleibt auf Wasser unbeweglich, auf Quecksilber
                              hingegen bewegt es sich (B. Prevost). Ich selbst fand i.
                              J. 1846 (Comptes rendus, t. XXI p. 285), daß butteressigsaurer Baryt und später
                              (Comptes rendus, t. LVI p. 388), daß auch das Vierfachsalz, welches diese Verbindung bildet, zu
                              den Körpern gehört, bei denen die epipolische Bewegung auftritt.
                           Ebenso verhält sich Zinnbromür und Bromzinnäther (Journal de Pharmacie, t. XXXIX
                              p. 425). Der letztere bewegt sich sogar am Boden des
                              Wassers während er sich auflöst, was bei keinem anderen der bis jetzt bekannten
                              epipolischen Körper der Fall ist, wenn man nicht auch die von Sérullas entdeckten Kaliumlegirungen zu denselben rechnen will,
                              welche sich im Wasser in Folge des sich um sie herum entwickelnden Wasserstoffes
                              bewegen.
                           Die kreiselnden Bewegungen der beiden erstgenannten Verbindungen werden durch
                              Fettkörper augenblicklich gehemmt; dasselbe ist beim buttersauren Baryt der Fall. In
                              dieser Beziehung verhalten sie sich wie Kampher; indessen lassen sie sich nicht
                              ebenso gut wie dieser zur Nachweisung der Gegenwart einer Spur von Fettöl etc.
                              benutzen, weil ihr spec. Gewicht größer ist als das des Wassers und daher die
                              kleinen Stückchen dieser Salze das entschiedene Bestreben zeigen, zu Boden zu
                              sinken. Durch Erhöhung der Dichtigkeit des Wassers läßt sich dieß allerdings
                              verhindern. Ich habe den Versuch wiederholt angestellt, namentlich mit einer
                              gesättigten Lösung von Chlorammonium; auf einer solchen Flüssigkeit schwimmen die
                              gedachten Salze sehr gut und kreiseln, bis sie sich gelöst haben; allein dessen
                              ungeachtet eignet sich der Kampher zu chemischen Schiedsproben doch besser,
                              einerseits weil diese Substanz überall leicht zu haben ist und andererseits weil er
                              in Folge seines geringen specifischen Gewichtes die Anwendung von reinem, keinen
                              fremden Körper enthaltendem Wasser gestattet.