| Titel: | Das Snider-Enfield-Gewehr und seine momentanen Mißerfolge. | 
| Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XXIX., S. 126 | 
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                        XXIX.
                        Das Snider-Enfield-Gewehr und seine momentanen Mißerfolge.
                        Das Snider-Enfield-Gewehr und seine momentanen
                           								Mißerfolge.
                        
                     
                        
                           Uebereinstimmend mit der in deutschen Zeitungen z.B. der Augsburger Allgemeinen
                              									Zeitung vom 1. März d. J. enthaltenen Mittheilung über das Ergebniß der neuesten
                              									Schießversuche, denen das Snider-Enfield-Gewehr zu Aldershot unterworfen wurde, sowie mit
                              									den darauf bezüglichen englischen Parlamentsverhandlungen desselben Tages, den
                              									jetzigen Standpunkt der dortigen Infanteriebewaffnung betreffend, bringt der zu
                              									London erscheinende Engineer vom 1. März 1867 d. J. einen der Army and Navy
                                    											Gazette entnommenen Artikel „über die Snider-Büchse“, worin es heißt:
                           
                              „Wir bedauern, von authentischer Seite erfahren zu müssen, daß die nach
                                 											Snider's Hinterladungsgewehr-Modell
                                 										umgeänderten Enfield-Büchsen bei den kürzlich zu Aldershot durch zwei
                                 										Compagnien des 66sten und 81sten Regiments ausgeführten Schießversuchen, sowohl
                                 										in Bezug auf Treffgenauigkeit als auch auf Raschheit des Schießens keine
                                 										günstigen Resultate ergaben, und daß sich hierbei auch sonst noch manche dieser
                                 										Waffe und deren Munition anhängende Mängel herausgestellt haben. Bei dem
                                 										Präcisionsschießen (firing for accuracy), welches
                                 										auf 500 und 700 Yards Zielentfernung vorgenommen wurde, erhielt man kein eben so
                                 										gutes Trefferbild (figure of merit), als dieses mit
                                 										der früheren Enfield-Büchse, welche dann zum Hinterladungsgewehr
                                 										umgeformt wurde, der Fall gewesen war; theilweise kam hierbei sogar schon auf je
                                 										fünf Schüsse des Mannes ein Scheibenfehler. – Als ein großer Uebelstand
                                 										muß es bezeichnet werden, daß der Mann dabei fast jedesmal, wenn er seine Waffe
                                 										nicht sehr genau überwacht hatte, versichert seyn konnte zu kurz zu schießen.
                                 										– Bei den Schnellfeuer-Schießversuchen (firing for rapidity) brauchte man zur Abgabe von je zehn Schüssen
                                 										nahezu ein Minute und vierzig Secunden, und es erschien das damit zu erhaltende
                                 										Treffer-Resultat als ein sehr geringes. – Sehr häufig machte die
                                 										Beseitigung der Patronenhülse nach dem Schusse große Schwierigkeiten, und
                                 										endlich zersprang auch eine große Anzahl von Patronen, welche dadurch in ihrem
                                 										Feuereffect beeinträchtigt wurden und theilweise deßhalb gar nicht zur Entzündung zu
                                 										bringen waren. – Die bei dieser Gelegenheit zur Anwendung gekommene
                                 										Kugel-Patrone (ball-cartridge) weicht
                                 										von der ursprünglichen Hinterladungsgewehr-Patrone ab, und soll weit
                                 										besser als diese seyn; die Schwierigkeit des Patronenhülsen-Ausziehens
                                 										und das zeitweilig vorgekommene Bersten beziehungsweise Nichtexplodiren der
                                 										Patronen muß also der unvollkommenen Waffen-Construction zugeschrieben
                                 										werden.“
                              
                           Gegen den Schlußsatz dieses von der Army and Navy Gazette
                              									gelieferten Artikels ist vom Standpunkte der Wissenschaft aus aber offenbar
                              									Verwahrung einzulegen, denn diese weist einmal den großen Einfluß nach, welchen auch
                              									bei den besten Waffen die Wahl der Kugel und überhaupt die Herstellung der Munition
                              									auf deren Schießergebnisse hat, in welcher Beziehung als besonders lehrreich z.B.
                              									die Geschichte des preußischen Zündnadelgewehres zu bezeichnen ist, dessen jetzt so
                              									vorzügliche Treffresultate in einer sehr innigen Beziehung mit der Einführung des
                              									preußischen Langbleies und mit der unwandelbar zuverlässigen Anfertigung seiner
                              									Patronenspiegel stehen, und zweitens liefert die Gewehrkunde auch den Beweis, daß
                              									das Lefaucheux'sche Princip, die
                              									Verschluß-Liderung der Hinterladungsgewehre durch Anwendung von mit
                              									Metallböden versehenen Patronen bei jedem Schusse sich erneuern zu lassen, ein, von
                              									der Geldfrage abgesehen, an sich sehr zu empfehlendes ist, was in neuester Zeit
                              									wieder durch die Ergebnisse der Wiener und Aarauer Schießversuche mit, von der
                              									Regierung der Vereinigten Staaten bereits für sämmtliche Hinterladungsgewehre ihrer
                              									Armee adoptirten Metallkapsel-Patronen verschiedenen Modells dargethan wurde.
                              									– Es liegt bei dem in Rede stehenden Falle also gar kein Grund zu der Annahme
                              									vor, daß das Prittchet-Enfield-Vorderladungsgewehr, welches mit seinem sehr
                              									rationell construirten und durchaus zuverlässigen Prittchet-Geschoß früher so sehr gute Treff-Resultate
                              									lieferte, nur lediglich deßhalb keine Präcisionswasse mehr seyn solle, weil es von
                              										Snider in einer durchaus den gegebenen Umständen
                              									angemessenen, rasch auszuführenden, billigen und zuverlässigen Weise zum Snider-Enfield-Hinterladungsgewehr
                              									umgestaltet worden ist, wobei dem so eben Gesagten zu Folge, nicht ohne die
                              									dringendste Nothwendigkeit davon abgegangen werden sollte, dieses Gewehr ein mit dem
                              										Prittchet-Geschoß ausgerüstetes Snider-Enfield-Hinterladungsgewehr bleiben
                              									zu lassen und somit den von Oberst Boxer betretenen Weg
                              									festzuhalten, der, soweit hier bekannt ist, in vollkommen sachgemäßer Weise
                              									lediglich dahin gerichtet war, eine ihr Zündungspräparat in sich selbst tragende
                              									Metall-Patronenhülse zu schaffen, welche als würdiges Zwischenglied zwischen
                              									dem bewährten Prittchet-Geschoß und dem rationell construirten
                              										Snider-Verschluß im Stande ist, die Vorzüge
                              									des Enfieldgewehres auch in dessen Form als Hinterladungsgewehr wieder zur Geltung
                              									kommen zu lassen.
                           Daß in England selbst aber auch schon andere Stimmen über diese Angelegenheit laut
                              									werden, beweist zunächst eine „über die Snider-Büchse“ erschienene Mittheilung im Mechanics' Magazine vom 1. März, worin gesagt ist:
                           
                              „Hinsichtlich der dem umgeänderten Enfieldgewehr neuerdings dienstlich
                                 										zugetheilten Munition sind gar manche und sich theilweise widersprechende
                                 										Gerüchte in Umlauf gesetzt worden, welche im Allgemeinen jedoch sämmtlich darin
                                 										übereinstimmen, daß weder die Qualität noch die Handhabung dieser Patronen
                                 										befriedigend zu nennen sind. Wir sind jedoch im Stande, das Publicum über diesen
                                 										Gegenstand zu beruhigen. Die Boxer-Patrone so
                                 										wie sie, durch den Oberst Boxer vom königl. Arsenal
                                 										verbessert, zuerst in Anwendung kam, erfüllte alle an sie zu stellenden
                                 										Anforderungen in einer bewundernswerthen Weise. Weil man nun zwei Arten von
                                 										Dienstmodellen des Enfield-Gewehres, ein langes und ein kurzes besitzt,
                                 										so wurde es nothwendig auch zwei Arten von Munition für dieselben zu haben,
                                 										denen man als technische Bezeichnung die Nummern 2 und 3 gab. – Nr. 2
                                 										zeigte sich dem kurzen Enfieldgewehr, aber nicht dem langen entsprechend, und
                                 										Nr. 3 wurde für das lange, aber nicht für das kurze Enfieldgewehr gut befunden.
                                 										– Erstere Patronenart gab man consequenter Weise dem 60sten Regiment und
                                 										der Büchsenschützen-Brigade, die zweite Patronenart aber den anderen
                                 										Infanterie-Regimentern. Die Munition Nr. 2 sagte dem umgeänderten Gewehre
                                 										besser zu, als dieses mit der alten Munition der nicht umgeänderten Büchse der
                                 										Fall gewesen war, und die Munitionsverschiedenheit wird natürlich wieder
                                 										aufhören, sobald die ganze Armee mit einem und demselben Gewehr bewaffnet seyn
                                 										wird. – Die erste, bei den von Oberst Boxer
                                 										selbst angestellten Versuchen verwendeten Patronen waren in jeder Hinsicht
                                 										vorzüglich zu nennen, und erwiesen sich als allen anderen Dienst-Patronen
                                 										überlegen. – Ebenso sorgfältig angefertigte Patronen geben auch jetzt
                                 										noch vorzügliche Schießresultate, wenn sie mit den in der Gewehrfabrik zu
                                 										Enfield umgeänderten Gewehren verwendet werden. – Nach Annahme der
                                 										betreffenden Munitionsart wurde es sofort nothwendig, Maschinen zur
                                 										Massen-Production derselben aufzustellen, aber das damit erreichte
                                 										Resultat ist bisher noch nicht befriedigend zu nennen. – Die Maschinen
                                 										mögen wohl noch der Verbesserung bedürfen, und die zur Fabrication angestellten
                                 										Knaben und Mädchen nicht schon die genügende Uebung haben, wie denn auch die
                                 										dabei zu übende Aufsicht nicht streng genug seyn kann. Ist nach diesen
                                 										Richtungen hin erst einmal volle Abhülfe verschafft, so werden die mit den
                                 										genannten Patronen zu erhaltenden Schießresultate unzweifelhaft wieder ebenso
                                 										gut ausfallen als die früheren, und als sie es den Grundsätzen und den
                                 										Einzelheiten der Construction dieser Patronen nach seyn müssen, denn über die
                                 										umgeänderte Waffe selbst sprechen sich alle aus den Quartieren der
                                 										Infanterie-Schießinstructoren einlaufenden Berichte sehr günstig
                                 										aus.“
                              
                           Berlin, im März 1867.
                           Darapsky,     Major im
                              									Generalstabe.