| Titel: | Technisch-chemische Notizen; von Dr. R. Brimmeyr. | 
| Autor: | R. Brimmeyr | 
| Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. XXXVI., S. 145 | 
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                        XXXVI.
                        Technisch-chemische Notizen; von Dr.
                           									R. Brimmeyr.
                        (Fortsetzung von Bd. CLXXIX S. 398.)
                        Brimmeyr, über Benutzung der Rückstände der
                           								Fuchsinfabrication.
                        
                     
                        
                           IV. Ueber die Benutzung der Rückstände
                                 										der Fuchsinfabrication und die Regeneration der Arsensäure.
                           Seitdem die Industrie der Anilinderivate in ihrer Vervollkommnung einen gewissen Grad
                              									von Abschluß erreicht hat und in großartigem Maaßstabe betrieben wird und werden
                              									muß, um lohnend zu seyn, ist es endlich an der Zeit, den Rückständen der
                              									Fuchsinfabrication und den dabei ganz unbenutzt abfallenden Arsenverbindungen mehr
                              									Aufmerksamkeit zu schenken. Die Frage bietet ein doppeltes Interesse dar, und zwei
                              									sich manchmal widersprechende Gesichtspunkte, die Wahrung der öffentlichen
                              									Gesundheit und das Sonderinteresse des Fabrikanten, müssen in ihrer Vereinigung eine
                              									genügende Lösung finden.
                           Die Gefahren, welche durch die Anhäufung einer so giftigen Substanz wie das Arsen
                              									entstehen, erfordern daß man im Interesse der Umgebung der Fuchsinfabriken auf ein
                              									Mittel sinne, dasselbe vollkommen unschädlich zu machen.
                              									Wie ich in einer früheren Abhandlung (in diesem Journal Bd. CLXXIX S. 388) gezeigt habe, läßt das,
                              									was bis jetzt in dieser Hinsicht geschehen ist, noch viel zu wünschen übrig,
                              									obgleich durch die zunehmende Concurrenz, welche eine allmähliche Verdrängung der
                              									kleineren Industrie durch die große zur Folge hat, die Gefahr auf wenige
                              									Mittelpunkte beschränkt wird.
                           
                           Was den zweiten Punkt der berührten Frage betrifft, so liegt es in der Natur der
                              									Sache, daß das Sinken der Fuchsinpreise und die in Folge des ungeheuren Bedarfs in
                              									Aussicht stehende Erhöhung der Arsenpreise, Versuche zur Erzielung einer rationellen
                              									Verwerthung der Rückstände und einer etwaigen Regeneration der Arsensäure
                              									veranlassen werden. Drei für Frankreich patentirte Verfahrungsarten zu diesem Zwecke
                              									wollen wir im Folgenden hinsichtlich ihres praktischen Werthes besprechen.
                           Verfahren von Stopp. – 100 Kilogr. Rückstände
                              									werden mit Salzsäure in wandelbarer Menge (70 bis 80 Kil.) behandelt. Der unlösliche
                              									Theil wird mit Wasser ausgewaschen und mit Salpetersäure behandelt, welche ein
                              									unlösliches Anilinschwarz zurückläßt und beim Erkalten Krystalle eines gelben
                              									Farbstoffes absetzt; man kann diesen auch in Teigform durch Zusatz von kaltem Wasser
                              									zur heißen Lösung erhalten.
                           Die salzsaure Lösung gibt durch Sättigen mit kohlensaurem Natron einen dunkelgrünen
                              									Niederschlag, während die klare Flüssigkeit eine Mischung von arsensaurem und
                              									arsenigsaurem Natron enthält. Letztere wird mit Kalk versetzt und der dadurch
                              									entstehende Niederschlag mittelst Schwefelsäure zersetzt, welcher man etwas
                              									Salpetersäure zugibt, um die arsenige Säure zu oxydiren; auf diese Art wird alle, in
                              									den Rückständen enthaltene arsenige Säure wieder in Arsensäure umgewandelt.
                           Was den grünen Niederschlag oder vielmehr Absatz betrifft, so gibt derselbe durch
                              									Auskochen mit Wasser noch etwas krystallisirbares Fuchsin; durch eine weitere
                              									Behandlung mit ammoniakalischem, etwas Seife enthaltenden Wasser erhält man einen
                              									prächtigen hochrothen Farbstoff. Löst man ihn hingegen
                              									von Neuem in Salzsäure, so hat man eine veilchenblaue Farbe, welche zwar nicht
                              									schön, aber ächt ist, und ein damit gefärbter Zeug nimmt in einer schwachen Lösung
                              									von übermangansaurem Kali einen kastanienbraunen Ton
                              									an.
                           Verfahren von Tabourin und Lemaire. – Bei der
                              									Behandlung der Rohschmelze aus Anilin und Arsensäure bleibt ein fester Rückstand,
                              									welcher zum größten Theil aus Harz (?) besteht, und ein flüssiger von arsenhaltigen
                              									Mutterlaugen, welche man als concentrirte, mittelstarke und schwache
                              									unterscheidet.
                           Die concentrirten und mittelstarken Luggen werden durch Aetzkalk zersetzt; die durch
                              									diese Behandlung entstehende Masse wird gepulvert und mit Kohle geglüht; das
                              									reducirte Arsen entweicht und verbrennt in glühenden Oefen; die gebildete arsenige
                              									Säure wird gesammelt und durch Königswasser zu Arsensäure oxydirt.
                           Der feste Rückstand wird einfach verbrannt; die Harze liefern den Kohlenstoff.
                           
                           Die schwachen Mutterlaugen werden mit einer Mischung von Kalkmilch und Manganchlorür
                              									behandelt; dieses letztere dient zur Reduction der Arsensäure; es bildet sich ein
                              									Niederschlag von arsenigsaurem Kalk, welcher getrocknet und geglüht ebenfalls
                              									arsenige Säure gibt.
                           Verfahren von Randu u. Comp. – Die Rückstände
                              									werden einfach in einem Kohksofen geglüht, welcher in besondere Kammern mündet,
                              									worin sich die arsenige Säure condensirt; man sammelt sie und sublimirt sie in
                              									gußeisernen Retorten.
                           Um metallisches Arsenik zu erhalten, fügt man zu den Rückständen eine gewisse Menge
                              									Kohlenpulver, wodurch das Arsen reducirt wird und sich verflüchtigt. Man kann es auf
                              									bekannte Weise in arsenige Säure verwandeln.
                           Soweit die Patente, welche, beiläufig bemerkt, keine neue Idee oder neue Anwendung
                              									bekannter Mittel zur Erreichung eines industriellen Resultates enthalten.
                           Das Verfahren von Stopp berücksichtigt nur die festen
                              									Rückstände der Fuchsinfabrication und trägt den Mutterlaugen, welche das meiste
                              									Arsen enthalten, keine Rechnung; oder soll durch diese Behandlungsweise vielleicht
                              									die sogenannte Rohschmelze in's Auge gefaßt seyn, was alsdann die Sache etwas
                              									praktischer erscheinen ließe? Dann würde das Patent aber nicht mehr auf eine
                              									Behandlung der Rückstände lauten, sondern auf Manipulationen, denen die Rohschmelze
                              									von Anfang an in den Fabriken unterworfen wurde, um daraus den Farbstoff zu ziehen
                              									und die Säuren des Arsens einigermaßen wieder zu verwerthen, wie ich in oben
                              									erwähnter Abhandlung schon vorgeschlagen habe.
                           Was die eigentlichen Rückstände betrifft, so rühren sie von einer Behandlung der
                              									Rohschmelze entweder mit Salzsäure oder mit Kochsalz und Wasser her. Im ersteren
                              									Falle bleiben als Rückstand 10 Procent eines humusartigen Pulvers, welches an
                              									Alkohol noch eine sehr geringe Menge eines schmutzigblauen Farbstoffes abgibt,
                              									während alle Arsensäure und der bei weitem größte Theil der arsenigen Säure in
                              									Lösung gehen. Die übrigen Farbstoffe, worunter der prächtig hochrothe (?), finden
                              									sich in dem durch Sättigung mit kohlensaurem Natron abgeschiedenen Kuchen.
                           Die von Stopp gefundenen, chamäleonartigen Farbstoffe sind
                              									aber der Qualität und Quantität nach offenbar nur geeignet, um Geld, Zeit und Mühe
                              									eines speculativen Fabrikanten zu verschlingen.
                           Das Verbrennen ist, wie auch Lemaire und Tabourin angeben, die billigste Verwerthung eines solchen
                              									Rückstandes. – Im zweiten Falle, nämlich Abkochen der Rohschmelze mit
                              									Kochsalz nebst etwas Wasser und Erkaltenlassen, bekommt man einen Kuchen, welcher,
                              									im Gewicht ungefähr 50–60 Proc. von der Rohmasse betragend, den meisten Farbstoff, etwas
                              									arsenige Säure und den unlöslichen Rückstand enthält. Nach dem Ausziehen mit Wasser
                              									ohne Säure verbleiben 18–20 Proc. violettblauen Farbstoffes und schwarzen
                              									Rückstandes. In Lösung gehen 52 Proc. arsenige und Arsensäure, also beinahe die
                              									ganze Menge der angewandten, wenn man die in der Schmelze enthaltene zu 56–58
                              									Proc. berechnet.
                           Zur Wiedergewinnung der gelösten arsenigen und Arsensäure ist das von Tabourin und Lemaire
                              									vorgeschlagene Verfahren nur zum Theil dienlich, indem der Zusatz von Kalk nicht
                              									hinreicht um alle gelöste arsenige Säure zu fällen, es sey denn, daß man so viel
                              									zufüge, als nöthig ist um alles Wasser zu absorbiren. Ich nehme an, daß Tabourin und Lemaire unter den
                              									Mutterlaugen, die von der Behandlung der Rohschmelze mit Wasser (ohne irgendwelche
                              									Zuthat) herrührenden Flüssigkeiten verstehen; dann ist aber nicht zu vergessen, daß
                              									die concentrirten Waschwässer, außer einer erheblichen
                              									Menge Anilin (2 Proc. vom Gewicht der Rohschmelze) auch Farbstoff enthalten, der auf
                              									billige Weise noch gewonnen werden kann. Das Anilin kann durch Destillation wieder
                              									erhalten werden, der Farbstoff geht verloren, wenn der Fabrikant in der Calcination
                              									der Rückstände eine vortheilhaftere Kompensation findet. Die weitere Behandlung der
                              									mittelstarken und schwachen Mutterlaugen mit Kalkmilch und Manganchlorür leidet an
                              									dem Uebel unvollständiger Fällung der arsenigen Säure, wenn die Operation kalt
                              									ausgeführt wird, und kostspieliger Behandlung großer Flüssigkeitsmengen wenn
                              									Siedhitze angewendet werden muß. Trotz mancher Mängel kann man aber dem Verfahren
                              									von Tabourin und Lemaire nicht
                              									abstreiten, daß es das einzige ist, welches die Gesammtheit der bei der Fabrication
                              									abfallenden Rückstände in Betracht zieht. – Bei einiger Sachkenntniß erräth
                              									man leicht, daß die drei Patentträger Producte verschiedener Behandlungsweisen der
                              									Rohschmelze im Auge hatten, und daher ihren Methoden keine allgemeine Gültigkeit
                              									zukommen kann.
                           Das Verfahren von Randu u. Comp. ist nur dann anwendbar,
                              									wenn die Sättigung der wässerigen oder sauren Lösung mit Kreide- oder
                              									Marmorpulver vorgenommen wird.