| Titel: | Ueber das Glas; von L. Clemandot. | 
| Fundstelle: | Band 184, Jahrgang 1867, Nr. LXIX., S. 327 | 
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                        LXIX.
                        Ueber das Glas; von L. Clemandot.
                        Aus den Comptes rendus, t. LXIV p. 415; März
                              								1867.
                        Clemandot, über das Glas.
                        
                     
                        
                           Veranlaßt durch Pelouze's
                              									neueste Arbeit über das Glas, hat Bontemps der Akademie
                              									mehrere Bemerkungen eingesandt, welche den Beweis liefern sollen, daß die Entglasung des Glases nicht durch die Kieselsäure, sondern durch den Kalk verursacht wird.
                           Als alter Glashüttenmann erlaube ich mir, über die interessante Frage, um welche es
                              									sich handelt, meine Erfahrungen mitzutheilen, und der Akademie eine Beobachtung zu
                              									unterbreiten, welche mir beweist, daß die Entglasung unter gewissen Umständen bloß
                              									durch einen Ueberschuß von Kieselsäure hervorgerufen werden kann.
                           
                           In der Absicht, für optische Zwecke ein Crownglas von sehr einfacher Zusammensetzung
                              									und daher wahrscheinlich von großem Zerstreuungsvermögen zu fabriciren, stellte ich
                              									ein Glas nur aus Kieselsäure und Natron, ohne Kalk, mit sehr großem Ueberschuß von Kieselsäure dar; die
                              									angewandten Mengenverhältnisse sind mir aber nicht mehr zur Hand. Nachdem dieser
                              									Satz sehr lange einer sehr hohen Temperatur ausgesetzt gewesen, war er vollständig
                              									geschmolzen. Hierauf nahm ich, während der stärksten
                                 										Hitze, eine Probe durchsichtigen Glases aus dem Hafen, welche ich über zehn
                              									Jahre lang aufbewahrte, ohne daß es in dieser langen Zeit die geringste Veränderung
                              									zeigte; die im Hafen gebliebene Glasmasse aber, welche ich ganz langsam erkalten
                              									ließ, entglaste sich vollständig und wurde zu einer undurchsichtigen, weißen, dem
                              									Feldspath ähnlichen Masse, welche, an der Luft sich selbst überlassen, Feuchtigkeit
                              									anzog, und wie ein gewöhnliches Natronsalz – wie Soda, Glaubersalz,
                              									phosphorsaures Natron – verwitterte und zerfiel, während, wie schon bemerkt,
                              									dasselbe Glas, wenn es rasch erkaltete, viele Jahre lang ganz unversehrt blieb.
                           Aus diesem Versuche läßt sich sicherlich folgern, daß selbst ein kalkfreies Glas sich entglasen kann, und daß in dem
                              									besprochenen Falle die Entglasung durch überschüssige
                                 										Kieselsäure hervorgerufen wurde. Demnach hat Pelouze meiner Ansicht nach, der Praxis einen wahrhaften Dienst geleistet,
                              									indem er das Vorurtheil der Glasfabrikanten zu zerstören suchte, daß ein Glas um so dauerhafter sey, je mehr Kieselsäure es
                                 										enthalte. Ich ziehe aus meinem Versuche den weiteren Schluß, daß zur
                              									Bildung eines wirklichen Glases entweder ein Doppelsilicat von Alkali und
                              									Leichtmetalloxyd oder Erde (gewöhnliches Glas), oder ein Doppelsilicat von Alkali
                              									und Schwermetalloxyd (Krystallglas) erforderlich ist.
                           Ferner ist meiner Ueberzeugung nach ein Glas um so dauerhafter und widerstandsfähiger
                              									gegen die Einflüsse der Luft, der Atmosphärilien etc., je
                                 										complicirter seine Zusammensetzung ist, eine je größere Anzahl
                              									verschiedener Basen es enthält.
                           Bezüglich Bontemps' Behauptung muß ich mich dahin
                              									aussprechen, daß die Entglasung eines zu viel Kalk enthaltenden Glases allerdings
                              									von einem Ueberschusse an Kalk bedingt seyn, daß dieselbe aber eben so gut von
                              									überschüssiger Kieselsäure, von überschüssigem Alkali, selbst von überschüssigem
                              									Bleioxyd, kurz von jeder Substanz herrühren kann, welche dem Satze in solcher Menge
                              									zugesetzt worden ist, daß sie von diesem beim Schmelzen nicht mehr aufgenommen
                              									wird.